Sonntag abend feiert das ZDF Beate Uhse (die entgegen Claus Klebers Behauptung durchaus Aufregenderes verkaufte als nur Softpornos}, und wie es unter Nachrichtenjournalisten längst Usus geworden ist, zimmert man für den hauseigenen Event gleich auch noch einen Beitrag im „heute-journal“ (ab 27:38).
Das soll hinweisen, das soll werben, also ein bißchen Franka Potente, ein wenig Beate Uhse, historische Zusammenhänge, aber bitte nichts ehrenrühriges. Und so erfahren wir, daß Beate Uhse im Zweiten Weltkrieg Zivilfliegerin war.
Zivilfliegerin? Der Duden kennt den Ausdruck nicht, aber gemeinhin will man sich mit dem Begriff von Militärfliegern abgrenzen, gerade in dem totalitären Zusammenhang. Hat Uhse seinerzeit Passagiere geflogen? Fracht transportiert? War sie Postfliegerin? Nicht ganz.
Ich bin acht Jahre Pilotin gewesen. Zuerst als Einfliegerin. Dann kam der totale Krieg, und ich wurde
gebeten, bei der Luftwaffe im Überführungsgeschwader mitzuarbeiten. Was ich gerne tat, denn es war beruflich ein enormer Aufstieg, diese ganz
berühmten Jagdflugzeuge fliegen zu dürfen. (aus meinem 1996 für die „Tagesspiegel“-Beilage „Ticket“ geführten Interview mit ihr)
(Foto: Beate Uhse AG)
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Freitag, 7. Oktober 2011
Sonntag, 18. September 2011
Geleakte Exit-Polls in Berlin?
Nachdem es bei den letzten Landtagswahlen recht still um Twitter-Leaks geblieben war (vielleicht aber auch nur, weil keiner danach gesucht hat), kam es heute bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus wieder recht dick.
Bereits um 16.17 Uhr twitterte der Chefredakteur der „WirtschaftsWoche“, Roland Tichy, seine „nicht gaaanz eigene Prognose“: SPD 30%, CDU 22%, Grüne 18%, Linke 10%, Piraten 8%.
Um 16.50 Uhr kursierte dann via Twitter der Google-Cache-Screenshot einer – zwischenzeitlich wieder offline genommenen – „B.Z.“-Prognose: SPD 30%, CDU 24%, Piraten 8%.
Gemessen an den deutlich später um 18 Uhr veröffentlichten, auf Auswertungen der Wahlnachfrage bis 17.45 Uhr beruhenden offiziellen Prognosen keine schlechten Voraussagen: SPD (ARD: 29,5 - ZDF: 28,5%). CDU (ARD: 23,5 - ZDF: 23%). Grüne (ARD: 18 - ZDF: 18,5%). Linke (ARD - ZDF: 11,5%). FDP (ARD - ZDF: 2%). Piraten (ARD: 8,5 - ZDF: 9%).
Also doch wieder vor Schließung der Wahllokale geleakte Zahlen aus den Exit-Polls der Forschungsgruppe Wahlen und infratest dimap? Nein, weil doch nicht sein kann, was nicht sein darf. Mit Sicherheit kein Prognosenverrat und damit auch kein Fall für die Landeswahlleiterin, denn wie würde Jörg Schönenborn feststellen: Die zwischen 16 und 17 Uhr kursierenden Zahlen würden ja überhaupt nicht mit den bis 18 Uhr errechneten Zahlen übereinstimmen. Und vor 17 Uhr gäbe es sowieso noch überhaupt keine Prognosen. Oder etwa doch?
Bereits um 16.17 Uhr twitterte der Chefredakteur der „WirtschaftsWoche“, Roland Tichy, seine „nicht gaaanz eigene Prognose“: SPD 30%, CDU 22%, Grüne 18%, Linke 10%, Piraten 8%.
Um 16.50 Uhr kursierte dann via Twitter der Google-Cache-Screenshot einer – zwischenzeitlich wieder offline genommenen – „B.Z.“-Prognose: SPD 30%, CDU 24%, Piraten 8%.
Gemessen an den deutlich später um 18 Uhr veröffentlichten, auf Auswertungen der Wahlnachfrage bis 17.45 Uhr beruhenden offiziellen Prognosen keine schlechten Voraussagen: SPD (ARD: 29,5 - ZDF: 28,5%). CDU (ARD: 23,5 - ZDF: 23%). Grüne (ARD: 18 - ZDF: 18,5%). Linke (ARD - ZDF: 11,5%). FDP (ARD - ZDF: 2%). Piraten (ARD: 8,5 - ZDF: 9%).
Also doch wieder vor Schließung der Wahllokale geleakte Zahlen aus den Exit-Polls der Forschungsgruppe Wahlen und infratest dimap? Nein, weil doch nicht sein kann, was nicht sein darf. Mit Sicherheit kein Prognosenverrat und damit auch kein Fall für die Landeswahlleiterin, denn wie würde Jörg Schönenborn feststellen: Die zwischen 16 und 17 Uhr kursierenden Zahlen würden ja überhaupt nicht mit den bis 18 Uhr errechneten Zahlen übereinstimmen. Und vor 17 Uhr gäbe es sowieso noch überhaupt keine Prognosen. Oder etwa doch?
Freitag, 1. Oktober 2010
Wenn Eunuchen von Sex labern – Klaus Lemke und sein Hamburger Manifest
Neben manchen Torries und Liberalen ist Klaus Lemke wahrscheinlich der einzige, der die Auflösung des britischen Film Councils gut heißt, obwohl es genau jene kleinen, schmutzigen Filme förderte, die Lemke selbst zu machen nur vorgibt. Aber nun gut, „Film muss noch nicht mal gut sein“, konstatiert Lemke in seinem Hamburger Manifest, das dieser Tage für Aufsehen sorgte beziehungsweise von der „Süddeutschen Zeitung“ für unterhaltsam erklärt wurde. Die darin angegriffene deutschen Filmförderungsgremien wollten sich zu Lemkes Pöbeleien offenbar mit einer Ausnahme nicht äußern, weshalb der Münchner Studentensender m94,5 auch mich um ein Statement bat, nachdem ich mich offenbar unlängst als Lemke-Experte etabliert habe. Hier Brit Ullrichs Beitrag:
Montag, 16. August 2010
Abgestanden wie ein Noagerl: Klaus Lemkes „Schmutziger Süden“
Mitternacht. Die Zeit, zu der die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gemeinhin Lemkes aktuelleres Filmwerk ausstrahlen. Da versendet sich so einiges gefahrlos. Andere sitzen um diese Stunde gern im Schumann's. Wie SZ-Redakteur Alexander Gorkow. Man kann ihn dann leicht angetrunken erleben und schwer auf seinen Arbeitgeber schimpfend. Das würde erklären, wieso er auf Seite Drei der „Süddeutschen Zeitung“ vom 24. Juli vorbehaltlos Lemke als „genialen und unterschätzten Filmemacher“ preist und sehr detailliert nur dessen Frühwerk wie „Brandstifter“, „48 Stunden bis Acapulco“ oder „Rocker“ zitiert, den filmmusealen Kanon, der nichts von seiner Kraft verloren hat. Aber eben auch Jahrzehnte alt ist.
Vielleicht kennt Gorkow die neueren Filme überhaupt nicht, die Lemke in diesem Jahrhundert gedreht hat. Laufen ja gegen Mitternacht im Fernsehen – wenn überhaupt. Vielleicht schweigt er auch nur aus Respekt. Mit Sicherheit beneiden Gorkow und Koautor Tobias Kniebe, beides angestellte leitende Redakteure in Sibirisch-Steinhausen, den sympathisch verwahrlosten Regieveteranen: „Klaus Lemke ist der freieste Mensch, den man treffen kann. In Schwabing. In München. Wo auch immer.“ Da bin ich ganz bei ihnen.
Nur macht das höchstens Lemkes Aussteigervita sympathischer, aber seine hingeschluderten Arbeitsmaßnahmen kaum besser. „Schmutziger Süden“ etwa bietet den typischen Mix der letzten zehn Jahre: Unbeholfene Laiendarsteller, wirre Handlungen, ungeschliffene Dialoge, Brutaloschnitte sowie überraschend prüde Altherrenfantasien von vielen Mädchen, die ein und demselben Mann verfallen – wobei Lemke weit weniger Sex zeigt als etwa die Stunden früher ausgestrahlten ZDF-Sommernachtsfantasien, da kann er noch so sehr von Porno fabulieren.
Überhaupt merkt man Lemke die frühe Schwabinger Schule an – er redet viel, man darf ihm wenig glauben. Mal will er Angebote für eine „Tatort“-Regie abgelehnt haben, dann erzählt er wiederum, er würde gern einen drehen, hätte ihn aber noch nicht offeriert bekommen. Festivals interessieren ihn nicht? Wieso reicht er seit Jahren diese Kameraübungen ein und protestiert beim Münchner Filmfest wiederholt mit Mahnwachen dagegen, daß man ihn abgelehnt hätte? „Schmutziger Süden“ liefe auf der Berlinale? Ein Gerücht. Der Bayerische Rundfunk plane eine Serie mit ihm? Wunschdenken. Die Filme kosten fast nichts? Die Musikrechte für Blondie und andere Tracks im „Schmutzigen Süden“ wird er sich kaum mit seinem Standard-Fuffie geleistet haben. Er gewähre nur selten, nicht öfter als zweimal jährlich Interviews? Dann hat er allein schon in den letzten Wochen mit der „SZ“, arte, „Welt am Sonntag“, „Abendzeitung, „Tagesspiegel“ oder dem Studentenblatt „Philtrat“ für die nächsten Jahre vorgearbeitet.
Aber so oft wie er sich dort in seinen – auswendig gelernten? – Statements wiederholt, muß man vielleicht nicht jedes Gespräch einzeln zählen. Die Fragesteller trauen sich auch kaum, nachzufragen, nachzuhaken. Mit Ausnahme von Marina Kumchuk und Nicola Wilcke („Philtrat“), die zwar dabei auch nicht zu Lemkes Kern vordringen, aber zumindest amüsant scheitern. Interessiert es denn keinen, wie licht die Haare unter seiner legendären Schiebermütze sind? Ob Lemke tatsächlich im alten Schumann's Hausverbot genoß, weil er volltrunken an den Tresen gepinkelt haben soll? Und wie viel Rente der 69-Jährige erhält?
Einen Rentenanspruch wird er sich doch sicher aufgebaut haben, auf dem Höhepunkt seiner Karriere in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren, als er eben keineswegs als Filmguerilla low-budget arbeitete, sondern noch als gut bestallter Lohnregisseur. Die Cameo-Auftritte Horatius Haeberles und Michael Graeters im „Schmutzigen Süden“ sind eine kleine Reminiszenz an diese Ära.
1987, bei „Zockerexpress“ (bzw. „Zockerexpreß“) war ich auch mal vorübergehend mit im Lemke-Team. Es war wohl der erste seiner wirklich schlechten Filmen, wenn auch noch als großes Kino angelegt. Allein ich erhielt für die PR-Betreuung um die 10.000 Mark, an der Kamera stand Lothar Elias Stickelbrucks und für die Hauptrolle hatte man den holländischen Star Huub Stapel eingekauft. Ihn als männliche Hauptfigur umgarnte – ähnlich wie im „Schmutzigen Süden“ – ein weibliches Dreigestirn, die Türsteherin Sabrina „Sexkoffer“ Diehl, das persische Model Jasmin Zadeh und – als einzige Profischauspielerin – Dolly Dollar (Christine Zierl).
Wie es sich für die achtziger Jahre gehört, habe ich nur noch recht verschwommene Erinnerungen an die Dreharbeiten: Eingeprägt hat sich mir kein Bild vom Regisseur am Set, sondern wie Lemke nachts mit Produzent Hanno Schilf den Boden des Produktionsbüros nach einem verloren gegangenen Piece absucht. Autor Micha Lampert erschien zu den Scriptbesprechungen im Bella Italia immer mit einem Baseballschläger, weil das Multitalent gerade auch in einen Zuhälterkrieg verwickelt war. Jasmin Zadeh vertrug keinen Alkohol, weshalb ich als PR-Mann alter Schule sie ständig begleiten mußte, aber auch nicht verhindern konnte, daß sie bereits nachmittags mit Champagnerflöten um sich schmiß oder nach einer Nacht im P1 die Tür der Wohnung eintrat, die sie für einen auf Ibiza weilenden Barkeeper hütete, weil sie den Schlüssel nicht finden konnte. Der Standfotograf bewarb sich um seinen Job, indem er mir Bilder einer minderjährigen Nackten am Starnberger See vorlegte. Und finanziert hat das ganze Chaos ein Großgrundbesitzer aus dem Münchner Umland, der sonst eher auf Pferde setzte.
Im Grunde sollte Klaus Lemke keine Filme mehr drehen, sondern sein eigenes Leben verfilmen lassen. Stoff genug gäbe es.
Updates:
Mehr von mir zu Huub Stapel und den Dreharbeiten von „Zockerexpress“.
„Film muss noch nicht mal gut sein“ – Lemkes „Hamburger Manifest“.
Lemke und ich auf Radio m94,5 zum Hamburger Manifest.
Vielleicht kennt Gorkow die neueren Filme überhaupt nicht, die Lemke in diesem Jahrhundert gedreht hat. Laufen ja gegen Mitternacht im Fernsehen – wenn überhaupt. Vielleicht schweigt er auch nur aus Respekt. Mit Sicherheit beneiden Gorkow und Koautor Tobias Kniebe, beides angestellte leitende Redakteure in Sibirisch-Steinhausen, den sympathisch verwahrlosten Regieveteranen: „Klaus Lemke ist der freieste Mensch, den man treffen kann. In Schwabing. In München. Wo auch immer.“ Da bin ich ganz bei ihnen.
Nur macht das höchstens Lemkes Aussteigervita sympathischer, aber seine hingeschluderten Arbeitsmaßnahmen kaum besser. „Schmutziger Süden“ etwa bietet den typischen Mix der letzten zehn Jahre: Unbeholfene Laiendarsteller, wirre Handlungen, ungeschliffene Dialoge, Brutaloschnitte sowie überraschend prüde Altherrenfantasien von vielen Mädchen, die ein und demselben Mann verfallen – wobei Lemke weit weniger Sex zeigt als etwa die Stunden früher ausgestrahlten ZDF-Sommernachtsfantasien, da kann er noch so sehr von Porno fabulieren.
Überhaupt merkt man Lemke die frühe Schwabinger Schule an – er redet viel, man darf ihm wenig glauben. Mal will er Angebote für eine „Tatort“-Regie abgelehnt haben, dann erzählt er wiederum, er würde gern einen drehen, hätte ihn aber noch nicht offeriert bekommen. Festivals interessieren ihn nicht? Wieso reicht er seit Jahren diese Kameraübungen ein und protestiert beim Münchner Filmfest wiederholt mit Mahnwachen dagegen, daß man ihn abgelehnt hätte? „Schmutziger Süden“ liefe auf der Berlinale? Ein Gerücht. Der Bayerische Rundfunk plane eine Serie mit ihm? Wunschdenken. Die Filme kosten fast nichts? Die Musikrechte für Blondie und andere Tracks im „Schmutzigen Süden“ wird er sich kaum mit seinem Standard-Fuffie geleistet haben. Er gewähre nur selten, nicht öfter als zweimal jährlich Interviews? Dann hat er allein schon in den letzten Wochen mit der „SZ“, arte, „Welt am Sonntag“, „Abendzeitung, „Tagesspiegel“ oder dem Studentenblatt „Philtrat“ für die nächsten Jahre vorgearbeitet.
