Samstag, 31. Januar 2015
Donnerstag, 29. Januar 2015
Petit Déjeuner Musical (105): Brigitte
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Sonntag, 25. Januar 2015
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Déjà-vu: Jonathan Landgrebe und die Ladenhüter der edition suhrkamp
Mit der Umwandlung von Suhrkamp in eine AG hat der bisherige Geschäftsführer Jonathan Landgrebe nun als alleiniger Vorstand die verlegerische Verantwortung im Hause inne. Vor ein paar Jahren hatte ich Jonathan im Münchner Univiertel kennengelernt und auf sein Bitten hin ein Projekt für die edition suhrkamp (es) angeleiert, das helfen sollte, die Umsätze der schwer verkäuflichen Backlistbestände anzukurbeln. Das Ganze ging dann nicht ganz so aus, wie ich es mir naiverweise vorgestellt hatte. Hier mein Beitrag von 2010 im Blog der 100 Tage Bücher dazu.
Party Talk, mehr war es anfangs nicht. Während einer Vernissage in Wanja Belagas Wohnung saß ich im April 2009 zufällig neben Jonathan Landgrebe, Geschäftsführer von Suhrkamp. Er war auf der Suche nach einem PR-Event, um die Spektralfarben der edition suhrkamp (es) – gerade bei der nachgeborenen Generation – wieder zum Leuchten zu bringen, ich versprach, mir dazu Gedanken zu machen. Viel Grübelei bedurfte es dann nicht, um unser Konzept eines Pop-up-Stores auf einen Flagship Store aufzupfropfen: 100 Tage Suhrkamp, ab September 2009. Zu kurzfristig für das – noch dazu im Umzug nach Berlin begriffene – Traditionshaus, das zudem gern seine 60-Jahr-Feier 2010 mit so einem Event verknüpft hätte.
Also zelebrierten wir letztes Jahr noch einmal herkömmliche 100 Tage Bücher in der Reichenbachstraße und vertagten uns auf dieses Jahr. In der Vorweihnachtszeit erfuhr ich – eher zufällig – daß Suhrkamp das Projekt inzwischen nicht mehr nur in München, sondern in Kooperation mit der Fürst & Iven Autorenbuchhandlung zeitgleich auch in Berlin umsetzen wollte. Am 16. April, also diesen Montag sollte es parallel in beiden Städten losgehen, mit Edition Suhrkamp Shops im Münchner Univiertel und in Berlin-Mitte, die neben Büchern auch Lesungen und Filmvorführungen anbieten sollten.
Rein optisch in Berlin recht chic & clean wie ein seriöses „Factory Outlet“ („Buchreport“), bei uns wohl eher quick & dirty als typischer Guerilla Store angedacht. Und mit einem weiteren für mich entscheidenden Extra bei Edition Suhrkamp @ 100 Tage Bücher: Der Dreiteilung in Bib, Shop & Club. Neben der Buchhandlung und dem Literaturclub mit seinen Lesungen, Diskussionsrunden, Workshops für den Schriftstellernachwuchs und Prominenten, die ihre Lieblingstitel vorstellten („es und ich“), wollte ich eine Präsenzbibliothek einrichten, vielleicht die erste Pop-up-Bibliothek der Welt: Sämtliche Ausgaben der Edition Suhrkamp (es), ungefähr 1500 lieferbare und 1000 vergriffene, sieben Tage die Woche, auch abends, bereit liegend zum Blättern, Schmökern, Arbeiten.
Die Arbeitskräfte für so ein Projekt waren schnell zur Hand, nicht nur ich, sondern auch vom Projekt Begeisterte, die für umsonst mit angepackt hätten, Suhrkamp wollte uns großzügigerweise zwei vollständige Ausgaben der edition suhrkamp schenken. Eine hätte ich für die Präsenzbibliothek verwandt, mit dem Verkauf der zweiten die Kosten wieder einspielen können. Aber eben nur können.
