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Mittwoch, 25. Oktober 2017

Warum ich Content Marketing für einen Totengräber des Journalismus halte

Vielleicht bin ich ja mitverantwortlich für alles. 1987 fragte mich ein befreundeter Händler für Werbeartikel, worüber ich mich als Journalist denn besonders freuen würde. Denn sein Kunde Levi's wollte zu Ostern die Redaktionen beschenken und suchte nach Ideen. Es sollte wenig kosten, aber viel Freude bereiten.
Kugelschreiber, Schlüsselanhänger, Hochprozentiges und Süßes bekamen wir alle Tage. Also empfahl ich, uns Journalisten mit exklusiven Inhalten zu versorgen. Mit einer Liste der 501 In-Adressen Deutschlands. Gut recherchiert, schmissig beschrieben. Den Auftrag dafür bekam ich postwendend.
Die Aktion kam in den Redaktionen offenbar gut an. Und zwei Jahre später wiederholten wir das Ganze mit etwas mehr Budget. Doch während der Arbeit am „Red Tab District Guide“ entwickelten sich das kleine Projekt, dessen Inhalte und Gestaltung so ambitioniert, dass der Kunde es schließlich nicht mehr nur – in einer verplompten Ausgabe – Journalisten vorbehalten wollte. Levi's schaltete Publikumsanzeigen für eine Volksausgabe. Jeder konnte sich das Brevier kostenlos zuschicken lassen. Und der Art Directors Club honorierte unsere Arbeit mit einer Auszeichnung.
Mein Handwerkszeug bei der Arbeit an diesen Szeneführern war natürlich journalistisch. Wie auch bei den Heftchen für Organon, die junge Frauen überzeugen sollten, dass Antibabypillen nebenbei gut gegen Pickel hälfen. Oder den redaktionellen Anzeigen für Fruchtzwerge, die skeptischen Müttern einreden sollten, Gervais-Danone bemühe sich um eine gesunde Ernährung der Kleinen.
Ich war der gekaufte Journalist, der sich diese Arbeit um ein vielfaches teurer bezahlen ließ als vergleichbare Leistungen für Redaktionen. Aber ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, diese Lohnschreiberei als Journalismus zu bezeichnen. Es blieb PR, Werbung, Marketing. Es ging ums Verkaufen.
Die Auftraggeber griffen zu meinen journalistischen Mitteln auch nicht, weil sie Journalismus für den hehreren Kommunikationsweg hielten. Oft wollten sie tricksen und etwa Werbeverboten oder gesetzlichen Auflagen bei der Werbung entgehen. Gern auch selbst below the line bleiben, nicht allzu auffällig in Erscheinung treten, sondern sich hinter journalistischen Formaten verstecken, um den Leser, sprich: den Verbraucher arglos, ohne Deckung zu erwischen.
Lange war ich ein Wanderer zwischen beiden Welten. Kurzzeitig war ich exklusiv bei PR- oder Werbeagenturen. Hätte mich aber in diesen Phasen selbst nie als Journalist bezeichnet, denn dort war ich Texter oder PR-Berater. So stand es in den Arbeitsverträgen.
Weshalb ich nie verstand oder verstehen werde, warum es in den Journalistenverbänden eigene Berufsgruppen für die Gegenseite der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gibt. Sicher, oft sind das ehemalige Kollegen. Doch mit dem Wechsel aus der Redaktion oder dem freien Journalismus, mit ihrem Abschied aus der Welt der Fakten, Diskussionskultur und Suche nach der Wahrheit haben sie sich ganz anderen Prämissen verschrieben. Pressesprecher mögen noch an der Schnittstelle beider Welten stehen, aber immer mehr ehemalige Kollegen haben sich mit dem Wechsel im Werbung, PR und Marketing monopolistischen Zielen wie etwa dem Diktat des Umsatzes verschrieben. Und wollen dabei nicht etwa Journalisten die Arbeit erleichtern, sondern sie viel eher ablösen.