Aber so oft wie er sich dort in seinen – auswendig gelernten? – Statements wiederholt, muß man vielleicht nicht jedes Gespräch einzeln zählen. Die Fragesteller trauen sich auch kaum, nachzufragen, nachzuhaken. Mit Ausnahme von Marina Kumchuk und Nicola Wilcke („Philtrat“), die zwar dabei auch nicht zu Lemkes Kern vordringen, aber zumindest amüsant scheitern. Interessiert es denn keinen, wie licht die Haare unter seiner legendären Schiebermütze sind? Ob Lemke tatsächlich im alten Schumann's Hausverbot genoß, weil er volltrunken an den Tresen gepinkelt haben soll? Und wie viel Rente der 69-Jährige erhält?
Einen Rentenanspruch wird er sich doch sicher aufgebaut haben, auf dem Höhepunkt seiner Karriere in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren, als er eben keineswegs als Filmguerilla low-budget arbeitete, sondern noch als gut bestallter Lohnregisseur. Die Cameo-Auftritte Horatius Haeberles und Michael Graeters im „Schmutzigen Süden“ sind eine kleine Reminiszenz an diese Ära.
1987, bei „Zockerexpress“ (bzw. „Zockerexpreß“) war ich auch mal vorübergehend mit im Lemke-Team. Es war wohl der erste seiner wirklich schlechten Filmen, wenn auch noch als großes Kino angelegt. Allein ich erhielt für die PR-Betreuung um die 10.000 Mark, an der Kamera stand Lothar Elias Stickelbrucks und für die Hauptrolle hatte man den holländischen Star Huub Stapel eingekauft. Ihn als männliche Hauptfigur umgarnte – ähnlich wie im „Schmutzigen Süden“ – ein weibliches Dreigestirn, die Türsteherin Sabrina „Sexkoffer“ Diehl, das persische Model Jasmin Zadeh und – als einzige Profischauspielerin – Dolly Dollar (Christine Zierl).
Wie es sich für die achtziger Jahre gehört, habe ich nur noch recht verschwommene Erinnerungen an die Dreharbeiten: Eingeprägt hat sich mir kein Bild vom Regisseur am Set, sondern wie Lemke nachts mit Produzent Hanno Schilf den Boden des Produktionsbüros nach einem verloren gegangenen Piece absucht. Autor Micha Lampert erschien zu den Scriptbesprechungen im Bella Italia immer mit einem Baseballschläger, weil das Multitalent gerade auch in einen Zuhälterkrieg verwickelt war. Jasmin Zadeh vertrug keinen Alkohol, weshalb ich als PR-Mann alter Schule sie ständig begleiten mußte, aber auch nicht verhindern konnte, daß sie bereits nachmittags mit Champagnerflöten um sich schmiß oder nach einer Nacht im P1 die Tür der Wohnung eintrat, die sie für einen auf Ibiza weilenden Barkeeper hütete, weil sie den Schlüssel nicht finden konnte. Der Standfotograf bewarb sich um seinen Job, indem er mir Bilder einer minderjährigen Nackten am Starnberger See vorlegte. Und finanziert hat das ganze Chaos ein Großgrundbesitzer aus dem Münchner Umland, der sonst eher auf Pferde setzte.
Im Grunde sollte Klaus Lemke keine Filme mehr drehen, sondern sein eigenes Leben verfilmen lassen. Stoff genug gäbe es.
Updates:
Mehr von mir zu Huub Stapel und den Dreharbeiten von „Zockerexpress“.
„Film muss noch nicht mal gut sein“ – Lemkes „Hamburger Manifest“.
Lemke und ich auf Radio m94,5 zum Hamburger Manifest.
Montag, 14. Juni 2010
Katrin Müller-Hohensteins „innerer Reichsparteitag“ (Updates)
Fernsehen, insbesondere Live-Fernsehen und ganz besonders Fußball-übertragungen sind ein flüchtiges Medium, aber es versendet sich – anders als „Die Welt“ uns in einer ersten, den Faux-pas auch noch ausgerechnet mit „Euphorie“ erklärenden, inzwischen geänderten Meldung dazu glauben machen wollte – eben nicht, wenn zur Halbzeitpause des Deutschland-Spiels kommentiert wird: „Und für Miroslav Klose ein innerer Reichsparteitag, jetzt mal ganz im Ernst, dass der heute hier trifft.“
Und wenn Katrin BedauernMüller-Hohenstein sich für ihre verbale Entgleisung entschuldigen oder gar härtere Konsequenzen ziehen sollte, wird man mit Sicherheit wieder die Twitterer und Blogger dafür verantwortlich machen, wenn sie sich das in ihrem unerschütterlichem Mangel an Selbstvertrauen nicht schon gleich selbst präpotent ans Revers heften. Dabei ist nur einer schuld, die ZDF-Moderatorin selbst.
Natürlich ist nicht jeder davor gefeit, sich im „Wörterbuch des Unmenschen“ zu bedienen, das verniedlichende „Reichskristallnacht“ kam mir früher ebenso aus dem Mund – weil ich mir nicht vorstellen konnte, daß es jemand verharmlosend verstehend könnte. Oder Goebbels' infames „Journaille“ – weil ich den Zusammenhang nicht kannte, aber das änderte sich in dem Augenblick, in dem mir der Kontext und die Wirkung dieser Worte bewußt wurde (während etwa ein Don Alphonso da weniger Skrupel zeigt).
Selbst der „innere Reichsparteitag“ entschlüpft mir im Privatgespräch gelegentlich und führt dann dazu, daß mich Mo oder andere Freunde dafür kritisieren. Und das zurecht. Denn anders als bei der „Reichskristallnacht“ oder „Journaille“ ist die Konnotation beim „inneren Reichsparteitag“ eine ausschließlich positive, letztendlich Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“ und „Sieg des Glaubens“ fortführende (update: oder vielleicht doch nicht?).
Von der Journalistin, die nicht (mehr) für einen regionalen Larifari-Sender, sondern das öffentlich-rechtliche ZDF arbeitet, kann man erwarten, daß sie es besser weiß, zumal sie als Erlangerin auch noch lokalen Bezug zum Nürnberger Reichsparteitagsgelände haben wird.
Wer Carmen Thomas' „Schalke 05“ zum Maßstab nimmt, kann nur hoffen, daß sich Müller-Hohenstein angemessen, das heißt persönlich und nicht via Vorgesetztem entschuldigen wird.
Updates: Niggemeier findet's nicht schlimm und schiebt einen Autobahn-Witz hinterher. Die 11 Freunde sehen es kritischer. Blogmedien bekennt sich zu einer eigenen sprachlichen Entgleisung.
Spiegel Online: „Zudem warnte der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, vor Hysterie. 'Die Moderatorin hat es bedauert, das ZDF hat es bedauert. Da gibt es deutlich keine böse Absicht', sagte er der 'Leipziger Volkszeitung' (Dienstagausgabe). 'Ich glaube, dass ist ihr einfach so rausgerutscht', sagte Graumann. Der Begriff sei inzwischen leider zu einem umgangssprachlichen Idiom geworden. 'Viele Menschen denken gar nicht an die NSDAP in dem Moment, wenn sie es sagen.'
„'Ein innerer Reichsparteitag' - das ist nicht Nazi-Sprache. Das ist vielmehr gerade die Persiflierung des bombastischen Nazi-Jargons, wie er im Dritten Reich gang und gäbe war. Das ist, wie man damals gesagt hätte, Berliner Mutterwitz, frech, respektlos, nicht ohne Anteile von Zynismus, wie sie ja auch im Wort von der 'Reichskristallnacht' aufscheinen, welches das verbrecherische Spektakel des Pogroms vom 9. November 1938 als staatsoffiziellen Budenzauber entlarvte, den die Nazis als 'spontane Äußerung des Volkszorns' verkaufen wollten.“ Tilmann Krause in der „Welt“
„Die ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein ist sprachlich schwer entgleist, als sie beim WM-Torschützen Miroslav Klose nach dessen Tor auf 'inneren Reichsparteitag' erkannte. Für den handelsüblichen Nazi-Alarm reicht das nicht.“ Joachim Huber im „Tagesspiegel“
Im großen Wochenend-Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ vom 16. Januar 2016 erklärt Katrin Müller-Hohenstein darauf angesprochen: „Kollege Manni Breuckmann hat mir mal erzählt, dass er das auch mal gesagt hat. Ich habe das –wie er auch – völlig sinnentleert gemeint. Trotzdem: wenn ich einem einzigen Menschen damit zu nahe getreten bin, war’s einer zu viel.“ (Vollständiges Interview via kostenpflichtigen Blendle-Link.)
Und wenn Katrin Bedauern
Natürlich ist nicht jeder davor gefeit, sich im „Wörterbuch des Unmenschen“ zu bedienen, das verniedlichende „Reichskristallnacht“ kam mir früher ebenso aus dem Mund – weil ich mir nicht vorstellen konnte, daß es jemand verharmlosend verstehend könnte. Oder Goebbels' infames „Journaille“ – weil ich den Zusammenhang nicht kannte, aber das änderte sich in dem Augenblick, in dem mir der Kontext und die Wirkung dieser Worte bewußt wurde (während etwa ein Don Alphonso da weniger Skrupel zeigt).
Selbst der „innere Reichsparteitag“ entschlüpft mir im Privatgespräch gelegentlich und führt dann dazu, daß mich Mo oder andere Freunde dafür kritisieren. Und das zurecht. Denn anders als bei der „Reichskristallnacht“ oder „Journaille“ ist die Konnotation beim „inneren Reichsparteitag“ eine ausschließlich positive, letztendlich Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“ und „Sieg des Glaubens“ fortführende (update: oder vielleicht doch nicht?).
Von der Journalistin, die nicht (mehr) für einen regionalen Larifari-Sender, sondern das öffentlich-rechtliche ZDF arbeitet, kann man erwarten, daß sie es besser weiß, zumal sie als Erlangerin auch noch lokalen Bezug zum Nürnberger Reichsparteitagsgelände haben wird.
Wer Carmen Thomas' „Schalke 05“ zum Maßstab nimmt, kann nur hoffen, daß sich Müller-Hohenstein angemessen, das heißt persönlich und nicht via Vorgesetztem entschuldigen wird.
Updates: Niggemeier findet's nicht schlimm und schiebt einen Autobahn-Witz hinterher. Die 11 Freunde sehen es kritischer. Blogmedien bekennt sich zu einer eigenen sprachlichen Entgleisung.
Spiegel Online: „Zudem warnte der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, vor Hysterie. 'Die Moderatorin hat es bedauert, das ZDF hat es bedauert. Da gibt es deutlich keine böse Absicht', sagte er der 'Leipziger Volkszeitung' (Dienstagausgabe). 'Ich glaube, dass ist ihr einfach so rausgerutscht', sagte Graumann. Der Begriff sei inzwischen leider zu einem umgangssprachlichen Idiom geworden. 'Viele Menschen denken gar nicht an die NSDAP in dem Moment, wenn sie es sagen.'
„'Ein innerer Reichsparteitag' - das ist nicht Nazi-Sprache. Das ist vielmehr gerade die Persiflierung des bombastischen Nazi-Jargons, wie er im Dritten Reich gang und gäbe war. Das ist, wie man damals gesagt hätte, Berliner Mutterwitz, frech, respektlos, nicht ohne Anteile von Zynismus, wie sie ja auch im Wort von der 'Reichskristallnacht' aufscheinen, welches das verbrecherische Spektakel des Pogroms vom 9. November 1938 als staatsoffiziellen Budenzauber entlarvte, den die Nazis als 'spontane Äußerung des Volkszorns' verkaufen wollten.“ Tilmann Krause in der „Welt“
„Die ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein ist sprachlich schwer entgleist, als sie beim WM-Torschützen Miroslav Klose nach dessen Tor auf 'inneren Reichsparteitag' erkannte. Für den handelsüblichen Nazi-Alarm reicht das nicht.“ Joachim Huber im „Tagesspiegel“
Im großen Wochenend-Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ vom 16. Januar 2016 erklärt Katrin Müller-Hohenstein darauf angesprochen: „Kollege Manni Breuckmann hat mir mal erzählt, dass er das auch mal gesagt hat. Ich habe das –wie er auch – völlig sinnentleert gemeint. Trotzdem: wenn ich einem einzigen Menschen damit zu nahe getreten bin, war’s einer zu viel.“ (Vollständiges Interview via kostenpflichtigen Blendle-Link.)
Freitag, 2. April 2010
K1 reloaded – Wetten, daß keiner blank zieht?
Die Mission: Eine Ikone der 68er, Thomas Hesterbergs Nacktfoto der Kommune 1, nachzustellen. Der Ort: Das Studio 9 der Bavaria in Geiselgasteig, wo für das ZDF gestern abend Thomas Gottschalks Geburtstagsrevue „My Sixties“ inszeniert wurde. Das Problem: Genügend Leute zu finden, die unbezahlt blank ziehen. Denn es mangelt den Castingshow-geprüften Produzenten von Tresor TV sicherlich nicht an genügend Komparsen in der Kartei, die für ein paar Euro nackte Tatsachen sprechen ließen. Aber manchmal geschehen kleine Wunder, und das Produktionsteam wollte tatsächlich auf Überzeugungstäter setzen, die um der Sache willen posieren und nicht wegen der Gage:
„Thomas Gottschalk sucht für seine Zeitreise 'My Swinging Sixties' - Samstag, 3. April 2010, 20.15 Uhr, im ZDF - 'nackte Tatsachen': Einer der legendärsten 'Schnappschüsse' der wilden 60er ist zur Ikone dieser Zeit geworden. Sieben Männer und Frauen ziehen blank und zeigen der biederen Welt: Spießigkeit war gestern, es lebe die Freiheit und der Nonkonformismus!
Was die Kommune 1 damals konnte, sollte im Jahr 2010 schon lange drin sein: Für eine ganz besondere Neuauflage des bekannten Fotos im Rahmen seiner Show 'My Swinging Sixties' sucht Thomas Gottschalk jetzt unerschrockene Fotomodelle in Rückansicht, die die Aufnahme im Studio nachstellen.
Die wilden 60er sind Party und gute Laune, aber sie haben mit ihren revolutionären Errungenschaften auch das gesellschaftliche Denken nachhaltig geprägt. Wer den überzeugenden - und vor allem unbekleideten - Beweis antreten möchte, dass der Geist von damals auch heute noch lebendig ist, kann sich ab sofort melden.“
Nun ist es keineswegs so, daß ich alles tun würde, um Samstag abend in der prime time von Thomas Gottschalk im ZDF interviewt zu werden, aber als ich den unter anderem von der „Abendzeitung“ veröffentlichten Aufruf las, dachte ich nicht lange nach und sagte sofort zu.
Ob es nun an den Osterferien, dem angeblich prüden Bayern oder einer unzureichenden Kommunikationsarbeit lag, jedenfalls fanden sich nur etwa drei Exhibitionisten, die wie ich bereit gewesen wären, vor laufender Kamera das legendäre Bild nachzustellen – wahlweise mit oder ohne hautfarbenem Tanga. (Selbst der „Spiegel“ hat das Original seinerzeit nur retuschiert veröffentlicht. Von wegen Swinging!)
Zwar lautete die Ansage ursprünglich, man würde in der Sendung auf jeden Fall über die K1 und unsere Gründe, das Bild nachzustellen, sprechen, und je nach Anzahl der Freiwilligen im Studio entscheiden, ob man das Shooting dann tatsächlich noch einmal mit einem Sechziger-Jahre-Fotografen wiederhole. Aber welcher Fernsehsender will schon in einer Samstagabendshow sein Scheitern thematisieren? Also wurde der Programmteil kurzfristig durch einen Auftritt der schlechtesten Beatles-Cover-Band ever ersetzt.
