Montag, 15. Februar 2010

Todesszene im SZ-Sportteil: Degoutant, unangemessen oder notwendig?

Ein ungeschnittenes Video von Nodar Kumaritaschwilis Todessturz in den öffentlich-rechtlichen Nachrichten, das Sterbebild in der Zeitung, der Wahn ums Schneller, Höher, Weiter macht auch vor den Medien nicht halt. Immer öfter verletzt man die gebotene Distanz und illustriert traurige Nachrichten mit sensationsheischenden Bildern, mit Blut, Leichen und Todesszenen. Glücklicherweise nicht immer ohne Widerspruch, der durchaus auch aus den eigenen Reihen stammt:

„Die Auswahl des Aufmacherfotos im Sportteil der Montag-Ausgabe hat viele Leser gestört oder empört. Auch in der Redaktion wurde kontrovers diskutiert, ob man den georgischen Rodler in den Sekundenbruchteilen vor seinem tödlichen Aufprall gegen einen Metallpfeiler zeigen sollte. Einige Redakteure fanden es unangemessen, mehrere degoutant, andere wiederum notwendig, um sowohl die Dimension des Unfalls als auch seinen Hergang zu zeigen. Im Zusammenhang mit dem zweiten Bild auf der Seite – auf dem die umgebaute Passage der tödlichen Kurve zu sehen war – sollte außerdem erkennbar gemacht werden, welche Maßnahmen (zu spät) ergriffen worden waren, um die Bahn sicherer zu gestalten.“
„In eigener Sache“ der „Süddeutschen Zeitung“ vom 16. Februar 2010

Updates: Twitterer Breisacher, als Gunnar Jans, Sportchef der „Abendzeitung“, die das gleiche Bild wie die „Süddeutsche“ abgedruckt hat, nicht ganz unparteiisch, weist auf ein noch wesentlich widerwärtigeres Bild im Sportteil der „tz“ hin und verteidigt das von ihm und der „SZ“ veröffentlichte Bild als „journalistisch notwendig“, wenn auch „nicht unproblematisch“. Wobei die „AZ“ online ein ähnliches, wenn auch nicht ganz so brutales Motiv von den blutigen Reanimationsmaßnahmen wie die „tz“ veröffentlicht hat.

Die Tagesschau will zwar die Würde des Opfers wahren: „Keine Frage war, dass wir bei ARD aktuell die Bilder des Todes nicht zeigen wollen. Es spielt dabei für uns keine Rolle, ob ARD und ZDF die Bildrechte haben. In unseren Nachrichtensendungen machen wir das nicht.Wir haben nicht den gehenkten Saddam gezeigt, wir haben auf entwürdigende Bilder von geretteten Menschen in Haiti verzichtet, um nur zwei eklatante Beispiele zu nennen, und wir mühen uns immer, von uns selbst gesetzte Grenzen nicht zu überschreiten. Das erspart uns nicht, die Bilder zu beurteilen. Ich habe sie gesehen, ich musste sie mir ansehen, mein Kollege Nadvornik stand in Whistler fast unmittelbar daneben. Es sind schreckliche Bilder, die man unseres Erachtens in einer Nachrichtensendung nicht zeigen sollte, obwohl es sie gab.“
Gleichwohl haben sie mehr oder weniger dieselbe Szene wie die Printkollegen von „Abendzeitung“ und „Süddeutsche“ präsentiert: „Wir haben einen kurzen Augenblick gezeigt, in dem es Nodar Kumaritaschwili aus dem Schlitten hebt. Keine Wiederholung, keine Zeitlupe, auf keinen Fall. Die Frage für uns war: Was muss ich sehen, um die Gefährlichkeit der Bahn beurteilen zu können. Was ist nicht notwendig.“ 

Auf Michael Bienerts Interpretation, die Todesszene störe „das bunte Bild vom ungetrübten Sportfest in Vancouver, das sich Sportsfreunde, Funktionäre und offenbar auch viele Journalisten wünschen“, und ihr Abdruck wäre jetzt also der Inbegriff kritischer Berichterstattung, wäre ich ehrlich gesagt nie gekommen. Auch hier wird offenbar wenig auf den Nachrichteninhalt und die Macht des Wortes gegeben. Findet der „Tod auf der Sportseite“ wirklich nurmehr adäquat statt, wenn man ihn egoshootermäßig präsentiert, um jetzt mal zu polemisieren?

