Nachdem es bei den letzten Landtagswahlen recht still um Twitter-Leaks geblieben war (vielleicht aber auch nur, weil keiner danach gesucht hat), kam es heute bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus wieder recht dick.
Bereits um 16.17 Uhr twitterte der Chefredakteur der „WirtschaftsWoche“, Roland Tichy, seine „nicht gaaanz eigene Prognose“: SPD 30%, CDU 22%, Grüne 18%, Linke 10%, Piraten 8%.
Um 16.50 Uhr kursierte dann via Twitter der Google-Cache-Screenshot einer – zwischenzeitlich wieder offline genommenen – „B.Z.“-Prognose: SPD 30%, CDU 24%, Piraten 8%.
Gemessen an den deutlich später um 18 Uhr veröffentlichten, auf Auswertungen der Wahlnachfrage bis 17.45 Uhr beruhenden offiziellen Prognosen keine schlechten Voraussagen: SPD (ARD: 29,5 - ZDF: 28,5%). CDU (ARD: 23,5 - ZDF: 23%). Grüne (ARD: 18 - ZDF: 18,5%). Linke (ARD - ZDF: 11,5%). FDP (ARD - ZDF: 2%). Piraten (ARD: 8,5 - ZDF: 9%).
Also doch wieder vor Schließung der Wahllokale geleakte Zahlen aus den Exit-Polls der Forschungsgruppe Wahlen und infratest dimap? Nein, weil doch nicht sein kann, was nicht sein darf. Mit Sicherheit kein Prognosenverrat und damit auch kein Fall für die Landeswahlleiterin, denn wie würde Jörg Schönenborn feststellen: Die zwischen 16 und 17 Uhr kursierenden Zahlen würden ja überhaupt nicht mit den bis 18 Uhr errechneten Zahlen übereinstimmen. Und vor 17 Uhr gäbe es sowieso noch überhaupt keine Prognosen. Oder etwa doch?
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Sonntag, 18. September 2011
Mittwoch, 10. November 2010
Im Preisfieber: die wild fabulierenden Trittbrettfahrer der „Bunten“
Wird Orlando Bloom jetzt dank des Bambi 2010 in „Die drei Musketiere“ den Duke of Buckingham spielen dürfen? Erhält Udo Lindenberg mit Burdas Unterstützung vielleicht den Jacob-Grimm-Preis? Oder war das nicht alles längst schon vorher erledigt? Können die Kollegen der „Bunte“-Redaktion tatsächlich Wunder vollbringen und in der Zeit zurückreisen oder liegen in der Arabellastraße einfach nur die falschen Pillen herum?
Beim am 23. April 2009 verliehenen new faces award, dem kleinen Bruder des Bambi, war unter anderem auch Alina Levshin Anfang April für ihre Rolle in „Rosa Roth – Das Mädchen aus Sumy“ nominiert worden. Gewonnen hat schließlich Nora von Waldstätten, aber Levshin ist anderthalb Jahre später als Hauptdarstellerin von Dominik Grafs „Im Angesicht des Verbrechens“ (ARD, Freitag, 21.45 Uhr) in aller Munde. Und wird jetzt als „echtes BUNTE-Gesicht“ gefeiert.
„2009 wurde sie für den BUNTE new faces award nominiert, verpasste knapp den Sieg, aber hatte danach etwas, was sie vorher nicht gehabt hatte: eine Agentur, die der Schauspielschülerin diese Rolle vermittelte – und diese Chance hat sie genutzt.“ Zu dumm, daß Dominik Grafs Serie im Januar 2009, also lange vor der Nominierung bereits abgedreht war. (Levshins Agentur ließ meine Anfrage dazu unbeantwortet, aber wer will es sich auch schon mit Patricia Riekels Truppe verscherzen.)
Beim am 23. April 2009 verliehenen new faces award, dem kleinen Bruder des Bambi, war unter anderem auch Alina Levshin Anfang April für ihre Rolle in „Rosa Roth – Das Mädchen aus Sumy“ nominiert worden. Gewonnen hat schließlich Nora von Waldstätten, aber Levshin ist anderthalb Jahre später als Hauptdarstellerin von Dominik Grafs „Im Angesicht des Verbrechens“ (ARD, Freitag, 21.45 Uhr) in aller Munde. Und wird jetzt als „echtes BUNTE-Gesicht“ gefeiert.