Das Problem war die Ladenmiete. Ob neben der Pommes-Boutique, neben dem Barer 61 oder in der Amalienpassage, leerstehende Läden im Wunschkarré unweit der Uni und der Pinakotheken gab es reichlich. Für reichlich Geld, um die 1500 Euro im Monat, die natürlich von Anfang an fällig gewesen wäre.
Für ein alteingesessenes Unternehmen wie die Autorenbuchhandlung, die auch nach drei Monaten weiter ihr Geschäft betreibt, eher nur ein Durchlaufposten. Für mich muß so eine Guerillaproduktion aber bereits nach 100 Tagen refinanziert sein und so lange aus der Hosentasche gestemmt werden. Weshalb es die Suhrkamp-Guerilleros mit einer kleinen Verspätung ab dem vom 6. Mai bis 24. Juli nur in der Berliner Linienstraße 127, Nähe Oranienburger Tor, geben wird. Und für mich außer Spesen nichts gewesen? Doch, der persönliche Erfolg, ein so altehrwürdiges Haus wie Suhrkamp inspiriert zu haben.

Party Talk, mehr war es anfangs nicht. Während einer Vernissage in Wanja Belagas Wohnung saß ich im April 2009 zufällig neben Jonathan Landgrebe, Geschäftsführer von Suhrkamp. Er war auf der Suche nach einem PR-Event, um die Spektralfarben der edition suhrkamp (es) – gerade bei der nachgeborenen Generation – wieder zum Leuchten zu bringen, ich versprach, mir dazu Gedanken zu machen. Viel Grübelei bedurfte es dann nicht, um unser Konzept eines Pop-up-Stores auf einen Flagship Store aufzupfropfen: 100 Tage Suhrkamp, ab September 2009. Zu kurzfristig für das – noch dazu im Umzug nach Berlin begriffene – Traditionshaus, das zudem gern seine 60-Jahr-Feier 2010 mit so einem Event verknüpft hätte.
Also zelebrierten wir letztes Jahr noch einmal herkömmliche 100 Tage Bücher in der Reichenbachstraße und vertagten uns auf dieses Jahr. In der Vorweihnachtszeit erfuhr ich – eher zufällig – daß Suhrkamp das Projekt inzwischen nicht mehr nur in München, sondern in Kooperation mit der Fürst & Iven Autorenbuchhandlung zeitgleich auch in Berlin umsetzen wollte. Am 16. April, also diesen Montag sollte es parallel in beiden Städten losgehen, mit Edition Suhrkamp Shops im Münchner Univiertel und in Berlin-Mitte, die neben Büchern auch Lesungen und Filmvorführungen anbieten sollten.
Rein optisch in Berlin recht chic & clean wie ein seriöses „Factory Outlet“ („Buchreport“), bei uns wohl eher quick & dirty als typischer Guerilla Store angedacht. Und mit einem weiteren für mich entscheidenden Extra bei Edition Suhrkamp @ 100 Tage Bücher: Der Dreiteilung in Bib, Shop & Club. Neben der Buchhandlung und dem Literaturclub mit seinen Lesungen, Diskussionsrunden, Workshops für den Schriftstellernachwuchs und Prominenten, die ihre Lieblingstitel vorstellten („es und ich“), wollte ich eine Präsenzbibliothek einrichten, vielleicht die erste Pop-up-Bibliothek der Welt: Sämtliche Ausgaben der Edition Suhrkamp (es), ungefähr 1500 lieferbare und 1000 vergriffene, sieben Tage die Woche, auch abends, bereit liegend zum Blättern, Schmökern, Arbeiten.
Die Arbeitskräfte für so ein Projekt waren schnell zur Hand, nicht nur ich, sondern auch vom Projekt Begeisterte, die für umsonst mit angepackt hätten, Suhrkamp wollte uns großzügigerweise zwei vollständige Ausgaben der edition suhrkamp schenken. Eine hätte ich für die Präsenzbibliothek verwandt, mit dem Verkauf der zweiten die Kosten wieder einspielen können. Aber eben nur können.