Samstag, 13. Februar 2010

CityDeal kauft Blogger

„Deine Stadt zum halben Preis“ wirbt die Schnäppchenplattform CityDeal – und mein Blog für 50 Euro? Letzte Woche mailte mich Jens Kostulski an, um mich auf eine Gutscheinaktion des Berliner Start-ups hinzuweisen, bei der tausend Gutscheine für Starbucks angeboten werden würden, die fünf Euro wert seien, aber den Besteller nur drei Euro kosten.
Nun ist Kostulski nicht etwa Pressesprecher bei CityDeal, sondern vom Marketing, weshalb seine Nachricht ein unzüchtiges Angebot enthielt: Wenn ich über die Aktion berichte, würde man mich mit 50 Euro dafür honorieren.
Zufälligerweise (?) berichteten zur gleichen Zeit unter anderem Eva Pilareks Genuss-Blog, der Kaffee-Blog Coffee-Culture und viele Schnäppchen-Blogs über ein Angebot der CityDealer, Starbucks-Gutscheine im Wert von 10 respektive 5 Euro für 5 respektive 3 Euro zu erwerben. Alle gut geschmiert?

Update: Laut Gründerszene soll das von dem Samwer-Brüdern gegründete Startup „einfach zum Normalpreis Gutscheine von Starbucks gekauft und viel billiger weiterverkauft haben – ohne, dass ein Deal mit Starbucks bestand. Die Kaffeekette reagierte entsprechend ungehalten, wurde doch auch intensiv mit dem Starbucks-Logo für die Plattform geworben, was schnell den Eindruck über das Bestehen einer Kooperation erwecken konnte. Bei Starbucks wollte man die Gutscheine daher nicht akzeptieren, was dazu führte, dass CityDeal die entsprechenden Gutscheine zum Teil sogar bar auszahlte.“

Wochenplan

Rosenmontag mit Cpt. Schneider / Loft, Kehraus / Stadtcafé, Pressevorführungen „Shutter Island“ und „Ghostwriter“, Premiere von Eckhart Schmidts Dokumentarfilm „Mulholland Drive – Ein Hollywoodmythos“ / Filmmuseum

Montag, 8. Februar 2010

Deef: „Rechercheleistung“ oder Zufallsfund?

„Eigentlich heißt es ja immer, dass das Netz nicht recherchieren kann, aber in diesem Fall beruhen alle heutigen qualitäts-journalistischen Artikel (siehe unten, FAZ und Welt) auf einem Eintrag von Deef Pirmasens' Blogs Gefühlskonserve.“ (Thierry Chervel, Perlen-taucher)
Knapp vorbei ist auch daneben. Natürlich ist Deefs Blogeintrag zu Helene Hegemanns „Axolotl Roadkill“ eine Leistung, aber mit Sicherheit keine Rechercheleistung. Am 3. September trug Deef im Rahmen seiner multimedialen Lesung aus Airens „Strobo“ vor und war dementsprechend gut mit dem Text vertraut. Insofern kein Wunder, daß ihm gewisse Passagen bekannt vorkamen, als er Hegemanns Werk las. Ob er „Axolotl“ nun zufällig las oder – von dem Presseecho aufmerksam gemacht – tatsächlich wissen wollte, wie eine Minderjährige „so glaubhaft“ über seinen Lieblingsclub, den Berghain, schreiben konnte.
Eine Rechercheleistung wäre es gewesen, wenn Deef tatsächlich umfassend „eine Liste von Zitaten und Motiven“ recherchiert hätte, „die Helene Hegemann in #AxolotlRoadkill plagiiert hat“ (Zitat: Deef Pirmasens). Also das Buch Seite für Seite durcharbeitet und mögliche weitere Quellen geprüft hätte, wie sie Hegemann jetzt auch gegenüber dem „BuchMarkt“ nennt: „Maurice Blanchot, Kathy Acker, Pascal Laugier, Jonas Weber Herrera und alle meine Freunde“.
So bleibt es ein Zufallsfund, recht aggressiv, um nicht zu sagen spammäßig von ihm gepusht, was gar nicht nötig gewesen wäre, da so eine Glanzleistung sich von alleine durchgesetzt hätte. Und durch Deefs gewählten Titel „Alles nur geklaut?“ auch recht angreifbar.
Also keine Rechercheleistung, aber deswegen nicht minder bedeutsam, denn Deef Pirmasens hat sich als erster getraut, auf den Makel hinzuweisen, und vor allem bewiesen, wie Blogeinträge aus der zweiten oder gar dritten Reihe Nachrichten setzen können. Dafür gebührt ihm aller Dank.
Auch wenn ich persönlich hoffe, daß daraus jetzt keine Hetzjagd auf eine 17-Jährige erwächst, sondern eine Diskussion über Literatur und dem Umgang mit Texten.

