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Sonntag, 29. Januar 2023

Nur ein Stern – Vom Türsteher (5)

Als Türsteher ist man nie everybody's darling. Es liegt in der Natur der Jobbeschreibung, eher für die unangenehmen Dinge zuständig zu sein, wenn man nicht gerade Feuer gibt oder eine Zigarette spendiert. Manche Gäste hadern aber mit mir als Spaßbremse so sehr, dass sie, kaum aus dem Lokal, den Laden auf Google oder TripAdvisor abwerten. Nun könnte man die Bar loben, mich als Türsteher schmähen und in der Summer nur einen Stern abziehen und der Location insgesamt dann eben drei oder vier Sterne gönnen. Aber offenbar bin ich so wichtig, dass es unterm Strich oftmals gerade mal für einen Stern insgesamt reicht …

Tolle Cocktails aber sehr unhöflicher Türsteher. 

Speisen und Getränke gut, Preis passt auch. ABER eines geht gar nicht: wenn man sich vor der Bar, oder auf der Straße, oder gegenüber normal unterhält kommt bereits der Türsteher und schnaubt einen an, dass man leise sein soll, weil Anwohner sonst gleich die Polizei rufen. Auch auf dem gemütlichen Heimweg läuft er noch nach und maßregelt einen (war NUR meine Schwester und ich, in leisem Gespräch). Empfinde ich als sehr unangenehm und übergriffig.

Update vom 7. Februar 2023: 
Nachvollziehbarer, aber zugleich primitiver ist es, wenn von mir gar nicht erst eingelassene Gäste sich nach der Abweisung an der Tür noch vor meinen Augen wutschnaubend mit einer 1-Stern-Bewertung rächen. Ob die Situation als Inanspruchnahme und somit legitime Bewertung gilt?
OLG Köln, Teilurteil vom 23.12.2022 - 6 U 83/22: Die Bewertung eines Mitbewerbers mit einem von fünf möglichen Sternen bei Google ohne erkennbaren Grund (hier lediglich beruflicher Kontakt) kann ein pauschal herabsetzendes Werturteil i.S.v. § 4 Nr. 1 UWG darstellen. (via „MIR Medien Internet und Recht“)

(Foto: Sebastian Weidenbach)

Freitag, 6. Januar 2023

Konkordanz der Beleidigungen an der Tür

Wenn man wie ich an Bar- und Clubtüren arbeitet, kommt man nicht umhin, gelegentlich Leute abweisen oder sogar rauswerfen zu müssen. Das geht oft friedlich ab, aber manchmal reagieren sich die Leute ab, indem sie mich beleidigen. Wobei auch da meine Devise gilt, mich als Türsteher nicht wichtig zu nehmen und das ganze spielerisch zu handhaben.

  • Alter Knacker
  • Antisemit
  • Dummlaberer
  • Pisser
  • Rassist
  • Schmalzlocke

(Foto: Simon Koy für zeit.de)

Samstag, 24. September 2022

Dorin Popa (8): Silencer im Salon Irkutsk

Bei Google bin ich, wenn man Dorin Popa eintippt, nicht schlecht plaziert. Aber sobald man meinen Namen bei der Bildersuche eingibt, erscheinen überwiegend weit jüngere, weit muskulösere Namensvetter. Um da vielleicht endlich mal Abhilfe zu schaffen, werde ich jetzt hier wiederholt Bilder von mir posten. Vanity-SEO.

Heute: Outtake des Shootings für DIE ZEIT am Wochenende über meine Arbeit als Silencer. Foto: Simon Koy.

Montag, 20. Juni 2022

Fame – Vom Türsteher (3)

Dorin Popa, Mitte 50, ist eine feste Größe im Münchner Nachtleben, zumindest unter Barbetreibern. Er ist Silencer bei mehreren Bars. An diesem Freitagabend arbeitet er für das „Freebird“, eine Bar ganz in der Nähe des Salons. Popa ist großgewachsen, aber hager, auch er ist nicht vom Typ Türsteher. „Ich strahle eine Ruhe und Autorität aus, die die Leute akzeptieren“, sagt er. Darauf komme es an. So öffnet er den Gästen immer die Tür – aus Höflichkeit, aber auch, um zu zeigen, wer hier im Zweifel die Kontrolle hat. „Wenn die Leute ankommen und noch nüchtern sind, muss man bestimmt sein“, sagt Popa. „Um Grenzen zu setzen, was die Lautstärke betrifft.“ 
Den Silencer sieht Popa als Bindeglied zwischen den Nachbarn und der Bar, er nennt sich selbst den „Anwalt der Anwohner“. Es geht um Stille – und darum, dass sich niemand gestört fühlt. Aber eben auch um das Überleben der Bars. Das muss man so existenziell formulieren, Popa tut es auch.

