Dienstag, 27. Oktober 2009

Ponkie, die Abendzeitung und Geschichten, die leicht zu erklären sind

„Ponkie sieht fern“ und wenn die Grande Dame der deutschen Film- und Fernsehkritik dann auch noch darüber schreibt, lesen wir es gern. Früher saßen wir sogar noch zeitgleich vor dem braunen Kasten, es gab weniger Programme, keine technischen Hilfsmittel, und so wie wir uns am nächsten Tag in der Schule oder am Arbeitsplatz über „Wünsch Dir was“, Schimanski oder „Berlin Alexanderplatz“ unterhielten, fieberten wir auch dem übernächsten Tag entgegen, wenn Ponkie uns erst – den Andruckzeiten geschuldet – ihre Sicht der Dinge unterbreiten konnte, die selbst zwei Tage nach der Ausstrahlung und einen Tag, nachdem wir ausgiebigst das Fernsehereignis durchgehechelt hatten, immer noch, immer wieder neue Aspekte des Gesehenen, um nicht zu sagen: des Geschehenen, eröffnete.
Dann wurden der Videorekorder, die DVD erfunden, und Ponkie saß nicht mehr gleichzeitig wie wir vor den zunehmend flacher wie bunter gewordenen Fernsehgeräten, sie schrieb auch nicht mehr so viel, aber immer noch Gewichtiges. Insofern lag natürlich auch keine Geschichte, die nicht zu erklären wäre, vor, als die heutige „Abendzeitung“ in ihrer gestrigen Frühausgabe bereits kurz nach 19 Uhr Ponkies Fernsehkritik zu „Der Tote im Spreewald“ veröffentlichte, den das ZDF erst über eine Stunde später ausstrahlen sollte.
„So schnell ist Print“, mokierte ich mich in einem Tweet. Ponkie bekäme solche Highlights vorab als DVD zugesandt, rechtfertigte sich die AZ stante pede recht humorlos wie konspirativ: per Direct Message.
Und doch: Wieso kein von Ponkie geadelter Filmtip am Tag zuvor, der dem herausragenden Fernsehstück nur mehr Zuschauer beschert hätte? Oder warum nicht noch einen Tag gewartet, um die Fernsehkritik zu einem plausiblen Termin abzudrucken?
Betrug oder Lüge wäre sicherlich eine harsche Übertreibung, aber was soll – ganz naiv gefragt – ein durchschnittlicher Leser denken, der in seiner Zeitung die wertende Kritik eines überhaupt erst stattfindenden Ereignisses liest? Wahrscheinlich würde er sich nicht wundern, bei dem Ruf, den die Presse längst hat.
Im eh nicht zu gewinnenden Wettstreit mit der Onlinekonkurrenz betonen Printmedien gern ihre Zuverlässigkeit und Präzision als Gatekeeper an der Rotationsmaschine, vermeintliche Eigenschaften, die jeder anzweifelt, der schon einmal die Ehre hatte, mit Printredaktionen, gerade auch Tageszeitungen zusammenzuarbeiten.
Doch das harmlose Beispiel mit Ponkies visionärer Fernsehkritik zeigt nur, wie leichtfertig man sogar seine besten Namen verheizt, nur um möglichst früh, möglichst schnell am Ball zu sein. Und wer die „Abendzeitung“ regelmäßig liest, weiß, daß das kein Einzelfall ist. Partyreportagen von gelungenen Abenden, obwohl bei Andruck gerade mal die ersten Premierengäste am roten Teppich eintrafen, jubelnde Eventarien zu Veranstaltungen, die noch gar nicht stattgefunden haben, kommen durchaus vor. Und beim Duplizieren von Printbeiträgen online übersieht die Redaktion gern mal, daß die papierne und elektronische Ausgaben an unterschiedlichen Kalendertagen erscheinen, und verheddert sich in den Zeitangaben.

Sonntag, 25. Oktober 2009

Wochenplan

67 bis 61 Tage Bücher, PK Jochen Zeitz, Usain Bolt und Colin Jackson, Buchpräsentation von Eberhard Wolfs „Bergpredigt“/Künstlerhaus, Pokalspiel 1860-Schalke, Lily Allen/Theaterfabrik, Stroke.01 Urban Art Fair, Pressevorführung von Roland Emmerichs „2012“, on3-Lesung/Cord Club, Premiere „Le Clown“/GOP, Artbach

Update: Opening Asia Filmfest mit Screening von „Departures“/Gloria und anschließender Asia Film Night/Match Club

(Foto: Pennie Smith/EMI)

Sonntag, 18. Oktober 2009

Wochenplan

74 bis 68 Tage Bücher, Eröffnung der neuen P1 Bar/Haus der Kunst, Blackberry-Stehrumchen/Köln mit Mike Lazaridis und Tara Reid, FM4 Fest/ Muffatwerk, Ende der Sommerzeit