Das Problem war die Ladenmiete. Ob neben der Pommes-Boutique, neben dem Barer 61 oder in der Amalienpassage, leerstehende Läden im Wunschkarré unweit der Uni und der Pinakotheken gab es reichlich. Für reichlich Geld, um die 1500 Euro im Monat, die natürlich von Anfang an fällig gewesen wäre.
Für ein alteingesessenes Unternehmen wie die Autorenbuchhandlung, die auch nach drei Monaten weiter ihr Geschäft betreibt, eher nur ein Durchlaufposten. Für mich muß so eine Guerillaproduktion aber bereits nach 100 Tagen refinanziert sein und so lange aus der Hosentasche gestemmt werden. Weshalb es die Suhrkamp-Guerilleros mit einer kleinen Verspätung ab dem vom 6. Mai bis 24. Juli nur in der Berliner Linienstraße 127, Nähe Oranienburger Tor, geben wird. Und für mich außer Spesen nichts gewesen? Doch, der persönliche Erfolg, ein so altehrwürdiges Haus wie Suhrkamp inspiriert zu haben.
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Freitag, 23. Januar 2015
Petit Déjeuner Musical (104): Moodoïd
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Sonntag, 18. Januar 2015
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Sonntag, 11. Januar 2015
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Freitag, 9. Januar 2015
Dienstag, 6. Januar 2015
Sonntag, 4. Januar 2015
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Donnerstag, 1. Januar 2015
Déja-vu: Weniger ist mehr – Michi Kerns „Lost Weekend“
„Kann man die Bücher auch kaufen?“ Die Mitarbeiterin von Random House, die kurz nach der Eröffnung zufällig vorbeigekommen und unweigerlich ins Lost Weekend hineingezogen wurde, ist sich nicht sicher. Was ist das? Ein Café? Eine Galerie? Ein Buchladen? Jahrzehntelang befand sich an selber Stelle die Universitätsbuchhandlung Heinrich Frank. Fast zwei Jahre stand der Gewerberaum im Erdgeschoß der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) leer. Und jetzt ist alles anders. Zur Straße hin große Tische, die eher an das Refektorium eines Klosters denn an ein Kaffeehaus erinnern. Dann ein blitzförmig den Raum durchschneidendes Regal, das Reclams Universal-Bibliothek so ziemlich vollständig Rücken an Rücken präsentiert. Und dahinter ein Tisch und ein paar Regale, an denen eine kleine, ausgesuchte Kollektion an Sachbüchern und literarischen Titeln, viele Graphic Novels, aber auch ein halbes Dutzend Ausgaben der preisgekrönten Zeitschrift „Reportagen“ in Frontpräsentation zum Blättern, Lesen und eben auch zum Kaufen einladen.
2012 mußte Martin von Rudloff mit seiner Universitätsbuchhandlung Heinrich Frank Insolvenz anmelden. Ein paar Monate lang nutzten Untermieter des Insolvenzverwalters mit dem „Bücher Cosmos“ Immobilie und Restware noch als modernes Antiquariat. Dann wurde der Raum saniert. Die Einrichtung verschwand. Mit ihr das Zwischengeschoß oberhalb der Regale sowie die großzügigen Kellerräume. Und auch die interessierten potentiellen Nachmieter – C.H. Beck, Buch & Töne, der Augsburger Christian Hammer werden hier genannt – verschwanden. Selbst etablierten Gastrobetrieben waren die erforderlichen Investitionen und der von der Universitätsverwaltung aufgerufene Mietzins zu hoch.