Mit Journalismus hat das nicht mehr viel zu tun. Und die Mitgliedschaft in einem Journalistenverband kann kaum nur auf den Wunsch nach Presseausweis und Parkschild basieren. Bei allen Streitgesprächen mit Verbandsfunktionären zu dieser Frage ist mir letztlich nur ein bestechendes Argument in Erinnerung geblieben: Die Journalistenverbände bräuchten die ehemaligen Kollegen wegen der Beitragszahlungen. PR-Schwurbler und Content-Kings verdienten nunmal deutlich mehr, hätten sicherere Arbeitsplätze und gerade in den heutigen Zeiten, in denen Journalisten zu Hunderten aus dem Beruf und somit aus den Journalistengewerkschaften ausscheiden, retteten sie den Verband.
Doch noch ist der Journalismus nicht tot. Ganz im Gegenteil, er zeigt sich zunehmend vif. Es liegt nicht nur an den bewegten politischen und wirtschaftlichen Zeiten, die zunehmend der einordnenden Hand der Journalisten bedarf. Die Medien an und für sich sind agiler, transparenter, hierarchiefreier geworden. Man diskutiert untereinander, aber auch mit dem Objekt der Berichterstattung wie auch mit dem Leser, Hörer und Zuschauer auf Augenhöhe. Man teilt Recherchen und Ergebnisse, man verlinkt aufeinander (outgoing links), man kooperiert bei Projekten wie den Panama Papers oder Offshore Leaks. Man arbeitet an einem gemeinsamen höheren Ziel, das den Journalismus nicht zufällig mit der Presse- und Meinungsfreiheit und somit mit Grundrechten verknüpft.
Nun ist das sicher ein stark idealisiertes Bild. Natürlich gibt es Journalisten, die sich viel Arbeit sparen, indem sie PR-Texte oder Polizeiberichte unverändert übernehmen. Die Food-, Beauty- oder Modestrecken vieler Frauenzeitschriften scheinen nur die wichtigsten Anzeigenkunden abzufeiern. Im Boulevard mag manchen Blattmachern der Unterhaltungswert wichtiger als der Wahrheitsgehalt sein. Doch sind das Ausreißer, die systemischen Ausnahmen von der Regel, die nicht nur einen Hautgout haben, sondern gegen vieles verstoßen: Gegen den Kodex des Presserates und die Compliance-Regeln einzelner Verlage. Gegen die Grundregeln, die Journalistenschülern beigebracht werden. Und gegen die Grundziele, die die meisten Chefredakteure teilen. Vielleicht sagen sie es nicht on record, aber unter drei verraten sie es einem leidenschaftlich, wie sie gegen Schleichwerbung und ähnliches arbeiten. Denn Journalismus kann nur unabhängig funktionieren.
Die dafür erforderlichen Checks & Balances gibt es gerade auch in der Medienwelt. In einer Redaktion untereinander. In der Redaktionshierarchie. Zwischen Verlag und Redaktion. Unter den Verlagen, mit den Verbänden, vor Gerichten. Zunehmend, etwa via Facebook, Twitter und öffentlichen Veranstaltungen, mit den Lesern. Und natürlich auch im Wechselspiel mit den Anzeigenkunden, die bei ihren Jahresgesprächen genau auflisten, welcher Mitbewerber wieviel redaktionelle Beachtung fand und sich so gegenseitig neutralisieren. Im Großen und Ganzen kein perfektes System, aber ein ziemlich offenes, mit konkurrierenden Kräften, die guten Redakteuren viel Freiheit gewähren können.