So blieb es Helmut Berger vorbehalten, etwas Anarchie und Widerspenstigkeit in die ansonsten recht glatt gebügelte Retroshow zu schmuggeln, genug, um die Regie wild mit „Verabschieden!“-Schildern wedeln zu lassen, die Thomas Gottschalk aber souverän ignorierte. Mal sehen, was von Bergers lyrischem Weltschmerz morgen abend in der zurechtgestutzten Sendung noch übrig bleibt.
Updates: Sie haben nur herausgeschnitten, wie Berger und Gottschalk zum Schluß zu „Honky Tonk Woman“ tanzen. Hier Helmut Bergers Auftritt auszugsweise als Video in der ZDF-Mediathek, und etwas ausführlicher auf YouTube. Michael Graeter über Bergers München-Aufenthalt.
(Fotos: ZDF/Astrid Schmidhuber)
„Thomas Gottschalk sucht für seine Zeitreise 'My Swinging Sixties' - Samstag, 3. April 2010, 20.15 Uhr, im ZDF - 'nackte Tatsachen': Einer der legendärsten 'Schnappschüsse' der wilden 60er ist zur Ikone dieser Zeit geworden. Sieben Männer und Frauen ziehen blank und zeigen der biederen Welt: Spießigkeit war gestern, es lebe die Freiheit und der Nonkonformismus!
Was die Kommune 1 damals konnte, sollte im Jahr 2010 schon lange drin sein: Für eine ganz besondere Neuauflage des bekannten Fotos im Rahmen seiner Show 'My Swinging Sixties' sucht Thomas Gottschalk jetzt unerschrockene Fotomodelle in Rückansicht, die die Aufnahme im Studio nachstellen.
Die wilden 60er sind Party und gute Laune, aber sie haben mit ihren revolutionären Errungenschaften auch das gesellschaftliche Denken nachhaltig geprägt. Wer den überzeugenden - und vor allem unbekleideten - Beweis antreten möchte, dass der Geist von damals auch heute noch lebendig ist, kann sich ab sofort melden.“
Nun ist es keineswegs so, daß ich alles tun würde, um Samstag abend in der prime time von Thomas Gottschalk im ZDF interviewt zu werden, aber als ich den unter anderem von der „Abendzeitung“ veröffentlichten Aufruf las, dachte ich nicht lange nach und sagte sofort zu.
Ob es nun an den Osterferien, dem angeblich prüden Bayern oder einer unzureichenden Kommunikationsarbeit lag, jedenfalls fanden sich nur etwa drei Exhibitionisten, die wie ich bereit gewesen wären, vor laufender Kamera das legendäre Bild nachzustellen – wahlweise mit oder ohne hautfarbenem Tanga. (Selbst der „Spiegel“ hat das Original seinerzeit nur retuschiert veröffentlicht. Von wegen Swinging!)
Zwar lautete die Ansage ursprünglich, man würde in der Sendung auf jeden Fall über die K1 und unsere Gründe, das Bild nachzustellen, sprechen, und je nach Anzahl der Freiwilligen im Studio entscheiden, ob man das Shooting dann tatsächlich noch einmal mit einem Sechziger-Jahre-Fotografen wiederhole. Aber welcher Fernsehsender will schon in einer Samstagabendshow sein Scheitern thematisieren? Also wurde der Programmteil kurzfristig durch einen Auftritt der schlechtesten Beatles-Cover-Band ever ersetzt.
So blieb es Helmut Berger vorbehalten, etwas Anarchie und Widerspenstigkeit in die ansonsten recht glatt gebügelte Retroshow zu schmuggeln, genug, um die Regie wild mit „Verabschieden!“-Schildern wedeln zu lassen, die Thomas Gottschalk aber souverän ignorierte. Mal sehen, was von Bergers lyrischem Weltschmerz morgen abend in der zurechtgestutzten Sendung noch übrig bleibt.
Updates: Sie haben nur herausgeschnitten, wie Berger und Gottschalk zum Schluß zu „Honky Tonk Woman“ tanzen. Hier Helmut Bergers Auftritt auszugsweise als Video in der ZDF-Mediathek, und etwas ausführlicher auf YouTube. Michael Graeter über Bergers München-Aufenthalt.
(Fotos: ZDF/Astrid Schmidhuber)
Sonntag, 27. September 2009
Geleakte Exit Polls am Nachmittag? Bereits langjährige Praxis
Wen man auch fragt, ob die Wahlforscher von infratest dimap oder der Forschungsgruppe Wahlen, ARD und ZDF, die Landes- und Bundeswahlleiter, die Parteien oder die Kollegen der old media, stets wurde rundum bestritten, daß vor Schließung der Wahllokale Prognosen auf Grundlage der Wahlnachfragen zirkulierten, oder – wenn überhaupt – nur zögerlich, eingeschränkt zugegeben. Um so schöner, daß es heute Michael Spehr in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ einmal klar ausspricht:
„Erste Zahlen zur Bundestagswahl 2005 hatten wir vor vier Jahren am Nachmittag des 18. September per SMS erhalten. sie kamen direkt aus dem Konrad-Adenauer-Haus, und die Führungsgremien der CDU hatten sie von Infratest Dimap und der Forschungsgruppe Wahlen. Diese Weitergabe war bislang gang und gäbe, niemand hat sich daran gestört: ein kleines Geheimnis, das man am besten für sich behielt.“
„Erste Zahlen zur Bundestagswahl 2005 hatten wir vor vier Jahren am Nachmittag des 18. September per SMS erhalten. sie kamen direkt aus dem Konrad-Adenauer-Haus, und die Führungsgremien der CDU hatten sie von Infratest Dimap und der Forschungsgruppe Wahlen. Diese Weitergabe war bislang gang und gäbe, niemand hat sich daran gestört: ein kleines Geheimnis, das man am besten für sich behielt.“
Donnerstag, 3. September 2009
Exit Polls – doch mehr als nur „mittelmäßig geraten“?
„Zapp“ vergleicht die bei Twitter veröffentlichten Zahlen mit den offiziellen Prognosen aus Wahlnachfragen. Während ARD-Kollege Jörg Schönenborn jedes Leck ausschließt und die Sonntag nachmittag getwitterten Zahlen bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland für bestenfalls „mittelmäßig geraten“ hält, sieht die NDR-Redaktion verdächtige Nähe der frühzeitig geleakten Zahlen zu den späteren Prognosen.
Updates: Eine interaktive Playerversion des „Zapp“-Beitrags mit Anmoderation und weiterführenden Links im Menü gibt's hier.
Nicht nur die ARD sieht talentierte Prognosentipper am Werk. Das ZDF behauptet auch, „jemand, der sich die Zahlen aus den Umfragen in den Wochen vor der Wahl zusammengerechnet und auf dieser Basis das Ergebnis einfach nur gut geschätzt hat“, wäre die Erklärung für die herausgezwitscherten Zahlen, so „Andrea Wolf, Vorstandsmitglied der Forschungsgruppe Wahlen, die für das ZDF die Prognosen erstellt.“
Twitter-Meldungen ohne juristische Folgen
„Es konnte kein direkter Zusammenhang zwischen den Nachwahlbefragungen am Tag der Wahl des 5. Sächsischen Landtages einerseits und den Twitter-Meldungen vor Ablauf der Wahlzeit andererseits nachgewiesen werden. Daher ist ein ordnungswidriges Handeln nicht zu belegen.“
Mit diesen Worten erklärt die Landeswahlleiterin, Frau Prof. Dr. Irene Schneider-Böttcher, die Prüfung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens für eingestellt.
Um aus den Meldungen, die gegen 16:30 Uhr als „erste Prognosen“ über den Kurzmitteilungsdienst Twitter verbreitet wurden, auf die Nachwahlbefragungen am Wahltag vor den Wahllokalen (sog. Exit-Polls) schließen zu können, hätte eine direkte Verbindung zwischen den Nachwahlbefragungen und den Twitter-Meldungen abzuleiten möglich sein müssen.
Nachwahlbefragungen wurden durch die beiden am Tag der Landtagswahl am 30. August 2009 in Sachsen tätigen Meinungsforschungsinstitute, die „Forschungsgruppe Wahlen e. V.“ sowie „Infratest dimap“, für die Fernsehsender ARD und ZDF durchgeführt.
Im Rahmen der Beweiserhebung wurden die genannten Institutionen, die Person, über deren Twitter-Account die Meldungen verbreitet wurden, sowie die Fa. Twitter selbst angehört. Dabei ergaben sich keine nachweisbaren Anhaltspunkte für diese Ableitung.
Daher wurde das Verfahren wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Verbot, vor Ablauf der Wahlzeit Ergebnisse einer Wählerbefragung zu veröffentlichen, eingestellt.
(Pressemeldung der Landeswahlleiterin vom 5. März 2010)
Dienstag, 1. September 2009
Exit Polls: Wer wußte wann was?
Früher verletzte es die Würde des hohen Hauses und somit das Demokratieverständnis der Altvorderen, als sich ein angehender Minister in Turnschuhen vereidigen ließ. Heute sieht ein Gatekeeper der „Süddeutschen Zeitung“ „eherne Gesetze“ verletzt, wenn Exit Polls getwittert werden und die „taz“ warnt sogar vor der braunen Gefahr.
Anläßlich der Recherchen für die morgige „Zapp“-Sendung fragte mich eine NDR-Redakteurin, ob ich den sogenannten Prognosenverrat via Twitter nicht auch problematisch fände. Ehrlich gesagt nicht. Ich fürchte auch anders als die „taz“ nicht, daß das rechtsextreme Lager solche Zahlen zum Ansturm auf die Wahllokale nutzen könnte. Mich stören vielmehr die Wahlnachfragen an und für sich oder vielmehr der undemokratische Umgang mit ihnen.
Mit welcher Legitimation sammeln denn ARD, ZDF und die von ihnen beauftragten Wahlforscher unter der Aufsicht der Wahlleiter hochsensible Daten, um mit ihnen dann willkürlich zu verfahren? Mit welchem Recht entscheiden ein Jörg Schönenborn oder seine Mainzer Kollegen, welche „Medien (und im Übrigen auch Politiker) vertraulich schon früher die Prognosen bekommen, die auf den sogenannten Wahl-Nachfragen vor den Wahllokalen beruhen“, um einen Kollegen von der „Süddeutschen“ zu zitieren. Nach welchen Kriterien sucht ein Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen „im Laufe des Wahltags das ein oder andere Gespräch auch mit Politikern“, bei dem Prognosen aus den Exit Polls gegen eine politische Einschätzung getauscht werden?
Denn eins ist klar, diese Gunst trifft auf keinen Fall alle Parteien, nicht einmal alle in Bundes- oder Landtag Vertretenen. Die Linke bleibt beispielsweise laut Auskunft ihrer Pressesprecherin Alrun Nüßlein außen vor, den Freien Wählern oder rechtsextremen Abgeordneten wird es nicht anders gehen. Sind das die neuen demokratischen Spielregeln?
Und mit welchem Recht tritt der hessische Landeswahlleiter die Untersuchung des Prognosenverrats durch bild.de an die mutmaßlich Tatbeteiligten, infratest-dimap und die Forschungsgruppe Wahlen, ab und stellt mir anheim, mich mit diesen über falsche Tatsachenbehauptungen auszutauschen statt wie vom Wahlrecht vorgesehen Herr des Verfahrens zu bleiben?
Von mir aus sollen die Wahlnachfragen bestehen bleiben. Aber wäre es in einer Demokratie zu viel verlangt, transparent zu machen, wer wann was erfährt? Um wieviel Uhr und von wem erhält ein Kanzleramt die erste Prognose aus Exit Polls? An wie viele Empfänger wird diese Information weitergeleitet? Handelt es sich dabei nur um Regierungsmitglieder oder auch um Parteifreunde? Unterliegt das dabei mitgeteilte Zahlenmaterial einer Geheimhaltungsstufe? Erst nach Offenlegung solcher Fakten wäre zu entscheiden, ob man das so weiter handhaben will oder nicht.
Updates: Zumindest die ARD und infratest-dimap gäben „vor 18 Uhr keine Zahlen an Parteien“ (Jörg Schönenborn/ARD) – Bundesjustizministerin Brigitte Zypries scheint es besser zu wissen: „Ich kann nur hoffen, dass die Kolleginnen und Kollegen, die die Ergebnisse vorab mitgeteilt bekommen, verantwortungsbewusst damit umgehen.“ Im Interview mit dem Deutschlandfunk denkt sie auch über die Möglichkeit nach, „dass man gar nicht mehr solche Nachbefragungen macht bei der Wahl und dementsprechend auch keine Vorab-Bekanntmachung mehr macht. Das würde bedeuten, dass wir das Wahlergebnis nicht schon bereits abends um viertel nach sechs haben, sondern dann vielleicht erst um 20 Uhr. Wäre, glaube ich, auch kein großer Schaden für die Demokratie.“
A better tomorrow zur Gatekeeper-Funktion der Öffentlich-Rechtlichen.
(Foto: NDR/Dirk Uhlenbrock)
Anläßlich der Recherchen für die morgige „Zapp“-Sendung fragte mich eine NDR-Redakteurin, ob ich den sogenannten Prognosenverrat via Twitter nicht auch problematisch fände. Ehrlich gesagt nicht. Ich fürchte auch anders als die „taz“ nicht, daß das rechtsextreme Lager solche Zahlen zum Ansturm auf die Wahllokale nutzen könnte. Mich stören vielmehr die Wahlnachfragen an und für sich oder vielmehr der undemokratische Umgang mit ihnen.
Mit welcher Legitimation sammeln denn ARD, ZDF und die von ihnen beauftragten Wahlforscher unter der Aufsicht der Wahlleiter hochsensible Daten, um mit ihnen dann willkürlich zu verfahren? Mit welchem Recht entscheiden ein Jörg Schönenborn oder seine Mainzer Kollegen, welche „Medien (und im Übrigen auch Politiker) vertraulich schon früher die Prognosen bekommen, die auf den sogenannten Wahl-Nachfragen vor den Wahllokalen beruhen“, um einen Kollegen von der „Süddeutschen“ zu zitieren. Nach welchen Kriterien sucht ein Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen „im Laufe des Wahltags das ein oder andere Gespräch auch mit Politikern“, bei dem Prognosen aus den Exit Polls gegen eine politische Einschätzung getauscht werden?
Denn eins ist klar, diese Gunst trifft auf keinen Fall alle Parteien, nicht einmal alle in Bundes- oder Landtag Vertretenen. Die Linke bleibt beispielsweise laut Auskunft ihrer Pressesprecherin Alrun Nüßlein außen vor, den Freien Wählern oder rechtsextremen Abgeordneten wird es nicht anders gehen. Sind das die neuen demokratischen Spielregeln?
Und mit welchem Recht tritt der hessische Landeswahlleiter die Untersuchung des Prognosenverrats durch bild.de an die mutmaßlich Tatbeteiligten, infratest-dimap und die Forschungsgruppe Wahlen, ab und stellt mir anheim, mich mit diesen über falsche Tatsachenbehauptungen auszutauschen statt wie vom Wahlrecht vorgesehen Herr des Verfahrens zu bleiben?
Von mir aus sollen die Wahlnachfragen bestehen bleiben. Aber wäre es in einer Demokratie zu viel verlangt, transparent zu machen, wer wann was erfährt? Um wieviel Uhr und von wem erhält ein Kanzleramt die erste Prognose aus Exit Polls? An wie viele Empfänger wird diese Information weitergeleitet? Handelt es sich dabei nur um Regierungsmitglieder oder auch um Parteifreunde? Unterliegt das dabei mitgeteilte Zahlenmaterial einer Geheimhaltungsstufe? Erst nach Offenlegung solcher Fakten wäre zu entscheiden, ob man das so weiter handhaben will oder nicht.