„Das kann ich nur zahlen, wenn ich eine Disco daraus mache“, winkte etwa der altgediente Münchner Club- und Cafébetreiber Michi Kern (Pacha, Café Reitschule) ab. Kern, der nebenbei auch noch täglich als Yoga-Lehrer unterrichtet und an der vom Jesuitenorden geführten Hochschule der Philosophie studiert, hat bereits einmal eine Immobilie spektakulär neu erfunden, als er das Zerwirkgewölbe, Münchens Jahrhunderte alte Metzgerei für Wildspezialitäten in ein veganes Restaurant namens Zerwirk mit angeschlossenen Club und Live-Bühne verwandelte. Inzwischen hat er sich aus der Immobilie zurückgezogen, so wie er oft nur als eine Art menschlicher Inkubator oder Business-Angel Projekte initiiert und realisiert. Die richtige Idee mit den richtigen Leuten umsetzen, ohne unbedingt auf Dauer eine Beteiligung zu halten.
„Der Raum ist Wahnsinn“, so Kern. Lost Weekend taufte er den Laden. Nicht etwa nach Charles R. Jacksons legendärem, von Billy Wilder verfilmten Alkoholiker-Drama „Das verlorene Wochenende“. Von dem Roman hatte Kern, der Mitarbeitern zufolge geschlossene Werke eher ungern liest, zuvor nie gehört. Ein Artikel von Willi Winkler auf Seite Drei der „Süddeutschen Zeitung“, über John Lennons „Lost Weekend“, eine Liebesaffäre Anfang der siebziger Jahre, gab die Inspiration.
Musik gibt es hier nicht zu kaufen, aber – für eine Buchhandlung eher ungewöhnlich – zu hören. Ein Sound, wie man ihn auch in Bars hören kann, Elektro, Experimentelles, Indie, gern auch im Club-Remix. Die Klientel stört es nicht, selbst Jurastudenten büffeln, ihren Schönfelder auf den angemessen großen Tischen ausgebreitet, in gemeinsamen Studiergruppen, ohne sich daran zu stören, dass hier nicht die andächtige Stille der Staatsbibliothek um die Ecke herrscht. Ganz im Gegenteil. Fragen nach dem Größenanteil von Café und Buchhandlung wehrt Kern gleich ab. Für ihn ist der ganze Raum eine Buchhandlung. Die Leseinseln, mit denen Hugendubel am Marienplatz vor langer Zeit Furore gemacht hat, werden hier einfach zeitgemäßer interpretiert. Die Menschen sollen kommen und ohne Verkaufsdruck bleiben. Ob sie nun ein Buch kaufen wollen oder nur darin blättern, am Computer arbeiten, sich unterhalten oder einen Kaffee trinken wollen. Nichts muß konsumiert oder erworben werden.
Gleich zwei W-LAN-Netze stehen zur Verfügung. Das paßwortgeschützte W-LAN der Universität für Studenten und Mitarbeiter der Hochschule. Aber auch ein weiteres, offenes W-LAN der Buchhandlung. Das Lost Weekend droht aber dennoch kein Hangout der digitalen Bohème zu werden, an dem jeder für sich allein surft und keiner miteinander redet. Mit Absicht hat man sich für große Tische entscheiden, an denen keiner allein sitzt, sondern man zwangsläufig einen Platz und hoffentlich ein Gespräch teilt. „Wir haben die Musik absichtlich etwas lauter gedreht“, so Kern, „damit die Leute auch lauter sprechen müssen und so mit ihren Nachbarn leichter in Kontakt kommen.“
Die Einrichtung aus gebürsteter Fichte wurde von Schreinern auf Maß angefertigt. Das tatzelwurmförmige Regal für um die 2895 Reclam-Bücher ist ein Entwurf des Berliner Konzeptkünstlers Björn Wallbaum, der für dieses Ladenprojekt nach München zog und gemeinsam mit Kern, Elisabeth Kieser und Markus Horn zu den Gesellschaftern der GmbH gehört, oder – in den Worten der Macher – zum „Kollektiv“. Für die ungewöhnlichen Stühle griff Wallbaum auf Entwürfe des Radikalen Enzo Mari zurück, der etwa zur selben Zeit, als das Universitätsgebäude in der Schellingstraße errichtet wurde, in Italien unter dem Titel „Autoprogettazione“ komplette Einrichtungen zum Selbstbauen für Leute entwarf, „die nicht viel Geld haben“. Wallbaum fragte ihn per Brief, ob man sein Design kopieren dürfte. Der Mailänder schickte ihnen daraufhin postwendend seine Entwürfe.