Updates:

„Die Quellenangabe ist für mich ein ästhetisches Problem, wobei ich aber aus ethischen Gründen glaube, dass sie trotzdem richtig ist – das versäumt zu haben, hat also mit reiner Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit zu tun und mit uneingestandenem Narzissmus.“
Helene Hegemann im Interview mit der „Welt“

„Es ist eine Art moderne Beatliteratur, es geht um Sex, Drogen, Traurigkeit und das Chaos des Lebens. Besonders die Beziehung der Protagonistin zu ihrer toten Mutter und die vorkommenden Verlustgefühle beschreibt sie mit starken Worten und wundervoll böse.“
Deef auf sueddeutsche.de über „Axolotl“

„Ich habe unterschiedliche Elemente aus unterschiedlichsten Quellen aufgeschnappt und einfach große Lust gehabt, daraus eine frei erfundene Geschichte zusammenzusetzen – die natürlich auch meine eigenen Hintergründe behandelt und sich an Fragen abarbeitet, die ich mir selber stelle. Das alles dann aufzuschreiben, hat total Spaß gemacht, weil man beim Schreiben Erfahrungen macht, ohne irgendwann die Konsequenzen dafür tragen zu müssen.“
Helene Hegemann in der Verlagsvorschau Frühjahr 2010 des Ullstein-Verlags (pdf)

„Natürlich habe ich das Buch unterschätzt. Vielleicht war ich ungerecht, weil ich kurz vorher 'Naked Lunch' noch einmal gelesen hatte und mir viele Motive deshalb so epigonal erschienen. Kein Zweifel, das Talent der jungen Autorin ist außerordentlich. Vor allem die Lakonie und Komik der Dialoge können beeindrucken, das lässige Hinwerfen filmisch prägnanter Szenen. Die Versiertheit, mit der die Siebzehnjährige die um 1960 von Burroughs eingeführte Cut-up-Methode praktiziert.“
Wolfgang Schneider im boersenblatt.net

„Helene Hegemann, der neue Shootingstar der Literatur, hat abgeschrieben. Na und? Das haben schon ganz andere vor ihr getan. Die Plagiatsdebatte um ihren Roman 'Axolotl Roadkill' ist naiv: Publikum und Kritiker wollen hinter die Errungenschaften der Moderne zurück.“
Daniel Haas auf Spiegel online

„Dass sich Helene Hegemann bei Airen (sowie bei Salinger, Kerouac, Rolf Dieter Brinkmann, Rimbaud und anderen poètes maudits) bedient hat, ist klar. Interessant ist, was sie aus dem Gefundenen und Gelesenen macht. Denn die siebzehnjährige Dichterin ist zwar an Jahren jung, aber in professioneller Hinsicht eine Veteranin. Sie steht am Ende einer langen Tradition des Jungseins in der Literatur. Und sie bedient sich aus dieser Tradition, wo sie nur kann. Sie zapft fremde Erfahrungen an, sie sammelt und exzerpiert, sie durchforscht das Internet nach Texten zu ihrem Thema. Sie zitiert sogar, wenn es ihr passt, den Kirchenvater Eusebius von Cäsarea: 'Wehe dem, der die Hölle jetzt für lächerlich hält und die Hölle erst an sich selbst erfahren muss, ehe er an sie glaubt.' Das Einzige, was die kluge Dichterin Hegemann versäumt hat, ist der Nachweis der Quellen, aus denen ihre Selbsterfahrungsprosa strömt.“
Andreas Kilb in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“

„Ich habe ihren Roman gelesen, es ist genau die Art von Buch, die ich gern lese, aber es wäre auch ohne meine Stellen cool gewesen. (...) Helene Hegemann hat mir nichts getan, sie hat mich nicht angegriffen. Mir fehlt nichts, die Geschichte ist immer noch meine. Dass es jetzt durch diesen Skandal hochkommt, empfinde ich als unangenehm, aber es ist natürlich auch Publicity, ein Bonus, den ich sonst nie gehabt hätte. Ein Opfer? Was die Urheberrechtsverletzung angeht: ja. Helene Hegemann hat sich auf eine ungerechte Art und Weise bereichert, wie es viele Menschen jeden Tag tun, aber nicht auf meine Kosten.“