„2009 wurde sie für den BUNTE new faces award nominiert, verpasste knapp den Sieg, aber hatte danach etwas, was sie vorher nicht gehabt hatte: eine Agentur, die der Schauspielschülerin diese Rolle vermittelte – und diese Chance hat sie genutzt.“ Zu dumm, daß Dominik Grafs Serie im Januar 2009, also lange vor der Nominierung bereits abgedreht war. (Levshins Agentur ließ meine Anfrage dazu unbeantwortet, aber wer will es sich auch schon mit Patricia Riekels Truppe verscherzen.)
Sonntag, 27. September 2009
Hinter den Kulissen der Exit Polls – infratest und die „Vertraulichkeit“
Wahlnachfragen hat man bisher eher mit den gelackten Gesichtern von Jörg Schönenborn & Co assoziiert und mit den einen Nachmittag geübten Statements der Politiker dazu. Dank Twitter & Co sind die vermeintlich exklusiven 18-Uhr-Umfragen als potemkinsche Dörfer enttarnt, deren letzter Anstrich vielleicht topaktuell ist, die aber bereits Stunden zuvor errichtet und von der Polit-Nomenklatur bevölkert worden sind.
Wie stellen sich aber Exit-Polls für die Wähler da? Zufällig kenne ich jemanden, der heute das Glück hatte, im Berliner Wahllokal Sigmaringer Straße 1 des Berliner Bundestagswahlkreises 81 infratest-dimap (ARD) Rede und Antwort zu stehen – wobei er relativ unbeaufsichtigt mit den Unterlagen der Wahlforscher vor Ort war.
Wie stellen sich aber Exit-Polls für die Wähler da? Zufällig kenne ich jemanden, der heute das Glück hatte, im Berliner Wahllokal Sigmaringer Straße 1 des Berliner Bundestagswahlkreises 81 infratest-dimap (ARD) Rede und Antwort zu stehen – wobei er relativ unbeaufsichtigt mit den Unterlagen der Wahlforscher vor Ort war.
Geleakte Exit Polls am Nachmittag? Bereits langjährige Praxis
Wen man auch fragt, ob die Wahlforscher von infratest dimap oder der Forschungsgruppe Wahlen, ARD und ZDF, die Landes- und Bundeswahlleiter, die Parteien oder die Kollegen der old media, stets wurde rundum bestritten, daß vor Schließung der Wahllokale Prognosen auf Grundlage der Wahlnachfragen zirkulierten, oder – wenn überhaupt – nur zögerlich, eingeschränkt zugegeben. Um so schöner, daß es heute Michael Spehr in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ einmal klar ausspricht:
„Erste Zahlen zur Bundestagswahl 2005 hatten wir vor vier Jahren am Nachmittag des 18. September per SMS erhalten. sie kamen direkt aus dem Konrad-Adenauer-Haus, und die Führungsgremien der CDU hatten sie von Infratest Dimap und der Forschungsgruppe Wahlen. Diese Weitergabe war bislang gang und gäbe, niemand hat sich daran gestört: ein kleines Geheimnis, das man am besten für sich behielt.“
„Erste Zahlen zur Bundestagswahl 2005 hatten wir vor vier Jahren am Nachmittag des 18. September per SMS erhalten. sie kamen direkt aus dem Konrad-Adenauer-Haus, und die Führungsgremien der CDU hatten sie von Infratest Dimap und der Forschungsgruppe Wahlen. Diese Weitergabe war bislang gang und gäbe, niemand hat sich daran gestört: ein kleines Geheimnis, das man am besten für sich behielt.“
Donnerstag, 3. September 2009
Exit Polls – doch mehr als nur „mittelmäßig geraten“?
„Zapp“ vergleicht die bei Twitter veröffentlichten Zahlen mit den offiziellen Prognosen aus Wahlnachfragen. Während ARD-Kollege Jörg Schönenborn jedes Leck ausschließt und die Sonntag nachmittag getwitterten Zahlen bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland für bestenfalls „mittelmäßig geraten“ hält, sieht die NDR-Redaktion verdächtige Nähe der frühzeitig geleakten Zahlen zu den späteren Prognosen.
Updates: Eine interaktive Playerversion des „Zapp“-Beitrags mit Anmoderation und weiterführenden Links im Menü gibt's hier.