Die Kollegen aus der Welt der Kundenzeitschriften und Contentlieferanten, die Intranet-Macher und Spezialisten für Kundenbindung via Newsletter und Portalen, die Pressesprecher von Verbänden und Parteien haben ganz andere Ziele, sie sind Lobbyisten und dienen einem Dienstherrn, der ausschließlich auf die Maximierung des eigenen Erfolgs setzt. Und um es mal mit einem ganz drastischen Bild auszuschmücken: Journalisten müssen bei der Wahl ihrer Reiseziele vorsichtig sein, weil sie die Wahrheit geschrieben haben. Die Manager von Autokonzernen, Technologie- und Telekommunikationskonzernen, Finanzdienstleistern und Anbietern von Sportartikeln oder die Funktionäre von Sport- und anderen Verbänden dagegen, weil vielleicht irgendwo ein Haftbefehl wegen Betrugs, Bestechung und anderer offenbar systemimmanter Tricksereien auf sie lauert. Nicht der schlechteste Grund, weshalb sie eigenen Contentfabriken auch den Vorzug vor einer unabhängigen, kritisch recherchierenden und publizierenden Presse geben.
(Oder Fanboys und -girls einer freien, und damit auch mal kritischen Presse den Vorzug geben. Robert Basic hat unlängst auf Facebook ausgeführt, wie die Automobilhersteller offensichtlich zunehmend Influencer auf Instagram & Co favorisieren – zu Lasten der eh schon nicht unbedingt sonderlich kritischen Autofachjournalisten.)
Content ist natürlich nicht per se schlecht. Dabei kommen natürlich auch journalistisch hervorragende Angebote heraus, wie etwa vor längerer Zeit das „WOM-journal“, das eben nicht nur die Kundenzeitschrift einer Kette von Plattenläden war, sondern eine sehr ambitioniert gemachte Musikzeitschrift.
Doch seltsamerweise rechtfertigen Contentmacher ihre Arbeit für branchenfremde Konzerne, sobald man sie kritisiert, selten damit, dass diese Verbindung ihnen vorbildhafte journalistische Arbeit ermögliche. Sie greifen lieber sofort die klassischen Medien an und setzen sie prompt absolut gleich mit Schleichwerbung und schlechtem Journalismus, als ob die Arbeit im Auftrag der Telekom oder Daimler AG der letzte Garant für das Wahre, Aufrechte und Gute sei.
Noch bedenklicher finde ich aber, dass selbst gute Contentarbeit letztendlich dem unabhängigen Journalismus schadet. Es werden ja nicht die arbeitslosen Kollegen von der Straße aufgelesen. Wo viel Geld vorhanden ist, beschäftigt man parasitär die besten freien Autoren wie Willi Winkler oder Pascal Morché, die ihren Namen letztendlich der jahrzehntelangen Arbeit klassischer Redaktionen verdanken.
Man holt hervorragende Redaktionsmacher wie Karsten Lohmeyer, Dominik Wichmann, Gunnar Jans, Carline Mohr, die damit dem unabhängigen Journalismus verloren gehen.
Contentangebote konkurrieren aber nicht nur um die besten Leute mit der Presse. Neben dem brain drain drohen auch Verluste bei den Anzeigenumsätzen, wenn die Contentanbieter ihr Angebot, selbst wenn es letztendlich pro domo wirbt, auch noch durch Werbung Dritter refinanzieren wollen.
Und man stiehlt den unabhängigen Medien Nutzer. Denn Contentprofis schaffen gated oder closed communities. Während meiner Zeit bei „Cosmopolitan“, „freundin“ oder der „DONNA“ haben wir uns über jede Leserin gefreut, die auch andere Zeitschriften kaufte. Denn je mehr Zeitschriften jemand kauft und liest, desto sicherer bleibt er der Branche erhalten. Leser, in der Regel meist: Männer, die nur ein Medium konsumieren, sind meist auch die, die irgendwann ganz damit aufhören.
Beim Content Marketing ist es ganz umgekehrt. Hier steht das Quartalsziel im Vordergrund. Jeder Griff zu einem konkurrierenden Medium birgt die Gefahr, dass der Konsument sich auch für ein konkurrierendes Produkt entscheidet. Content Marketing propagiert das Leben in einer Filterblase, bei der alles außerhalb dieser Produktwelt möglichst auszublenden ist. Insofern ist Dietrich Mateschitz' Medienentwicklung von „The Red Bulletin“ zu „Quo vadis veritas“, von produktbezogenem Content zum ideologischen Spiel mit der Welt der Fake News kein zufälliger Medienmix, sondern nur konsequent.

