Donnerstag, 17. September 2009

Verhindert die Stadtverwaltung meinen Liveblog zur Bundestagswahl?

Allmählich fühle ich mich wie Michael Ballack. Gesperrt fürs Endspiel. Denn statt bei der kommenden Bundestagswahl (samt Landtagswahlen in Brandenburg und Schleswig-Holstein) über den zu erwartenden Prognosenverrat via Twitter live zu bloggen, werde ich wohl in der Türkenschule als Wahlvorstand herumsitzen müssen. Dabei sind Blogeinträge zum Umgang mit Exit Polls im letzten halben Jahr quasi meine Spezialität geworden und beim Superwahlsonntag neulich (Saarland, Sachsen, Thüringen) sogar ausdrücklich von dem Dresdner Presseclub, der „Thüriger Allgemeinen“ und dem NDR zitiert und von vielen Interessenten wie etwa den Wahlleitern als Quelle genutzt worden. Also habe ich meine Bewerbung als freiwilliger Wahlhelfer zurückgezogen, bin aber dennoch von der Stadt München als Wahlvorstand zwangsverpflichtet worden. Und auch wenn es sich um ein „Ehrenamt“ handelt, vermisse ich bei dem entsprechenden Bescheid die vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung. Das Wahlamt des Kreisverwaltungsreferats reagiert bislang weder auf meine Mails, noch auf ein Einschreiben. Dann werde ich wohl Montag schnell noch vors Verwaltungsgericht ziehen müssen, um als Wahlhelfer entbunden zu werden und dafür am 27. September live bloggen zu können.

Updates: Oh, jetzt bin ich auch schon für Juristen eine Quelle.

Dienstag, den 22. September hatte ich Klage gegen die Landeshauptstadt München erhoben und eine einstweilige Verfügung beantragt, die mich von der Verpflichtung als Wahlvorsteher befreit. Mittwoch ließ die Stadt das Bayerische Verwaltungsgericht wissen, sie hätte mich schon längst davon entbunden und es mir bereits am 17. September mitgeteilt. Zugleich behauptet die Stadt, daß mein Gang vors Gericht „verfrüht“ gewesen sei. Beides wird noch zu prüfen sei, da davon abhängt, wer die Gerichtskosten trägt.

Sonntag, 6. September 2009

Wie man Stimmen mobilisiert

„Am Samstag vor der Wahl, aber auch am Wahlsonntag selbst kursierten von Berliner Grünen und Sozialdemokraten gestreute frische Umfragezahlen, wonach der Einzug der ökopartei in den (Saarländer) Landtag gefährdet sei. Maas und Ulrich telefonierten im Stundentakt. Womöglich wurden so per Telefonkette auch noch rettende SPD-Stimmen für die Grünen mobilisiert.“
Thomas Holl in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ von heute

Frische Umfragezahlen am Wahlsonntag? Stündliche Aktualisierungen? Telefonketten? Zum Glück können das ja keine Exit-Polls gewesen sein, wenn man ARD und ZDF glauben darf.

Wochenplan

Großer Check-up, 100 Jahre Münter-Haus Murnau, Handynetz in der Münchner U-Bahn, Anca Bodea + Cristian Raduta + Alexandru Niculescu – Drei Künstler aus Rumänien/G5, X-mas Press Day/Louis Vuitton, Beuys/Pinakothek der Moderne, RIA Summer Jam, Pressevorführung „Romy“, Beuys/Galerie Bernd Klüser, Chronoswiss Classics, Nouvelle Vague/Theaterfabrik (laut Bandhomepage existiert dieser Termin gar nicht!?) , „My little boys“/GOP.

Donnerstag, 3. September 2009

Auf nicht ganz so frischer Tat ertappt

Bürokraten recherchieren online und wollen mir einen Strick daraus drehen, daß ich aktuell Einnahmen aus meinen Büchern „O.W. Fischer – Seine Filme und sein Leben“ sowie dem „Kurbelbrevier“ verschwiegen hätte. Zu dumm, daß die Bücher – und damit die Honorare – von 1985 respektive 1989 sind. Mit der Datenflut im Internet muß man auch erst umzugehen lernen. Sieht halt so simpel aus. Ist es aber nicht.

Exit Polls – doch mehr als nur „mittelmäßig geraten“?


