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Mittwoch, 9. Juli 2025

Wieso die Stadt München bei Caroline Links Dreharbeiten mitten im CSD Munich Pride nichts zu sagen hatte und was Teilnehmende empfinden

War es jetzt ein Skandal oder einfach stimmig, dass der CSD Munich Pride seinen Demonstrationszug öffnete, damit Oscar-Preisträgerin Caroline Link sich samt Cast und Crew dort einreihen konnte, um Schlüsselszenen für ihren kommenden Kinofilm „Die Jahre mit dir“ zu drehen? Zumindest war es – wie ich bereits berichtete – eine klammheimliche wie ungewöhnliche Kooperation, die auch neue Erlösmöglichkeiten für künftige Durchgänge des immer schwerer zu finanzierenden Aufmarsches eröffnet.

Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) bestätigt, dass die „Politparade (sich fortbewegender Teil des CSD München)“ gemäß dem Bayerischen Versammlungsgesetz als Versammlung angezeigt worden war. Nur hatte das Versammlungsbüro des KVR keinen blassen Schimmer, dass im Rahmen der Demonstration auch kommerzielle Dreharbeiten stattfinden sollten. Weder die Anmelder noch das davon wissende Mobilitätsreferat hatten es für nötig befunden, das KVR davon zu unterrichten.

Das Servicebüro Film des Mobilitätsreferats wiederum hatte eine Anfrage der Berliner Produktionsfirma Komplizen-Film für das Shooting mit Jella Haase als Klimaaktivistin abgelehnt und erklärt, dass „keine Drehgenehmigung für die Aufnahmen im Rahmen der CSD-Parade erteilt werden kann, da der öffentliche Grund durch die Versammlung bereits belegt ist und somit für andere Nutzungen, wie zum Beispiel Filmaufnahmen, nicht mehr zur Verfügung steht“.

Und jetzt wird es spannend, denn das Mobilitätsreferat verwies die Filmproduktion an den Veranstalter des CSD, der das durchaus und allein erlauben dürfe. Nun äußert sich der CSD Munich Pride aufgrund einer Verschwiegenheitsverpflichtung weder zu den Modalitäten der Übereinkunft mit der Filmproduktion noch zu sonstigen Details, aber man darf davon ausgehen, dass Geld dafür geflossen ist. Und nicht zu wenig, da schon alle teilnehmenden Gruppen und Firmen sich an den Kosten des CSD beteiligen müssen.

Wenn nun der CSD alleinige Herr*in des Verfahrens ist, ließe sich der Munich Pride künftig durch Dreharbeiten finanzieren. Warum soll die queere Demo mit ihren 20.000 Teilnehmenden und 230.000 Zuschauenden nur heuer als austauschbare Kulisse dienen, die in Caroline Links späteren Film den Climate Pride in Bologna darstellen wird? Warum nicht auch mal James Bond zwischen Drags und Dykes statt immer wieder im mexikanischen Getümmel der Día de Muertos Parade zu jagen und gejagt zu werden? 

Bei den Teilnehmenden des CSD Munich Pride heuer sorgten die Dreharbeiten mitten unter ihnen für gemischte Gefühle. Benjamin Hahn etwa fand das ohne Rücksprache mit der Community schwierig. „Es gibt viele Gruppen, die schon die Teilnahme von Firmen kritisch sehen, aber zähneknirschend hinnehmen. Als Teilnehmer finde ich es nicht in Ordnung, wenn der CSD für Dreharbeiten gekapert wird, die mit der Message der Demo nichts zu tun haben. Dass man offenbar Produktionskosten sparen wollte und deshalb unseren Pride überschreibt statt selbst etwas zu organisieren, ist frech.“

Ähnlich äußert sich Stadtrat Stefan Jagel von der Linken: „Dies ist insgesamt ein unglaublicher Vorgang. Vor allem, dass der CSD hier zweckentfremdet wird.“

Letzteres sieht Harald Stocker vom Bayerischen Journalisten-Verband ganz und gar nicht so: „In dem neuen Film von Caroline Link geht es ja wohl um die Liebe und der CSD ist eine Demo für die Liebe. Das passt doch. Es lebe die Freiheit der Kunst.“

(Peter Fleming vom Harry Klein hat sein Statement nachträglich streichen lassen. Er hätte mich für einen Vertreter der Filmcrew gehalten, obwohl er schon früher mit mir als Journalist zu tun hatte.)

Die Frage, inwieweit neben den zwei Dutzend von Caroline Link engagierten Schauspieler*innen und Kompars*innen auch echte Zuschauende und Teilnehmende in den Filmszenen zu sehen sind und in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt werden könnten, stellen verschiedene. Und das zurecht, denn der ganze Aufwand wäre nicht sinnvoll, wenn man nicht zumindest die Menge mit ins Bild gebracht hätte. Eine Teilnehmerin aus dem Block der Omas gegen rechts möchte zumindest nicht in Großaufnahme zu sehen sein. 

Von den Omas gegen rechts hört man sonst unterschiedliche Stimmen. Manche finden es nicht tragisch. Andere dagegen nicht in Ordnung, wenn die Aufnahmen Teil einer Filmproduktion waren. Sie berichten zudem, dass sich eine Gruppe jüngerer Leute zwischen ihnen und dem Wagen des Augustinum eingereiht hätte. Möglicherweiser war also der Caroline-Link-Block nicht nur zu Beginn der Politparade hinter der Rosa Liste am Start, sondern später noch ein weiteres Mal im fortgeschrittenen Demozug.  

