Ein Berufsverband, eine Partei, eine Verwertungsgesellschaft oder all die anderen
old boy networks sind ein bißchen wie eine bessere Familie, in die man eingeheiratet hat: Man will, wenn überhaupt, nur jedes zweite Weihnachten mit ihnen verbringen, öfter erträgt man den patriarchalischen Schwiegervater alten Schlags nicht. Aber es beruhigt ungemein, ihn und seine guten Kontakte in der Hinterhand zu wissen, wenn man mal in
Schwierigkeiten kommen sollte.
Da ich diese Distanz natürlich tunlichst pflege, konnte ich mich bislang auch kaum über den Bayerischen Journalisten-Verband aufregen. Anders als AZ-Sportchef Gunnar Jans, der sich schon mal
öffentlich fragt, wofür er dem Verband jährlich 300 Euro Beitrag zahlt. Oder Christian Jakubetz, der beim BJV
„ein ernsthaftes Auseinandersetzen mit der Krise, mit dem großen Umbruch, den wir seit Jahren erleben“ vermißt. Ganz von der neuen Generation Aktiver im BJV zu schweigen, deren konstruktive Kritik immer gleich als Nestbeschmutzung niederkartätscht wird.
Nun war ich neulich aber im Münchner Presseclub, noch so ein Seniorentreff der Wahren, Guten, Aufrechten, wo das hauseigene Magazin, die immer noch aktuelle
Ausgabe N° 13, vom März 2009, auslag. Auf Seite 12 eine scheinbar verbandsübliche Philippika des
BJV-Vorsitzenden Wolfgang Stöckel. Es geht um Ausbildungsbedingungen, Stellenabbau, Honorardumping, Pressefreiheit, kurzum:
„Gefahr für die Demokratie“, was man eben – vollkommen zu Recht – von einer Journalistengewerkschaft hören will. Nur mit einem eigenartigen Zwischenton, bei dem man als BJV-Mitglied dankbar sein kann, daß das in den vergangenen zwölf Monaten offenbar niemandem aufgefallen ist, denn plötzlich wirft Stöckel eher beiläufig Kollegen
„gehässigen Kampagnen-Journalismus“ vor und kritisiert, die Medien verließen zunehmend die
„Position der fairen und neutralen Berichterstattung“.
Kritische Geister wie Harald Schmidt, Christoph Süß, Oliver Welke oder Oliver Kalkofe: Wer Prominente
„ob Olli Kahn oder Horst Seehofer zu lächerlichen Comedy-Helden im Rundfunk macht, der darf sich nicht wundern, wenn die Stimmung umschlägt“. Nur zur Erinnerung: Hier spricht nicht Uli Hoeneß oder ein Adlatus der Staatskanzlei, sondern der oberste Repräsentant bayerischer Journalisten, der den von ihm vertretenen Journalisten aber gleich noch einen einschenkt, in Sachen Autorisierungen.
Jörg Thomann hat ja unlängst für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“
auszuloten versucht, woher der Autorisierungswahn Prominenter und deren Manager kommen könnte, wobei es längst nicht mehr nur um die Freigabe von Zitaten geht, sondern zunehmend (Dr. Eckart von Hirschhausen,
Kevin-Prince Boateng) um vollständige Artikel. Thomann muß da aber etwas Entscheidendes übersehen haben, denn Stöckel, immerhin primus inter pares, wußte es letztes Jahr schon ganz genau:
„Es sind unsere zum Teil unfairen Interview-Techniken, die dafür gesorgt haben, dass fast kein Gespräch mit Politikern, Wirtschaftsbossen und Prominenten mehr unautorisiert veröffentlicht werden darf.“ Ohne wenn und aber, ohne einschränkendes „es sind auch“, sondern: Wir. Sind. Selber. Schuld. Und nur wir.
Update: Die
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 7. Juli 2008 über den Autorisierungswahn.
Bascha Mika von der „taz“ 2003 über den
„Betrug am Leser“.