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Montag, 15. September 2025

Söder setzt beim Genderverbot auf Gleichschaltung (und was ist ein glottaler Plosiv?)

Auf Veranstaltungen der Medienbranche wie den Münchner Medientagen (Foto) oder dem Verbandstag des Deutschen Journalisten-Verbands erzählt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder gern, dass er bis zu seiner Wahl in den Landtag festangestellter Redakteur beim Bayerischen Rundfunk war. Und kokettiert stets mit dem ihm gesetzlich verbrieften Recht, nach der politischen Karriere an seinen Arbeitsplatz beim BR zurückkehren zu dürfen. Offensichtlich sieht er sich noch als Glied der Senderfamilie. Doch letzten Samstag erweckte er mit einem Social-Media-Post den Eindruck, als ob da der Schwanz mit dem Hund wedeln wolle.

„Heute ist #TagderDeutschenSprache. Für uns ist klar: Wir lehnen das Gendern aus ideologischen Gründen ab. Es schafft Barrieren, grenzt Menschen aus und bevormundet. In Bayern haben wir die Verwendung von Gendersprache in Schulen, Hochschulen und Behörden bereits konsequent abgeschafft. Wir setzen uns dafür ein, dass im öffentlichen Raum – an Schulen und Universitäten, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Verwaltung – auf das Gendern verzichtet wird“, schrieb Söder auf X/Twitter. Das ist gleich aus vielen Gründen hochproblematisch. Denn auch wenn so mancher dieses Statement als Meinungsäußerung verteidigte, ging es hier eben gerade nicht etwa um seine privaten Speisevorlieben. Sondern da sprach – trotz des verwendeten CSU-Logos – unmißverständlich ein Landeschef darüber, was er im Geiste des Substitutionsprinzips bei den ihm vermeintlich Untergeordneten bereits durchgesetzt hat und was er sonst noch zu erreichen plane.

Nun ist der Ministerpräsident kein Volljurist. Aber selbst mit nur einem Staatsexamen hat er sicherlich eine Vorstellung vom Grundgesetz und den darin postulierten Grund- und Abwehrrechten gerade gegenüber dem Staat und seiner Exekutive. Darauf weist auch eine Auslassung hin. Denn von den Gerichten verlangt er gerade kein Genderverbot, achtet da also die Unabhängigkeit der Judikative, obwohl etwa sein Kreuzerlass auch in Gerichtsgebäuden gilt.

Bei den Universitäten beziehungsweise Hochschulen ist es schon komplizierter. Söder nennt sie in einem Aufwasch mit Behörden und Verwaltung, obwohl sie nicht oder höchstens mittelbar der Exekutive zuzurechnen sind. Wissenschaft, Forschung und Lehre sind verfassungsrechtlich geschützt. Das nutzten manche Hochschulen in Deutschland etwa auch im Umgang mit den Gaza-Demonstrationen. In München agieren dagegen gerade die Exzellenzuniversitäten LMU und TUM bei besetzten Hörsälen traditionell eher als Wurmfortsatz der bayerischen Sicherheitsbehörden. 

Doch selbst die konservativer Umtriebe unverdächtigen Akademie der Bildenden Künste (Foto oben) und Hochschule für Fernsehen und Film (Foto links) kamen um das Genderverbot nicht herum. An beiden Münchner Fakultäten hingen letztes Jahr Banner, die für das Gendersternchen warben. An der HFF nur wenige Tage, an der Akademie etwas länger. Und zumindest die HFF soll den Banner laut der „Abendzeitung“ auf Weisung des Ministeriums entfernt haben.

Wissenschafts- und Kunstminister Markus Blume verzog aber wenige Monate später keine Miene, als er im Gärtnerplatztheater die Bayerischen Kunstpreise überreichte, und die ausgezeichnete Julie Batteux (Foto) ihm auf der Bühne im Gendersternchenkleid gegenüber stand.

