Ein paar hundert Meter weiter, auf dem Sonnendeck des Neubaus der Coop Himmelb(l)au für die Akademie der Bildenden Künste befand sich das Pendant für jene, die lieber im Sitzen als im Stehen trinken: ein orangenes Beistelltischchen.
Möbel im öffentlichen Raum, um die Aufenthaltsqualität zu steigern? Einige Tage später präsentierten Baureferentin Jeanne-Marie Ehbauer, Kunstminister Markus Blume und Stadtbaurätin Elisabeth Merk (von links nach rechts) in der Immatrikulationshalle der Technischen Universität München (TUM) die Gewinnerin des Ideenwettbewerbs Open Kunstareal: das Pariser Atelier Roberta hatte einen „Kunstgarten“ entworfen, der den städtischen Lebensraum zwischen Königsplatz und Siegestor für Besuchende, Anwohnende und Studierende verbessern sollte. Blume betonte die ungewöhnliche Hochschuldichte im Kunstareal. Das Konzept sieht unter anderem mehr Vegetation, Rückzugsorte und Sitzmöbel vor. Größtes Manko: Ein Budget von derzeit gerade mal 60.000 Euro, um die Ideen umzusetzen.Wovon keine Rede war: Abstellflächen für die Generation Wegbier zu kreieren. Die Parallelität der Ereignisse ist eher zufällig, auch wenn sie nicht nur zeitlich, sondern auch örtlich vorlag. Denn die Urheber*innen der Mach-mal-Platz-Aktion sitzen auch in der TUM.Wenn Münchens Bürger*innen mit etwas vor ihrer Haustür unzufrieden sind, werden sie gern selbst aktiv. Ein Anwohner des Josephsplatz, den die lauten Skatboarder nerven, kauft dann einfach ein paar Blumentröge im Baumarkt und verschraubt sie auf den Stufen des denkmalgeschützten Franziskusbrunnens. In der Franz-Joseph-Straßen greifen Nachbar*innen zum Guerilla Gardening, um mehr Grün zu schaffen. Ziviler Ungehorsam im Freistaat.
Am Lehrstuhl Urban Design der TUM findet man so etwas grundsätzlich gut. Natürlich wird die Professur nicht selbst aktiv, sondern „ermutigt“ nur laut dem Architekten und Wissenschaftlichen Mitarbeiter Matthias Faul „ihre Studierenden, im städtischen Raum auf Eigenverantwortung Interventionen durchzuführen, da dies für den Lernprozess sehr förderlich ist“.
Dafür organisierte Faul auch den Pop-up-Laden im Ruffinihaus, dem Kreativzentrum des Münchner Referats für Arbeit und Wirtschaft, wo am 16. Juni einen Tag lang gemeinsam, aber sicherlich auch wieder in Eigenverantwortung nachgedacht, Pläne gezeichnet und gebastelt wurden. Grundlage der Interventionen seien Interviews mit Studierenden von vier Hochschulen im Kunstareal gewesen.
Eher nicht gefragt wurden die Hausherren und zuständigen städtischen Behörden. Die Akademie der Bildenden Künste hat keine Ahnung, wer das Tischchen auf ihrem Gelände installiert hat. Stört sich aber auch nicht daran. Und Wolf D. Prix von der Coop Himmelb(l)au, der als Architekt des Akademieneubaus das Urheberrecht besitzt, betont sogar: „Alle Mittel, die einen öffentlichen Raum in Besitz nehmen, sind mir recht.“Faul betont, dass rechtliche Abwägungen und Abstimmungen den Studierenden oblägen. Betont aber zugleich seitens des Lehrstuhls: „Generell stellen wir aber die Frage der Relation von der Beschäftigung ohnehin überlasteter Behörden zur Reversibilität und geringen Dimension solcher Installationen.“
Auffällig ist, wie monothematisch und wenig spielerisch die Interventionen des Lehrstuhls ausfielen. Neben Tischflächen hätte man auch Sitzgelegenheiten, Hochbeete, Spielgeräte für Kinder erwarten können. Doch „Mach mal Platz“ hatte offenbar nur Abstellflächen für Flaschen im Sinne. Nun tritt man der TUM sicherlich nicht zu nahe, wenn man sie in der Regel als sehr industrie- , wirtschafts- oder unternehmertumsorientiert wahrnimmt. Am Schwarzen Brett in Garching gieren die Top Player der Automobilindustrie und des militärisch-industriellen Komplexes nach willigen und verfügbaren Studierenden. Wenn die TUM mal ein Wohnprojekt entwickelt, dann eher für die digitalen Nomaden und Expats der Tech-Konzerne anstatt sich der Wohnungsnot normaler Münchner*innen anzunehmen.
Wer nun den Instagram-Auftritt von „Mach mal Platz“ studiert, kann nicht übersehen, dass dort Fritz Kola omnipräsent ist und auch mit seinem Münchner Instagram-Handle vermerkt wird. Auf den ungefähr 48 Fotos und Reels ist 18-mal Fritz Kola mit im Bild. Drei Bilder zeigen sogar im Grunde nicht viel anderes als das Produkt. Fritz Kola ließ schriftliche Anfragen dazu unbeantwortet.
Aber so sind Münchner Interventionen eben. Was bleibt, ist Müll und Werbung.