Den Kaffee und die Schmankerl gibt's – ohne Buchverkauf – auch Freitag und Samstag abends oder sonntags, die Buchhandlung dagegen ist mit Rücksicht auf das strenge bayerische Ladenschlußgesetz nur montags bis samstags von 8 Uhr morgens bis 20 Uhr zugänglich.
Buchhändlerin Irene Held, keine Gesellschafterin im Kollektiv, sondern dort angestellt, nutzt die ruhige Morgenstunde, um die Barsortimentslieferungen (Umbreit) zu bearbeiten. Held, die aus dem Tutzinger Buchhändlerclan stammt und zuletzt in der Starnberger Bücherjolle gearbeitet hat, stieß zuletzt zum Team. Für Kern, der Heinrich Frank noch persönlich erlebt hat und mit Martin von Rudloff befreundet ist, stand von Anfang an fest, dass wie bereits früher an gleicher Stelle „Reclam als Basis und schneller Einstieg für Studenten“ einen Schwerpunkt des Angebots bilden müßte. Reclam-Vertreterin Friederike Rother vermittelte ihm nicht nur die gewünschte Ware, sondern brachte ihn auch mit Held zusammen, die jetzt mit drei bis vier Aushilfen den buchhändlerischen Part bestreitet und langfristig auch im Laden ausbilden will: „Ich habe die Lizenz dazu“.
Neben den tausenden von Reclam-Heftchen gab es in der Eröffnungswoche etwa zweihundert Titel anderer Verlage, die vor allem die engagierten, sozialkritischen Interessengebiete von Kern widerspiegeln: Philosophie, Nachhaltigkeit, Politik, Geschichte, ein bißchen Belletristik. „Die Buchhandlung wird wachsen und im nächsten halben Jahr an Fleisch gewonnen haben“, verspricht Wallbaum. Die offenbar von den Studenten sehr gut angenommenen dokumentarischen Graphic Novels haben bereits nach wenigen Tagen die doppelte Präsentationsfläche erhalten. Nun soll Buchhändlerin Held auch noch das literarische Profil schärfen. Englischsprachiges, wie etwa „CAFO – The Tragedy of Industrial Animal Factories“, wird dagegen die Ausnahme bleiben, um nicht Words’ Worth Booksellers nebenan Konkurrenz zu machen.
Beim Bestreben, dem Gedruckten auch noch Leben einzuhauchen, kommt Kerns Netzwerk als alteingesessener Veranstalter, Caterer und Partykönig am stärksten zur Geltung. „Lesungen macht jeder“. Stattdessen will man die guten Kontakte zum Residenztheater, den Kammerspielen und der Falckenbergschule für darstellende Kunst nutzen, um Bücher mit Schauspielern als Live-Hörspiele zu inszenieren. Man will auch nicht nur in den eigenen vier Wänden agieren, sondern mit mobilen Büchertischen in die Theaterfoyers hinein, auf Symposien, Konferenzen und im Gegenzug auch Intendanten, Professoren, Regisseure und sonstige Vordenker einladen, Buchregale zu kuratieren, sprich: ihre Lieblingsbücher, ob namentlich oder anonym, im Lost Weekend zu präsentieren.