Freitag, 19. Mai 2017

Poparazzi (5): An der Tür

Bekannt aus Tweets, Blogs und der Medienfachpresse. Also überhaupt nicht. Dennoch erkennen mich immer wieder Fremde. Und schießen mich ab.

Als Fremden würde ich Gunnar Jans nicht bezeichnen, aber vielleicht sind wir uns etwas fremd geworden, seitdem er die Redaktionsarbeit durch das PR-Portefeuille ersetzt hat. Gestern war er mit einem Kollegen aus alten AZ-Zeiten in der Altstadt unterwegs und knipste mich im Vorübergehen.

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Auf Twitter geblockt

Manche, wie SPIEGEL-Kollegin Annett Meiritz, machen es mit Ansage. (Und dabei siezte sie mich auch noch.) Andere klammheimlich. Nutzen tut es nicht wirklich etwas. Denn selbst wenn man von einem User auf Twitter geblockt wurde, kann man dessen öffentlichen Tweets weiter lesen. Es ist nur etwas umständlicher.
Insofern, und da spreche ich aus eigener Erfahrung, dient es primär der Triebabfuhr, jemanden zu blocken. Nimm das, Du Schurke! Meines Erachtens bleibt so eine Blockade auch nur bestehen, weil man sie längst wieder vergessen hat.
So wie ich erst nach fast einem Jahr eher zufällig daran erinnert wurde, daß ich mal die Exkolleginnen von der „DONNA“ geblockt hatte. Ich wollte es ihnen im Trennungsschmerz nicht allzu einfach machen, meine Recherchen weiter zu nutzen. Oder einige Piraten, die ich beim Bohei um die Konrad-Zuse-Crew geblockt hatte. Längst vergeben und vergessen. (Nicht die Zuse-Crew, aber die anderen Piraten, mit denen ich deretwegen im Streit lag.)

Um so mehr überrascht es mich immer, wer mich so alles blockt oder zeitweise geblockt hat:

  • Sibylle Berg Vermutlich ein Kollateralschaden, weil ich auf Twitter mit @Nouveaubeton, einem ihrer Haßobjekte, befreundet bin.
  • Julia Knolle Da muß ich erstmal googeln, wer das überhaupt ist.
  • Annett Meiritz („SPIEGEL“) Als Seehofer im Mai 2012 ins P1 lud, fragte sie via Twitter, wie dort der Dresscode wäre. Ich antwortete kollegial, daß im Stüberl erfahrungsgemäß die Absätze hoch und die Röcke kurz seien. Daraufhin blockte sie mich.
  • Quartz Africa Ich wußte nicht einmal auswendig, daß es diesen User gibt. Geschweige denn, daß und warum er mich blockt.
  • Johnny Haeusler (Spreeblick). Er selbst behauptet, davon nichts zu wissen. Aber ich habe offenbar so oft über die re:publica und Johnnys Offenbarungen aus dem Canisius-Kolleg gelästert, daß er mich dann eben mal vorübergehend blockte.
  • Armin Rohde Als Katja Reimann und Armin Lehmann die Volontärsausbildung beim „Tagesspiegel“ übernahmen, verlas ich mich und twitterte gleich: „Las erst Katja Riemann & @ArminRohde und war schockiert“. Das hat offenbar gereicht.
  • Alex Rühle („Süddeutsche Zeitung“). Das begreife ich bis heute nicht.
  • Roland Tichy (Xing). Vier ihn lobende Tweets zwischen 2011 und 2015 und als einzige, indirekte Kritik ein Verweis auf einen (gelöschten) Tweet von Mathieu von Rohr im Januar 2013. War's deshalb? 

Der Allererste aber, der mich je geblockt hat, war natürlich Gunnar Jans 2009, damals noch Social-Media-Hauptbeauftrager der „Abendzeitung“. Kein anderer hat mir aber so schnell verziehen oder vielmehr erkannt, wie mein Humor funktioniert. Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Manchmal läßt es sich nachvollziehen. meistens nicht. Und natürlich handelt es sich hier um eine Momentaufnahme. Schließlich überprüfe zumindest ich nicht laufend, wer mir noch – warum auch immer – gram ist.

Montag, 14. Mai 2012

@nicebastard hat das Granteln zu Twitter gebracht

„Welcher Twitterer sollte deiner Meinung nach unbedingt bei MunichLoves U mitmachen, warum?
 

@Nicebastard – weil niemand so viel unterwegs ist, dabei so respektlos, manchmal auch böse sein kann und doch (fast immer) lesenswert. Er hat das Granteln zu Twitter gebracht.“

Der @breisacher aka AZ-Sportchef Gunnar Jans

Montag, 15. Februar 2010

Todesszene im SZ-Sportteil: Degoutant, unangemessen oder notwendig?