Updates: Zumindest die ARD und infratest-dimap gäben „vor 18 Uhr keine Zahlen an Parteien“ (Jörg Schönenborn/ARD) – Bundesjustizministerin Brigitte Zypries scheint es besser zu wissen: „Ich kann nur hoffen, dass die Kolleginnen und Kollegen, die die Ergebnisse vorab mitgeteilt bekommen, verantwortungsbewusst damit umgehen.“ Im Interview mit dem Deutschlandfunk denkt sie auch über die Möglichkeit nach, „dass man gar nicht mehr solche Nachbefragungen macht bei der Wahl und dementsprechend auch keine Vorab-Bekanntmachung mehr macht. Das würde bedeuten, dass wir das Wahlergebnis nicht schon bereits abends um viertel nach sechs haben, sondern dann vielleicht erst um 20 Uhr. Wäre, glaube ich, auch kein großer Schaden für die Demokratie.“
A better tomorrow zur Gatekeeper-Funktion der Öffentlich-Rechtlichen.
(Foto: NDR/Dirk Uhlenbrock)
Montag, 31. August 2009
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf: Das Geheimnis der Wahlnachfragen
Zum Glück hat Patrick Rudolph erst am 16. Juni zu twittern begonnen, sonst hätte er womöglich bereits bei den Europawahlen erste Prognosen herausgezwitschert. So verdanken wir dem CDU-Funktionär die erste offene Diskussion über Sinn und Unsinn der Wahlnachfragen (während bei den Europawahlen genug andere Politinsider ihr Herrschaftswissen nicht für sich behalten konnten).
„Sollte die Verbreitung der Prognose bei Twitter nachweislich Einfluss auf die Wahl gehabt haben, müsste diese sogar wiederholt werden und der Verursacher für die Kosten von rund zwei Millionen Euro aufkommen“, droht Thüringens Landeswahlleiter Günter Krombholz, wobei man das bitte nicht falsch verstehen darf.
Nachmeinen halbjährigen Recherchen gelegentlichen Recherchen im letzten halben Jahr hat kein Beteiligter ernsthaft die Absicht, einen möglicherweise bereits begangenen Prognosenverrat aufzuklären. Es gilt nur, zukünftig Blogger, Twitterer & Co davon abzuhalten, um den alten Status-quo aufrechtzuerhalten: Vorabzahlen aus Wahlnachfragen nur per SMS an den inner circle der Politiker, Journalisten und Lobbyisten, die zwar auch irgendwo Wähler sind, aber eben welche mit dem besonderen Vorrecht des ol' boy network.
Die Wahlleiter haben kein Interesse an Aufklärung, da sonst Dritte womöglich eine Wahl anfechten könnten. Das hätte zwar letztendlich vor Gericht kaum Aussicht auf Erfolg, würde aber den Wahlleitern verdammt viel zusätzliche Arbeit bereiten: Beweissicherung, Zeugenaussagen, Rechtfertigungen, Ausreden, und für einen Wahlleiter, in der Regel Beamte der statistischen Landes- und Bundesämter, ist alles abseits der bürokratischen Gleise die Hölle.
Und die Fernsehanstalten besitzen natürlich mit den quasi amtlichen Prognosen aus Wahlnachfragen ein Pfund, mit dem sich prächtig wuchern läßt. Nicht nur wegen der Einschaltquoten um 18 Uhr, sondern auch um mit den Politikern einmal nicht als Bittsteller oder Kritiker umzugehen, sondern etwas in der Hand zu haben, das die Politiker begehren. Wer schon einmal erlebt hat, wie sich manche Journalisten bei den Geheimdiensten als Quelle verdingen, wird ahnen, wie mächtig sich ein Redakteur oder Chefredakteur fühlen muß, der den Regierenden und Parteien die Exit Polls reichen kann wie Gottvater seinen ausgestreckten Finger dem Adam, um ihn überhaupt erst zum Leben zu erwecken.
Also wird alles, grundsätzlich abgestritten. Die Verteidigungslinie der Fernsehanstalten und Wahlforscher ist dabei immer die Gleiche:
Nachdem er – offenbar erstmals – davon in Kenntnis gesetzt wurde, daß diese Zahlen bereits vor 18 Uhr vertraulich ausgewählten Politikern und Journalisten zugänglich wären, sah man dennoch keinen Verdacht für eine mögliche Ordnungswidrigkeit, denn: Die Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) und infratest dimap (ARD) „haben mir auf Nachfrage berichtet, dass vor 18:00 Uhr weder Ergebnisse noch Zwischenstände an BILD oder BILD.de weitergegeben worden sind.
Die von BILD.de veröffentlichten Zahlen (...) stimmen darüber hinaus mit dem Zahlenwerk der beiden Institute bei keiner einzigen Partei überein.“
Nun haben Kai Diekmann und seinen Mannen natürlich auch ihre Quellen im Kanzleramt und den Staatskanzleien, und die letzte Behauptung war schlichtwegs falsch: Die von „Bild“ veröffentlichten Zahlen stimmten bei zwei Parteien mit denen des ZDF genau überein und wichen bei CDU und den Grünen um 0,5 Prozent ab sowie bei der SPD um 1,5 – möglicherweise tolerierbare Differenzen, da die Prognosen laufend aktualisiert werden.
Darauf angesprochen, meint der Leiter des Referates Wahlen und Hochheitsangelegenheiten des zuständigen Innenministeriums abschließend: „Unsere Entscheidung, in der Sache von der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens abzusehen, beruht auf dem Befund, dass die Ergebnisse, deren vorzeitige Veröffentlichung Sie beanstanden, nicht auf Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe am Wahltag beruhen. Dies haben mir sowohl die Forschungsgruppe Wahlen e.V. als auch Infratest dimap bestätigt. Auch ein vorzeitiger Zugriff Dritter auf die Daten und Berechnungen der Institute wird von diesen ausgeschlossen. Ich stelle anheim, sich direkt mit den beiden Instituten in Verbindung zu setzen.“
Wirklich kein Zugriff? Man muß Jörg Schonenborn nicht nur mit seinem Zettel wedeln lassen, der die Prognosen von 16 Uhr enthält, man kann ihn auch direkt fragen: Angesichts der bei Twitter während der Europawahlen am frühen Nachmittag veröffentlichten Zahlen bat ich ARD und ZDF, respektive die für sie exklusiv tätigen Wahlforscher, mir mitzuteilen, welche Prognosen sie um diese Uhrzeit mit den Parteien geteilt hätten, um so gegebenenfalls nachzuweisen, daß das Zahlenmaterial tatsächlich unterschiedlichen Quellen entstammt.
Richard Hilmer von infratest dimap ignorierte wiederum meine Frage nach den 16-Uhr-Prognosen, sondern verglich die Twitter-Zahlen mit der 18-Uhr-Prognose: „kurz vor Bundestagswahlen entbrennt häufig eine Diskussion über Sinn und Unsinn, sinnvollen Gebrauch und Missbrauch von Wahltagsbefragungen. Und immer wieder tauchen im Umfeld von Wahlen Gerüchte über angeblich vor der gesetzlichen Frist von 18:00 vorliegenden Ergebnisse der Exit Polls auf – schon zu Zeiten, als es Twitter noch nicht gab. Das Gute an Twitter ist, dass nun ein schriftliches Dokument über angeblich „geleakte“ Exit Poll Ergebnisse zur Europawahl vorliegt.
Die Unsinnigkeit der Behauptung, hier lägen Ergebnisse aus einer Exit Poll vor ergibt sich in diesem Fall schon aus dem einfachen Vergleich der darin für die SPD genannten Werte und den veröffentlichten 18 Uhr Prognosen. Beim ZDF wurde das tatsächliche Ergebnis für die SPD von 20,8 Prozent mit 21,5 Prozent sehr gut, bei der ARD mit 21 Prozent sogar fast punktgenau ausgewiesen – jeweils weit entfernt von dem getwitterten Wert von 26 Prozent. Die Ergebnisse unserer Wahltagsbefragung lagen zu keinem Zeitpunkt des Wahltags auch nur in der Nähe dieses Wertes. Die in dem Twitter-Beitrag ausgewiesenen Parteianteile sind andererseits weitgehend identisch mit den von ARD und ZDF in der Woche vor der Wahl veröffentlichten Umfragewerten ( vgl. http://www.wahlrecht.de/ ). Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass hier jemand schlicht und einfach etwas verwechselt hat.
Wir nehmen dieses Beispiel gleichwohl ernst. Angesichts der jetzt aufgekommenen Diskussion über ein mögliches Twittern der Exit Poll Zahlen bei der anstehenden Bundestagswahl werden wir alles tun, um weiterhin sicherzustellen, dass vor 18:00 keine Prognose von Infratest dimap an die Öffentlichkeit dringt. Denn eines wollen wir ganz sicher nicht: eine unsinnige Diskussion über Wahltagsbefragungen.
Von unabhängigen Instituten erstellte Wahltagsbefragungen oder Exit Polls stellen heute in den meisten demokratischen Ländern ein unverzichtbares Instrument der Wahlbeobachtung und der Wahlanalyse dar. Ihr Wert wird vor allem dann deutlich, wenn es berechtigte Zweifel am korrekten Ablauf von demokratischen Wahlen gibt, wie zuletzt im Iran. Hätte es dort unabhängige Exit Polls gegeben, wären die Vorwürfe der Wahlmanipulation mittels der Ergebnisse der Wahltagsbefragung nachprüfbar. In den westlichen Demokratien, so auch in Deutschland, liegt der Schwerpunkt bei Exit Polls klar auf den analytischen Aspekten, eine Kontrollfunktion ist absolut nachrangig.
Aufgrund der zeitlichen Nähe zum Wahlakt selbst kommt den Wahltagsbefragungen gleichwohl eine Sonderstellung zu. Um jedwede Beeinflussung der Wahl durch Exit Polls auszuschließen, hat der Gesetzgeber eine vorzeitige Veröffentlichung der Ergebnisse verboten. Und nicht zuletzt deshalb hält sich Infratest dimap selbstverständlich an dieses Verbot und an die gleichlautende Forderung unseres Auftragsgebers, der ARD. “
Mathias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen fasst sich kürzer: „Wie ich Ihnen ja schon nach der LTW in Bayern geschrieben habe, informieren wir die Parteizentralen gleich welcher Partei nicht. Es gibt - auch das hatte ich Ihnen geschrieben - mit dem ein oder anderen Politiker oder Journalisten ein kurzes Gespräch bei der eine qualitative Einordnung der Wahl erfolgt. Konkrete Zahlen werden auch in diesen Gesprächen nicht genannt. Schon allein deshalb nicht, weil die Prognosen bei uns erst unmittelbar vor der Sendung endgültig festgelegt werden.
Sie können sicher sein, dass gerade die Debatte nach der Bayern-Wahl bei uns die Vorsicht der übermittelten Bewertungen weiter geschärft hat.
Nur weil Gerüchte bei Twitter verbreitet werden, kommt ihnen kein höherer Wahrheitsgehalt zu - eher im Gegenteil.“
Den Bundeswahlleiter habe ich übrigens auch gefragt, ob ihm bei der Europawahl ungewöhnliche Tweets aufgefallen wären, die eine Ordnungswidrigkeit darstellen könnten? Seine vollständige Antwort auf diese Frage fast sieben Wochen später: „Nein“.
Updates: Die „Tagesschau“ von heute zu Twitter und den Landtagswahlen (ab 00:09:11)
Im Ausland wird man jetzt auch auf uns aufmerksam: „When, at around 4 p.m., senior politicians gather in their party headquarters, the opinion poll institutes present the results of their exit polls. Television viewers only get to hear the results of these polls, which generally correspond, within a few percentage points, to the actual outcome, at 6 p.m, after the polling stations have closed.“ (ABC News), „Le Monde“, The Register, BBC.
„Der Tagesspiegel“ drückt sich etwas mißverständlich aus, wenn er behauptet: „Am späten Nachmittag der Wahltage können die Meinungsforscher aber bereits deutliche Tendenzen erkennen. Die werden zwar nicht veröffentlicht, aber vertraulich an ausgewählte Medien weitergegeben. Über Umwege gelangen sie dann auch an Politiker.“ Schließlich handelt es sich nur um zwei Medien, die ARD und ZDF, die nun mal auch die Auftraggeber der exklusiv mit Exit-Polls beauftragten Wahlforscher sind. Und bestimmte Politiker erhalten die Zahlen dann nicht über Umwege, sondern direkt – und reichen sie dann brühwarm weiter. Woraus der „Tagesspiegel“ richtige Schlüsse zieht: „Danach ist kaum noch nachzuvollziehen, wer wen informiert.“
Die „Süddeutsche Zeitung“ trauert den Zeiten der Gatekeeper nach: „Seit es Umfragen am Wahltag gibt, gilt das eherne Gesetz: nicht veröffentlichen, bevor die Wahllokale geschlossen haben. Doch am Superwahlsonntag hielten sich manche nicht daran.“
Thomas Knüwer bemerkt, daß „erstaunlich viele Menschen, mit denen ich gerne über den gestrigen Tag telefonieren würde“, nicht erreichbar sind. „Bei der Forschungsgruppe Wahlen ist man auf das Thema schlecht zu sprechen. Ein Sprecher mit Wut in der Stimme erklärte mir, aus seinem Haus kämen die Zahlen nicht. Die Forschungsgruppe gäbe erst relativ spät vor der Schließung der Wahllokale Tendenzen aus wenige, ausgewählte Politiker und Chefredakteure. In der Tat fällt auf: Die Prognosen via Twitter liegen wesentlich näher an den Zahlen von Infratest-Dimap. Dort ist die Presseabteilung heute nicht zu sprechen - ebenso niemand anderes.“
Na ja, Jörg Schönenborn hat mir am 1. Juli noch schriftlich versichert: „Weder Infratest Dimap, als von der ARD beauftragtes Wahlforschungsinstitut, noch ich als redaktionell Verantwortlicher für die Wahlberichterstattung geben an Wahltagen Prognosezahlen an Externe weiter. Insbesondere geben wir vor 18 Uhr keine Zahlen an Parteien weiter.“ Und er wird ja wohl nicht lügen, oder?
Wenn sonst schon kein Argument zieht, dann eben die Furcht vor den Nazis: „Aber auch für das rechtsextremen Lager wäre eine Vorabprognose hilfreich. Große Teile der neonazistischen Szene sind eigentlich antiparlamentarisch und institutionenfeindlich eingestellt. Kriegen ihre Anhänger ein oder zwei Stunden vor Schluss mit, dass der Einzug einer rechtsextremen Partei in ein Landesparlament möglich ist oder auf der Kippe steht, könnten sie sich noch spontan für den Urnengang entscheiden“, so die „taz“ zum ThemaPrognosenverrat Twitter-Schock.
Internet und Politik zur Medienpanik.
„Sollte die Verbreitung der Prognose bei Twitter nachweislich Einfluss auf die Wahl gehabt haben, müsste diese sogar wiederholt werden und der Verursacher für die Kosten von rund zwei Millionen Euro aufkommen“, droht Thüringens Landeswahlleiter Günter Krombholz, wobei man das bitte nicht falsch verstehen darf.
Nach
Die Wahlleiter haben kein Interesse an Aufklärung, da sonst Dritte womöglich eine Wahl anfechten könnten. Das hätte zwar letztendlich vor Gericht kaum Aussicht auf Erfolg, würde aber den Wahlleitern verdammt viel zusätzliche Arbeit bereiten: Beweissicherung, Zeugenaussagen, Rechtfertigungen, Ausreden, und für einen Wahlleiter, in der Regel Beamte der statistischen Landes- und Bundesämter, ist alles abseits der bürokratischen Gleise die Hölle.