Max Fluder in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 18./19. Juni 2022 (OnlineePaperBlendle)

Montag, 6. Januar 2020

Münchner Kommunalwahl 2020 (4): Heiteres Beruferaten im Wahlamt

Wäre die Münchner Kommunalwahl ein Hollywood-Film, dann hätte das Drehbuch jetzt die erste dramatisch-überraschende Wendung genommen. Denn als der Wahlleiter vor Weihnachten den gemeinsamen Listenvorschlag der DiB*Piraten in 13 Positionen bemängelte, bot er bei den zwölf anderen Kandidaten Begründungen, Korrekturvorschläge und Alternativen auf, lehnte aber in meinem Fall die Berufsbezeichnung „Türsteher“ für eine etwaige Kandidatur zum Stadtrat in seiner Mängelfeststellung schmallippig einfach nur rundum ab.
Obwohl die Berufsbezeichnung auf einem Stimmzettel durchaus zulässig ist, denn Grundlage für den Wahlleiter ist hierbei die Veröffentlichung „Klassifikation der Berufe 2010 – Band 2: Definitorischer und beschreibender Teil“ (KLDB 2010) der Bundesagentur für Arbeit. Auf Seite 902 findet man nun dort den/die „Türsteher/in“ unter „53112 Berufe im Objekt-, Werte- und Personenschutz – fachlich ausgerichtete Tätigkeiten“. 
Damit wäre wie schon etwa in der nebenstehenden Wahlwerbung von 2014 die formale Voraussetzung für meine Berufswahl  gegeben gewesen.
Doch am 2. Januar scheint im Kreisverwaltungsreferat hektische Betriebsamkeit ausgebrochen zu sein. Sei es, weil ich an dem Tag seiner Mängelfestlegung vom 19. Dezember schriftlich widersprochen hatte oder vielleicht doch eher, weil inzwischen ein Rathausreporter eine Anfrage zu dem Vorgang gestellt hatte.
Jedenfalls schlug der Wahlleiter eine Volte (der Pinch-Point in diesem Wahlkrimi). Nun lehnte man nicht mehr den Begriff Türsteher ab, sondern wollte mir nach einer eher flüchtigen Online-Recherche nachweisen, dass ich in Wahrheit Journalist sei:
„Als Behörde sind wir verpflichtet und berechtigt allen Angaben nachzugehen und zu überprüfen, ob diese korrekt getätigt wurden. Unsere Nachforschungen haben ergeben, dass Herr Popa freier Journalist ist und noch immer diesen Beruf ausübt. Das belegen sowohl seine Bloggeraktivitäten, als auch die von ihm verfassten Artikel, wie zuletzt der Beitrag "Mehr Austausch, mehr Partizipation - der Zündfunk Netzkongress 2019" vom 13. November 2019 im Mediennetzwerk Bayern.“
Ein Vorwurf, der 2014 viel eher zugetroffen hätte, als ich noch Pauschalist bei Burda war.
Nun ist es freundlich vom Wahlamt, mich bei zwei vom MedienNetzwerk 2018 veröffentlichten Artikeln und drei Beiträgen letztes Jahr als Berufsjournalist einzuordnen. (Beim Bayerischen Journalisten-Verband scheint dagegen eher der Wunsch vorzuherrschen, mich auszuschließen.)
Etwas manipulativ wirkt dagegen, dass man nun in der Stadtverwaltung nicht etwa danach recherchiert hat, ob es im Netz Belege dafür gibt, dass die Berufsbezeichnung Türsteher plausibel wäre, wie etwa die große Geschichte im „SPIEGEL“ (Foto). Vielmehr scheinen die Kommunalbeamten fieberhaft danach gesucht zu haben, ob ich nicht etwas völlig anderes sein könnte.
Nur spielt das im Grunde keine Rolle. Denn es ist durchaus zulässig, mehrere Tätigkeiten auszuüben und sich dann bei einer Kandidatur für eine Wahl frei zu entscheiden, welche dieser Tätigkeiten man für den Stimmzettel auswählt. Es gibt viele Politiker, die nicht mit ihrem erlernten oder ausgeübten Beruf antreten, sondern mit einer Nebentätigkeit, einem Orchideenfach oder gar ehrenamtlichen Jobs, von denen sie sich mehr Stimmen erhoffen.
Die Frage, ob ich nun auch als freier Journalist tätig bin, führt daher in die Irre. Zu klären wäre eher, ob ich tatsächlich Türsteher bin. Bereits der „SPIEGEL“ hat gerade meinen Wandel vom Journalisten zum Türsteher ausführlich thematisiert. Und wenn man meinen Namen googelt, ist eines der ersten Suchergebnisse der Beitrag „Was macht eigentlich Dorin Popa?“ Also genau die Frage, die man sich auch im Wahlamt stellt. Und Peter Turi beantwortet es gleich zu Beginn: „Dorin Popa war mal ein gut beschäftigter Journalist. Inzwischen verdient er sein Geld als Türsteher und vertut seine Zeit mit Twittern.“
Zum Twittern ist inzwischen die Politik dazugekommen…