Airen im „F.A.Z.“-Interview

„Ein Star muss wissen, was cool ist, und dies darstellen und verkörpern können. Und es gehört Rücksichtslosigkeit dazu. Der Star benutzt die ganze Welt als Ressource, nimmt sich mit dem selbstverständlichen Recht des Halbgottes das, was er oder sie glaubt, ihm zustehe.“
Tobias Rapp im „Spiegel“

Und wann präsentiert der „Stern“ auf seiner Titelseite zwanzig prominente Schriftsteller mit der Headline: Wir haben abgeschrieben!

Samstag, 6. Februar 2010

Wochenplan

Vernissage Unbelichtet – Münchner Fotografen im Exil / Jüdisches Museum, Artist's Talk: Ed Ruscha / Haus der Kunst, Aura Dione / 59:1, Pressevorführungen „Ausnahmesituation“, „Coco & Igor“ und „Young Victoria“, Delphic / 59:1, „Metropolis“ / arte


(Foto: Jakob Rosner, KKL / JNF Photography Archive)

Freitag, 5. Februar 2010

Deefs verzweifeltes Heischen um Traffic

So kann man auch Traffic generieren. Die Tagung Social Media im Buchhandel, immerhin gerade auf Platz 1 der trending topics in Deutschland, ausbeuten, indem man einen Tweet mit dem entsprechenden Hashtag markiert, obwohl er inhaltlich nichts dazu beiträgt. Aber vielleicht wollte der zur Veranstaltung angemeldete, aber nicht erschienene Deef wenigstens so partiziperen partizipieren.

Update: Zum Hype um Deefs „Rechercheleistung“

Donnerstag, 4. Februar 2010

Vodafone widerspricht Twitter

Seit heute morgen werden deutsche Twitterer mit dem Hinweis begrüßt, sie könnten über Vodafone Tweets per SMS empfangen.
Doch Vodafone Deutschland widerspricht dem: „Wir bestätigen, dass wir mit Twitter in Gesprächen sind, um twittern per SMS auch in Dtl. möglich zu machen. Noch ist dies aber nicht der Fall.
Die auf Twitter genannte SMS-Nummer ist versehentlich dort gelistet. Sie funktioniert nicht“
, so Carmen Hillebrand.
Und ich muß feststellen, daß es seit heute zumindest für mich nicht mehr möglich ist, wie bisher Tweets via SMS auf Twitter zu veröffentlichen.

Updates: Basic Thinking

Seit etwa zwei Stunden, 16.30 Uhr, kann ich wieder via SMS twittern, aber Twitter wirbt auf seiner Seite um 18.35 Uhr immer noch für die von Vodafone bestrittene Kooperation. Dabei sollte man inzwischen in Kalifornien auch wach geworden sein.







In den Settings hat man aber inzwischen Germany aus der Länderliste gestrichen. Heute morgen stand es noch drin.

Um 18.51 Uhr ist die Vodafone-News von der Twitter-Site entfernt.

Samstag, 30. Januar 2010

Wochenplan

Gewerbeanmeldung, Pressevorführungen „The Book of Eli“, „Zeiten ändern Dich“, „Jerry Cotton“, „From Paris with Love“, Tagung Trust in IT / Sheraton, Vernissage „Man's World“ / Lumas, Vernissage Andreas Pistner: „Untold Stories“ / Baader 7, Tagung Social Web im Buchhandel / Literaturhaus, No Nato Kundgebungen

(Bild: Mila Kunis in „The Book of Eli“/Tobis-Film)

Mittwoch, 27. Januar 2010

Neu: Jetzt mit Werbung!