Der andere Markus ist da weniger entspannt. In seinem Tweet nennt Söder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einem Aufwasch mit Verwaltung, Behörden, Universitäten und Schulen und fordert von ihnen allen, das Genderverbot einzuhalten. Das erinnert an die Zeit der Gleischschaltung, als die Nazis eben gerade alle Kräfte, ob Politik, Verwaltung, Gesellschaft oder Kultur, nach ihrer Vorstellung ausrichten wollten. Und das nach Ende des Zweiten Weltkriegs entstandene Grundgesetz mit seiner Gewaltenteilung und den in Grundrechten artikulierten Abwehrrechten der Bürger*innen gegen den Staat ist eben gerade die Antwort auf diese Unrechtszeit.

Ein zentrales Grundrecht ist dabei auch die Rundfunkfreiheit, die Söder in Frage stellt, wenn er dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorschreiben will, was er sendet und was eben nicht. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht dieses Grundrecht auch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestätigt und dessen Staatsferne verteidigt.

Die grüne Landtagsabgeordnet Sanne Kurz, Mitglied des Rundfunkrats beim Bayerischen Rundfunk, verweist auch auf den totalitären Charakter von Söders Tweet: „Im Journalismus entscheidet in Deutschland immer noch die Redaktion – nicht die Staatskanzlei. Auch wenn Herr Söder das offenbar gerne anders hätte, ist die Staatsferne bei uns nicht zuletzt wegen unserer Geschichte zu Recht ein hohes Gut. Ein staatlich verfügtes Genderverbot für Redaktionen wäre ein glasklarer Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit. Ebenso wie natürlich kein Ministerpräsident in Lehre, Kunst oder Forschung seine persönlich präferierten, ideologischen Sprachverbote hinein diktieren kann. Wir sind hier ja gottlob nicht in Russland oder China, wo von oben das Wording diktiert wird.“

Der Bayerische Rundfunk wollte sich auf Anfrage nicht zu Söders Ankündigung äußern, verwies aber darauf, dass es angesichts seiner „Angebotsvielfalt im BR keine starre Vorgabe hinsichtlich der Verwendung geschlechtergerechter Sprache“ gibt.

Beim Deutschlandradio gibt es „seit 2019 eine Handreichung mit Empfehlungen und praktischen Tipps. Darin werden Möglichkeiten für gendersensible Formulierungen aufgezeigt. Viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen diese Handreichung. Manche entwickeln sie weiter, auch hörbar, zum Beispiel durch den sogenannten glottalen Plosiv (Gender Gap). Andere, etwa die Nachrichten-Redaktion, haben entschieden, den glottalen Plosiv nicht zu nutzen. Wieder andere bevorzugen das generische Maskulinum. Die Diskussion, wie gendersensible Sprache aussehen kann, ist bei uns im Haus wie bei den meisten Medienunternehmen im Fluss. Die Handreichung »Geschlechtergerechte Sprache« ist auf den Deutschlandradio-Transparenzseiten verfügbar. Deutschlandfunk Nova hat zu dem Thema darüber hinaus ein Mission Statement formuliert.“

Der Bayerische Journalisten-Verband reagierte auf Söders Anmaßung am selben Tag nur mit einem Social-Media-Kommentar des BJV-Vorsitzenden Harald Stocker auf Bluesky: „Es ist gut, wenn der bayerische Ministerpräsident zugibt, dass er Gendern aus ideologischen Gründen ablehnt. Aber was auch immer er aus ideologischen Gründen tut, er sollte dabei nicht in der Rundfunkfreiheit eingreifen.“

Nach dem Wochenende befasste man sich dann auch noch einmal in der BJV-Geschäftsstelle mit dem Thema und bekäftigte auf Facebook die Kritik des Vorsitzenden: „Jeder Tag ist Tag der demokratischen Grundrechte. Für uns ist klar: Wir lehnen Eingriffe in die Rundfunkfreiheit ab. Der Rundfunk ist in Deutschland staatsfern organisiert. Das bedeutet, dass die Politik dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine inhaltlichen Vorgaben aus ideologischen Gründen machen darf - auch nicht beim Thema Gendern. Die Redaktionen entscheiden selbst, welche Sprache sie verwenden. Wir setzen uns dafür ein, dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder die in Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschriebene Rundfunkfreiheit nicht verletzt.“

Die Staatskanzlei mit dem zuständigen Medienminister und das Wissenschaftsministerium wollten sich auf Anfrage heute nicht äußern.

