Montag, 20. August 2007

Vintage-Journalismus (2): Beate Uhse

Während RTL gerade die Verfilmung der Lebensgeschichte von Beate Uhse ankündigt (mal unter dem Arbeitstitel „Freiheit für die Liebe", mal als „Ein Leben für die Liebe“) stieß ich beim Aufräumen auf mein altes Interview mit der 76-Jährigen 1996 im Berliner „Ticket“:



Im Taxi mit Beate Uhse

Früher hat sie Kampfbomber zur Front überführt. Seit Kriegsende rüstet Beate Uhse Schlafzimmer auf. Dorin Popa begleitete die Sexpertin von ihrem Erotikmuseum zum firmeneigenen Flieger noch Tempelhof

„Mit einem Penis ging es los“

TICKET: Nenne ich Sie Frau Uhse oder Rotermund?
UHSE:
Sie müssen Uhse sagen, sonst weiß keiner, mit wem Sie gesprochen haben. Leute, die mich kennen, sagen Beate. Wer mich halb kennt, sagt Frau Rotermund. Und geschäftlich heiße ich Uhse.
Rotermund wäre ein schöner, sehr erotischer Name.
Nur, die Firma heißt Uhse, da kann man nicht mit Rotermund rumpfuschen. Alle fragen, wer diesen tollen Namen gemacht hat. Gemacht! Ich bin Beate getauft, und mein erster Ehemann hieß Uhse.
Damals waren Sie in Tempelhof stationiert?
Ich bin acht Jahre Pilotin gewesen. Zuerst als Einfliegerin. Dann kam der totale Krieg, und ich wurde gebeten, bei der Luftwaffe im Überführungsgeschwader mitzuarbeiten. Was ich gerne tat, denn es war beruflich ein enormer Aufstieg, diese ganz berühmten Jagdflugzeuge fliegen zu dürfen.
Was sind Sie geflogen?
Die Ju 87, das war der Stuka, und Jagdflugzeuge.
Haben Sie noch Kontakt zu den Fliegerkollegen?
Nein, ich bin ein Mensch, der in der Gegenwart lebt. Und man kann, wie die Ostpreußen sagen, mit einem Hintern nur auf einer Hochzeit tanzen. Das ist die Firma.
Steuern Sie Ihren Flieger jetzt selbst nach Hause?
Bis November bin ich noch geflogen, dann habe ich den Schein verfallen lassen.
Was bringen die beiden Flugzeuge der Firma?
Wir haben in unendlich vielen Städten Läden. Unsere Mitarbeiter können um sieben Uhr 30 morgens aus Flensburg weg und abends zurück, ohne im Hotel herumsitzen zu müssen. Unsere Entwicklung im Osten, in den neuen Ländern, hätten wir ohne Flugzeug nicht machen können.
Wie kommt man als ostpreußische Gutstochter zum Sex-Geschäft?
Nach der Kriegsgefangenschaft bin ich in einem kleinen Bauerndorf hinter den Deichen gelandet. Da kamen die Frauen zu mir und fragten: Beate, mein Mann ist wiedergekommen, toll, aber was mache ich denn nun, daß ich kein Kind kriege? Damals gab's die Pille noch nicht, und Kondome waren nicht erhältlich. Da fiel mir Knaus-Ogino ein, und ich habe ein Heftchen darüber gemacht und für zwei Reichsmark verkauft. Das nächste Prospektchen nach der Währungsreform bot schon acht Artikel an, und so ging's weiter.
In den 80er Jahren gab es in Ihren Katalogen Ketten nur als unverkäufliche Dekoration. Heute führen Sie Knebel, Handschellen...
Das darf man - wie die Gummipuppen - nicht überschätzen. Da wir ein Erotikfachgeschäft sind, müssen wir führen, was der Markt anbietet. Sonst sagen die Kunden, Oma Uhse hat ja nichts.
Und jetzt hat die Oma auch ein Museum?
Es begann mit der Sammelei von Exponaten, die man geschenkt kriegt. Die stellt man hier hin und da hin. Mit einem goldenen Penis ging es los. Irgendwann stehen da 30 Teile, und mehr gehen ins Büro nicht rein. Dann fangen sie an, das in Kisten wegzustauen, bis man das irgendwie schade findet. Dann will man die Sachen neben der Kantine in einem Raum zeigen, wo Mitarbeiter das anschauen können. Dann erfuhren wir vom Amsterdamer Sexmuseum. Da wurde erstmals der Gedanke wach, das auch zu machen.
Die Münchner wollten Ihr Museum nicht. Dafür klappte es samt Sexshop und Kino in Berlin in der Joachimsthaler Straße.
Am Anfang hatten die Behörden auch kleine Bedenken, aber zum Schluß sind sie uns sehr entgegengekommen. Nur müssen wir unseren Laden in der Hardenbergstraße dafür aufgeben, damit das kein „Rotlichtbezirk“ wird.
Und wie reagiert die Nachbarschaft?
Ich war gestern bei Mövenpick. Da kam der Geschäftsführer und sagte: „Herzlichen Glückwunsch zum Museum. Hier ist eine Flasche Sekt." Das fand ich unheimlich aufmerksam. Denn wer erkennt schon einen Menschen wieder? Ich würde unseren Bundeskanzler in geeigneter Umgebung erkennen. Aber wenn
ich ihn im Mövenpick träfe, würde ich nicht unbedingt sehen, daß das Herr Kohl ist.

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