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Sonntag, 16. August 2009

Bastarde verderben Kinder, Sitten und Texte

„In allen Dynastien, Ordnungen und Kulturen sind die Bastarde für das Schöne, Aufregende, Neue zuständig.

Bastarde verderben Kinder, Sitten und Texte.

Bastarde hassen nicht nur die Welt, die Vertreter der 'reinen' Macht, die Ordnungen und, auf besonders dramatische Weise, sich selbst, sie hassen auch einander.

Ein Bastard lebt selbst im Vertrautesten noch in einer Fremdsprache“

Aus Georg Seesslens „Hoch auf den Bastard“ im Berliner „Tagesspiegel“ anläßlich des Starts von Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“

Sonntag, 19. Juli 2009

Social Media als Filter für Dummes aus Fernsehen und Zeitungen

„Wired“-Chefredakteur und Buchautor („The long tail“, „Free“) Chris Anderson auf vier Seiten im „Spiegel“ morgen über die Torhüterfunktion des Web und neue Geschäftsmodelle im Internet.

„Die Begriff Nachrichten und Medien sagen mir nichts. All diese Wörter haben doch längst ihre Bedeutung verloren. Sie definierten das Verlagsgeschäft im 20. Jahrhundert. Heute sind sie nur eine Bürde. Sie stehen uns im Weg wie eine Kutsche ohne Pferde.“

„Mehr und mehr Leute benutzen für ihren Nachrichtenkonsum soziale statt professionelle Filter. Wir drosseln einfach den Informationsstrom aus Fernsehen und Zeitungen. Dummes, überflüssiges Zeug erreicht mich erst gar nicht.“

„Was wir Journalisten machen, ist immer noch nützlich. Die Arbeit der anderen ist aber genauso nützlich.“

„Wir haben Einnahmen in Millionenhöhe, und es liegt allein an uns, ob wir profitabel sein wollen oder nicht.“

„In Zeitungen und Zeitschriften sieht Reklame einfach besser aus. Deshalb zahlen Werbekunden bei wired.com nur 22 Dollar pro tausend dort erreichte Kunden. Im Magazin zahlen sie dagegen für die gleiche Leserzahl 100 Dollar.“

„Bei 'Wired' haben wir ja sogar versucht, unsere Blogger zu bezahlen – die empfanden schon den Vorschlag als Beleidigung.“

„Vielleicht ist unser Business nicht mehr das Verkaufen von Anzeigen. Vielleicht geht es um das Bilden von Online-Communities. Möglicherweise verdienen wir mit dem Veranstalten von Events unser Geld.“


Updates: Steffen Leidel im Deutsche-Welle-Blog lab, b-consequent und der Trierer Medien-Blog dazu.

Das „Spiegel“-Gespräch mit Chris Anderson („Wired“) über die Zukunft der Medien ist auf englisch online.

Montag, 8. Juni 2009

Mehr Demokratie wagen

„Man sollte endlich damit aufhören, Gegensätze zu konstruieren, die es nicht gibt - hie Zeitung und klassischer Journalismus, da Blog mit einem angeblich unklassischen Journalismus. Der gute klassische ist kein anderer Journalismus als der gute digitale Journalismus. Die Grundlinien laufen quer durch diese Raster und Cluster: Es gibt guten und schlechten Journalismus, in allen Medien. (...)

Der Amateur-Journalismus, der in den Blogs Blüten treibt, ist kein Anlass für professionellen Griesgram. Dieser Amateur-Journalismus bietet Chancen für eine fruchtbare Zusammenarbeit. Er ist ein demokratischer Gewinn. Diese Blogger erinnern an die bürgerlichen Revolutionäre von 1848/49, die Kommunikationsrevolution heute gemahnt an die vor 160 Jahren. (...)