Und die Fernsehanstalten besitzen natürlich mit den quasi amtlichen Prognosen aus Wahlnachfragen ein Pfund, mit dem sich prächtig wuchern läßt. Nicht nur wegen der Einschaltquoten um 18 Uhr, sondern auch um mit den Politikern einmal nicht als Bittsteller oder Kritiker umzugehen, sondern etwas in der Hand zu haben, das die Politiker begehren. Wer schon einmal erlebt hat, wie sich manche Journalisten bei den Geheimdiensten als Quelle verdingen, wird ahnen, wie mächtig sich ein Redakteur oder Chefredakteur fühlen muß, der den Regierenden und Parteien die Exit Polls reichen kann wie Gottvater seinen ausgestreckten Finger dem Adam, um ihn überhaupt erst zum Leben zu erwecken.
Also wird alles, grundsätzlich abgestritten. Die Verteidigungslinie der Fernsehanstalten und Wahlforscher ist dabei immer die Gleiche:
- Es würden gar keine Prognosen vor 18 Uhr zirkulieren (längst widerlegt, wenn auch jetzt von ARD-Wahlkassandra Jörg Schönenborn wieder bemüht, während Patrick Rudolph beispielsweise gar nicht dementiert, die Zahlen gekannt zu haben, sondern nur, sie selbst getwittert zu haben. Falls er lügt, klingt das, als ob er vortäuschen würde, Opfer einer Straftat zu sein, nur um keiner Ordnungswidrigkeit bezichtigt zu werden).
- Die herausgetwitterten oder beispielsweise anläßlich der hessischen Landtagswahl von BILD vorzeitig herausposaunten Zahlen würden zu sehr von den Exit-Polls-Prognosen abweichen, um sich tatsächlich darauf stützen zu können. Es seien also überhaupt keine verbotenen Prognosen aus Wahlnachfragen, sondern zulässige Prognosen aus der Hosentasche (Wobei dieses zweite Argument das erste tilt: Wozu muß man überhaupt Zahlen vergleichen, wenn die eigenen Zahlen das Haus gar nicht verlassen haben?)
Nachdem er – offenbar erstmals – davon in Kenntnis gesetzt wurde, daß diese Zahlen bereits vor 18 Uhr vertraulich ausgewählten Politikern und Journalisten zugänglich wären, sah man dennoch keinen Verdacht für eine mögliche Ordnungswidrigkeit, denn: Die Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) und infratest dimap (ARD) „haben mir auf Nachfrage berichtet, dass vor 18:00 Uhr weder Ergebnisse noch Zwischenstände an BILD oder BILD.de weitergegeben worden sind.
Die von BILD.de veröffentlichten Zahlen (...) stimmen darüber hinaus mit dem Zahlenwerk der beiden Institute bei keiner einzigen Partei überein.“
Nun haben Kai Diekmann und seinen Mannen natürlich auch ihre Quellen im Kanzleramt und den Staatskanzleien, und die letzte Behauptung war schlichtwegs falsch: Die von „Bild“ veröffentlichten Zahlen stimmten bei zwei Parteien mit denen des ZDF genau überein und wichen bei CDU und den Grünen um 0,5 Prozent ab sowie bei der SPD um 1,5 – möglicherweise tolerierbare Differenzen, da die Prognosen laufend aktualisiert werden.
Darauf angesprochen, meint der Leiter des Referates Wahlen und Hochheitsangelegenheiten des zuständigen Innenministeriums abschließend: „Unsere Entscheidung, in der Sache von der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens abzusehen, beruht auf dem Befund, dass die Ergebnisse, deren vorzeitige Veröffentlichung Sie beanstanden, nicht auf Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe am Wahltag beruhen. Dies haben mir sowohl die Forschungsgruppe Wahlen e.V. als auch Infratest dimap bestätigt. Auch ein vorzeitiger Zugriff Dritter auf die Daten und Berechnungen der Institute wird von diesen ausgeschlossen. Ich stelle anheim, sich direkt mit den beiden Instituten in Verbindung zu setzen.“
Wirklich kein Zugriff? Man muß Jörg Schonenborn nicht nur mit seinem Zettel wedeln lassen, der die Prognosen von 16 Uhr enthält, man kann ihn auch direkt fragen: Angesichts der bei Twitter während der Europawahlen am frühen Nachmittag veröffentlichten Zahlen bat ich ARD und ZDF, respektive die für sie exklusiv tätigen Wahlforscher, mir mitzuteilen, welche Prognosen sie um diese Uhrzeit mit den Parteien geteilt hätten, um so gegebenenfalls nachzuweisen, daß das Zahlenmaterial tatsächlich unterschiedlichen Quellen entstammt.
Richard Hilmer von infratest dimap ignorierte wiederum meine Frage nach den 16-Uhr-Prognosen, sondern verglich die Twitter-Zahlen mit der 18-Uhr-Prognose: „kurz vor Bundestagswahlen entbrennt häufig eine Diskussion über Sinn und Unsinn, sinnvollen Gebrauch und Missbrauch von Wahltagsbefragungen. Und immer wieder tauchen im Umfeld von Wahlen Gerüchte über angeblich vor der gesetzlichen Frist von 18:00 vorliegenden Ergebnisse der Exit Polls auf – schon zu Zeiten, als es Twitter noch nicht gab. Das Gute an Twitter ist, dass nun ein schriftliches Dokument über angeblich „geleakte“ Exit Poll Ergebnisse zur Europawahl vorliegt.
Die Unsinnigkeit der Behauptung, hier lägen Ergebnisse aus einer Exit Poll vor ergibt sich in diesem Fall schon aus dem einfachen Vergleich der darin für die SPD genannten Werte und den veröffentlichten 18 Uhr Prognosen. Beim ZDF wurde das tatsächliche Ergebnis für die SPD von 20,8 Prozent mit 21,5 Prozent sehr gut, bei der ARD mit 21 Prozent sogar fast punktgenau ausgewiesen – jeweils weit entfernt von dem getwitterten Wert von 26 Prozent. Die Ergebnisse unserer Wahltagsbefragung lagen zu keinem Zeitpunkt des Wahltags auch nur in der Nähe dieses Wertes. Die in dem Twitter-Beitrag ausgewiesenen Parteianteile sind andererseits weitgehend identisch mit den von ARD und ZDF in der Woche vor der Wahl veröffentlichten Umfragewerten ( vgl. http://www.wahlrecht.de/ ). Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass hier jemand schlicht und einfach etwas verwechselt hat.
Wir nehmen dieses Beispiel gleichwohl ernst. Angesichts der jetzt aufgekommenen Diskussion über ein mögliches Twittern der Exit Poll Zahlen bei der anstehenden Bundestagswahl werden wir alles tun, um weiterhin sicherzustellen, dass vor 18:00 keine Prognose von Infratest dimap an die Öffentlichkeit dringt. Denn eines wollen wir ganz sicher nicht: eine unsinnige Diskussion über Wahltagsbefragungen.
Von unabhängigen Instituten erstellte Wahltagsbefragungen oder Exit Polls stellen heute in den meisten demokratischen Ländern ein unverzichtbares Instrument der Wahlbeobachtung und der Wahlanalyse dar. Ihr Wert wird vor allem dann deutlich, wenn es berechtigte Zweifel am korrekten Ablauf von demokratischen Wahlen gibt, wie zuletzt im Iran. Hätte es dort unabhängige Exit Polls gegeben, wären die Vorwürfe der Wahlmanipulation mittels der Ergebnisse der Wahltagsbefragung nachprüfbar. In den westlichen Demokratien, so auch in Deutschland, liegt der Schwerpunkt bei Exit Polls klar auf den analytischen Aspekten, eine Kontrollfunktion ist absolut nachrangig.
Aufgrund der zeitlichen Nähe zum Wahlakt selbst kommt den Wahltagsbefragungen gleichwohl eine Sonderstellung zu. Um jedwede Beeinflussung der Wahl durch Exit Polls auszuschließen, hat der Gesetzgeber eine vorzeitige Veröffentlichung der Ergebnisse verboten. Und nicht zuletzt deshalb hält sich Infratest dimap selbstverständlich an dieses Verbot und an die gleichlautende Forderung unseres Auftragsgebers, der ARD. “
Mathias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen fasst sich kürzer: „Wie ich Ihnen ja schon nach der LTW in Bayern geschrieben habe, informieren wir die Parteizentralen gleich welcher Partei nicht. Es gibt - auch das hatte ich Ihnen geschrieben - mit dem ein oder anderen Politiker oder Journalisten ein kurzes Gespräch bei der eine qualitative Einordnung der Wahl erfolgt. Konkrete Zahlen werden auch in diesen Gesprächen nicht genannt. Schon allein deshalb nicht, weil die Prognosen bei uns erst unmittelbar vor der Sendung endgültig festgelegt werden.
Sie können sicher sein, dass gerade die Debatte nach der Bayern-Wahl bei uns die Vorsicht der übermittelten Bewertungen weiter geschärft hat.
Nur weil Gerüchte bei Twitter verbreitet werden, kommt ihnen kein höherer Wahrheitsgehalt zu - eher im Gegenteil.“
Den Bundeswahlleiter habe ich übrigens auch gefragt, ob ihm bei der Europawahl ungewöhnliche Tweets aufgefallen wären, die eine Ordnungswidrigkeit darstellen könnten? Seine vollständige Antwort auf diese Frage fast sieben Wochen später: „Nein“.
Updates: Die „Tagesschau“ von heute zu Twitter und den Landtagswahlen (ab 00:09:11)
Im Ausland wird man jetzt auch auf uns aufmerksam: „When, at around 4 p.m., senior politicians gather in their party headquarters, the opinion poll institutes present the results of their exit polls. Television viewers only get to hear the results of these polls, which generally correspond, within a few percentage points, to the actual outcome, at 6 p.m, after the polling stations have closed.“ (ABC News), „Le Monde“, The Register, BBC.
„Der Tagesspiegel“ drückt sich etwas mißverständlich aus, wenn er behauptet: „Am späten Nachmittag der Wahltage können die Meinungsforscher aber bereits deutliche Tendenzen erkennen. Die werden zwar nicht veröffentlicht, aber vertraulich an ausgewählte Medien weitergegeben. Über Umwege gelangen sie dann auch an Politiker.“ Schließlich handelt es sich nur um zwei Medien, die ARD und ZDF, die nun mal auch die Auftraggeber der exklusiv mit Exit-Polls beauftragten Wahlforscher sind. Und bestimmte Politiker erhalten die Zahlen dann nicht über Umwege, sondern direkt – und reichen sie dann brühwarm weiter. Woraus der „Tagesspiegel“ richtige Schlüsse zieht: „Danach ist kaum noch nachzuvollziehen, wer wen informiert.“
Die „Süddeutsche Zeitung“ trauert den Zeiten der Gatekeeper nach: „Seit es Umfragen am Wahltag gibt, gilt das eherne Gesetz: nicht veröffentlichen, bevor die Wahllokale geschlossen haben. Doch am Superwahlsonntag hielten sich manche nicht daran.“
Thomas Knüwer bemerkt, daß „erstaunlich viele Menschen, mit denen ich gerne über den gestrigen Tag telefonieren würde“, nicht erreichbar sind. „Bei der Forschungsgruppe Wahlen ist man auf das Thema schlecht zu sprechen. Ein Sprecher mit Wut in der Stimme erklärte mir, aus seinem Haus kämen die Zahlen nicht. Die Forschungsgruppe gäbe erst relativ spät vor der Schließung der Wahllokale Tendenzen aus wenige, ausgewählte Politiker und Chefredakteure. In der Tat fällt auf: Die Prognosen via Twitter liegen wesentlich näher an den Zahlen von Infratest-Dimap. Dort ist die Presseabteilung heute nicht zu sprechen - ebenso niemand anderes.“
Na ja, Jörg Schönenborn hat mir am 1. Juli noch schriftlich versichert: „Weder Infratest Dimap, als von der ARD beauftragtes Wahlforschungsinstitut, noch ich als redaktionell Verantwortlicher für die Wahlberichterstattung geben an Wahltagen Prognosezahlen an Externe weiter. Insbesondere geben wir vor 18 Uhr keine Zahlen an Parteien weiter.“ Und er wird ja wohl nicht lügen, oder?
Wenn sonst schon kein Argument zieht, dann eben die Furcht vor den Nazis: „Aber auch für das rechtsextremen Lager wäre eine Vorabprognose hilfreich. Große Teile der neonazistischen Szene sind eigentlich antiparlamentarisch und institutionenfeindlich eingestellt. Kriegen ihre Anhänger ein oder zwei Stunden vor Schluss mit, dass der Einzug einer rechtsextremen Partei in ein Landesparlament möglich ist oder auf der Kippe steht, könnten sie sich noch spontan für den Urnengang entscheiden“, so die „taz“ zum Thema
Internet und Politik zur Medienpanik.
Sonntag, 30. August 2009
Nur fürs Protokoll
Im Januar haben noch nahezu alle Beteiligten, ob ARD, ZDF, infratest-dimap, Forschungsgruppe Wahlen, Journalisten, Wahlleiter oder Politiker mir gegenüber bestritten, daß es überhaupt vor 18 Uhr Prognosen gäbe, obwohl sie seit Jahren per SMS am frühen Nachmittag der Wahltage selbst durch die niedrigeren Parteiränge und Lobbyistenriege schwappen und jetzt wird mit einer Selbstverständlichkeit über Twitterlecks, Prognosen-Verrat & Co diskutiert, als ob es dieses Versteckspiel nie gegeben hätte. Auch ein Fortschritt, den wir Twitter zu verdanken haben.
Wobei der oberste ARD-Wahlbeauftragte Jörg Schönenborn weiterhin Entscheidendes leugnet: „Die Behauptung, Daten unserer Wahlforscher seien heute vorab ins Netz gegangen, ist falsch. Ich habe mir die Zahlen angesehen und finde keine Ähnlichkeiten mit den internen Daten, die wir am Nachmittag hatten“, so das „Handelsblatt“, das zudem auch zu dem Prognosen-Ausplauderer der CDU, Patrick Rudolph, Interessantes zu berichten weiß: „'Ich weiß nicht, wer das geschrieben hat', sagte Rudolph auf Nachfrage von Spiegel Online. Er sei es jedenfalls nicht gewesen – und habe den Account deswegen gelöscht.“
Updates: Im Tagesschau-Blog verbreitet Schönenborn die alte Mär, nur eine Handvoll Menschen bekäme vor 18 Uhr die Zahlen: „Die Umfragezahlen sind am Wahltag ein gut gehütetes Geheimnis. Ein enger Kreis der Mitarbeiter von Infratest dimap kennt sie - und die beteiligten Chefredakteure der ARD.“ Als ob nicht die Parteizentralen zwischen 15 und 16 Uhr eingeweiht werden würden, von wo aus die Prognosen den Weg durch die Welt antreten – und um 17 Uhr schließlich auch die wichtigsten Journalisten der Printmedien. Sehr geschickt wie Schönenborn dabei so formuliert, als ob der enge Kreis und die 18-Uhr-Frist im Zusammenhang stünden, ohne es natürlich explizit zu behaupten. Das könnte ihm wohl zu leicht widerlegt werden.
„Ich habe meinen Zettel von 16.00 Uhr nochmal rausgekramt, der keine Ähnlichkeit hat mit den Zahlen, die um 16.30 Uhr bei Twitter erschienen sind“, schreibt Schönenborn weiterhin. Wieso legt er ihn dann nicht vor, veröffentlicht er ihn nicht in seinem Blog? Schließlich könnte dieser Zettel vielleicht sogar Lehmanns Elfmeter-Zettel den Rang als Zeitdokument abspenstig machen.