Beim Genderverbot scheitert Söder auch manchmal einfach nur an der mangelnden Zuständigkeit, weshalb etwa die Schulen wortgleich zweimal in seinem Tweet vorkommen. An den staatlichen Gymnasien mag er es bereits konsequent durchgesetzt haben, wobei selbst da, siehe Kreuzerlass, manchmal der Oberste Bayerische Verwaltungsgerichtshof Söder in die Schranken weisen muss. Aber an kommunalen Schulen mag er sich höchstens für einen Verzicht aufs Gendern einsetzen. Nur kommt er da beispielsweise an Münchens städtischen Schulen nicht weit. 

Das Kultusministerium bestätigt auf Anfrage, dass nur „Staatliche Schulen gemäß § 22 Abs. 5 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) dazu angehalten sind, im dienstlichen Schriftverkehr die Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung zu beachten. Mit Änderung der AGO zum 01.04.2024 wird ergänzend Folgendes klargestellt: »Mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt, Gender-Gap oder Mediopunkt sind unzulässig.« Somit sind beispielsweise in der Kommunikation mit Eltern oder in Veröffentlichungen der Schule, wie etwa in Jahresberichten oder auf der Schulhomepage, mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen nicht zulässig. Wir bitten zu beachten, dass die oben genannten Hinweise für die staatlichen Schulen gelten. Gemeinden, Landkreisen, Bezirken und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts wird nach § 36 AGO empfohlen, nach dieser Geschäftsordnung zu verfahren; die Entscheidung obliegt daher den eben genannten Institutionen.“

Update vom 17. September: Inzwischen hat sich auch das Referat für Bildung und Sport der Landeshauptstadt München geäußert und darauf hingewiesen, dass nicht nur zwischen städtischen und staatlichen Schulen zu unterscheiden ist, sondern auch, ob Vorgänge im oder außerhalb des Unterrichts erfolgen:

„Stadtschulrat Florian Kraus hatte sich im Jahr 2024 klar von dem »Genderverbot« des Freistaats distanziert und die abweichende Praxis der Landeshauptstadt München betont. Seine Haltung: »Sprache formt Denken und soziale Wirklichkeit. Gendersensible Sprache ist daher wichtiger Ausdruck geschlechtlicher Identität und gesellschaftlicher Vielfalt. Anders als beim Freistaat gibt es in der städtischen AGAM kein Genderverbot sondern ein Gebot gendersensibler Sprache.« 