Nicht nur die ARD sieht talentierte Prognosentipper am Werk. Das ZDF behauptet auch, „jemand, der sich die Zahlen aus den Umfragen in den Wochen vor der Wahl zusammengerechnet und auf dieser Basis das Ergebnis einfach nur gut geschätzt hat“, wäre die Erklärung für die herausgezwitscherten Zahlen, so „Andrea Wolf, Vorstandsmitglied der Forschungsgruppe Wahlen, die für das ZDF die Prognosen erstellt.“
Twitter-Meldungen ohne juristische Folgen
„Es konnte kein direkter Zusammenhang zwischen den Nachwahlbefragungen am Tag der Wahl des 5. Sächsischen Landtages einerseits und den Twitter-Meldungen vor Ablauf der Wahlzeit andererseits nachgewiesen werden. Daher ist ein ordnungswidriges Handeln nicht zu belegen.“
Mit diesen Worten erklärt die Landeswahlleiterin, Frau Prof. Dr. Irene Schneider-Böttcher, die Prüfung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens für eingestellt.
Um aus den Meldungen, die gegen 16:30 Uhr als „erste Prognosen“ über den Kurzmitteilungsdienst Twitter verbreitet wurden, auf die Nachwahlbefragungen am Wahltag vor den Wahllokalen (sog. Exit-Polls) schließen zu können, hätte eine direkte Verbindung zwischen den Nachwahlbefragungen und den Twitter-Meldungen abzuleiten möglich sein müssen.
Nachwahlbefragungen wurden durch die beiden am Tag der Landtagswahl am 30. August 2009 in Sachsen tätigen Meinungsforschungsinstitute, die „Forschungsgruppe Wahlen e. V.“ sowie „Infratest dimap“, für die Fernsehsender ARD und ZDF durchgeführt.
Im Rahmen der Beweiserhebung wurden die genannten Institutionen, die Person, über deren Twitter-Account die Meldungen verbreitet wurden, sowie die Fa. Twitter selbst angehört. Dabei ergaben sich keine nachweisbaren Anhaltspunkte für diese Ableitung.
Daher wurde das Verfahren wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Verbot, vor Ablauf der Wahlzeit Ergebnisse einer Wählerbefragung zu veröffentlichen, eingestellt.
(Pressemeldung der Landeswahlleiterin vom 5. März 2010)
Mittwoch, 2. September 2009
Wahlprognosen im Stundenrhythmus
100.000 Befragungen durch infratest-dimap im gesamten Bundesgebiet, davon 15.000 bis 20.000 allein in Nordrhein-Westfalen, und das nicht nur zum Stimmverhalten, sondern bei jedem sechsten Befragten auch zu Schulabschluß, Ausbildung und Motiven der Wahlentscheidung: Wer schon immer mal wissen wollte, wie denn diese ominösen, im Stundenrhythmus ausgewerteten Wahlnachfragen in der Praxis entstehen, findet in der Unternehmenspostille „WDR Print“ eine recht ausführliche Darstellung. Leider erlaubt mir der WDR nicht, den Text hier wiederzugeben, denn die „Autorenrechte sind in diesem Fall so kompliziert, dass es mir verwehrt ist, Ihnen eine "Abdruck"-Erlaubnis für den Artikel aus WDR PRINT erteilen zu können.“ Doch kann man die PR-Veröfffentlichung kostenlos hier downloaden.
Dienstag, 1. September 2009
Exit Polls: Wer wußte wann was?
Früher verletzte es die Würde des hohen Hauses und somit das Demokratieverständnis der Altvorderen, als sich ein angehender Minister in Turnschuhen vereidigen ließ. Heute sieht ein Gatekeeper der „Süddeutschen Zeitung“ „eherne Gesetze“ verletzt, wenn Exit Polls getwittert werden und die „taz“ warnt sogar vor der braunen Gefahr.
Anläßlich der Recherchen für die morgige „Zapp“-Sendung fragte mich eine NDR-Redakteurin, ob ich den sogenannten Prognosenverrat via Twitter nicht auch problematisch fände. Ehrlich gesagt nicht. Ich fürchte auch anders als die „taz“ nicht, daß das rechtsextreme Lager solche Zahlen zum Ansturm auf die Wahllokale nutzen könnte. Mich stören vielmehr die Wahlnachfragen an und für sich oder vielmehr der undemokratische Umgang mit ihnen.