Vom über der Buchhandlung schwebenden alten Firmennamen Universitätsbuchhandlung Heinrich Frank hat Michi Kern den Eigennamen noch in der Eröffnungswoche entfernen lassen. „Wäre da Martin von Rudloff gestanden, hätte ich den Namen gelassen. Aber ich habe Heinrich Frank noch kennengelernt. Ein unangenehmer Mensch. Ich war heilfroh, als Martin damals den Laden übernommen hatte.“ Jetzt versucht Michi Kern mit seinen Mitstreitern den Ort für den Buchhandel zu retten. Und einen Ort zu schaffen, in dem der stationäre Buchhandel gerade deshalb zu neuem Leben erwacht, weil man nicht jede Ecke ausschöpft, auf jeden Trend setzt, sondern sehr großzügig, sehr durchdacht, sehr bestimmt einen Ort schuf, an dem nicht Hard-Selling betrieben wird, sondern Bücher im Mittelpunkt stehen, um zum Innehalten, Nachdenken und Miteinanderreden zu animieren. Bei einem Kaffee oder auch nicht.
„Kann man die Bücher auch kaufen?“ Die Mitarbeiterin von Random House, die kurz nach der Eröffnung zufällig vorbeigekommen und unweigerlich ins Lost Weekend hineingezogen wurde, ist sich nicht sicher. Was ist das? Ein Café? Eine Galerie? Ein Buchladen? Jahrzehntelang befand sich an selber Stelle die Universitätsbuchhandlung Heinrich Frank. Fast zwei Jahre stand der Gewerberaum im Erdgeschoß der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) leer. Und jetzt ist alles anders. Zur Straße hin große Tische, die eher an das Refektorium eines Klosters denn an ein Kaffeehaus erinnern. Dann ein blitzförmig den Raum durchschneidendes Regal, das Reclams Universal-Bibliothek so ziemlich vollständig Rücken an Rücken präsentiert. Und dahinter ein Tisch und ein paar Regale, an denen eine kleine, ausgesuchte Kollektion an Sachbüchern und literarischen Titeln, viele Graphic Novels, aber auch ein halbes Dutzend Ausgaben der preisgekrönten Zeitschrift „Reportagen“ in Frontpräsentation zum Blättern, Lesen und eben auch zum Kaufen einladen.
2012 mußte Martin von Rudloff mit seiner Universitätsbuchhandlung Heinrich Frank Insolvenz anmelden. Ein paar Monate lang nutzten Untermieter des Insolvenzverwalters mit dem „Bücher Cosmos“ Immobilie und Restware noch als modernes Antiquariat. Dann wurde der Raum saniert. Die Einrichtung verschwand. Mit ihr das Zwischengeschoß oberhalb der Regale sowie die großzügigen Kellerräume. Und auch die interessierten potentiellen Nachmieter – C.H. Beck, Buch & Töne, der Augsburger Christian Hammer werden hier genannt – verschwanden. Selbst etablierten Gastrobetrieben waren die erforderlichen Investitionen und der von der Universitätsverwaltung aufgerufene Mietzins zu hoch.
„Das kann ich nur zahlen, wenn ich eine Disco daraus mache“, winkte etwa der altgediente Münchner Club- und Cafébetreiber Michi Kern (Pacha, Café Reitschule) ab. Kern, der nebenbei auch noch täglich als Yoga-Lehrer unterrichtet und an der vom Jesuitenorden geführten Hochschule der Philosophie studiert, hat bereits einmal eine Immobilie spektakulär neu erfunden, als er das Zerwirkgewölbe, Münchens Jahrhunderte alte Metzgerei für Wildspezialitäten in ein veganes Restaurant namens Zerwirk mit angeschlossenen Club und Live-Bühne verwandelte. Inzwischen hat er sich aus der Immobilie zurückgezogen, so wie er oft nur als eine Art menschlicher Inkubator oder Business-Angel Projekte initiiert und realisiert. Die richtige Idee mit den richtigen Leuten umsetzen, ohne unbedingt auf Dauer eine Beteiligung zu halten.