„Zapp“ vergleicht die bei Twitter veröffentlichten Zahlen mit den offiziellen Prognosen aus Wahlnachfragen. Während ARD-Kollege Jörg Schönenborn jedes Leck ausschließt und die Sonntag nachmittag getwitterten Zahlen bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland für bestenfalls „mittelmäßig geraten“ hält, sieht die NDR-Redaktion verdächtige Nähe der frühzeitig geleakten Zahlen zu den späteren Prognosen.

Updates: Eine interaktive Playerversion des „Zapp“-Beitrags mit Anmoderation und weiterführenden Links im Menü gibt's hier.


Nicht nur die ARD sieht talentierte Prognosentipper am Werk. Das ZDF behauptet auch, „jemand, der sich die Zahlen aus den Umfragen in den Wochen vor der Wahl zusammengerechnet und auf dieser Basis das Ergebnis einfach nur gut geschätzt hat“, wäre die Erklärung für die herausgezwitscherten Zahlen, so „Andrea Wolf, Vorstandsmitglied der Forschungsgruppe Wahlen, die für das ZDF die Prognosen erstellt.“

Twitter-Meldungen ohne juristische Folgen
„Es konnte kein direkter Zusammenhang zwischen den Nachwahlbefragungen am Tag der Wahl des 5. Sächsischen Landtages einerseits und den Twitter-Meldungen vor Ablauf der Wahlzeit andererseits nachgewiesen werden. Daher ist ein ordnungswidriges Handeln nicht zu belegen.“
Mit diesen Worten erklärt die Landeswahlleiterin, Frau Prof. Dr. Irene Schneider-Böttcher, die Prüfung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens für eingestellt.
Um aus den Meldungen, die gegen 16:30 Uhr als „erste Prognosen“ über den Kurzmitteilungsdienst Twitter verbreitet wurden, auf die Nachwahlbefragungen am Wahltag vor den Wahllokalen (sog. Exit-Polls) schließen zu können, hätte eine direkte Verbindung zwischen den Nachwahlbefragungen und den Twitter-Meldungen abzuleiten möglich sein müssen.
Nachwahlbefragungen wurden durch die beiden am Tag der Landtagswahl am 30. August 2009 in Sachsen tätigen Meinungsforschungsinstitute, die „Forschungsgruppe Wahlen e. V.“ sowie „Infratest dimap“, für die Fernsehsender ARD und ZDF durchgeführt.
Im Rahmen der Beweiserhebung wurden die genannten Institutionen, die Person, über deren Twitter-Account die Meldungen verbreitet wurden, sowie die Fa. Twitter selbst angehört. Dabei ergaben sich keine nachweisbaren Anhaltspunkte für diese Ableitung.
Daher wurde das Verfahren wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Verbot, vor Ablauf der Wahlzeit Ergebnisse einer Wählerbefragung zu veröffentlichen, eingestellt.

(Pressemeldung der Landeswahlleiterin vom 5. März 2010)

Mittwoch, 2. September 2009

Wahlprognosen im Stundenrhythmus

100.000 Befragungen durch infratest-dimap im gesamten Bundesgebiet, davon 15.000 bis 20.000 allein in Nordrhein-Westfalen, und das nicht nur zum Stimmverhalten, sondern bei jedem sechsten Befragten auch zu Schulabschluß, Ausbildung und Motiven der Wahlentscheidung: Wer schon immer mal wissen wollte, wie denn diese ominösen, im Stundenrhythmus ausgewerteten Wahlnachfragen in der Praxis entstehen, findet in der Unternehmenspostille „WDR Print“ eine recht ausführliche Darstellung. Leider erlaubt mir der WDR nicht, den Text hier wiederzugeben, denn die „Autorenrechte sind in diesem Fall so kompliziert, dass es mir verwehrt ist, Ihnen eine "Abdruck"-Erlaubnis für den Artikel aus WDR PRINT erteilen zu können.“ Doch kann man die PR-Veröfffentlichung kostenlos hier downloaden.

Dienstag, 1. September 2009

Muammar al-Gaddafi – 40 Jahre Machtergreifung

Exit Polls: Wer wußte wann was?