Update vom 8. Januar 2020 
Dem Wahlamt genügen inzwischen „die Nachweise des Kandidaten Dorin Popa grundsätzlich für die Aufnahme der Bezeichnung "Türsteher" als Beruf.“
Stattdessen sieht es aber bei meiner Kandidatur zum Stadtrat grundsätzlich „aufgrund von Interessenkonflikten“ einen „Amtsantrittshinderungsgrund“.

Update vom 10. Januar 2020
Glosse des Rathausreporters Sascha Karowski über das Kreuz mit der richtigen Berufswahl (Münchner Merkur vom 10. Januar 2020)

Donnerstag, 2. Januar 2020

Münchner Kommunalwahl 2020 (2): Als Türsteher darf ich nicht rein

Berufsbezeichnungen sind manchmal bei Wahlen schon der halbe Sieg. Jede Partei hat da so ihre Favoriten. Kinderarzt, Architekt oder Krankenschwester sollen gemeinhin immer Extrastimmen bringen. Gerade wenn man, wie bei der bayerischen Kommunalwahl am 15. März, panaschieren und kumulieren, also einzelne Kandidaten quer durch die Wahlvorschläge individuell bevorzugen kann. Ein Kumpel aus der Filmbranche, der heuer für die Grünen kandidiert, hat sich deswegen die Berufsbezeichnung Unternehmer ausgesucht, gerade um auch Wähler auf die Seite seiner Partei zu ziehen, die sonst weniger ökoaffin sind.
Ich dagegen kandidiere als Parteiloser auf dem gemeinsamen Wahlvorschlag der Demokratie in Bewegung/Piratenpartei Deutschland unter der Berufsbezeichnung Türsteher, obwohl mich das eher Stimmen kosten wird. Aber wenn nicht ich hart daran arbeite, das Klischee der Türsteher zu durchbrechen, wer dann…
Genau genommen würde ich gern als Türsteher kandidieren, darf es aber vielleicht nicht. Denn der Wahlleiter im Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt München hat in einer Mängelfeststellung vom 19. Dezember 2019 verfügt, dass er Türsteher als Beruf ablehnt. Vielleicht haben sie ihn mal in einem Club abgewiesen. Oder er hält das als kommunaler Bürokrat für keinen ordentlichen Beruf…
Kurios ist nur, daß dasselbe Wahlamt bei der letzten Kommunalwahl 2014 in meinem Fall dieselbe Berufsbezeichnung kommentarlos durchgewunken und auf die Wahlzettel gedruckt hat…