„Der Raum ist Wahnsinn“, so Kern. Lost Weekend taufte er den Laden. Nicht etwa nach Charles R. Jacksons legendärem, von Billy Wilder verfilmten Alkoholiker-Drama „Das verlorene Wochenende“. Von dem Roman hatte Kern, der Mitarbeitern zufolge geschlossene Werke eher ungern liest, zuvor nie gehört. Ein Artikel von Willi Winkler auf Seite Drei der „Süddeutschen Zeitung“, über John Lennons „Lost Weekend“, eine Liebesaffäre Anfang der siebziger Jahre, gab die Inspiration.
Musik gibt es hier nicht zu kaufen, aber – für eine Buchhandlung eher ungewöhnlich – zu hören. Ein Sound, wie man ihn auch in Bars hören kann, Elektro, Experimentelles, Indie, gern auch im Club-Remix. Die Klientel stört es nicht, selbst Jurastudenten büffeln, ihren Schönfelder auf den angemessen großen Tischen ausgebreitet, in gemeinsamen Studiergruppen, ohne sich daran zu stören, dass hier nicht die andächtige Stille der Staatsbibliothek um die Ecke herrscht. Ganz im Gegenteil. Fragen nach dem Größenanteil von Café und Buchhandlung wehrt Kern gleich ab. Für ihn ist der ganze Raum eine Buchhandlung. Die Leseinseln, mit denen Hugendubel am Marienplatz vor langer Zeit Furore gemacht hat, werden hier einfach zeitgemäßer interpretiert. Die Menschen sollen kommen und ohne Verkaufsdruck bleiben. Ob sie nun ein Buch kaufen wollen oder nur darin blättern, am Computer arbeiten, sich unterhalten oder einen Kaffee trinken wollen. Nichts muß konsumiert oder erworben werden.
Gleich zwei W-LAN-Netze stehen zur Verfügung. Das paßwortgeschützte W-LAN der Universität für Studenten und Mitarbeiter der Hochschule. Aber auch ein weiteres, offenes W-LAN der Buchhandlung. Das Lost Weekend droht aber dennoch kein Hangout der digitalen Bohème zu werden, an dem jeder für sich allein surft und keiner miteinander redet. Mit Absicht hat man sich für große Tische entscheiden, an denen keiner allein sitzt, sondern man zwangsläufig einen Platz und hoffentlich ein Gespräch teilt. „Wir haben die Musik absichtlich etwas lauter gedreht“, so Kern, „damit die Leute auch lauter sprechen müssen und so mit ihren Nachbarn leichter in Kontakt kommen.“
Die Einrichtung aus gebürsteter Fichte wurde von Schreinern auf Maß angefertigt. Das tatzelwurmförmige Regal für um die 2895 Reclam-Bücher ist ein Entwurf des Berliner Konzeptkünstlers Björn Wallbaum, der für dieses Ladenprojekt nach München zog und gemeinsam mit Kern, Elisabeth Kieser und Markus Horn zu den Gesellschaftern der GmbH gehört, oder – in den Worten der Macher – zum „Kollektiv“. Für die ungewöhnlichen Stühle griff Wallbaum auf Entwürfe des Radikalen Enzo Mari zurück, der etwa zur selben Zeit, als das Universitätsgebäude in der Schellingstraße errichtet wurde, in Italien unter dem Titel „Autoprogettazione“ komplette Einrichtungen zum Selbstbauen für Leute entwarf, „die nicht viel Geld haben“. Wallbaum fragte ihn per Brief, ob man sein Design kopieren dürfte. Der Mailänder schickte ihnen daraufhin postwendend seine Entwürfe.
Den Kaffee und die Schmankerl gibt's – ohne Buchverkauf – auch Freitag und Samstag abends oder sonntags, die Buchhandlung dagegen ist mit Rücksicht auf das strenge bayerische Ladenschlußgesetz nur montags bis samstags von 8 Uhr morgens bis 20 Uhr zugänglich.