Anlässlich der zum 1. April 2024 gültigen Änderung der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) hat Stadtschulrat Florian Kraus ein Schreiben an alle städtischen Schulen verschickt. In dem Schreiben macht er deutlich, dass für die städtische Verwaltung und damit auch für die städtischen Schulen außerhalb des Unterrichts nicht die Vorgaben der AGO, sondern der Allgemeinen Geschäftsanweisung der Landeshauptstadt München (AGAM) relevant sind. Wie er ausführt, sieht sich das Referat für Bildung und Sport dem Diskriminierungsschutz im Hinblick auf Geschlecht und geschlechtliche Identität verpflichtet und weist diesem eine hohe Priorität zu. In dem Anschreiben an die städtischen Schulen zitiert der Stadtschulrat Ziff. 1.2.4 AGAM: »Im dienstlichen Sprachgebrauch sind Texte aller Art, auch städtische Bekanntmachungen, Publikationen und Veröffentlichungen so zu formulieren, dass das Gleichstellungsgebot der Geschlechter sprachlich erfüllt ist und gemäß den Vorgaben des AGG keine Diskriminierung erfolgt. In der internen und externen Kommunikation ist auf einen geschlechterdifferenzierten Umgang und ggf. auf eine zielgruppenspezifische Ansprache zu achten. […] Die genannten Sprachregelungen sollen es ermöglichen, dass auch Menschen mit einem Geschlechtseintrag ‚divers‘ oder ‚ohne Angabe‘ sowie trans*, inter*, non-binäre und queere Menschen angemessen angesprochen werden können.« Mit dem Schreiben gibt er den städtischen Schulleitungen auch die bereits 2020 veröffentlichte Formulierungshilfe »Leitfaden inkl. Arbeitshilfe für eine geschlechtergerechte Sprache in der Landeshauptstadt München, Stand 2020« an die Hand. 

Etwas anders stellt sich die Situation innerhalb des Unterrichts dar. Hier gilt – und galt auch schon vor dem Genderverbot des Freistaats –, als verbindliche Grundlage des Unterrichts die Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung in der jeweils gültigen Fassung ist. Das betrifft staatliche und städtische Schulen gleichermaßen. Diese Regelung enthält keine Genderschreibweisen. Allerdings – und auch diesen Hinweis integriert Florian Kraus in das Schreiben an die städtischen Schulen – führt selbst das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus aus, dass die Verwendung von Wortbinnenzeichen in schriftlichen Leistungsnachweisen lediglich als Normabweichung zu markieren, nicht aber in die Bewertung einzubeziehen ist.

Sonntag, 6. April 2025

Poparazzi (16): Bayerischer Journalistentag

Bekannt aus Tweets, Blogs und der Medienfachpresse. Also überhaupt nicht. Dennoch erkennen mich immer wieder Fremde. Oder flüchtige Bekannte halten mich für wichtig. Und schießen mich ab.

Zuerst knipste ich Max Muth, Wirtschaftsredakteur der „Süddeutschen Zeitung“, bei der Mitgliederversammlung des Bayerischen Journalisten-Verbands und veröffentlichte das Bild, als er zum Stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden ist, worauf er mich als Paparazzi schmähte.
Später revanchierte er sich mit diesem Schnappschuss.