Ein ungeschnittenes Video von Nodar Kumaritaschwilis Todessturz in den öffentlich-rechtlichen Nachrichten, das Sterbebild in der Zeitung, der Wahn ums Schneller, Höher, Weiter macht auch vor den Medien nicht halt. Immer öfter verletzt man die gebotene Distanz und illustriert traurige Nachrichten mit sensationsheischenden Bildern, mit Blut, Leichen und Todesszenen. Glücklicherweise nicht immer ohne Widerspruch, der durchaus auch aus den eigenen Reihen stammt:

„Die Auswahl des Aufmacherfotos im Sportteil der Montag-Ausgabe hat viele Leser gestört oder empört. Auch in der Redaktion wurde kontrovers diskutiert, ob man den georgischen Rodler in den Sekundenbruchteilen vor seinem tödlichen Aufprall gegen einen Metallpfeiler zeigen sollte. Einige Redakteure fanden es unangemessen, mehrere degoutant, andere wiederum notwendig, um sowohl die Dimension des Unfalls als auch seinen Hergang zu zeigen. Im Zusammenhang mit dem zweiten Bild auf der Seite – auf dem die umgebaute Passage der tödlichen Kurve zu sehen war – sollte außerdem erkennbar gemacht werden, welche Maßnahmen (zu spät) ergriffen worden waren, um die Bahn sicherer zu gestalten.“
„In eigener Sache“ der „Süddeutschen Zeitung“ vom 16. Februar 2010

Updates: Twitterer Breisacher, als Gunnar Jans, Sportchef der „Abendzeitung“, die das gleiche Bild wie die „Süddeutsche“ abgedruckt hat, nicht ganz unparteiisch, weist auf ein noch wesentlich widerwärtigeres Bild im Sportteil der „tz“ hin und verteidigt das von ihm und der „SZ“ veröffentlichte Bild als „journalistisch notwendig“, wenn auch „nicht unproblematisch“. Wobei die „AZ“ online ein ähnliches, wenn auch nicht ganz so brutales Motiv von den blutigen Reanimationsmaßnahmen wie die „tz“ veröffentlicht hat.

Die Tagesschau will zwar die Würde des Opfers wahren: „Keine Frage war, dass wir bei ARD aktuell die Bilder des Todes nicht zeigen wollen. Es spielt dabei für uns keine Rolle, ob ARD und ZDF die Bildrechte haben. In unseren Nachrichtensendungen machen wir das nicht.Wir haben nicht den gehenkten Saddam gezeigt, wir haben auf entwürdigende Bilder von geretteten Menschen in Haiti verzichtet, um nur zwei eklatante Beispiele zu nennen, und wir mühen uns immer, von uns selbst gesetzte Grenzen nicht zu überschreiten. Das erspart uns nicht, die Bilder zu beurteilen. Ich habe sie gesehen, ich musste sie mir ansehen, mein Kollege Nadvornik stand in Whistler fast unmittelbar daneben. Es sind schreckliche Bilder, die man unseres Erachtens in einer Nachrichtensendung nicht zeigen sollte, obwohl es sie gab.“
Gleichwohl haben sie mehr oder weniger dieselbe Szene wie die Printkollegen von „Abendzeitung“ und „Süddeutsche“ präsentiert: „Wir haben einen kurzen Augenblick gezeigt, in dem es Nodar Kumaritaschwili aus dem Schlitten hebt. Keine Wiederholung, keine Zeitlupe, auf keinen Fall. Die Frage für uns war: Was muss ich sehen, um die Gefährlichkeit der Bahn beurteilen zu können. Was ist nicht notwendig.“ 

Auf Michael Bienerts Interpretation, die Todesszene störe „das bunte Bild vom ungetrübten Sportfest in Vancouver, das sich Sportsfreunde, Funktionäre und offenbar auch viele Journalisten wünschen“, und ihr Abdruck wäre jetzt also der Inbegriff kritischer Berichterstattung, wäre ich ehrlich gesagt nie gekommen. Auch hier wird offenbar wenig auf den Nachrichteninhalt und die Macht des Wortes gegeben. Findet der „Tod auf der Sportseite“ wirklich nurmehr adäquat statt, wenn man ihn egoshootermäßig präsentiert, um jetzt mal zu polemisieren?