Bisher dachte ich, an Mode klebe nur Blut, wenn es sich um Pelzkreationen handelt. Doch Roberto Saviano enthüllt in seinem Mafia-Buch „Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra“ offenbar noch ganz andere kriminelle Zusammenhänge. Mit einer kleinen Einschränkung („Sein Stil steht dem Blog näher als der informativen Sozialreportage, ist hastig, hochfahrend und manchmal ein bisschen reißerisch“) feiert Dieter Richter heute das Buch groß im „SZ“-Feuilleton und hebt die in „Gomorrha“ enthüllte Zusammenarbeit zwischen der Modebranche und der Mafia hervor:
„Dutzende patriarchalisch geführte und von der Camorra mit zinsgünstigen Krediten versorgte Klein- und Mittelbetriebe, in denen hochqualifizierte Arbeitskräfte ohne Tarifverträge zu Billiglöhnen in Tag- und Nachtschichten arbeiten. Für die Auftraggeber von 'oben': die großen italienischen Modehäuser, die hier nach einem ausgeklügelten System des Dumpings produzieren lassen, nach von Luxus-Designern vorgegebenen Schnitten und mit frei Haus gelieferten Qualitätsstoffen. Was die Auftraggeber am Ende nicht abnehmen oder was bereits vorher 'abgezweigt' wurde, wandert mit Hilfe des 'Systems' in den zweiten und in den dritten Markt: 'echte Fälschungen', denen nichts fehlt als die Autorisierung durch den Konzern in Mailand oder Turin. Hier berühren die Tentakel des Systems auch unser eigenes Konsumverhalten. Wer hätte sich noch nicht über einen günstig erstandenen Anzug 'aus einem Stoff von Zegna', eine neue Tasche von Prada 'zum Schnäppchenpreis' gefreut?“
Vorletzte Woche bereits betonte Saviano im „SZ-Magazin“: „Die Modehäuser vertrauen nach wie vor ihren Subunternehmern und schieben so die Verantwortung von sich. Aus den kleinen, von der Camorra kontrollierten Nähfabriken Neapels stammt das Kleid von Melanie Griffith, das sie bei der Oscar-Verleihung trug, Madonnas Schuhe im Musical Evita stammen aus Mugnano bei Neapel. Nein, die Modelabels haben nichts verändert, schlimmer noch, es gibt Hinweise darauf, dass die großen Labels sich jetzt schon selbst fälschen und Modelle wie Stoffe gegen Provision freigeben, um diesen größeren Markt selbst zu bedienen und zu kontrollieren.“
2 Kommentare:
Wer die überteuerte Designermode kauft, ist selbst schuld.
Gerade eben nicht. Wen man für ein schönes Designerteil viel Geld ausgeben will, ist es voll in Ordnung. Aber dann soll es wenigstens auch ethisch einwandfrei gefertigt sein, schließlich ist in der Handelsspanne auch genug dafür drin.
Ärgerlich genug, wenn Luxusware windig verarbeitet ist, aus südostasiatischen Sweatshops stammt oder ein Made in China Etikett trägt. Aber da gibt es wenigstens Indizien. Alta Moda unter mafiösen Bedingungen in Italien produzieren zu lassen, ist aber ein böser Etikettenschwindel.
Falls Deine Alternative der Griff zu Billigklamotten ist, muß das nicht unbedingt besser sein...
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