Neulich stand eine alte Bekannte vor der Bartür, eine kluge, vielseitig interessierte Politikertochter, die sich – selbst auf Partys – in klassischen wie sozialen Medien auf dem laufenden hält. Und sie hatte keine Ahnung, dass kleine Wahlverbindungen oder Parteien wie
MUT Bayern erst einmal jede Menge
Unterstützungsunterschriften brauchen, um überhaupt zur Kommunalwahl zugelassen zu werden. In München beispielsweise 1.000 für die Wahl des Münchner Stadtrats.
Und als ich über diese nächtliche Begegnung twitterte, antwortete der nicht weniger politische interessierte
Ben Neudek:
„Ich bedauere immer das sporadische Wissen über die Kommunalwahl. Dabei hat man bei ihr am meisten Gestaltungsspielraum.
Dass man nur für eine Liste unterschreiben kann, habe ich erst im Rathaus erfahren.“
Dabei ist man auch dort oder im KVR nicht unbedingt besser informiert. Dass es am 17. Dezember, unmittelbar nach Öffnung der Eintragungsräume zu
Pannen kam? Geschenkt! Aber Wochen später, Anfang Januar, kam es immer noch vor, dass jemand für die
DiB*Piraten unterschreiben wollte und daraufhin erst einmal mit der Begründung abgewiesen wurde, dass das nicht möglich sei. Da unnötig, weil die Piraten doch seit 2014 bereits im Stadtrat säßen. Nicht ganz falsch. Nur
wechselte Thomas Ranft von den Piraten in der Legislaturperiode zur FDP. Und der müßige Zwang zum Sammeln von Unterstützungsunterschriften entfällt beispielsweise nur, wenn eine Partei oder Wählergruppe über die gesamte Legislaturperiode bereits im Stadtrat saß.
„Wahlvorschläge von neuen Parteien oder Wählergruppen benötigen die zusätzliche Unterstützung von Wahlberechtigten“, schreibt das Wahlamt. Wobei neu sich nicht auf das Datum der Partei- oder Listengründung bezieht, sondern eher ein mandatsbezogenes Senioritätsprinzip meint.
„Neue Wahlvorschlagsträger sind Parteien und Wählergruppen, die im Gemeinderat oder im Kreistag seit dessen letzter Wahl nicht auf Grund eines eigenen Wahlvorschlags ununterbrochen bis zum 90. Tag vor dem Wahltag vertreten waren.“ Art. 24 (1) BayGLKr
Parteien, die im Landtag, Bundestag oder Europaparlament sitzen, dürfen bei der Kommunalwahl auch ohne Unterschriftensammlung antreten, weil die nötige Verankerung in der Gesellschaft damit belegt sei. Vorausgesetzt, sie nehmen eine zusätzliche Hürde, denn das Mandat allein reicht bei weitem nicht.
„Neue Wahlvorschlagsträger benötigen keine zusätzlichen Unterstützungsunterschriften, wenn sie bei der letzten Landtagswahl oder bei der letzten Europawahl mindestens fünf v.H. der im Land insgesamt abgegebenen gültigen Stimmen oder bei der letzten Bundestagswahl mindestens fünf v.H. der im Land abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben.“ Art. 27 (1) BayGLKr
Pech für
„Die Partei“, die trotz ihrer beiden MdEP, Martin Sonneborn und Nico Semsrott, offenbar nicht ausreichend in der der honorigen Gesellschaft verankert ist und 1.000 Unterschriften in der Unterstützungsliste sammeln muß, um bei der Kommunalwahl am 15. März für den Münchner Stadtrat antreten zu dürfen. Persönlich habe ich noch keine Wahlwerber der „Partei“ erlebt, aber dem Vernehmen nach wurden einige von ihnen vor dem Kreisverwaltungsreferat wie am Marienplatz gesehen, um Passanten und Behördenbesucher anzusprechen und zu einer Unterschrift zu bewegen.
Am Kreisverwaltungsreferat sind nahezu jeden Vormittag auch Mitglieder der DiB*Piraten vor Ort, um Flyer zu verteilen, die die Münchner für eine Unterschrift gleich vor Ort gewinnen sollen.
Die bunteste Mischung findet man aber vor der Stadtinformation im Rathaus, wo etwa Vertreter der
Tierschutzpartei,
München-Liste oder Wahlliste
ZuBa – Zusammen Bayern (nicht im Bild) recht einvernehmlich nebeneinander um Unterstützer buhlen.
Vom Kreisverwaltungsreferat und dem Wahlamt als neutrale Ausrichter der Kommunalwahl oder der
Fachstelle Demokratie als Wahlwerber würde man erwarten, dass sie sich neutral verhalten oder gar aktiv ihrer Aufklärungspflicht nachkämen. Bei MUT Bayern hat man die gegenteilige Erfahrung gemacht. Um die 1.000 Unterschriften zu erreichen, setzen die Politiker*innen um Claudia Stamm und Stephanie Dilba auf eine Plakatkampagne für die seit 17. Dezember laufende Unterschriftensammlung. Doch kamen die Wahlplakate erst dieser Tage mit Verspätung zum Einsatz, weil – wie man hört – das Kreisverwaltungsreferat sich bei der Genehmigung Zeit gelassen hätte…
Update vom 17. Januar 2020
Inzwischen hängen auch Plakate, mit denen „Die Partei“ in München um Unterstützungsunterschriften bittet.
Update vom 20. Januar 2020
Marion Ellen aka
BayernDrache in einem
Facebook-Beitrag ausführlich über die bürokratischen Erschwernisse beim Sammeln der bis zu 1.000 Unterstützungsunterschriften, um die Zulassung zur Kommunalwahl überhaupt erst zu erlangen…
Update vom 26. Januar 2020
Volt, die seit Dezember weitflächig in München ihre Standardplakate verbreitet haben, als ob ihre Zulassung zur Kommunalwahl schon feststünde, haben sich inzwischen besonnen und angefangen, darauf hinzuweisen, dass man doch bitte für sie unterschreiben solle…