Samstag, 17. Oktober 2009

Der falsche Zauber von Google

Welcher Webanbieter, ob Blogger, Geschäftsmann oder Journalist, kennt nicht das Aha-erlebnis beim Blick auf die aktuelle Zähleranalyse: „Recent Came From“ besteht nahezu ausschließlich aus Suchanfragen des Giganten aus Mountain View, ob nun nach Images oder Begriffen gegoogelt wurde... Dazu ein paar andere Suchmaschinen (suche.t-online, search.icq), eine Handvoll Blogs, Links aus Emailkonten, aber kaum mal eine redaktionelle Quelle.
Doch warum googeln plötzlich so viele nach den 100 Tagen Bücher? Doch nur, weil mein Buchladen bei Radio Charivari und M94.5 erwähnt worden ist. Letzterer hatte das Thema sogar auf seiner Webseite angekündigt – nur ohne Link! Warum interessieren sich plötzlich Zahllose für den rumänischen Lyriker Caius Dobrescu? Weil sein Buch in der „Süddeutschen Zeitung“ besprochen worden ist. Google verdankt einen beträchtlichen Anteil seiner Suchanfragen den klassischen Medien, ja sie werden geradezu an Google verschleudert, das so scheinbar zum Traffic-Turbo mutiert.
Doch wenn man genauer hinschaut, entpuppt sich der Datenkrake zumindest in dieser Hinsicht wie der Zauberer von Oz als Scheinriese. Wenn die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ unbekanntere Musiker wie Mickey Avalon oder Lykke Li vorstellt, kann man fast davon ausgehen, daß der Artikel erstens gar nicht online steht oder – selbst wenn – keine Videos eingebaut sind, geschweige denn, buh, jetzt kommt der böse Ausdruck, outgoing Links auf die Homepage des Künstlers, weiterführende Artikel anderer Contentanbieter oder die entsprechenden Download-Möglichkeiten der Songs bei Anbietern wie Amazon oder iTunes führen. Kurzum: kein Service!
Ich gehe auf YouTube, wenn ich in die Mucke reinhören will, ich google nach weiteren Informationen, denn jeder heavey user weiß, bei Medien wie der „Süddeutschen Zeitung“ oder „FAZ“ ist das Internet eine Sackgasse. In den Redaktionen herrscht noch die Mentalität des 20. Jahrhunderts als jedes gedruckte Wort mit Gold aufgewogen wurde und die in Aktendeckeln gesammelten, sorgsam auf Paperbögen fixierten und vervielfältigten Pressestimmen Macht widerspiegelten.
Heute zählen dagegen die Internetlinks zuzuordnenden Klicks – weshalb auch plötzlich ein Blog mit seinen paar durchgereichten Usern plötzlich eine letztendlich unangemessene Bedeutung erhält, weil es eben die einzige Trafficquelle neben den Suchmaschinen ist. Und die Warenproduzenten, Händler, Plattenfirmen, Filmverleihe, Buchverlage registrieren so nur, daß Google wieder Interessenten heranschaufelt, ohne auch nur erahnen zu können, wem das rege Interesse nun tatsächlich geschuldet wird. Dabei hätten wir nie gegoogelt, wenn nicht ein Journalist aus Print, Funk und Fernsehen unser Interesse geweckt hätte.

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Wer im Kristallhaus sitzt...

Mit Restaurantkritiken nach nur einem Besuch ist es so eine Sache: Berechtigter Verriß angesichts symptomatischer Mängel oder Zufallstreffer an einem schlechten Tag? Jan Weiler hat sich für die „Abendzeitung“ den Promipizzabäcker H'ugo's in der heutigen Ausgabe vorgenommen („Man kann wohlwollend sagen, dass das H'ugo's den Vergleich mit einem durchschnittlichen Italiener in Unterschleißheim wirklich aushält. Die angeblich wahnsinnig berühmte Pizza ist nicht schlechter als die auf der Reeperbahn oder in der Düsseldorfer Altstadt.“), was nicht ganz ohne ist, da Jan Weiler auch an einem nicht sonderlich proletarischeren Italiener im Dunstkreis des Fürstensees, der Vinoteca Marcipane in Münsing, beteiligt ist, in die ich auch einmal eher zufällig und nicht auf Spesenkonto hineingeraten bin. Während das Essen ganz passabel war, fiel mir doch einiges unangenehm auf: die dicke Staubschicht auf dem zentralen Tisch, ein Koch, der lieber eine Viertelstunde mit Freunden telefoniert, als unser Essen zuzubereiten, und ein Kellner, der zwischendurch vor dem Lokal Autoreifen umlädt und sich erst nach einer lautstarken Anmerkung von uns die Hände wäscht, bevor er unsere Teller serviert. Kann ein unglücklicher Mittag gewesen sein, aber es gibt Details, da will man dann doch lieber nicht noch einmal hin. Gibt ja auch genug Alternativen im Fünfseenland.