Als ich im Dezember 2006 hier zu bloggen begann, waren mir zwei Dinge wichtig: Daß dieser Blog bei allem professionellen Anspruch mein Privatvergnügen war, kein auf Effizienz ausgelegtes, scharf konturriertes Angebot, sondern ein Spiegelbild meines Lebens, privat wie beruflich, und somit zu wirr, um wirklich erfolgreich zu sein. Und daß er werbefrei wäre.
Letzteres habe ich soeben geändert. Nicht etwa, weil ich mir davon einen Verdienst erwarte. Ich denke, daß meine Veröffentlichungen hier zu unterschiedlich in ihren Inhalten und Nutzern sind, um daraus nennenswerte Ad-Klicks zu erwirtschaften.
Aber ich habe ein paar andere Blogs in Arbeit, die punktueller ausgerichtet sind und von denen ich mir tatsächlich sogar nennenswerte Einkünfte erwarte (wobei bei meinem Level der letzten Jahre nennenswert bereits im oberen zweistelligen Bereich ansetzt). Und wo böte es sich mehr an, erste Erfahrung mit Online-Anzeigen dafür zu sammeln, als in meinem Blog? Auch wenn es der denkbar schlechteste Zeitpunkt ist, wo Jaron Lanier allerorten auf die böse, böse Internet-Werbung eindrischt.
Dabei bin ich mir durchaus eines Problems mit den hier in den letzten Jahren unter einer CC-Lizenz benutzten Bildern Dritter bewußt: Meist ist die Verwendung dieses Bildmaterial für kommerzielle Zwecke ohne ausdrückliche Genehmigung untersagt. Und da ich nun Anzeigen veröffentliche, könnte man den Tivoli-Blog zurecht kommerziell schimpfen. Von nun an werde ich daher bei jeder neuen Bildnutzung diese Frage klären und es Zug um Zug für die bislang verwendeten Fotos nachholen.

Montag, 25. Januar 2010

Wochenplan

Marc O'Polo Fragrance-Launch, Alt-Schwabing 2.0 / Repüblik, Willi Johanns Quintet feat. Gabor Bolla & Marko Djordjevic / Unterfahrt, Pressevorführungen „Bad Lieutenant“, „Valentinstag“ und „Nothing personal“, Katrin Baumer & Kapinski @ Kellergeister / Lyrik-Kabinett

Sonntag, 24. Januar 2010

Der neue FOCUS: Alter Wein in bunten Schläuchen

Ein gemeinsames „Tagebuch der Chefredakteure“ von Helmut Markwort und Uli Baur zum Einstieg (nach dem Inhaltsverzeichnis und Foto der Woche)? Bevor man auch nur über den aparten Gedanken sinniert, daß sie dann im Laufe des Jahres vielleicht einen flotten Editorial-Dreier mit Wolfram Weimer schöben, platzt die Illusion: Auch das Doppeleditorial bleibt ein One-Night-Stand, eine Ausnahme zum 17. Geburtstag und zur lang erwarteten Rundumerneuerung des „modernen Nachrichtenmagazins“.
Der neue „Focus“ also, seit Monaten beherrschendes Thema im Arabellapark und in den Medienredaktionen, die längst überfällige Neuordnung im Reich des „ersten Journalisten“, der verzweifelte Versuch, ein vormals stattliches Erbe in geordneten Verhältnissen zu übergeben. Uli Bauer hatte neulich bereits dementiert, daß es sich um einen Relaunch handle, Helmut Markwort schreibt nun im Editorial von einer Renovierung, Rebrush träfe es auch ganz gut. Für mich, als nur gelegentlichen „Focus“-Durchblätterer ist kaum ein Unterschied zu erkennen.
Die ironiefreie und jeglichen Diskurses scheinbar unwillige, wenn nicht sogar unfähige Redaktion bleibt ein Reich der Textmarker-Generation, nun auch zusätzlich in der neuen Rubrik „Dechiffriert“, in der einige Aussagen Guido Westerwelles FDP-gelb angemarkert und in Randnotizen erläutert werden.
Das gestern von Jochen Wegner bereits via Twitter verbreitete Inhaltsverzeichnis zeigt, wo es im Erscheinungsbild hingeht. Großzügigere Optik, weniger Freisteller, mehr abfallende Bilder, wie auch das mutig angeschnittene Titelbild des US-Notenbank-Chefs Ben Bernanke andeutet. (Und da der „Spiegel“ seiner morgigen Ausgabe eine DVD über Amerikas Kriege in Korea, Vietnam, Irak und Afghanistan beilegt, steht wohl auch schon fest, wer diese Woche am Kiosk mehr verkaufen wird.)
Der Textanteil escheint mir nicht größer, wenn Artikel großzügiger daher kommen, dann eben aufgrund der opulenteren Optik, während die Inhalte, nun ja... Googles Marissa Mayer seitenlang als „It-Girl der IT-Szene“ zu feiern, ist zwar ein netter Willkommensgruß zum DLD, aber bereits im letzten Jahrhundert selbst von Frauenzeitschriften schon durchexerziert worden.
Und während die Kolleginnen ein Haus weiter unter dem Motto „freundin tut es“ früher erzählten, wie sich Redakteurinnen auf ein neues Gebiet wagten, heißt die Rubrik bei „Focus“ nun „Selbstversuch“. Zum Auftakt verrät Gregor Dolak, wie er sich als Dirigent der Jungen Sinfonie Berlin versucht hat, und gerade bei dem Thema hätte man sich ein paar reportagige Fotos statt eines Symbolbildes gewünscht.
Apple das zweite Titelthema zu widmen, obwohl man ebenso wenig wie die anderen Redaktionen über das iPad, iSlate – oder was auch immer Steve Jobs nun am Mittwoch präsentieren wird, weiß, ist letztlich auch nicht viel mehr als über fünf Druckseiten verwirbelte heiße Luft.
Ein „Brennpunkt“ (heißt wirklich so!) zum Thema Erdbeben, die Tabelle mit einer Kosten- und Leistungsübersicht von 161 gesetzlichen Krankenkassen, der Promi-Fragebogen auf der letzten Seite, die als redaktioneller Beitrag getarnte Anzeige für HP Drucker, nichts, was einem irgendwie neu oder auch nur aufgepeppt vorkäme.
Immerhin hat man – wie von Kai-Hinrich Renner gestern bereits gemeldet – jetzt die ansonsten unverändert weiter bestehende Hefteinteilung um ein Medizin-Ressort ergänzt. Und investigativ kann die gut besetzte Redaktion immer noch durchaus trumpfen: Pünktlich zur Verleihung des Lifetime Achievement Awards der History Makers in New York an Guido Knopp zählt „Focus“ Merkwürdigkeiten bei Knopps Nebeneinnahmen und Dienstreisen auf.