„Vielfältig“ sind auch die Reaktionen bei Greenpeace und „reichen von Ablehnung bis Einverständnis. Mehrere sagen, dass sie eine Vorabinformation wichtig gefunden hätten, mindestens an die CSD-Organisator:innen, im Idealfall auch an die anderen teilnehmenden Gruppen. Das hätte allen ermöglicht, selbst zu entscheiden, ob sie in den Filmaufnahmen vorkommen möchten.“

Dietmar Holzapfel äußert rundum Kritik: „Ehrlich gesagt stehe ich seit etwa zwei Jahren der Entwicklung des CSDs kritisch gegenüber. Er ist Opfer seines eigenen Erfolgs, aber auch Opfer von wenigen bornierten Aktivisten.“

Die meisten Befragten wollten sich aber nicht zu den Geschehnissen äußern. Viele haben die Dreharbeiten im dreieinhalb Kilometer langen Getümmel gar nicht mitbekommen. Andere wollen vielleicht den CSD nicht durch eine Diskussion selbst im Nachhinein beschädigen.

Donnerstag, 11. Juli 2024

Die Münchner Altstadt – ganz neu gedacht

Als das Mobilitätsreferat Montagabend im Alten Rathaus erste Konzepte für die Umgestaltung der Altstadt vorstellte, war die Tendenz ganz klar: Sich an fußgänger- und radlerfreundlichen Städten im Ausland orientieren und einen Wurf präsentieren, der in Deutschland einzigartig ist. Nicht umsonst hatte man mit Gehl ein Stadtplanungsbüro aus Kopenhagen beauftragt, das sich Vorbilder aus Paris, Helsinki, Stockholm, Utrecht, Barcelona, Wien und natürlich Kopenhagen zum Maßstab nahm. 
Die anwesenden Münchner, mehr als die erwarteten 180, darunter viele Händler aus der City, vernahmen es mit Grummeln. Was unter dem Titel „Altstadt für alle“ präsentiert wurde, schließt die Autofahrenden eher aus. Und so sehr sich die durch den Abend leitende Sonja Rube vom Projektentwickler USP bemühte, die Bürgerbeteiligung bei der Neugestaltung innerhalb des Altstadtrings zu betonen, wirkte das vermeintliche Miteinander eher als wohlfeiles Lippenbekenntnis. 

Die Stadt nimmt ihre Bürger wie ein Erziehungsberechtigter an die Hand und zeigt ihnen, wo’s lang geht. Das führt zu mehr Lebensqualität durch mehr Grün- und Wasserflächen. Das Konfliktpotential zwischen Fußgängern, Radlern und Autofahrern wird sinnvoll entschärft. Aber es wird eben auch diktiert. 
Die schärfste Neuerung, die Zukunft der Parkplätze innerhalb des Altstadtrings, versteckte man als Unterpunkt in der Präsentation. Ein Drittel der Parkplätze im Straßenraum soll abgeschafft werden, um Platz für Grünflächen, breitere Fußwege und Fahrradstellplätze zu gewinnen. Die verbleibenden Parkplätze sollen Anwohnern vorbehalten bleiben. Besucher, Gäste der Gastronomie oder Kunden der zahlreichen Geschäfte werden die vorhandenen Parkhäuser nutzen müssen. 
Um körperlich Beeinträchtigten, Älteren und Schwerbeladenen die Fortbewegung zu erleichtern, wird es ab dem 24. Juli Mikrobusse und E-Rikschas (auch für Rollstuhlfahrer) in einem kostenlosen Testbetrieb geben. Die Mikrobusse verkehren drei Monate lang in Ringlinien zwischen 8 und 22 Uhr im 10-Minuten-Takt an festgelegten Haltestellen innerhalb des Altstadtrings. Die Rikschas können zwei Monate lang zwischen 7 und 24 Uhr herbeigewunken, an festen Standorten bestiegen oder übers Internet bestellt werden. 

In der Altstadt soll es künftig nur noch drei Straßenarten geben: Die erweiterte Fußgängerzone. Ein paar wenige Stadtstraßen, auf denen Tempo 30 gilt. Sowie eine Altstadt-Zone mit Tempo 20, die nur Taxis, Busse, Anwohner und Lieferanten befahren dürfen. 
Der Altstadtring selbst soll mit Bäumen und breiteren Fußwegen zum Boulevard umgestaltet werden. Während die Taxistandplätze an weniger attraktive Orte umziehen sollen, werden Bus- und Tramhaltestelle wie im Rosental und der Maximilianstraße aufgewertet werden. Etwa durch mehr Platz zum Ein- und Aussteigen und einen Regenschutz. 
München wird schöner werden. Aber es wird mit nachdrücklichem Zwang geschehen. Weshalb der Zweite Bürgermeister Dominik Krause von den Grünen in seinem Grußwort Montagabend daran erinnerte, dass auch die Einführung der Fußgängerzone vor über fünfzig Jahren arg umstritten war. Sie heute aber kaum einer mehr missen möchte.

Eine Version dieses Artikels ist im „Münchner Merkur“ und der „tz“ vom 10. Juli 2024 erschienen.
(Illustrationen: Gehl/Mobilitätsreferat)