Mit welcher Legitimation sammeln denn ARD, ZDF und die von ihnen beauftragten Wahlforscher unter der Aufsicht der Wahlleiter hochsensible Daten, um mit ihnen dann willkürlich zu verfahren? Mit welchem Recht entscheiden ein Jörg Schönenborn oder seine Mainzer Kollegen, welche „Medien (und im Übrigen auch Politiker) vertraulich schon früher die Prognosen bekommen, die auf den sogenannten Wahl-Nachfragen vor den Wahllokalen beruhen“, um einen Kollegen von der „Süddeutschen“ zu zitieren. Nach welchen Kriterien sucht ein Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen „im Laufe des Wahltags das ein oder andere Gespräch auch mit Politikern“, bei dem Prognosen aus den Exit Polls gegen eine politische Einschätzung getauscht werden?
Denn eins ist klar, diese Gunst trifft auf keinen Fall alle Parteien, nicht einmal alle in Bundes- oder Landtag Vertretenen. Die Linke bleibt beispielsweise laut Auskunft ihrer Pressesprecherin Alrun Nüßlein außen vor, den Freien Wählern oder rechtsextremen Abgeordneten wird es nicht anders gehen. Sind das die neuen demokratischen Spielregeln?
Und mit welchem Recht tritt der hessische Landeswahlleiter die Untersuchung des Prognosenverrats durch bild.de an die mutmaßlich Tatbeteiligten, infratest-dimap und die Forschungsgruppe Wahlen, ab und stellt mir anheim, mich mit diesen über falsche Tatsachenbehauptungen auszutauschen statt wie vom Wahlrecht vorgesehen Herr des Verfahrens zu bleiben?
Von mir aus sollen die Wahlnachfragen bestehen bleiben. Aber wäre es in einer Demokratie zu viel verlangt, transparent zu machen, wer wann was erfährt? Um wieviel Uhr und von wem erhält ein Kanzleramt die erste Prognose aus Exit Polls? An wie viele Empfänger wird diese Information weitergeleitet? Handelt es sich dabei nur um Regierungsmitglieder oder auch um Parteifreunde? Unterliegt das dabei mitgeteilte Zahlenmaterial einer Geheimhaltungsstufe? Erst nach Offenlegung solcher Fakten wäre zu entscheiden, ob man das so weiter handhaben will oder nicht.
Updates: Zumindest die ARD und infratest-dimap gäben „vor 18 Uhr keine Zahlen an Parteien“ (Jörg Schönenborn/ARD) – Bundesjustizministerin Brigitte Zypries scheint es besser zu wissen: „Ich kann nur hoffen, dass die Kolleginnen und Kollegen, die die Ergebnisse vorab mitgeteilt bekommen, verantwortungsbewusst damit umgehen.“ Im Interview mit dem Deutschlandfunk denkt sie auch über die Möglichkeit nach, „dass man gar nicht mehr solche Nachbefragungen macht bei der Wahl und dementsprechend auch keine Vorab-Bekanntmachung mehr macht. Das würde bedeuten, dass wir das Wahlergebnis nicht schon bereits abends um viertel nach sechs haben, sondern dann vielleicht erst um 20 Uhr. Wäre, glaube ich, auch kein großer Schaden für die Demokratie.“
A better tomorrow zur Gatekeeper-Funktion der Öffentlich-Rechtlichen.
(Foto: NDR/Dirk Uhlenbrock)
Anläßlich der Recherchen für die morgige „Zapp“-Sendung fragte mich eine NDR-Redakteurin, ob ich den sogenannten Prognosenverrat via Twitter nicht auch problematisch fände. Ehrlich gesagt nicht. Ich fürchte auch anders als die „taz“ nicht, daß das rechtsextreme Lager solche Zahlen zum Ansturm auf die Wahllokale nutzen könnte. Mich stören vielmehr die Wahlnachfragen an und für sich oder vielmehr der undemokratische Umgang mit ihnen.