Updates:
DWDL-Blattkritik, kress-Check, Meedia-Check, Print würgt, Sebastian Essers ausführliche Blattanalyse in V.i.S.d.P. (pdf-Download)

Montag, 18. Januar 2010

Burda: Ein neues Kätzchen neben all den Bunnies

„München wir kommen“ – mit dieser Statusmeldung auf Facebook verabschiedete sich die Düsseldorfer „Alley Cat“-Chefredakteurin Ina Küper vor vier Wochen in den Weihnachtsurlaub auf die Philippinen, um jetzt im neuen Jahr mit ihrer Redaktion bei Burda anzudocken. „Ab sofort entsteht unser Straßenkätzchen nicht mehr im Alleingang, sondern mit tatkräftiger und professioneller Unterstützung des Münchner Verlagshauses. Wir arbeiten gemeinsam und mit Hochtouren an einer neuen, verbesserten Alley Cat.“
Vor anderthalb Jahren wollte Küper zwar eine Zusammenarbeit mit Verlagshäusern nicht grundsätzlich ausschließen, hatte aber „total Schiss, von so einem Riesenverlag gefressen zu werden“ („taz“) und erklärte daher gegenüber jetzt.de: Ich werde weiterhin versuchen, die Zeitschrift in Eigenregie zu publizieren. Die Selbstständigkeit garantiert mir totale kreative Freiheit und das Recht, 'Alley Cat' so umzusetzen, wie es mein Konzept vorsieht.
So ist Deutschlands „erstes Erotikmagazin für Frauen“ von Ina Küper und Marlene Burba bislang quasi in Handarbeit produziert und wohlwollend aufgenommen worden. Das Startkapital, 15.000 Euro aus einer Erbschaft, und die laufenden Hefterlöse hatten immerhin für sechs Ausgaben gereicht. Zwischendurch haben die „Alley-Cat“-Macherinnen auch noch ein Buch („Bester Sex“) veröffentlicht. Nun bietet Burda die Chance, als Redaktion die nächste Stufe zu erklimmen. Und „Alley Cat“ dem Haus im Arabellapark vielleicht einen vielversprechenden Ansatz, Erotik zeitgemäß aufs Papier zu bringen, nachdem die Kollegen vom „Playboy“ im Quartal IV/09 über 25.000 Leser verloren und Burda damit ein Auflagenminus von 8,9 Prozent bescherten.

Updates: Nach der Veröffentlichung heute morgen hat „Alley Cat“ seine Homepage bereinigt. Statt der Ankündigung der Zusammenarbeit mit dem „großen Kater“ Burda wird jetzt das alte Heft beworben. (Und Meedia schreibt ziemlich wörtlich von mir ab.)