Sonntag, 11. April 2010

BJV-Papa Stöckel und die unartigen Journalisten

Ein Berufsverband, eine Partei, eine Verwertungsgesellschaft oder all die anderen old boy networks sind ein bißchen wie eine bessere Familie, in die man eingeheiratet hat: Man will, wenn überhaupt, nur jedes zweite Weihnachten mit ihnen verbringen, öfter erträgt man den patriarchalischen Schwiegervater alten Schlags nicht. Aber es beruhigt ungemein, ihn und seine guten Kontakte in der Hinterhand zu wissen, wenn man mal in Schwierigkeiten kommen sollte.
Da ich diese Distanz natürlich tunlichst pflege, konnte ich mich bislang auch kaum über den Bayerischen Journalisten-Verband aufregen. Anders als AZ-Sportchef Gunnar Jans, der sich schon mal öffentlich fragt, wofür er dem Verband jährlich 300 Euro Beitrag zahlt. Oder Christian Jakubetz, der beim BJV „ein ernsthaftes Auseinandersetzen mit der Krise, mit dem großen Umbruch, den wir seit Jahren erleben“ vermißt. Ganz von der neuen Generation Aktiver im BJV zu schweigen, deren konstruktive Kritik immer gleich als Nestbeschmutzung niederkartätscht wird.
Nun war ich neulich aber im Münchner Presseclub, noch so ein Seniorentreff der Wahren, Guten, Aufrechten, wo das hauseigene Magazin, die immer noch aktuelle Ausgabe N° 13, vom März 2009, auslag. Auf Seite 12 eine scheinbar verbandsübliche Philippika des BJV-Vorsitzenden Wolfgang Stöckel. Es geht um Ausbildungsbedingungen, Stellenabbau, Honorardumping, Pressefreiheit, kurzum: „Gefahr für die Demokratie“, was man eben – vollkommen zu Recht – von einer Journalistengewerkschaft hören will. Nur mit einem eigenartigen Zwischenton, bei dem man als BJV-Mitglied dankbar sein kann, daß das in den vergangenen zwölf Monaten offenbar niemandem aufgefallen ist, denn plötzlich wirft Stöckel eher beiläufig Kollegen „gehässigen Kampagnen-Journalismus“ vor und kritisiert, die Medien verließen zunehmend die „Position der fairen und neutralen Berichterstattung“.
Kritische Geister wie Harald Schmidt, Christoph Süß, Oliver Welke oder Oliver Kalkofe: Wer Prominente „ob Olli Kahn oder Horst Seehofer zu lächerlichen Comedy-Helden im Rundfunk macht, der darf sich nicht wundern, wenn die Stimmung umschlägt“. Nur zur Erinnerung: Hier spricht nicht Uli Hoeneß oder ein Adlatus der Staatskanzlei, sondern der oberste Repräsentant bayerischer Journalisten, der den von ihm vertretenen Journalisten aber gleich noch einen einschenkt, in Sachen Autorisierungen.
Jörg Thomann hat ja unlängst für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ auszuloten versucht, woher der Autorisierungswahn Prominenter und deren Manager kommen könnte, wobei es längst nicht mehr nur um die Freigabe von Zitaten geht, sondern zunehmend (Dr. Eckart von Hirschhausen, Kevin-Prince Boateng) um vollständige Artikel. Thomann muß da aber etwas Entscheidendes übersehen haben, denn Stöckel, immerhin primus inter pares, wußte es letztes Jahr schon ganz genau:
„Es sind unsere zum Teil unfairen Interview-Techniken, die dafür gesorgt haben, dass fast kein Gespräch mit Politikern, Wirtschaftsbossen und Prominenten mehr unautorisiert veröffentlicht werden darf.“ Ohne wenn und aber, ohne einschränkendes „es sind auch“, sondern: Wir. Sind. Selber. Schuld. Und nur wir.

Update: Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 7. Juli 2008 über den Autorisierungswahn.
Bascha Mika von der „taz“ 2003 über den „Betrug am Leser“.

Samstag, 20. Februar 2010

Bayerischer Journalisten-Verband kritisiert LMU

Im „BJV-report“ 1/2010 äußert sich jetzt anderthalb Monate nach dem Deutschen Journalisten-Verband auch der Bayerische Journalisten-Verband Mitte Februar (der aber meine Mail von Ende Dezember bis heute unbeantwortet ließ): „Ein reiner Verfahrensfehler“, zitiert Alois Knoller in seinem Artikel die LMU-Pressesprecherin Luise Dirscherl, die sich am 2. Februar mit LMU-Kanzler Christoph Mülke und BJV-Vorsitzenden Wolfgang Stöckel zusammensetzte, um die Aussperrung der Medien zu diskutieren.
Denn „der BJV hatte sich 'mit großer Verwunderung' über die von Münchner Kollegen berichtete Behinderung der freien Berichterstattung ans LMU-Pressereferat gewandt und um Aufklärung der Vorgänge gebeten.“  
 „Möglicherweise“ hätten Wachleute nicht nur Besetzern und Sympathisanten, sondern auch Journalisten den Zugang zur LMU verweigert. In einer vergleichbaren Situation, so Mülke, würde man heute anders entscheiden.
Wie nun? War es ein Irrtum der Wachleute? Dann müßte die Universitätsleitung auch nicht anders entscheiden. Oder war die Behinderung der Presse von der LMU gewollt? Dann läge kein Verfahrensfehler vor.
So oder so: Kein Wort dazu, daß nicht nur die Wachleute zuständig waren, sondern ein massives Aufgebot an Einsatzkräften der Polizei nach Rücksprache mit der LMU Journalisten den Zutritt zur Universität verweigerten.