Mit welcher Legitimation sammeln denn ARD, ZDF und die von ihnen beauftragten Wahlforscher unter der Aufsicht der Wahlleiter hochsensible Daten, um mit ihnen dann willkürlich zu verfahren? Mit welchem Recht entscheiden ein Jörg Schönenborn oder seine Mainzer Kollegen, welche „Medien (und im Übrigen auch Politiker) vertraulich schon früher die Prognosen bekommen, die auf den sogenannten Wahl-Nachfragen vor den Wahllokalen beruhen“, um einen Kollegen von der „Süddeutschen“ zu zitieren. Nach welchen Kriterien sucht ein Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen „im Laufe des Wahltags das ein oder andere Gespräch auch mit Politikern“, bei dem Prognosen aus den Exit Polls gegen eine politische Einschätzung getauscht werden?
Denn eins ist klar, diese Gunst trifft auf keinen Fall alle Parteien, nicht einmal alle in Bundes- oder Landtag Vertretenen. Die Linke bleibt beispielsweise laut Auskunft ihrer Pressesprecherin Alrun Nüßlein außen vor, den Freien Wählern oder rechtsextremen Abgeordneten wird es nicht anders gehen. Sind das die neuen demokratischen Spielregeln?
Und mit welchem Recht tritt der hessische Landeswahlleiter die Untersuchung des Prognosenverrats durch bild.de an die mutmaßlich Tatbeteiligten, infratest-dimap und die Forschungsgruppe Wahlen, ab und stellt mir anheim, mich mit diesen über falsche Tatsachenbehauptungen auszutauschen statt wie vom Wahlrecht vorgesehen Herr des Verfahrens zu bleiben?
Von mir aus sollen die Wahlnachfragen bestehen bleiben. Aber wäre es in einer Demokratie zu viel verlangt, transparent zu machen, wer wann was erfährt? Um wieviel Uhr und von wem erhält ein Kanzleramt die erste Prognose aus Exit Polls? An wie viele Empfänger wird diese Information weitergeleitet? Handelt es sich dabei nur um Regierungsmitglieder oder auch um Parteifreunde? Unterliegt das dabei mitgeteilte Zahlenmaterial einer Geheimhaltungsstufe? Erst nach Offenlegung solcher Fakten wäre zu entscheiden, ob man das so weiter handhaben will oder nicht.
Updates: Zumindest die ARD und infratest-dimap gäben „vor 18 Uhr keine Zahlen an Parteien“ (Jörg Schönenborn/ARD) – Bundesjustizministerin Brigitte Zypries scheint es besser zu wissen: „Ich kann nur hoffen, dass die Kolleginnen und Kollegen, die die Ergebnisse vorab mitgeteilt bekommen, verantwortungsbewusst damit umgehen.“ Im Interview mit dem Deutschlandfunk denkt sie auch über die Möglichkeit nach, „dass man gar nicht mehr solche Nachbefragungen macht bei der Wahl und dementsprechend auch keine Vorab-Bekanntmachung mehr macht. Das würde bedeuten, dass wir das Wahlergebnis nicht schon bereits abends um viertel nach sechs haben, sondern dann vielleicht erst um 20 Uhr. Wäre, glaube ich, auch kein großer Schaden für die Demokratie.“
A better tomorrow zur Gatekeeper-Funktion der Öffentlich-Rechtlichen.
(Foto: NDR/Dirk Uhlenbrock)
Montag, 31. August 2009
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf: Das Geheimnis der Wahlnachfragen
Zum Glück hat Patrick Rudolph erst am 16. Juni zu twittern begonnen, sonst hätte er womöglich bereits bei den Europawahlen erste Prognosen herausgezwitschert. So verdanken wir dem CDU-Funktionär die erste offene Diskussion über Sinn und Unsinn der Wahlnachfragen (während bei den Europawahlen genug andere Politinsider ihr Herrschaftswissen nicht für sich behalten konnten).
„Sollte die Verbreitung der Prognose bei Twitter nachweislich Einfluss auf die Wahl gehabt haben, müsste diese sogar wiederholt werden und der Verursacher für die Kosten von rund zwei Millionen Euro aufkommen“, droht Thüringens Landeswahlleiter Günter Krombholz, wobei man das bitte nicht falsch verstehen darf.
Nachmeinen halbjährigen Recherchen gelegentlichen Recherchen im letzten halben Jahr hat kein Beteiligter ernsthaft die Absicht, einen möglicherweise bereits begangenen Prognosenverrat aufzuklären. Es gilt nur, zukünftig Blogger, Twitterer & Co davon abzuhalten, um den alten Status-quo aufrechtzuerhalten: Vorabzahlen aus Wahlnachfragen nur per SMS an den inner circle der Politiker, Journalisten und Lobbyisten, die zwar auch irgendwo Wähler sind, aber eben welche mit dem besonderen Vorrecht des ol' boy network.