Buchhändlerin Irene Held, keine Gesellschafterin im Kollektiv, sondern dort angestellt, nutzt die ruhige Morgenstunde, um die Barsortimentslieferungen (Umbreit) zu bearbeiten. Held, die aus dem Tutzinger Buchhändlerclan stammt und zuletzt in der Starnberger Bücherjolle gearbeitet hat, stieß zuletzt zum Team. Für Kern, der Heinrich Frank noch persönlich erlebt hat und mit Martin von Rudloff befreundet ist, stand von Anfang an fest, dass wie bereits früher an gleicher Stelle „Reclam als Basis und schneller Einstieg für Studenten“ einen Schwerpunkt des Angebots bilden müßte. Reclam-Vertreterin Friederike Rother vermittelte ihm nicht nur die gewünschte Ware, sondern brachte ihn auch mit Held zusammen, die jetzt mit drei bis vier Aushilfen den buchhändlerischen Part bestreitet und langfristig auch im Laden ausbilden will: „Ich habe die Lizenz dazu“.
Neben den tausenden von Reclam-Heftchen gab es in der Eröffnungswoche etwa zweihundert Titel anderer Verlage, die vor allem die engagierten, sozialkritischen Interessengebiete von Kern widerspiegeln: Philosophie, Nachhaltigkeit, Politik, Geschichte, ein bißchen Belletristik. „Die Buchhandlung wird wachsen und im nächsten halben Jahr an Fleisch gewonnen haben“, verspricht Wallbaum. Die offenbar von den Studenten sehr gut angenommenen dokumentarischen Graphic Novels haben bereits nach wenigen Tagen die doppelte Präsentationsfläche erhalten. Nun soll Buchhändlerin Held auch noch das literarische Profil schärfen. Englischsprachiges, wie etwa „CAFO – The Tragedy of Industrial Animal Factories“, wird dagegen die Ausnahme bleiben, um nicht Words’ Worth Booksellers nebenan Konkurrenz zu machen.
Beim Bestreben, dem Gedruckten auch noch Leben einzuhauchen, kommt Kerns Netzwerk als alteingesessener Veranstalter, Caterer und Partykönig am stärksten zur Geltung. „Lesungen macht jeder“. Stattdessen will man die guten Kontakte zum Residenztheater, den Kammerspielen und der Falckenbergschule für darstellende Kunst nutzen, um Bücher mit Schauspielern als Live-Hörspiele zu inszenieren. Man will auch nicht nur in den eigenen vier Wänden agieren, sondern mit mobilen Büchertischen in die Theaterfoyers hinein, auf Symposien, Konferenzen und im Gegenzug auch Intendanten, Professoren, Regisseure und sonstige Vordenker einladen, Buchregale zu kuratieren, sprich: ihre Lieblingsbücher, ob namentlich oder anonym, im Lost Weekend zu präsentieren.
Vom über der Buchhandlung schwebenden alten Firmennamen Universitätsbuchhandlung Heinrich Frank hat Michi Kern den Eigennamen noch in der Eröffnungswoche entfernen lassen. „Wäre da Martin von Rudloff gestanden, hätte ich den Namen gelassen. Aber ich habe Heinrich Frank noch kennengelernt. Ein unangenehmer Mensch. Ich war heilfroh, als Martin damals den Laden übernommen hatte.“ Jetzt versucht Michi Kern mit seinen Mitstreitern den Ort für den Buchhandel zu retten. Und einen Ort zu schaffen, in dem der stationäre Buchhandel gerade deshalb zu neuem Leben erwacht, weil man nicht jede Ecke ausschöpft, auf jeden Trend setzt, sondern sehr großzügig, sehr durchdacht, sehr bestimmt einen Ort schuf, an dem nicht Hard-Selling betrieben wird, sondern Bücher im Mittelpunkt stehen, um zum Innehalten, Nachdenken und Miteinanderreden zu animieren. Bei einem Kaffee oder auch nicht.
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