Blogs sind 'mehr Demokratie'.“


Aus Heribert Prantls Eröffnungsvortrag bei der Jahrestagung der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche, zitiert nach der „Süddeutschen Zeitung“ von heute (pdf-Download des Vortrags)

Sonntag, 22. Februar 2009

Eleganz und/oder Intelligenz

„Als ich einst für 'Bunte' über die Gesellschaft berichtete, musste ich stets darauf achten, nicht allzu viele Gedanken in meine Stücke einfließen zu lassen.“
Alexander von Schönburg macht sich angesichts der Einstellung von Blättern wie „Park Avenue“ und „Vanity Fair“ in der „Welt am Sonntag“ Gedanken über das „Ende einer Party“ und die Verbindung von Eleganz und Intelligenz im Journalismus.

Update: Noch lesenswerter ist Niklas Maaks reflektierender Nachruf in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Nichts gegen Carsten Maschmeyer, allein der Name ist ja mal eine echte Wohltat nach Poppy Honey Oliver, Apple Blythe Alison Paltrow, Lily Rose Melody Depp, Fifi Trixibelle Geldof und Homer James Jigme Gere, deren Namenskatarakte sonst das Innere der 'Bunten' wie giftige Schlingpflanzen durchziehen“. Erkläre mir mal einer, wieso faz.net heute auf ihrer Homepage das Feuilleton mit Donnas bereits zwei Tage altenm Blog-Genöle dazu aufgemacht hat und Maaks profunde Medien- wie Gesellschaftskritik nicht einmal ins Netz stellt.

Montag, 2. Februar 2009

Einer, der es wissen könnte

„Ich halte die FAZ für die beste deutsche Tageszeitung. Sie hat viele Eigenschaften, die ich für den Freitag auch gern hätte. Sie verfügt über eine große innere Bandbreite, ist sehr experimentierfreudig und lebendig.“
Jakob Augstein, früher langjähriger leitender Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“ und nunmehr Verleger des „Freitag“ in einem ihm gewidmeten Porträt im „journalist“ 2/09

Update zur ersten Ausgabe nach dem Relaunch als „Das Meinungsmedium“.

Sonntag, 1. Februar 2009

Kritisch subtiler Modejournalismus

V.i.S.d.P.: Ist auf der Fashion Week kritischer Modejournalismus noch möglich?
Petra Winter (Cosmopolitan): Ja, er ist grundsätzlich überall möglich. Wir kritisieren subtil, indem wir bestimmte Mode nicht fotografieren, die uns missfällt.“


Auch sonst ein wunderbar entlarvendes Interview, wie man es nicht besser parodieren könnte. (Link, pdf-Download)

Mittwoch, 21. Januar 2009

Ganz München in sieben Minuten

„Die Strecke vom Marienplatz bis zum Siegestor, das ist in Wahrheit das ganze München. Mehr nicht.“

Charles Schumann im Gespräch mit dem Berliner Roland Mary („Borchardt“) über Gäste, perfekte Abende, Berlin und München. Schon etwas länger her, aus der „Welt am Sonntag“ vom 28. Dezember 2008.

Dienstag, 13. Januar 2009

Das Lustprinzip

„Mein größtes Ziel ist es, keine Ziele zu haben. Am Ende des Wegs steht für uns Menschen immer das große Loslassen - der Tod. Auf dem Weg dorthin über ich mich täglich im Loslassen: Chancen, die sich aufdrängen, nicht ergreifen. Pläne, die zwingend erscheinen, canceln. Geld, das lockt, liegen lassen. Erst das gibt mir die Energie, jeden Tag aufs Neue das zu tun, worauf ich Lust habe.“

Peter Turi im Interview mit Robert eBay Basic

(Foto: Narziss und Goldhund)

Samstag, 10. Januar 2009

Der Dativ ist dem Studi sein Tod

„Das Germanistikstudium hatte zwar den Vorteil unglaublich attraktiver Studentinnen, aber auch genau den Nachteil, dass viele unglaublich attraktive Studentinnen Germanistik studierten, weil sie nicht wussten, was sie sonst studieren sollten. Als die dann im Proseminar schon an der Frage scheiterten, was ein Dativ sei, war mir klar, dass der universitäre Weg (...) nicht mein Weg sein konnte.“