Update vom 3. Januar 2020
Bisher konnte man davon ausgehen, dass das Wahlamt schlichtwegs nicht parat hatte, dass es mich 2014 als Türsteher kandidieren ließ. Dafür vollstes Verständnis, schließlich kann man sich nicht alle Kandidaten merken, und die Unbedeutenden erst recht nicht.
Aber gestern wies ich den Wahlleiter im Kreisverwaltungsreferat auf diesen Widerspruch hin. Seine Antwort: Als Listenfünfter hätte ich nicht das Recht, mit ihm zu kommunizieren. Und die Mängelfeststellung bleibt bestehen und somit die Ablehnung meiner Berufsbezeichnung:
„Sehr geehrter Herr Popa, 
 die Kommunikation zwischen den Kandidierenden und dem Büro des Wahlleiters hat über die Beauftragten des Wahlvorschlags zu erfolgen. Beschwerden/ Änderungswünsche gegen Mängelanschreiben sind ausschließlich über die Beauftragten an die Behörde zu richten. Nur diese sind berechtigt, verbindliche Erklärungen zum Wahlvorschlag abzugeben und entgegenzunehmen, Art. 30 Abs. 2 Satz 1 Gemeindelandkreiswahlgesetz.
Die Entscheidung über die Zulassung des Wahlvorschlags trifft der Wahlausschuss am 04.02.2020.
Nach den Kommunalwahlen 2020 besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Wahlanfechtung. 
Sollten Sie Anmerkungen Ihren Wahlvorschlag betreffend haben, wenden Sie sich bitte an die Beauftragten Ihres Wahlvorschlags.“
Kann man so machen. Ist wohl auch faktisch richtig. Aber jetzt kann sich das Wahlamt zumindest nicht mehr darauf berufen, nichts davon gewußt zu haben, und hält weiterhin an seiner Fehlentscheidung unbeirrt fest.
Als ich 2009 das letzte Mal vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht das Wahlamt verklagte und gewann, hielt mir das Gericht noch vor, nicht den direkten Kontakt, etwa via Telefon, versucht zu haben, und brummte mir trotz Siegs in der Sache einen Teil der Prozesskosten auf. Diesmal habe ich es zumindest per direkter Kommunikation versucht. Wenn auch vergeblich.

Update vom 5. Januar 2020
Inzwischen hat das Wahlamt, offenbar bemüht seine Entscheidung vom 19. Dezember nachträglich zu belegen, die Suchmaschinen bemüht und doch recht einseitig und vorschnell gefolgert, dass ich Journalist sei, ausschließlich Journalist, und deshalb auch als Journalist zur Wahl antreten müsse:
„Als Behörde sind wir verpflichtet und berechtigt allen Angaben nachzugehen und zu überprüfen, ob diese korrekt getätigt wurden. Unsere Nachforschungen haben ergeben, dass Herr Popa freier Journalist ist und noch immer diesen Beruf ausübt. Das belegen sowohl seine Bloggeraktivitäten, als auch die von ihm verfassten Artikel, wie zuletzt der Beitrag 'Mehr Austausch, mehr Partizipation - der Zündfunk Netzkongress 2019' vom 13. November 2019 im Mediennetzwerk Bayern.“  
Selbst wenn man erstere Meinung teilt, schließt das keineswegs aus, dass ich auch als Türsteher arbeite… Mehr dazu morgen im Blog.

Update vom 8. Januar 2020 
Dem Wahlamt genügen inzwischen „die Nachweise des Kandidaten Dorin Popa grundsätzlich für die Aufnahme der Bezeichnung "Türsteher" als Beruf.“
Stattdessen sieht es aber bei meiner Kandidatur zum Stadtrat grundsätzlich „aufgrund von Interessenkonflikten“ einen „Amtsantrittshinderungsgrund“.

Freitag, 19. Mai 2017

Poparazzi (5): An der Tür

Bekannt aus Tweets, Blogs und der Medienfachpresse. Also überhaupt nicht. Dennoch erkennen mich immer wieder Fremde. Und schießen mich ab.

Als Fremden würde ich Gunnar Jans nicht bezeichnen, aber vielleicht sind wir uns etwas fremd geworden, seitdem er die Redaktionsarbeit durch das PR-Portefeuille ersetzt hat. Gestern war er mit einem Kollegen aus alten AZ-Zeiten in der Altstadt unterwegs und knipste mich im Vorübergehen.