Früher verletzte es die Würde des hohen Hauses und somit das Demokratieverständnis der Altvorderen, als sich ein angehender Minister in Turnschuhen vereidigen ließ. Heute sieht ein Gatekeeper der „Süddeutschen Zeitung“ „eherne Gesetze“ verletzt, wenn Exit Polls getwittert werden und die „taz“ warnt sogar vor der braunen Gefahr.
Anläßlich der Recherchen für die morgige „Zapp“-Sendung fragte mich eine NDR-Redakteurin, ob ich den sogenannten Prognosenverrat via Twitter nicht auch problematisch fände. Ehrlich gesagt nicht. Ich fürchte auch anders als die „taz“ nicht, daß das rechtsextreme Lager solche Zahlen zum Ansturm auf die Wahllokale nutzen könnte. Mich stören vielmehr die Wahlnachfragen an und für sich oder vielmehr der undemokratische Umgang mit ihnen.
Mit welcher Legitimation sammeln denn ARD, ZDF und die von ihnen beauftragten Wahlforscher unter der Aufsicht der Wahlleiter hochsensible Daten, um mit ihnen dann willkürlich zu verfahren? Mit welchem Recht entscheiden ein Jörg Schönenborn oder seine Mainzer Kollegen, welche „Medien (und im Übrigen auch Politiker) vertraulich schon früher die Prognosen bekommen, die auf den sogenannten Wahl-Nachfragen vor den Wahllokalen beruhen“, um einen Kollegen von der „Süddeutschen“ zu zitieren. Nach welchen Kriterien sucht ein Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen „im Laufe des Wahltags das ein oder andere Gespräch auch mit Politikern“, bei dem Prognosen aus den Exit Polls gegen eine politische Einschätzung getauscht werden?
Denn eins ist klar, diese Gunst trifft auf keinen Fall alle Parteien, nicht einmal alle in Bundes- oder Landtag Vertretenen. Die Linke bleibt beispielsweise laut Auskunft ihrer Pressesprecherin Alrun Nüßlein außen vor, den Freien Wählern oder rechtsextremen Abgeordneten wird es nicht anders gehen. Sind das die neuen demokratischen Spielregeln?
Und mit welchem Recht tritt der hessische Landeswahlleiter die Untersuchung des Prognosenverrats durch bild.de an die mutmaßlich Tatbeteiligten, infratest-dimap und die Forschungsgruppe Wahlen, ab und stellt mir anheim, mich mit diesen über falsche Tatsachenbehauptungen auszutauschen statt wie vom Wahlrecht vorgesehen Herr des Verfahrens zu bleiben?
Von mir aus sollen die Wahlnachfragen bestehen bleiben. Aber wäre es in einer Demokratie zu viel verlangt, transparent zu machen, wer wann was erfährt? Um wieviel Uhr und von wem erhält ein Kanzleramt die erste Prognose aus Exit Polls? An wie viele Empfänger wird diese Information weitergeleitet? Handelt es sich dabei nur um Regierungsmitglieder oder auch um Parteifreunde? Unterliegt das dabei mitgeteilte Zahlenmaterial einer Geheimhaltungsstufe? Erst nach Offenlegung solcher Fakten wäre zu entscheiden, ob man das so weiter handhaben will oder nicht.

Updates: Zumindest die ARD und infratest-dimap gäben „vor 18 Uhr keine Zahlen an Parteien (Jörg Schönenborn/ARD) – Bundesjustizministerin Brigitte Zypries scheint es besser zu wissen: „Ich kann nur hoffen, dass die Kolleginnen und Kollegen, die die Ergebnisse vorab mitgeteilt bekommen, verantwortungsbewusst damit umgehen.“ Im Interview mit dem Deutschlandfunk denkt sie auch über die Möglichkeit nach, „dass man gar nicht mehr solche Nachbefragungen macht bei der Wahl und dementsprechend auch keine Vorab-Bekanntmachung mehr macht. Das würde bedeuten, dass wir das Wahlergebnis nicht schon bereits abends um viertel nach sechs haben, sondern dann vielleicht erst um 20 Uhr. Wäre, glaube ich, auch kein großer Schaden für die Demokratie.“

A better tomorrow zur Gatekeeper-Funktion der Öffentlich-Rechtlichen.

(Foto: NDR/Dirk Uhlenbrock)

Eigenkommentar

Kann nicht Davorka mal wieder etwas Neckisches ausziehen? Mir wird das hier alles zu ernst und textlastig.