Musikmanager Tim Renner im Interview mit karriere.de

Mittwoch, 7. Januar 2009

Deutsche Finanzämter und die Judenverfolgung

„Wenn man die Steuerakten durchschaut, sieht man, dass sie schon am 27. April 1938 nach Prüfung der individuellen Vermögensverhältnisse alles genau festgelegt haben, was sie ihnen ein halbes Jahr später würden abnehmen können. Das ist ein System, an dem die deutschen Finanzbeamten und -direktionen maßgeblich beteiligt waren. Die haben einander schier überboten mit Ideen. Die Beamten haben die Nazis überhaupt erst auf die Ideen gebracht, wie man den Raubzug und die Vernichtung optimieren kann.“

Regisseur Michael Verhoeven im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ anläßlich seines Dokumentarfilms „Menschliches Versagen“, der am 24. Januar im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wird.

Sonntag, 4. Januar 2009

Feine erste Sätze (3)

„Das Arschloch Thomas Bernhard, und das sage ich, obwohl ich ungern schlecht über Tote rede, das Arschloch Bernhard hat ziemlich sicher nur ein einziges gutes Buch geschrieben.“

Maxim Biller heute in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“

Freitag, 12. Dezember 2008

Eurorhoe

„Geld ist so notwendig, wie aufs Klo zu gehen. Ohne Geld ist in dieser Welt nicht zu überleben. Aber ich persönlich sehe es nicht als eine erstrebenswerte Tätigkeit an, ständig auf dem Klo zu sitzen.“
Thomas Kuczynski im Gespräch mit Caspar Dohmen in der „SZ“.

Sonntag, 7. Dezember 2008

iMunich (8): Das Feuilleton

In der heutigen „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ würdigt Joseph von Westphalen unter den „Premieren des Wochenendes“ die gestrige Eröffnung des Apple Stores in München (leider nicht nur kostenpflichtig online): „Nachts um eins hatten sich die ersten eingefunden (...) Ich mag so Massensachen gar nicht, muss aber einräumen: keine Hysterie, nur Freude und sympathische Ausgelassenheit (...) Kommunikationsphänomenal, wie blitzschnell der Laden angenommen wird. (...) Alle irre jung. (...) Das Apple-Zeug ist teuer. Wo ist die Krise? Wo kommt das Geld her?“

Samstag, 6. Dezember 2008

Das Recht auf Frivolität

„Ich bin für das Recht auf Frivolität. Als ihre Wohnung in London im Krieg ausgebombt wurde, hat meine Mutter ihr Parfüm mitgenommen. Ihr 'Chaparelli shocking pink perfume'. Nicht ihre Kleider. Oder ihr Essen. In einer Katastrophe, braucht der Mensch Dinge, die gut für die Moral sind. Ich habe deswegen, als ich nach Sarajewo fuhr, nicht nur Nahrungsmittel und Literatur mitgenommen, sondern auch Negligés und Unterwäsche aus Seide und Satin. Als ich in Sarajewo ankam, waren die Mädchen natürlich sehr froh über die Lebensmittel. Und über die Bücher von Balzac. Aber als ich den Rucksack aufgemacht habe und sie die Lippenstifte gesehen haben und den Nagellack, da habe ich gewusst: Mama hatte recht.“
Jane Birkin im Interview mit Dorothea Hahn in der „taz“

(Foto: Kate Barry/EMI)

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Aktivismus statt Sammlerkultur

„Ich beobachte eine Sammlerkultur, eine Wahrnehmung, die sich lieber auf das Objekt fokussiert als auf Gefühle, Leben und Politik. Obwohl es doch so viel Kunst gibt, die sich gar nicht physisch materialisieren möchte, die statt Pigment lieber das Gegenteil ist: Aktivismus, Dringlichkeit.“
Carolyn Christov-Bakargiev, künstlerische Leiterin der documenta 2012, im Interview mit der „SZ“.