Die Blogosphäre dazu.
„Das ist schlicht und einfach eine Sauerei“, zitiert die Netzeitung SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz, der damit keineswegs das Lügengestrüpp der Wahlforschungsmafia meint, sondern die Tweets, die nur die Art Zahlenmaterial wiedergeben, das bei jeder Wahl schon lange vor Erfindung Twitters landesweit kursierte.
„Sollte die Verbreitung der Prognose bei Twitter nachweislich Einfluss auf die Wahl gehabt haben, müsste diese sogar wiederholt werden und der Verursacher für die Kosten von rund zwei Millionen Euro aufkommen“, droht Thüringens Landeswahlleiter Günter Krombholz laut thueringer-allgemeine.de, die in ihrem Bericht sogar den Tivoli-Blog ausdrücklich als Quelle erwähnt.
Was deutsche Exit Polls mit dem Regime in Teheran zu tun haben und auf welche interessanten wie ablenkenden Argumente die Wahlforscher und Wahlleiter sonst noch so kommen.
Wobei der oberste ARD-Wahlbeauftragte Jörg Schönenborn weiterhin Entscheidendes leugnet: „Die Behauptung, Daten unserer Wahlforscher seien heute vorab ins Netz gegangen, ist falsch. Ich habe mir die Zahlen angesehen und finde keine Ähnlichkeiten mit den internen Daten, die wir am Nachmittag hatten“, so das „Handelsblatt“, das zudem auch zu dem Prognosen-Ausplauderer der CDU, Patrick Rudolph, Interessantes zu berichten weiß: „'Ich weiß nicht, wer das geschrieben hat', sagte Rudolph auf Nachfrage von Spiegel Online. Er sei es jedenfalls nicht gewesen – und habe den Account deswegen gelöscht.“
Updates: Im Tagesschau-Blog verbreitet Schönenborn die alte Mär, nur eine Handvoll Menschen bekäme vor 18 Uhr die Zahlen: „Die Umfragezahlen sind am Wahltag ein gut gehütetes Geheimnis. Ein enger Kreis der Mitarbeiter von Infratest dimap kennt sie - und die beteiligten Chefredakteure der ARD.“ Als ob nicht die Parteizentralen zwischen 15 und 16 Uhr eingeweiht werden würden, von wo aus die Prognosen den Weg durch die Welt antreten – und um 17 Uhr schließlich auch die wichtigsten Journalisten der Printmedien. Sehr geschickt wie Schönenborn dabei so formuliert, als ob der enge Kreis und die 18-Uhr-Frist im Zusammenhang stünden, ohne es natürlich explizit zu behaupten. Das könnte ihm wohl zu leicht widerlegt werden.
„Ich habe meinen Zettel von 16.00 Uhr nochmal rausgekramt, der keine Ähnlichkeit hat mit den Zahlen, die um 16.30 Uhr bei Twitter erschienen sind“, schreibt Schönenborn weiterhin. Wieso legt er ihn dann nicht vor, veröffentlicht er ihn nicht in seinem Blog? Schließlich könnte dieser Zettel vielleicht sogar Lehmanns Elfmeter-Zettel den Rang als Zeitdokument abspenstig machen.
Die Blogosphäre dazu.
„Das ist schlicht und einfach eine Sauerei“, zitiert die Netzeitung SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz, der damit keineswegs das Lügengestrüpp der Wahlforschungsmafia meint, sondern die Tweets, die nur die Art Zahlenmaterial wiedergeben, das bei jeder Wahl schon lange vor Erfindung Twitters landesweit kursierte.
„Sollte die Verbreitung der Prognose bei Twitter nachweislich Einfluss auf die Wahl gehabt haben, müsste diese sogar wiederholt werden und der Verursacher für die Kosten von rund zwei Millionen Euro aufkommen“, droht Thüringens Landeswahlleiter Günter Krombholz laut thueringer-allgemeine.de, die in ihrem Bericht sogar den Tivoli-Blog ausdrücklich als Quelle erwähnt.
Was deutsche Exit Polls mit dem Regime in Teheran zu tun haben und auf welche interessanten wie ablenkenden Argumente die Wahlforscher und Wahlleiter sonst noch so kommen.
Wer hat den Größten? Vom Ende der Langsamkeit bei den Wahlnachfragen
So wie manche an Klowänden mit ihrer Schwanzgröße angeben, kann es sich der eine oder andere Politprofi nicht verkneifen, mit seinem Insiderwissen an Wahltagen zu protzen. Früher waren die entsprechenden Zahlen im SMS-Display das Potenzzeichen, heute setzt man sich online in machtvoller Pose.
Bei der hessischen Landtagswahl war es bild.de mit einem zu früh startenden Wahlticker, bei der Bundespräsidentenwahl unter anderem ein Mitglied des Wahlausschusses und bei der Europawahl standen möglicherweise die ersten Exit Polls vor Schließung der Wahllokale online: jedenfalls erschallte, kaum lagen erste Wahlnachfragen den Parteien vor, ein Zahlenecho auf Twitter.
Um so spannender wird es daher, heute zu beobachten, ob gegen halb vier wieder erste „Tips“, „Prognosen“ und sonst notdürftig kaschierte Exit-Poll-Zahlen der Wahlforscher aus Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen und dem Saarland ins Internet schwappen.
Wenn, und ich gehe ziemlich fest davon aus, wird der Eintrag hier entsprechend laufend aktualisiert. Zur Stunde jedenfalls gibt es bis auf spaßhafte Wahlergebnisse eines Trixieys für Sachsen und Thüringen in den frühen Morgenstunden noch keine Wahltips – wie bei der Europawahl fangen die Twitterati überhaupt und gerade die Parteigrößen im Besonderen zufälliger- wie seltsamerweise immer erst nach Vorlage erster Exit Polls damit an, ganz unverbindlich persönliche Voraussagen zu treffen, die natürlich in keinem Zusammenhang mit dem vertraulichen Zahlenmaterial stehen sollen.
14.13 Uhr
Der Dresdener FDP-Bundestagskandidat Johannes Lohmeyer eröffnet den Reigen und hat soeben für Sachsen „getippt“: CDU 38%, SED 18%, FDP 16%, SPD 12%, Grüne 4,99%, NPD 3%. Könnte tatsächlich nur ein Tip sein, da nach meinen Erfahrungen die ersten Exit Polls erst zwischen 15 und 16 Uhr kursieren, aber vielleicht sind die Sachsen da auch fixer.
15.47 Uhr
Cornelius aus Hamburg-Altona schachert mit „inoffiziellen Exit Polls“ aus dem Saarland: „CDU 31,2%, SPD 29,1%, Linke 19,1%, FDP 7,5%, Grüne 7,1%, Piraten 4,8%, Stg 1,1%“. Von der Uhrzeit her könnte das passen, aber an die fünf Prozent für die Piraten lassen mich an der Authentizität zweifeln. (Update: wie vermutet waren diese Zahlen „frei erfunden“.)
16.11 Uhr
Außerordentliche Funk- äh Twitterdisziplin heute, gab's da einen Anschiß von oben? Bin gespannt, ob's so ruhig bleibt, werden die Exit Polls doch nicht abgeschafft?
16.24 Uhr
Peter Dondl sieht in Sachsen „CDU 40-41%, LINKE 25%, SPD 10%, FDP 11%, GRÜN 5%, NPD 5%“, in Thüringen „CDU 34-36%, LINKE 25-27%, SPD 15-17%, GRÜ 4,5-5,5%, FDP 10-12%, NPD 3-4%“ und im Saarland „CDU 35-37%, SPD 23-25%, LINKE 16-18%, GRÜ 7-8%, FDP 8-9%“.
16.31 Uhr
Patrick Rudolph, Vorsitzender des CDU-Stadtverbands Radebeul: „Saarland: CDU 36, SPD 25, Linke 21, FDP 10, Grüne 5. Thüringen: CDU 34, SPD 20, Linke 25, FDP 8, Grüne 6. Sachsen: CDU 40, SPD 10, Linke 21, FDP 10, Grüne 5“. (Update vom 25. September: Laut der „Sächsischen Zeitung“ war Rudolph eventuell das Opfer einer politischen Intrige. Siehe auch den Dresdener Presseclub dazu.)
16.42 Uhr
Ein Daniel verbreitet fürs Saarland dasselbe Ergebnis wie Rudolph.
16.55 Uhr
Dann werden wir mal den Scanner von Blogs und Tweets auf die klassischen Medien im Internet erweitern. Vielleicht prischt da auch wieder jemand vor...
17.29 Uhr
Nachdem er vielfach retweetet worden ist, hat Patrick Rudolph seinen Account offenbar gelöscht. Danke für die Info, Till Westermayer!
17.35 Uhr
bananabandana alias bampowpeng: „Sachsen: CDU 40, SPD 10, Linke 21, FDP 10, Grüne 5. Thüringen: CDU 34, SPD 20, Linke 25, FDP 8, Grüne 6. Saarland: CDU 36, SPD 25, Linke 21, FDP 10, Grüne 5“.
17.48 Uhr
David Hamanns Hamburger Wahlportal Du wählst meldet „Saarland: CDU 37, SPD 25, Linke 20, FDP 9“ und anschließend: „Thüringen: CDU 33, Linke 26, SPD 19, Grüne 7-9, FDP 6“.
17.54 Uhr
Da hat sich jemand besonders viel Mühe gemacht und eigens den Twitteraccount Thüringer Wahl gegründet, um ein paar Minuten vor den Fernsehanstalten dieses Ergebnis zu melden: „CDU 32,2% LInke 26,3% SPD 20,1% Grüne 5,4% FDP 7% NPD 5,3% Sonstige 3,7%“
18.00 Uhr
Die ARD (infratest-dimap) meldet als erste Prognosen für Thüringen: CDU 32,5, Linke 26, SPD 18,5, Grüne 5,5, FDP 8, NPD 4,8; für das Saarland: CDU 34,5, SPD 25, Grüne 5,5, FDP 9,5, Linke 21; für Sachsen: CDU 41, Linke 20,5, SPD 10, NPD 5,5, FDP 10,5 und Grüne 6.
Das ZDF (Forschungsgruppe Wahlen) meldet als erste Prognosen für Thüringen: CDU 31, Linke 27, SPD 19, Grüne 6, FDP 8,5, NPD 3,5; für das Saarland: CDU 35, SPD 26, Grüne 6, FDP 8,5, Linke 19,5; für Sachsen: CDU 40,5, Linke 21, SPD 10, NPD 5,2, FDP 10,5 und Grüne 6.
Beim Vergleich mit den vorab getwitterten Zahlen ist zu bedenken, daß die am frühen Nachmittag den Parteien und um 17 Uhr der Presse von den Wahlforschern überlassenen Prognosen natürlich von den für 18 Uhr ermittelten abweichen können, da die Zahlen den ganzen Nachmittag über aktualisiert werden.
Da schau an, dpa benutzt Twitter als Vorwand, um über eine halbe Stunde vor Schließung der Wahllokale erste Trends auszuplaudern.
20.12 Uhr
Ole Reißmann auf Spiegel Online über „Prognosen-Verrat – Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“.
23.08 Uhr
Weiterer Blogeintrag mit den Reaktionen Patrick Rudolphs und Jörg Schönenborns zu den Vorwürfen des Prognose-Verrats. Schließlich kann nicht sein, was nicht sein darf.
Montag
Was deutsche Exit Polls mit dem Regime in Teheran zu tun haben und auf welche interessanten wie ablenkenden Argumente die Wahlforscher und Wahlleiter sonst noch so kommen.
Dienstag
Wie ARD, ZDF und die Wahlforscher mit den Exit Polls Politik machen.
Donnerstag
Erstaunliche Übereinstimmung, obwohl über anderthalb Stunden dazwischen lagen: „Zapp“ vergleicht die bei Twitter veröffentlichten Zahlen mit den offiziellen Prognosen aus Wahlnachfragen.
Bei der hessischen Landtagswahl war es bild.de mit einem zu früh startenden Wahlticker, bei der Bundespräsidentenwahl unter anderem ein Mitglied des Wahlausschusses und bei der Europawahl standen möglicherweise die ersten Exit Polls vor Schließung der Wahllokale online: jedenfalls erschallte, kaum lagen erste Wahlnachfragen den Parteien vor, ein Zahlenecho auf Twitter.
Um so spannender wird es daher, heute zu beobachten, ob gegen halb vier wieder erste „Tips“, „Prognosen“ und sonst notdürftig kaschierte Exit-Poll-Zahlen der Wahlforscher aus Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen und dem Saarland ins Internet schwappen.
Wenn, und ich gehe ziemlich fest davon aus, wird der Eintrag hier entsprechend laufend aktualisiert. Zur Stunde jedenfalls gibt es bis auf spaßhafte Wahlergebnisse eines Trixieys für Sachsen und Thüringen in den frühen Morgenstunden noch keine Wahltips – wie bei der Europawahl fangen die Twitterati überhaupt und gerade die Parteigrößen im Besonderen zufälliger- wie seltsamerweise immer erst nach Vorlage erster Exit Polls damit an, ganz unverbindlich persönliche Voraussagen zu treffen, die natürlich in keinem Zusammenhang mit dem vertraulichen Zahlenmaterial stehen sollen.
14.13 Uhr
Der Dresdener FDP-Bundestagskandidat Johannes Lohmeyer eröffnet den Reigen und hat soeben für Sachsen „getippt“: CDU 38%, SED 18%, FDP 16%, SPD 12%, Grüne 4,99%, NPD 3%. Könnte tatsächlich nur ein Tip sein, da nach meinen Erfahrungen die ersten Exit Polls erst zwischen 15 und 16 Uhr kursieren, aber vielleicht sind die Sachsen da auch fixer.
15.47 Uhr
Cornelius aus Hamburg-Altona schachert mit „inoffiziellen Exit Polls“ aus dem Saarland: „CDU 31,2%, SPD 29,1%, Linke 19,1%, FDP 7,5%, Grüne 7,1%, Piraten 4,8%, Stg 1,1%“. Von der Uhrzeit her könnte das passen, aber an die fünf Prozent für die Piraten lassen mich an der Authentizität zweifeln. (Update: wie vermutet waren diese Zahlen „frei erfunden“.)
16.11 Uhr
Außerordentliche Funk- äh Twitterdisziplin heute, gab's da einen Anschiß von oben? Bin gespannt, ob's so ruhig bleibt, werden die Exit Polls doch nicht abgeschafft?
16.24 Uhr
Peter Dondl sieht in Sachsen „CDU 40-41%, LINKE 25%, SPD 10%, FDP 11%, GRÜN 5%, NPD 5%“, in Thüringen „CDU 34-36%, LINKE 25-27%, SPD 15-17%, GRÜ 4,5-5,5%, FDP 10-12%, NPD 3-4%“ und im Saarland „CDU 35-37%, SPD 23-25%, LINKE 16-18%, GRÜ 7-8%, FDP 8-9%“.
16.31 Uhr
Patrick Rudolph, Vorsitzender des CDU-Stadtverbands Radebeul: „Saarland: CDU 36, SPD 25, Linke 21, FDP 10, Grüne 5. Thüringen: CDU 34, SPD 20, Linke 25, FDP 8, Grüne 6. Sachsen: CDU 40, SPD 10, Linke 21, FDP 10, Grüne 5“. (Update vom 25. September: Laut der „Sächsischen Zeitung“ war Rudolph eventuell das Opfer einer politischen Intrige. Siehe auch den Dresdener Presseclub dazu.)
16.42 Uhr
Ein Daniel verbreitet fürs Saarland dasselbe Ergebnis wie Rudolph.
16.55 Uhr
Dann werden wir mal den Scanner von Blogs und Tweets auf die klassischen Medien im Internet erweitern. Vielleicht prischt da auch wieder jemand vor...