Ebenfalls gelöscht: der Tweet mit der ursprünglichen Info. Übrigens interessant, wie nachhaltiger offenbar ein Blogeintrag gegenüber Twitter ist. Als ich den Tweet der „Alley-Cat“-Redaktion letzte Woche retweetet habe und ihn demnach einige Medienjournalisten gelesen haben müßten, gab es keinerlei Reaktion.



Burda findet die Meldungen voreilig.

Inzwischen hat Burda gegenüber Lisa Priller-Gebhardt von „werben & verkaufen“ bestätigt, daß die „Alley-Cat“-Redaktion ab 1. Februar für ein halbes Jahr bei Ulrike Zeitlingers „freundin“-Redaktion zu Gast ist, um gemeinsam die nächste Ausgabe zu stemmen. Damit ist das Erotikmagazin bei der Burda Style Group angesiedelt und nicht wie der „Playboy“ in der Lifestyle Community.

Den Burda-Deal findet sogar bild.de interessant und drückt „die Daumen, denn Alley Cat ist ein streunendes Kätzchen mit großem Potenzial. Lieber Kater, pass gut auf deine Mieze auf!“

Rechtzeitig vor dem Umzugstermin analysiert Meedia noch einmal die letzte Ausgabe.

Am 4. März meldet „w&v“, daß Burda die Titelrechte an „Alley Cat“ erworben hätte.

Making-of-Video der Burda Kommunikationsabteilung vom 12. April:




„Zweieinhalb Jahre sind ja wirklich keine Zeit, um von der Studentin zur Chefredakteurin in einem so großen Verlag zu werden.“
Ina Küper im Interview mit focus online

It never rains in California? Golden Globes 2010

(Update: Globes 2018 hier)

Heuer werde ich während der Golden-Globe-Übertragung hauptsächlich twittern, aber auch hier das eine oder andere Bild hochladen.

Maria Menounos



















Olivia Wilde




















Heather Graham



















George Clooney mit Elisabetta Canalis


















Sandra Bullock



















David Duchovny und Tea Leoni


















Quentin Tarantino und Melanie Laurent



















Diane Krüger



















Julia Roberts



















Tom Hanks und Rita Wilson


















Cameron Diaz




















Die Fans standen auch im Regen.

(Bilder: HFPA)

Wehret den Kochtöpfen statt Minaretten: Münchens Kampf der Kulturen

Aufstelltafeln, Drehdisplays, Plakathalter, Warenstellagen, als Fahrradständer getarnte Werbeflächen, von den Sitzplätzen, Heizpilzen und Schirmen der Lokale auf ihren Außenflächen ganz zu schweigen, oft genug hatte ich Mühe, mir meinen Weg durch die Leopold- oder Türkenstraße zu bannen, weshalb ich durchaus Verständnis dafür habe, wenn die Stadt diesem Wildwuchs ein Ende bereiten will und die Nutzung der Bürgersteige strengeren Regeln unterwirft.
Die Protokolle der Bezirksausschüsse bestätigen dabei meinen persönlichen Eindruck: Ganz weit vorne beim rücksichtslosen Besetzen der Fußgängerwege sind neben den Gaststätten Münchens Optiker und Handyläden. Um so überraschter war ich, als am 12. November bei der Bürgerversammlung der Stadtteile Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt der Bezirksausschußvorsitzende Alexander Miklosy, immerhin ein Vertreter der Rosa Liste und Mitgründer des Alternativradios Lora, während seiner „Informationen über aktuelle Themen aus dem Stadtbezirk“ zu einer Suada über die Warenpräsentation im öffentlichen Raum ausholte und ihm dabei eben nicht Drehdisplays und Werbeträger der Brillen- und Handyboutiquen oder gar die Warenkörbe von Schlecker, Rossmann & Co als Negativexempel einfielen, sondern „Kochtöpfe, Dessous, Koffer und Reifen vor den Läden der Landwehr-, Goethe- und Schillerstraße seinen Zorn erregten. „Ich mag ja auch Basare“, führt Miklosy weiter aus, und wer hat dieses entschuldigende „Ich mag ja auch“ nicht schon öfters gehört, wenn Biedermänner zu ihren brandstiftenden Stammtischtiraden gegen Andersdenkende und -ausschauende ausholen. Absurder Höhepunkt von Miklosys Verteidigungsrede auf die neuen – zwischenzeitlich wieder ausgesetzten – Sondernutzungsrichtlinien war ein Foto des Hotel Goethe mit der türkischen Flagge im O, das für ihn die drohende, ja wohl schon hereingebrochene Islamisierung Münchens zu verkörpern scheint.
Wobei er den Bildausschnitt geschickt – wie oben dargestellt – auswählte, denn die Hotelfront schmücken Fahnen aller Herren Länder. „Was würde Goethe darüber denken“, schimpfte er mit bebender Stimme, als ob die Schlacht auf dem Amselfeld erneut bevorstünde.
Ja, was hätte Goethe wohl gesagt? Vielleicht: „Wer sich selbst und andere kennt wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“ („Faust“-Handschrift von 1826 – mehr zu Goethe und seinem Verhältnis zum Islam)