Montag, 4. Januar 2016

Rot-grün & das Nachtleben – Vom Türsteher (2)

Sonst kennt man Ulf Poschardt eher von seinem Kampf um freie Fahrt für freie Bürger, aber letzte Woche hat der „WELT“-Vize mal den Fuß vom Gaspedal genommen, um das Nachtleben vor jeder Regulierung zu schützen und die Türsteher der Republik vor jeder Gängelung.
„Rot-Grün will die Freiheit der Nacht reglementieren“, kommentierte er Gesetzesinitiativen in Bremen und Niedersachsen, die es erleichtern sollen, Clubs zu ahnden, die aus rassistischen Gründen Gäste an der Tür abweisen. Und rast dabei leider ein bißchen übers Ziel hinaus.
Während das bundesweit geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz abgewiesenen Gästen nur den Weg einer Zivilklage erlaubt, Beweislast und Prozessrisiko also den abgewiesenen Gästen auferlegt, können Bundesländer über entsprechende Änderungen des Gaststättenrechts von Amts wegen rassistische Vorfälle als Ordnungswidrigkeit verfolgen. Wirte könnten nun bestraft werden, „wenn sie aus 'rassistischen' Gründen junge Männer abweisen“, behauptet Poschardt, der dabei einiges über sein Selektionsdenken verrät. Denn die Gesetzesänderungen verbieten unabhängig vom Geschlecht, „eine Person wegen der ethnischen Herkunft oder der Religion“ (Niedersachsen – pdf) beim Einlass zu benachteiligen oder in Bremen gar „einer Person wegen der ethnischen Herkunft, einer Behinderung, der sexuellen oder geschlechtlichen Identität oder der Religion oder Weltanschauung“ (BremGastG) den Zutritt zu verwehren. Und es ist keineswegs so, daß Rassismus nur Männer träfe.
Als ich von 2013 bis 2015 wieder einmal zweieinhalb Jahre in München als Türsteher arbeitete, fiel mir bei den Gästen ein Phänomen besonders eklatant auf: die überwiegende Mehrheit aller, die vor meiner Tür standen und auf den ersten Blick ausländisch wirkten, also gerade Schwarze oder Asiaten, traten überraschend ängstlich auf, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Münchner, in München lebende Expats oder Reisende handelte, und auch unabhängig davon, ob sie Männer oder Frauen waren. Es war keine allgemeine Scheu vor Türstehern, diese unter Nachtschwärmern gerade in München weit verbreitete leichte Unsicherheit, am Einlaß zu scheitern. Es war eine aus vielen erfahrenen Abweisungen genährte blanke Angst. Ein Spiegelbild des alltäglichen Rassismus.
„Das Welt- und Menschenbild dieser rot-grünen Politiker, ihre mega uncoole Regelungswut, ihr alltags- und lebensfernes Moraldiktat, wo es nicht hingehört, ihre Viktimisierung von jedem – das alles ist nur schwer zu ertragen“, zetert nun der alte, weiße Mann Poschardt.
Das ist besonders ulkig, denn die von ihm in seinem Kommentar beschworenen „künstlichen Paradiese“, die legendären Clubs und Bars, die nicht nur eine Nacht, sondern ganze Generationen prägen, sind meist Phänomene der Großstadt und ihrer Subkultur. Und Großstädte, aber vor allem ihr Welt- und Menschenbild traditionell eher links geprägt: Abraham D. Beame bzw. Ed Koch & das Studio 54, Stobbe & der Dschungel, und selbst wenn Diepgen nach der Wiedervereinigung den Regiermeister Momper bald verdrängte, so blühte die Berliner Techno-Szene zumindest unter einer großen Koalition weiter auf. Denn nicht nur das Herz, sondern auch der Beat schlägt links.
Und wer jetzt mit der kurzen Ära Erich Kiesl kommt: Das Münchner Nachtleben florierte damals weniger dank der CSU, sondern eher gegen sie und vor allem gegen ihren Kreisverwaltungsrefenten Peter Gauweiler.