17.29 Uhr
Nachdem er vielfach retweetet worden ist, hat Patrick Rudolph seinen Account offenbar gelöscht. Danke für die Info, Till Westermayer!
17.35 Uhr
bananabandana alias bampowpeng: „Sachsen: CDU 40, SPD 10, Linke 21, FDP 10, Grüne 5. Thüringen: CDU 34, SPD 20, Linke 25, FDP 8, Grüne 6. Saarland: CDU 36, SPD 25, Linke 21, FDP 10, Grüne 5“.
17.48 Uhr
David Hamanns Hamburger Wahlportal Du wählst meldet „Saarland: CDU 37, SPD 25, Linke 20, FDP 9“ und anschließend: „Thüringen: CDU 33, Linke 26, SPD 19, Grüne 7-9, FDP 6“.
17.54 Uhr
Da hat sich jemand besonders viel Mühe gemacht und eigens den Twitteraccount Thüringer Wahl gegründet, um ein paar Minuten vor den Fernsehanstalten dieses Ergebnis zu melden: „CDU 32,2% LInke 26,3% SPD 20,1% Grüne 5,4% FDP 7% NPD 5,3% Sonstige 3,7%“
18.00 Uhr
Die ARD (infratest-dimap) meldet als erste Prognosen für Thüringen: CDU 32,5, Linke 26, SPD 18,5, Grüne 5,5, FDP 8, NPD 4,8; für das Saarland: CDU 34,5, SPD 25, Grüne 5,5, FDP 9,5, Linke 21; für Sachsen: CDU 41, Linke 20,5, SPD 10, NPD 5,5, FDP 10,5 und Grüne 6.
Das ZDF (Forschungsgruppe Wahlen) meldet als erste Prognosen für Thüringen: CDU 31, Linke 27, SPD 19, Grüne 6, FDP 8,5, NPD 3,5; für das Saarland: CDU 35, SPD 26, Grüne 6, FDP 8,5, Linke 19,5; für Sachsen: CDU 40,5, Linke 21, SPD 10, NPD 5,2, FDP 10,5 und Grüne 6.
Beim Vergleich mit den vorab getwitterten Zahlen ist zu bedenken, daß die am frühen Nachmittag den Parteien und um 17 Uhr der Presse von den Wahlforschern überlassenen Prognosen natürlich von den für 18 Uhr ermittelten abweichen können, da die Zahlen den ganzen Nachmittag über aktualisiert werden.
Da schau an, dpa benutzt Twitter als Vorwand, um über eine halbe Stunde vor Schließung der Wahllokale erste Trends auszuplaudern.
20.12 Uhr
Ole Reißmann auf Spiegel Online über „Prognosen-Verrat – Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“.
23.08 Uhr
Weiterer Blogeintrag mit den Reaktionen Patrick Rudolphs und Jörg Schönenborns zu den Vorwürfen des Prognose-Verrats. Schließlich kann nicht sein, was nicht sein darf.
Montag
Was deutsche Exit Polls mit dem Regime in Teheran zu tun haben und auf welche interessanten wie ablenkenden Argumente die Wahlforscher und Wahlleiter sonst noch so kommen.
Dienstag
Wie ARD, ZDF und die Wahlforscher mit den Exit Polls Politik machen.
Donnerstag
Erstaunliche Übereinstimmung, obwohl über anderthalb Stunden dazwischen lagen: „Zapp“ vergleicht die bei Twitter veröffentlichten Zahlen mit den offiziellen Prognosen aus Wahlnachfragen.
Montag, 8. Juni 2009
Politiker twittern wieder mal vorschnell
Keine Wahlprognosen vor Schließung der Wahllokale? Von wegen, auch bei den gestrigen Europawahlen galt, was bei allen Wahlen eine wichtige Rolle fürs Ego spielt: Wer unter Politikern, Lobbyisten oder Journalisten etwas gelten will, muß bereits zwischen 15 und 16 Uhr die ersten Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) oder ihrer Kollegen bei der ARD: infratest dimap in Händen halten. So auch diesen Sonntag.
„Die SPD-Oberen wussten schon früher am Tag von den schlechten Resultaten. Den Gesichtern ihrer Mitarbeiter war anzusehen, dass es schlimm, sehr schlimm kommen würde. (...) Am Nachmittag war bei Seehofer eher Erleichterung zu spüren. (...) Die CSU sei sicher über der Fünf-Prozent-Hürde, hatten ihm die Demoskopen da schon gemeldet.“ (Die „Süddeutsche Zeitung“ heute auf Seite Drei – online bei jetzt.de)
Zwar verbieten es die Wahlgesetze (§ 4 EuWG i.V.m. § 32 Abs. 2 BWG, § 32 Abs. 2 BWG), Ergebnisse der am Wahltag nach der Stimmabgabe durchgeführten Befragungen von Wählern über den Inhalt ihrer Wahlentscheidung, sog. exit polls, vor Schließung der Wahllokale zu veröffentlichen. Aber wie der Bundeswahlleiter in Bezug auf frühere Bundestags- und Europawahlen mitteilen läßt, ist „er in diesen Fällen bisher nicht tätig geworden, da er, soweit ihm hierzu Kenntnisse vorlagen, hierin keine 'Veröffentlichung'“ im Sinne des Wahlgesetzes gesehen hat.
Doch heute kursieren solche Insiderinfos nicht nur wellenartig via SMS und E-Mail, und somit noch „privat“, heute gibt es Twitter. Bei der Wahl des Bundespräsidenten kamen die Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber (SPD) und Julia Klöckner (CDU) der offiziellen Meldung des Wahlergebnisses zuvor und plauderten Köhlers Sieg per Twitter aus.
Sollte man den Politikern gestern mehr Selbstbeherrschung zutrauen?
Merkwürdigerweise gab es den Wahlvormittag über keinerlei Tweets mit Wahltips, Prognosen etcetera. Erst nach 15.30 Uhr, wenn erfahrungsgemäß die ersten exit polls der Wahlforscher in den Parteien zirkulieren, tauchen auch die ersten Tweets auf, bezeichnenderweise auch nicht bei stinknormalen Twitterern, sondern bei Politikern und Parteinahen, auch wenn sich die ersten noch verschämt geben: Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler „tippt“ um 15.44 Uhr: „#CDU 38, #SPD 26, #FDP 9, #Grüne 10, #Linke 8“.
Henrik Bröckelmann aus dem Bundesvorstand der Jungen Union „tippt“ gegen 16 Uhr auf: „#CDU 36, #SPD 27, #FDP 10, #Grüne 9, #Linke 10“.
Zwischen 16.16 und 16.26 Uhr tauchen dann plötzlich erste „ARD-Prognosen“ als Tweets auf, mehr als anderthalb Stunden vor Schließung der Wahllokale:
Ein Frodo Lübcke (@frolueb, der Berliner FDP-Mann Michael Unterberger?) zitiert die ARD ausdrücklich gegen 16.16 Uhr mit der Prognose „FDP 9-10 %, SPD ca. 25%, Union unter 40%, Grüne 10% Linke um die 8%“, löscht diesen Tweet aber offenbar wieder und bleibt nur hie und da indirekt überliefert. Update: frolueb meint, sein Tweet wäre ein „fake“ gewesen, siehe unten.
Ein Rainer Michael Rilke zitiert zehn Minuten später ARD-Quellen mit: „CDU 38, SPD 26, FDP 9, Grüne 12, Linke 7, (CSU drin)“.
(Parteiferne Twitterer fühlen sich dann offenbar herausgefordert und antworten mit Gegenprognosen, die wohl nicht auf Insiderinfos basieren, aber den Ball ins Spiel gebracht haben eindeutig Leute aus dem inner circle, denen man Zugang zu den exit polls zurechnen darf.)
Natürlich sind diese Zahlen sehr unterschiedlich, aber wenn man davon ausgeht, daß ARD und ZDF unterschiedliche Zahlen errechnen und die ersten Hochrechnungen zwischen 15 und 16 Uhr in der Regel von den qualifizierteren Prognosen um 18 Uhr abweichen, wäre es schon interessant, herauszufinden, wie die Zahlen von infratest dimap und der Forschungsgruppe Wahlen am frühen Nachmittag aussahen und ob diese tatsächlich von Dritten via Twitter veröffentlicht worden sind, was eine Ordnungswidrigkeit darstellte.
Nach der hessischen Landtagswahl, bei der sogar BILD eine erste Prognose aus Wahlnachfragen vor Schließung der Wahllokale online getickert hat, hatten ARD, ZDF, Forschungsgruppe Wahlen und infratest dimap lange, wenn nicht sogar bis heute gänzlich bestritten, daß überhaupt jemand, also auch Politiker und Presse, vor 18 Uhr Zahlen erhielte. Das ist längst widerlegt. Stellt sich nun die Frage, ob diese Privilegierten mit dem Zahlenmaterial weiterhin nur untereinander schachern oder ob nicht Twitter die Grenzen zur Öffentlichkeit längst geöffnet hat.
P.S. Konnte gestern die Tweets nur bis gegen 16.30 Uhr verfolgen, da ich dann wieder ins Wahllokal mußte. Meine Twitter-Search lief dann noch weiter, aber angesichts von weit über 600 Tweets hatte ich bisher noch nicht den Nerv, nachzulesen, wer zwischen 16.30 und 18 Uhr noch so alles geplaudert hat...
Updates:
Der „Spiegel“ weiß von der Furcht des Bundeswahlleiters und der Politiker vor zu früh getwitterten Exit Polls.
Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.
Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).
(Foto: WDR/Herby Sachs)
„Die SPD-Oberen wussten schon früher am Tag von den schlechten Resultaten. Den Gesichtern ihrer Mitarbeiter war anzusehen, dass es schlimm, sehr schlimm kommen würde. (...) Am Nachmittag war bei Seehofer eher Erleichterung zu spüren. (...) Die CSU sei sicher über der Fünf-Prozent-Hürde, hatten ihm die Demoskopen da schon gemeldet.“ (Die „Süddeutsche Zeitung“ heute auf Seite Drei – online bei jetzt.de)
Zwar verbieten es die Wahlgesetze (§ 4 EuWG i.V.m. § 32 Abs. 2 BWG, § 32 Abs. 2 BWG), Ergebnisse der am Wahltag nach der Stimmabgabe durchgeführten Befragungen von Wählern über den Inhalt ihrer Wahlentscheidung, sog. exit polls, vor Schließung der Wahllokale zu veröffentlichen. Aber wie der Bundeswahlleiter in Bezug auf frühere Bundestags- und Europawahlen mitteilen läßt, ist „er in diesen Fällen bisher nicht tätig geworden, da er, soweit ihm hierzu Kenntnisse vorlagen, hierin keine 'Veröffentlichung'“ im Sinne des Wahlgesetzes gesehen hat.
Doch heute kursieren solche Insiderinfos nicht nur wellenartig via SMS und E-Mail, und somit noch „privat“, heute gibt es Twitter. Bei der Wahl des Bundespräsidenten kamen die Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber (SPD) und Julia Klöckner (CDU) der offiziellen Meldung des Wahlergebnisses zuvor und plauderten Köhlers Sieg per Twitter aus.
Sollte man den Politikern gestern mehr Selbstbeherrschung zutrauen?
Merkwürdigerweise gab es den Wahlvormittag über keinerlei Tweets mit Wahltips, Prognosen etcetera. Erst nach 15.30 Uhr, wenn erfahrungsgemäß die ersten exit polls der Wahlforscher in den Parteien zirkulieren, tauchen auch die ersten Tweets auf, bezeichnenderweise auch nicht bei stinknormalen Twitterern, sondern bei Politikern und Parteinahen, auch wenn sich die ersten noch verschämt geben: Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler „tippt“ um 15.44 Uhr: „#CDU 38, #SPD 26, #FDP 9, #Grüne 10, #Linke 8“.
Henrik Bröckelmann aus dem Bundesvorstand der Jungen Union „tippt“ gegen 16 Uhr auf: „#CDU 36, #SPD 27, #FDP 10, #Grüne 9, #Linke 10“.
Zwischen 16.16 und 16.26 Uhr tauchen dann plötzlich erste „ARD-Prognosen“ als Tweets auf, mehr als anderthalb Stunden vor Schließung der Wahllokale:
Ein Frodo Lübcke (@frolueb, der Berliner FDP-Mann Michael Unterberger?) zitiert die ARD ausdrücklich gegen 16.16 Uhr mit der Prognose „FDP 9-10 %, SPD ca. 25%, Union unter 40%, Grüne 10% Linke um die 8%“, löscht diesen Tweet aber offenbar wieder und bleibt nur hie und da indirekt überliefert. Update: frolueb meint, sein Tweet wäre ein „fake“ gewesen, siehe unten.
Ein Rainer Michael Rilke zitiert zehn Minuten später ARD-Quellen mit: „CDU 38, SPD 26, FDP 9, Grüne 12, Linke 7, (CSU drin)“.
(Parteiferne Twitterer fühlen sich dann offenbar herausgefordert und antworten mit Gegenprognosen, die wohl nicht auf Insiderinfos basieren, aber den Ball ins Spiel gebracht haben eindeutig Leute aus dem inner circle, denen man Zugang zu den exit polls zurechnen darf.)
Natürlich sind diese Zahlen sehr unterschiedlich, aber wenn man davon ausgeht, daß ARD und ZDF unterschiedliche Zahlen errechnen und die ersten Hochrechnungen zwischen 15 und 16 Uhr in der Regel von den qualifizierteren Prognosen um 18 Uhr abweichen, wäre es schon interessant, herauszufinden, wie die Zahlen von infratest dimap und der Forschungsgruppe Wahlen am frühen Nachmittag aussahen und ob diese tatsächlich von Dritten via Twitter veröffentlicht worden sind, was eine Ordnungswidrigkeit darstellte.
Nach der hessischen Landtagswahl, bei der sogar BILD eine erste Prognose aus Wahlnachfragen vor Schließung der Wahllokale online getickert hat, hatten ARD, ZDF, Forschungsgruppe Wahlen und infratest dimap lange, wenn nicht sogar bis heute gänzlich bestritten, daß überhaupt jemand, also auch Politiker und Presse, vor 18 Uhr Zahlen erhielte. Das ist längst widerlegt. Stellt sich nun die Frage, ob diese Privilegierten mit dem Zahlenmaterial weiterhin nur untereinander schachern oder ob nicht Twitter die Grenzen zur Öffentlichkeit längst geöffnet hat.
P.S. Konnte gestern die Tweets nur bis gegen 16.30 Uhr verfolgen, da ich dann wieder ins Wahllokal mußte. Meine Twitter-Search lief dann noch weiter, aber angesichts von weit über 600 Tweets hatte ich bisher noch nicht den Nerv, nachzulesen, wer zwischen 16.30 und 18 Uhr noch so alles geplaudert hat...
Updates:
Der „Spiegel“ weiß von der Furcht des Bundeswahlleiters und der Politiker vor zu früh getwitterten Exit Polls.
Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.
Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).
(Foto: WDR/Herby Sachs)
Dienstag, 31. März 2009
Wächter aus der Anonymität – Die Schlapphüte unter den Kollegen
Die „Süddeutsche Zeitung“ tut es, der WDR tut es, immer noch gibt es Redaktionen, die bei ihren Anrufen grundsätzlich ihre Rufnummer unterdrücken. Eine ins Inkognito verliebte Schlapphutmentalität, die mich immer wieder irritiert. Tun es doch sonst gemeinhin nur Callcenter, Drückerkolonnen und andere Unsympathen.
Diesen ist es zumindest zu Werbezwecken seit letzter Woche gesetzlich untersagt, wobei Telefonterroristen wie die GfK & Co sich sicherlich wieder darauf herausreden werden, daß es sich bei Ihren Cold calls gar nicht um Werbung handle, sondern um Meinungsforschung...