Update vom 24. Januar 2020
Über zehn Jahre später scheint die LMU nichts dazugelernt zu haben. Bei einer #unibrennt-Veranstaltung sind wieder Studenten ein- und Journalisten ausgesperrt worden. „Unartige Kinder einzusperren, gehört zu den Methoden der Schwarzen Pädagogik von Erwachsenen. Damit jüngere Menschen zur Räson zu bringen wirkt 2020 - jedenfalls hierzulande - wie ein inadäquates Mittel aus vordemokratischen Zeiten. Und wie schon früher: Gebracht hat es auch am Mittwochabend in der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) nicht viel“, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“.

Mittwoch, 30. Dezember 2009

DJV: „Uni München – Journalisten unerwünscht“

„Schlechte Karten hatten Journalisten über die Weihnachtsfeiertage bei der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Wer die Studenten interviewen, filmen oder fotografieren wollte, die seit dem 11. November das Audimax besetzt hielten, stand vor verschlossenen Türen und vor privaten Wachschützern, die außer Uni-Mitarbeitern niemanden hinein ließen. Dass sich Journalisten mit Hilfe des Presseausweises legitimieren können, hat die Uni-Leitung dem Wachdienst nicht mitgeteilt, räumte LMU-Sprecherin Luise Dirscherl gegenüber dem DJV ein.
Wenig pressefreundlich ging es zwischen den Jahren weiter. Fotos vom leeren Audimax nach der Räumung am 28. Dezember untersagte die Pressesprecherin. Solche Bilder seien unangemessen.
Der DJV meint: Diese Entscheidung können Bildjournalisten am besten selber treffen.“
„DJV-news 136“

Updates: Es liegt nicht allein am Wachdienst. Am Freitag abend hat die Einsatzleitung der Polizei ausdrücklich den vor Ort Verantwortlichen der Universitätsleitung gefragt, ob Journalisten, die sich wie ich mit Presseausweis legitimiert haben, ins Haus dürften, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Die Universitätsleitung hat daraufhin explizit entschieden, daß sie auch gegenüber der Presse von ihrem Hausrecht Gebrauch macht und wir die LMU nicht betreten dürften.

Im „BJV-report“ 1/2010 äußert sich jetzt auch der bayerische Journalisten-Verband Mitte Februar (der aber meine Mail von Ende Dezember bis heute unbeantwortet ließ): „Ein reiner Verfahrensfehler“, zitiert Alois Knoller in seinem Artikel die LMU-Pressesprecherin Luise Dirscherl, die sich am 2. Februar mit LMU-Kanzler Christoph Mülke und BJV-Vorsitzenden Wolfgang Stöckel zusammensetzte, um die Aussperrung der Medien zu diskutieren. „Möglicherweise“ hätten Wachleute nicht nur Besetzern und Sympathisanten, sondern auch Journalisten den Zugang zur LMU verweigert. In einer vergleichbaren Situation, so Mülke, würde man in einer vergleichbaren Situation anders entscheiden.
Wie nun? War es ein Irrtum der Wachleute? Dann müßte die Universitätsleitung auch nicht anders entscheiden. Oder war die Behinderung der Presse von der LMU gewollt? Dann läge kein Verfahrensfehler vor.
So oder so: Kein Wort dazu, daß nicht nur die Wachleute aktiv waren, sondern Einsatzkräfte der Polizei nach Rücksprache mit der LMU Journalisten den Zutritt zur Universität verweigerten.