Donnerstag, 7. Mai 2015

Die Kleiderlügenpresse

Teile deine intimsten Geheimnisse, nimm bei deinen Geständnissen keine Rücksicht, reflektiere die Höhen und Tiefen deines Lebens, aber bitte, bitte sei dabei möglichst gut – oder zumindest neutral angezogen.
Kleider machen Leute, und nicht umsonst hat die „Süddeutsche Zeitung“, als sie mich vor Jahren mal porträtierte, nicht umhin können, auch mein Outfit zu berücksichtigen: „Menschen, die ihn von seiner alten Arbeitsstelle kennen, wissen, dass Dorin Popa dort immer ziemlich aufgefallen ist. Norwegerpulli, ausgebeulte Jeans und bequeme Schuhe trug im Reich der Frauenzeitschriften-Redakteurinnen sonst keiner.“
Nun hat dieser Tage ein anderes Medium angeklopft, um mich diesmal als twitternden Türsteher vorzustellen. Die Location: mein Arbeitsplatz vor der Bar. Die Pose: als Türsteher mit verschränkten Armen. Doch als ich konsequenterweise auch mit einem meiner Türsteher-T-Shirts zum Fotoshooting antreten wollte, bat mich der Fotograf, doch bitte etwas dezenteres anzuziehen.
Worte sind nur Füllfläche, Grauwerte, aber bei den illustrierenden Bildern wägt eine Phalanx aus Chefredaktion, Art Direction, Layoutern, Bildredakteuren, Stylist und Fotograf jedes Detail ab, als ob jedes richtige Accessoire unmittelbar ein paar zusätzliche Prozentpunkte in den IVW-Zahlen herausholen könnte.
Das betrifft nicht nur namenlose Testimonials wie mich. Den Stars geht es kaum besser. Outfits fürs Titelmotiv werden schon mal mit Photoshop umgefärbt, wenn nicht gleich auf aktuelle Modetrends umgeschneidert. Und wenn ein Prominenter ein paar Seiten für seine Lebensbeichte oder auch nur sein aktuelles Projekt eingeräumt bekommt, zählt, falls man für die Strecke eigens Bilder produziert, zu den wichtigsten Vorbereitungen, im Vorfeld die Kleidergröße abzuklären, damit ihn die Stylistin für das begleitende Shooting schön anzieht.
Authentizität spielt eher auf den kleinteiligen bunten Seiten vorne oder hinten im Heft eine Rolle, dort, wo die Stars aufgrund der Red-Carpet-Inszenierungen oder Paparazzi-Abschüsse vom Praktikanten oder Volo tiefenpsychologisch analysiert werden. Auf den großen Strecken muß die von Redaktion zu Redaktion unterschiedliche Bildsprache der Magazine gewahrt werden:  „Ich mach' mir die Welt - widdewidde wie sie mir gefällt“, und auch wenn sich die Beichten der Prominenten oft wiederholen, so werden die gleichen einstudierten bzw. im Authorisierungsprozeß glatt geschliffenen Phrasen zumindest in der sie umrahmenden Optik variiert: mal ist der Star voguig gestylt, mal brigittig.
Woher das Verlangen, jemanden, über den man redaktionell, nicht etwa in einer Modestrecke, berichtet, wie eine leblose Anziehpuppe auszustaffieren und herzurichten? Kann man den Lesern heutzutage wirklich keine Menschen zumuten, die so aussehen, wie sie nun mal aussehen, und vielleicht ihr Lieblingsteil aus der vorletzten Saison tragen (oder zumindest das Lieblingsteil ihres eigenen Stylisten – nicht das der Redaktion)? Will man mit entsprechend gestylten Promis die Leser Woche für Woche, Monat für Monat aufs neue in die Boutiquen oder Onlineshops treiben und so die Werbetreibenden aus der Modebranche gütlich stimmen? Will man einfach nur Gott spielen?
Manchmal geht das auch herrlich schief. Als die „freundin“ Katharina Borchert vor fast zehn Jahren fotografierte, war das Team vor Ort nicht so mit Borcherts Style zufrieden. Borchert fühlte sich „wie damals in der ersten Klasse, als mir der Lehrer erklärte, ich könne meinen Lieblingspulli nicht ununterbrochen tragen, schon gar nicht mit Flecken darauf. Schwarz ist nicht frisch und Lieblingspullover werden nicht nur am Wochenende gewaschen. Das Leben hält immer wieder schmerzhafte Erkenntnisse bereit.“ Sie ließ sich aber überrumpeln und reagierte dann erst im nachhinein, als Leserinnen auffiel, daß sie völlig anders als sonst gestylt war, und die Blogosphäre begann, das Outfit zu diskutieren.
Vielleicht hätte sie gleich beim Shooting ablehnen müssen. Vielleicht sollten wir alle den Mut haben, einfach nein zu sagen, damit sich etwas ändert.