Sonntag, 23. November 2008

Der Hungerkünstler aus der Burgstraße

„Jetzt haben sie meine Rente doch glatt erhöht, um zwei Euro auf 123 Euro. Mit geht’s da wie dem Valentin. Den ham’s auch verhungern lassen.“
„Das schöne Gefühl, Geld zu haben, ist nicht so intensiv, wie das Scheißgefühl, kein Geld zu haben.“


Adrian Prechtel von der „Abendzeitung“ interviewt Herbert Achternbusch anläßlich seines 70. Geburtstages

Freitag, 21. November 2008

Tschaka tschaka tschaka

„Diese Unbekannte“, mit der Mick Jagger im „SZ-Magazin“ herummacht, war Barfrau im P1, übrigens eine der besten jemals, und Micks langjähriges Münchner Gspusi und wenn ich mich anstrenge, fällt mir heute vielleicht noch ihr Name (Michaela?) ein. Ansonsten ein wunderbarer Text von Georg Diez mit einem besonders starken Einstieg: „München ist die leichteste Stadt Deutschlands. Damit die Stadt nicht wegfliegt, wird sie tagsüber einfach festgebunden, an den hohen Türmen, die sie extra dafür gebaut haben und die sie Kirchen nennen. Jede Nacht aber machen sich dunkle Gestalten daran, diese Taue zu kappen, die die Stadt am Boden halten, sie treffen sich in engen Räumen, hämmern und schlagen, so klingt das, bäng bäng bäng, wumm wumm wumm, tschaka tschaka tschaka, und nur der Morgen bewahrt München davor, mit den lauen Winden zu gehen und hinter den Alpen zu verschwinden, in Italien, bei den Zitronen.“

Update: Wie gut, daß Franz Rauch gerade vorbei kam. Sie heißt Uli, hat heute zwei Kinder und ein Fahrgeschäft auf der Wiesn.

Sonntag, 16. November 2008

Die zärtlichste Versuchung

„Zwar sind «Hamlet» schreiben, «Hamlet» verstehen und «Hamlet» herunterladen immer noch nicht ganz dasselbe, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, in Echtzeit der Umwertung aller kulturellen Werte beizuwohnen. Für das iPhone ist der gesamte Shakespeare nicht weniger schwierig zu bewältigen als ein kurzes Youtube-Video.“

Daniel Binswanger in „Wenn Männer nur noch streicheln“, seiner sehr sinnlichen Hymne auf das iPhone und dessen männliche Fangemeinschaft, einem Beitrag für „Das Magazin“, den die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ heute nachgedruckt hat.

Sonntag, 9. November 2008

Fleischliche Allgemeine Sonntagszeitung

Die heutige „F.A.S.“ ist ganz nach meinem Geschmack: Im Gesellschaftsteil wird der Genuß von Nieren, Herz, Lunge, Bries, Zunge, Hirn und Kutteln groß gefeiert. Das Wissenschaftsressort klärt darüber auf, daß der menschliche Körper viel zu wertvoll sei, um ihn zu beerdigen und verrät, wie selbst Haut, Sehnen und Knochen verwertet werden: „Die menschliche Leiche gilt als Schatz des 21. Jahrhunderts.“ Und in der Reise begibt sich Christian Tröster (!) auf die Spur heiliger Reliquien: „So wird von dem heiligen Franziskus berichtet, dass er auf einer Reise von Siena nach Assisi einen weiten Bogen um die Stadt Perugia machte, weil er befürchtete, dort schon vor seinem natürlichen Tod zu einer Reliquie verarbeitet zu werden. Von dem mittelalterlichen Theologen Thomas von Cantimpré weiß man, dass er der heiligen Luitgard von Tongern noch zu Lebzeiten einen Finger abschwatzte – der dann nach ihrem Tod für ihn abgetrennt wurde.“

Freitag, 17. Oktober 2008