Update vom 24. Januar 2020
Über zehn Jahre später scheint die LMU nichts dazugelernt zu haben. Bei einer #unibrennt-Veranstaltung sind wieder Studenten ein- und Journalisten ausgesperrt worden. „Unartige Kinder einzusperren, gehört zu den Methoden der Schwarzen Pädagogik von Erwachsenen. Damit jüngere Menschen zur Räson zu bringen wirkt 2020 - jedenfalls hierzulande - wie ein inadäquates Mittel aus vordemokratischen Zeiten. Und wie schon früher: Gebracht hat es auch am Mittwochabend in der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) nicht viel“, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“.

Montag, 28. Dezember 2009

Endet die Freiheit der Presse in der Universität?

Wer die Vorgänge der letzten drei Tage an der Ludwig-Maximilians-Universität in den Münchner Medien nachlesen will, wird sich durch zahlreiche Anführungszeichen und Konjunktive kämpfen müssen, denn bei allem Nachrichtenwert (Audimax besetzt, Polizeieinsatz auf dem Universitätsgelände, Sperrung von Fluchtwegen trotz etwa 60 im Gebäude Anwesender) gab es nur eine Quelle: die Besetzer, und somit nur Beiträge vom Hörensagen, ohne die Möglichkeit, die Fakten zu überprüfen.
Denn mit der Aussperrung von Studenten und Sympathisanten ohne vorherige Ankündigung am ersten Weihnachtsfeiertag hat Prof. Dr. Bernd Huber, Präsident der Universität, auch sämtliche Journalisten des Hauses verwiesen. Mit der Begründung, die Uni sei „geschlossen“ durfte die Presse vom 25. Dezember bis heute nicht mehr aufs Universitätsgelände. Auf Rückfrage durch die Einsatzleitung der Polizei am Freitag abend bekräftigte die Universitätsleitung, daß sie auch gegenüber den Journalisten von ihrem Hausrecht Gebrauch macht.
Auf gut deutsch: Hausverbot für die Medien an einer deutschen Uni, wodurch – ausgerechnet in der Ära des FDP-Ministers Heubisch – der Begriff Exzellenzuni eine neue Bedeutung erhält: die akademische Freiheit schlägt nun im Verfassungsrang die Pressefreiheit, selbst wenn dies wie letzten Freitag mit Polizeigewalt durchgesetzt werden muß. Die Besetzung des Audimax mag heute morgen beendet worden sein, aber über den Platzverweis für die Presse während der letzten drei Tage wird noch zu reden sein.

Updates: „Neutrale Berichterstatter wurden von der Uni allerdings trotz mehrfacher Nachfrage nicht ins Gebäude gelassen.“ ddp

Tatsächlich, selbst nach der Räumung bleibt die Presse weiter ausgesperrt und durfte sich beispielsweise heute nicht selbst ein Bild von den Zuständen im Hauptgebäude machen. Wie ein Securitas-Mitarbeiter heute zu mir meinte, wäre es so sicherer.

Gegenüber dem von mir eingeschalteten Deutschen Journalisten-Verband erklärte die Pressesprecherin der Universität, Luise Dirscherl, es seien zwar während der Weihnachtsfeiertage Journalisten vom Wachdienst abgewiesen worden. Sie selbst sei jedoch über Handy erreichbar gewesen und habe in mehreren Fällen dafür gesorgt, dass Journalisten die Uni betreten konnten, beispielsweise ein Mitarbeiter der „Süddeutschen Zeitung“. Am gestrigen Montag habe sie entschieden, dass nach der Räumung keine Foto- und Filmaufnahmen vom leeren Audimax gemacht werden durften. Sie habe solche Bilder für „unangemessen“ befunden. Der DJV hält dieses Fotoverbot für fragwürdig und wird in den morgigen „DJV-news“ darüber berichten.



Inzwischen hat sich auch der Bayerische Journalisten-Verband „mit großer Verwunderung“ über die Behinderung der freien Berichterstattung an die Universitätsleitung gewandt und mit den Verantwortlichen getroffen.