Doch warum greifen die Watchmen aus den Redaktionen immer noch zu diesem Mittel?Eine kleine repräsentative Umfrage unter den öffentlich-rechtlichen Kollegen bot bislang nur die Erkenntnis, daß von allen angeschriebenen Sendern nach drei Tagen noch kein einziger dazu Stellung nehmen wollte – in zwanzig Jahren journalistischer Arbeit mit den Kollegen eine Premiere. Sprechen die sich ab, stehe ich seit meinen Blogeinträgen zum Thema Wahlprognosen auf einer schwarzen Liste oder was?
Daher ganz 2.0-mäßig meine Bitte an die Leser: Welche Redaktionen, ob Print, Rundfunk oder Online kennt Ihr, die auch konsequente Rufnummernunterdrückung praktizieren?
Updates – während des Motzbloggens kam das erste Feedback:
„Beim Saarländischen Rundfunk sind die Rufnummern ausgehender Anrufen grundsätzlich unterdrückt; die Maßnahme dient dem Rechercheschutz unserer Journalisten.“
Finde nur ich das seltsam? Laut Pressekodex dürfen Journalisten eh nicht anonym auftreten, sondern müssen sich als solche zu erkennen geben. Außerdem besteht ja durchaus die Möglichkeit, in heiklen Fällen auf anonym zu schalten, aber grundsätzlich? Und was ist mit den anderen Abteilungen des Hauses?
Beim Bayerischen Rundfunk wird zum „Informantenschutz“ und zur „verdeckten Recherche“ wahlweise die Rufnummer unterdrückt:
„Im Bayerischen Rundfunk gibt es 2 Möglichkeiten die Rufnummer zu unterdrücken.
Variante 1
Bei dieser Variante ist die Rufnummernunterdrückung permanent (intern und extern)
Variante 2
Die Variante 2 haben alle Telefone im Bayerischen Rundfunk. Die Grundeinstellung ist Rufnummernunterdrückung aus, aber durch Vorwahl von Stern und Ziffer 2 wird beim nächsten Telefongespräch die Rufnummer unterdrückt.
Diese beiden Möglichkeiten gibt es im BR schon seit 6 Jahren und sind mit dem Personalrat abgesprochen.
Noch ein Hinweis zum Sicherheit
Bei Anrufen zu Notarzt oder Feuerwehr wird automatisch die Anrufunterdrückung aufgehoben.“
„Das ZDF liefert grundsätzlich bei ausgehenden Anrufen die Rufnummern mit. Die entsprechende TK-Anlage ist seit 1993 in Betrieb.“
„Der SWR zeigt die Rufnummern nicht an, einmal zum Schutz von Informaten bei Recherchen, zum anderen aus datenschutzrechtlichen Gründen. Es ist jedoch technisch möglich, einzelne Anrufe nach draußen mit der Rufnummernübertragung zu tätigen. Dies kann jeder Beschäftigte im Einzelfall selbst entscheiden.“
Ralph Kotsch vom RBB läßt mich wissen, daß der Sender keine Rufnummern unterdrückt und wirft mir – nachvollziehbar – mangelnde Seriosität vor, da ich schließlich den Pressestellen bis Mittwoch Zeit für ihre Antwort eingeräumt hätte. Stimmt, touché!
„Als Medienunternehmen ist der NDR verpflichtet, sensibel und achtsam mit personenbezogenen Daten umzugehen. Die heutige Technik ermöglicht, dass jede Person, die Zugang zu handelsüblichen Telefonen hat, geführte Telefonate anhand der gesendeten Rufnummern erfassen kann. Durch diese Anruflisten könnten zudem auch Dritte die geführten Gespräche nachvollziehen. Um das zu verhindern, hat der Norddeutsche Rundfunk seine Telekommunikationssysteme konsequent abgesichert, d. h. an den Schnittstellen ins öffentliche Netz hat der NDR die Übermittlung von abgehenden Rufnummern deaktiviert. Diese Maßnahme gilt sowohl dem Recherche- als auch dem Datenschutz.“
„Bei abgehenden Anrufen aus dem WDR werden die Nummern der WDR-Anschlüsse grundsätzlich unterdrückt. Dies geschieht zum Schutz von Informanten. Wie das aktuelle Beispiel der Deutschen Bahn zeigt, wo der Telefonverkehr von Tausenden Mitarbeitern aufgezeichnet wurde, ist eine Gefährdung von Informanten durch Anrufe nicht von der Hand zu weisen. Eine selektive Unterdrückung, etwa nur von Redaktionsnummern, ist technisch nicht möglich. An eine Änderung ist aktuell nicht gedacht. Unsere Praxis ist keinesfalls mit dem Vorgehen von Callcentern oder telefonischen Drückerkolonen zu vergleichen. Schließlich ist es unser Ziel, Informationen zu bekommen, ohne Informanten zu gefährden.“
„Aus rundfunkrechtlichen Gründen fühlt sich Radio Bremen dem Informantenschutz verpflichtet und überträgt keine Telefonnummern.“
(Foto: Watchmen – Die Wächter)
Diesen ist es zumindest zu Werbezwecken seit letzter Woche gesetzlich untersagt, wobei Telefonterroristen wie die GfK & Co sich sicherlich wieder darauf herausreden werden, daß es sich bei Ihren Cold calls gar nicht um Werbung handle, sondern um Meinungsforschung...
Doch warum greifen die Watchmen aus den Redaktionen immer noch zu diesem Mittel?
Daher ganz 2.0-mäßig meine Bitte an die Leser: Welche Redaktionen, ob Print, Rundfunk oder Online kennt Ihr, die auch konsequente Rufnummernunterdrückung praktizieren?
Updates – während des Motzbloggens kam das erste Feedback:
„Beim Saarländischen Rundfunk sind die Rufnummern ausgehender Anrufen grundsätzlich unterdrückt; die Maßnahme dient dem Rechercheschutz unserer Journalisten.“
Finde nur ich das seltsam? Laut Pressekodex dürfen Journalisten eh nicht anonym auftreten, sondern müssen sich als solche zu erkennen geben. Außerdem besteht ja durchaus die Möglichkeit, in heiklen Fällen auf anonym zu schalten, aber grundsätzlich? Und was ist mit den anderen Abteilungen des Hauses?
Beim Bayerischen Rundfunk wird zum „Informantenschutz“ und zur „verdeckten Recherche“ wahlweise die Rufnummer unterdrückt:
„Im Bayerischen Rundfunk gibt es 2 Möglichkeiten die Rufnummer zu unterdrücken.
Variante 1
Bei dieser Variante ist die Rufnummernunterdrückung permanent (intern und extern)
Variante 2
Die Variante 2 haben alle Telefone im Bayerischen Rundfunk. Die Grundeinstellung ist Rufnummernunterdrückung aus, aber durch Vorwahl von Stern und Ziffer 2 wird beim nächsten Telefongespräch die Rufnummer unterdrückt.
Diese beiden Möglichkeiten gibt es im BR schon seit 6 Jahren und sind mit dem Personalrat abgesprochen.
Noch ein Hinweis zum Sicherheit
Bei Anrufen zu Notarzt oder Feuerwehr wird automatisch die Anrufunterdrückung aufgehoben.“
„Das ZDF liefert grundsätzlich bei ausgehenden Anrufen die Rufnummern mit. Die entsprechende TK-Anlage ist seit 1993 in Betrieb.“
„Der SWR zeigt die Rufnummern nicht an, einmal zum Schutz von Informaten bei Recherchen, zum anderen aus datenschutzrechtlichen Gründen. Es ist jedoch technisch möglich, einzelne Anrufe nach draußen mit der Rufnummernübertragung zu tätigen. Dies kann jeder Beschäftigte im Einzelfall selbst entscheiden.“
Ralph Kotsch vom RBB läßt mich wissen, daß der Sender keine Rufnummern unterdrückt und wirft mir – nachvollziehbar – mangelnde Seriosität vor, da ich schließlich den Pressestellen bis Mittwoch Zeit für ihre Antwort eingeräumt hätte. Stimmt, touché!
„Als Medienunternehmen ist der NDR verpflichtet, sensibel und achtsam mit personenbezogenen Daten umzugehen. Die heutige Technik ermöglicht, dass jede Person, die Zugang zu handelsüblichen Telefonen hat, geführte Telefonate anhand der gesendeten Rufnummern erfassen kann. Durch diese Anruflisten könnten zudem auch Dritte die geführten Gespräche nachvollziehen. Um das zu verhindern, hat der Norddeutsche Rundfunk seine Telekommunikationssysteme konsequent abgesichert, d. h. an den Schnittstellen ins öffentliche Netz hat der NDR die Übermittlung von abgehenden Rufnummern deaktiviert. Diese Maßnahme gilt sowohl dem Recherche- als auch dem Datenschutz.“
„Bei abgehenden Anrufen aus dem WDR werden die Nummern der WDR-Anschlüsse grundsätzlich unterdrückt. Dies geschieht zum Schutz von Informanten. Wie das aktuelle Beispiel der Deutschen Bahn zeigt, wo der Telefonverkehr von Tausenden Mitarbeitern aufgezeichnet wurde, ist eine Gefährdung von Informanten durch Anrufe nicht von der Hand zu weisen. Eine selektive Unterdrückung, etwa nur von Redaktionsnummern, ist technisch nicht möglich. An eine Änderung ist aktuell nicht gedacht. Unsere Praxis ist keinesfalls mit dem Vorgehen von Callcentern oder telefonischen Drückerkolonen zu vergleichen. Schließlich ist es unser Ziel, Informationen zu bekommen, ohne Informanten zu gefährden.“
„Aus rundfunkrechtlichen Gründen fühlt sich Radio Bremen dem Informantenschutz verpflichtet und überträgt keine Telefonnummern.“
(Foto: Watchmen – Die Wächter)
Sonntag, 8. März 2009
Hessischer Landeswahlleiter spricht bild.de frei
Wie Wolfgang Hannappel, der Landeswahlleiter für Hessen, mich diese Woche wissen ließ, sieht er keine Anhaltspunkte, die ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen bild.de rechtfertigen würden:
„§ 49 Abs. 1 Nr. 3 LWG bedroht als Ordnungswidrigkeit die vorzeitige Veröffentlichung nur von solchen Ergebnissen, die auf Wählerbefragungen beruhen, die nach der Stimmabgabe am Wahltag durchgeführt worden sind.
Derartige Befragungen finden in unmittelbarer Nähe zu den Wahllokalen – regelmäßig im selben Gebäude – statt, um Wählerinnen und Wähler im direkten zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Wahlteilnahme ansprechen zu können.
Diese so genannten Wählernachfragen sind von der Forschungsgruppe Wahlen und von Infratest dimap angekündigt um (sic) am 18. Januar 2009 in verschiedenen hessischen Wahlbezirken durchgeführt worden.
Beide Unternehmen haben mir auf Nachfrage berichtet, dass vor 18:00 Uhr weder Ergebnisse noch Zwischenstände an BILD oder BILD.de weitergegeben worden sind.
Die von BILD.de veröffentlichten Zahlen (...) stimmen darüber hinaus mit dem Zahlenwerk der beiden Institute bei keiner einzigen Partei überein.
Ich muss nach alledem davon ausgehen, dass es sich bei den in Rede stehenden Zahlen nicht um Ergebnisse aus einer Wählernachfrage handelt.“
Prognose BILD: CDU 38 Prozent, SPD 22, FDP 17, Grüne 13, Linke 5
ARD: CDU 37,5 Prozent, SPD 23,5, FDP 16, Grüne 14, Linke 5,1
ZDF: CDU 37,5 Prozent, SPD 23,5, FDP 17, Grüne 13,5, Linke 5
Nun versorgen aber sowohl die Forschungsgruppe Wahlen, als auch Infratest dimap den ganzen Tag über die politischen Parteien mit Zwischenständen der exit polls und ab 17 Uhr auch ausgewählte Kollegen mit den Prognosen, das heißt, es dürfte für die gut vernetzte BILD-Redaktion kein Problem gewesen sein, sich zumindest die Zwischenstände der Prognosen zu beschaffen, wenn sie sie tatsächlich nicht von den Instituten oder auftraggebenden Fernsehanstalten bekommen haben sollten. Wobei diese Zwischenstände von den endgültigen Prognosen um 18 Uhr sicherlich um die 0,1 bis 1,5 Prozentpunkte abgewichen sein können, die BILD daneben lag, was der Landeswahlleiter offenbar nicht bedenkt oder wohlweislich verschweigt.
Oder aber die BILD-Gruppe wäre jetzt auch von Amts wegen der Schwindelei überführt worden, da sie zusammenfabulierte Zahlen als „1. Prognose“ ausgegeben hätte...
Tobias Fröhlich von der BILD-Gruppe lehnt in dieser Angelegenheit weiterhin jede Stellungnahme ab.
Update: Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.
Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.
Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).
„§ 49 Abs. 1 Nr. 3 LWG bedroht als Ordnungswidrigkeit die vorzeitige Veröffentlichung nur von solchen Ergebnissen, die auf Wählerbefragungen beruhen, die nach der Stimmabgabe am Wahltag durchgeführt worden sind.
Derartige Befragungen finden in unmittelbarer Nähe zu den Wahllokalen – regelmäßig im selben Gebäude – statt, um Wählerinnen und Wähler im direkten zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Wahlteilnahme ansprechen zu können.
Diese so genannten Wählernachfragen sind von der Forschungsgruppe Wahlen und von Infratest dimap angekündigt um (sic) am 18. Januar 2009 in verschiedenen hessischen Wahlbezirken durchgeführt worden.
Beide Unternehmen haben mir auf Nachfrage berichtet, dass vor 18:00 Uhr weder Ergebnisse noch Zwischenstände an BILD oder BILD.de weitergegeben worden sind.
Die von BILD.de veröffentlichten Zahlen (...) stimmen darüber hinaus mit dem Zahlenwerk der beiden Institute bei keiner einzigen Partei überein.
Ich muss nach alledem davon ausgehen, dass es sich bei den in Rede stehenden Zahlen nicht um Ergebnisse aus einer Wählernachfrage handelt.“
Prognose BILD: CDU 38 Prozent, SPD 22, FDP 17, Grüne 13, Linke 5
ARD: CDU 37,5 Prozent, SPD 23,5, FDP 16, Grüne 14, Linke 5,1
ZDF: CDU 37,5 Prozent, SPD 23,5, FDP 17, Grüne 13,5, Linke 5
Nun versorgen aber sowohl die Forschungsgruppe Wahlen, als auch Infratest dimap den ganzen Tag über die politischen Parteien mit Zwischenständen der exit polls und ab 17 Uhr auch ausgewählte Kollegen mit den Prognosen, das heißt, es dürfte für die gut vernetzte BILD-Redaktion kein Problem gewesen sein, sich zumindest die Zwischenstände der Prognosen zu beschaffen, wenn sie sie tatsächlich nicht von den Instituten oder auftraggebenden Fernsehanstalten bekommen haben sollten. Wobei diese Zwischenstände von den endgültigen Prognosen um 18 Uhr sicherlich um die 0,1 bis 1,5 Prozentpunkte abgewichen sein können, die BILD daneben lag, was der Landeswahlleiter offenbar nicht bedenkt oder wohlweislich verschweigt.
Oder aber die BILD-Gruppe wäre jetzt auch von Amts wegen der Schwindelei überführt worden, da sie zusammenfabulierte Zahlen als „1. Prognose“ ausgegeben hätte...
Tobias Fröhlich von der BILD-Gruppe lehnt in dieser Angelegenheit weiterhin jede Stellungnahme ab.
Update: Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.
Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.
Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).
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