Samstag, 16. Januar 2010

Strictly amateur: Die schönsten Riemen

„Wir wollen uns nackt sehen“? „Wir sind Porno“? Wir wollen vor allem glänzen: Mit unseren Eroberungen, mit unseren Fotokünsten, mit unserer Provokation. „Die neue Ästhetik des alten Aktes“ ist vor allem clean, ob nun bei thathipsterporn auf Polaroid gefaket, bei modfetish auf cool getrimmt oder bei teufelchen auf Heimporno verniedlicht. Weit spannender sind die gescheiterten Motive, die Fehlerhaften, die Unvollkommenen, die in der Regel unpubliziert bleiben, im virtuellen Abfallkorb landen. Clicki interrupti. Nicht nur, weil sie sich dem kommerziellen Blick, dem Anspruch auf Perfektion verweigern, sondern weil sie eine letzte Bastion der wahrhaften Unprofessionalität in einem Metier verkörpern, das mit inszenierten Amateurbildern fast schon mehr Geld zu machen scheint als mit dem klassischen Porno. Bilder, wie ich sie letzte Woche unter dem Titel „Strictly amateur: Die strammsten Riemen. Nice Bastards Imaginarium – Funde aus dem Netz“ in den 100 Tage Bücher ausstellte, faszinieren mich aber nicht nur, weil sie den herkömmlichen Vorschriften der Bildkunst widersprechen. In ihrem gemeinsamen „Fehler“, dem ins Bild ragenden Trageriemen, spiegelt sich Leidenschaft wider, denn wann ist Erotik spürbarer, als wenn der Fotograf etwas derart Offensichtliches übersieht? Und muß der Sex selbst in der Erinnerung nicht bemerkenswert gewesen sein, wenn der Fotograf noch lange danach, beim Hochladen, das Bild nicht beschneidet und damit säubert, sondern so unvollkommen beläßt?

Mittwoch, 13. Januar 2010

Studenten eröffnen Besetzersaison 2010

Im Überschwang der Bildungsdemo heute haben die Münchner Studenten am späten Nachmittag den Hörsaal S005 in Erdgeschoß der Schellingstraße 3 besetzt. Etwa 40 Studenten waren eben noch anwesend, vier von ihnen wollen über Nacht bleiben. Bevor sich die für die Demo hier gastierende Wiener Delegation in die lokalen Beisl verzog, wurde noch diskutiert, inwieweit der nur durch einen schmalen Gang erreichbare Hörsaal zu abgelegen sei, aber es fiel noch keine Entscheidung hinsichtlich eines Umzugs. Polizei war bislang nur am Hintereingang des LMU-Hauptgebäudes in der Amalienstraße zu sehen, ob die in Unterlagen blätternden Beamten den Audimax sichern, sich für die Schellingstraße vorbereiten oder aus ganz anderen Gründen dort Stellung bezogen, ist unklar.

Updates: Polizei hat bereits geräumt. Laut „Abendzeitung“ haben sich die Studenten freiwillig „getrollt“, als sie von der Universitätsverwaltung dazu aufgefordert wurden, die „Süddeutsche“ schreibt dagegen, die Polizei hätte den Saal gegen 21 Uhr „räumen“ lassen.

Sonntag, 10. Januar 2010

Wochenplan

Putzdienst 100 Tage Bücher, Arbeitsamt, Licht, Kunst, Kommerz / Stuck-Villa & Amerikahaus, Pressevorführungen: Ein russischer Sommer, Armored, An education, Ajami und Invictus, Thonet-PK / Reitschule, Bildungsdemo / Sendlinger-Tor-Platz, Mouse on mars / Haus der Kunst, Cris Koch / Stuck-Villa, Studientag Zeitung: Sterblich oder unverderblich? Über die Zukunft der Printmedien / LMU