Die Wahlleiter haben kein Interesse an Aufklärung, da sonst Dritte womöglich eine Wahl anfechten könnten. Das hätte zwar letztendlich vor Gericht kaum Aussicht auf Erfolg, würde aber den Wahlleitern verdammt viel zusätzliche Arbeit bereiten: Beweissicherung, Zeugenaussagen, Rechtfertigungen, Ausreden, und für einen Wahlleiter, in der Regel Beamte der statistischen Landes- und Bundesämter, ist alles abseits der bürokratischen Gleise die Hölle.
Und die Fernsehanstalten besitzen natürlich mit den quasi amtlichen Prognosen aus Wahlnachfragen ein Pfund, mit dem sich prächtig wuchern läßt. Nicht nur wegen der Einschaltquoten um 18 Uhr, sondern auch um mit den Politikern einmal nicht als Bittsteller oder Kritiker umzugehen, sondern etwas in der Hand zu haben, das die Politiker begehren. Wer schon einmal erlebt hat, wie sich manche Journalisten bei den Geheimdiensten als Quelle verdingen, wird ahnen, wie mächtig sich ein Redakteur oder Chefredakteur fühlen muß, der den Regierenden und Parteien die Exit Polls reichen kann wie Gottvater seinen ausgestreckten Finger dem Adam, um ihn überhaupt erst zum Leben zu erwecken.
Also wird alles, grundsätzlich abgestritten. Die Verteidigungslinie der Fernsehanstalten und Wahlforscher ist dabei immer die Gleiche:
Nachdem er – offenbar erstmals – davon in Kenntnis gesetzt wurde, daß diese Zahlen bereits vor 18 Uhr vertraulich ausgewählten Politikern und Journalisten zugänglich wären, sah man dennoch keinen Verdacht für eine mögliche Ordnungswidrigkeit, denn: Die Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) und infratest dimap (ARD) „haben mir auf Nachfrage berichtet, dass vor 18:00 Uhr weder Ergebnisse noch Zwischenstände an BILD oder BILD.de weitergegeben worden sind.
Die von BILD.de veröffentlichten Zahlen (...) stimmen darüber hinaus mit dem Zahlenwerk der beiden Institute bei keiner einzigen Partei überein.“
Nun haben Kai Diekmann und seinen Mannen natürlich auch ihre Quellen im Kanzleramt und den Staatskanzleien, und die letzte Behauptung war schlichtwegs falsch: Die von „Bild“ veröffentlichten Zahlen stimmten bei zwei Parteien mit denen des ZDF genau überein und wichen bei CDU und den Grünen um 0,5 Prozent ab sowie bei der SPD um 1,5 – möglicherweise tolerierbare Differenzen, da die Prognosen laufend aktualisiert werden.
Darauf angesprochen, meint der Leiter des Referates Wahlen und Hochheitsangelegenheiten des zuständigen Innenministeriums abschließend: „Unsere Entscheidung, in der Sache von der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens abzusehen, beruht auf dem Befund, dass die Ergebnisse, deren vorzeitige Veröffentlichung Sie beanstanden, nicht auf Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe am Wahltag beruhen. Dies haben mir sowohl die Forschungsgruppe Wahlen e.V. als auch Infratest dimap bestätigt. Auch ein vorzeitiger Zugriff Dritter auf die Daten und Berechnungen der Institute wird von diesen ausgeschlossen. Ich stelle anheim, sich direkt mit den beiden Instituten in Verbindung zu setzen.“
Wirklich kein Zugriff? Man muß Jörg Schonenborn nicht nur mit seinem Zettel wedeln lassen, der die Prognosen von 16 Uhr enthält, man kann ihn auch direkt fragen: Angesichts der bei Twitter während der Europawahlen am frühen Nachmittag veröffentlichten Zahlen bat ich ARD und ZDF, respektive die für sie exklusiv tätigen Wahlforscher, mir mitzuteilen, welche Prognosen sie um diese Uhrzeit mit den Parteien geteilt hätten, um so gegebenenfalls nachzuweisen, daß das Zahlenmaterial tatsächlich unterschiedlichen Quellen entstammt.
Richard Hilmer von infratest dimap ignorierte wiederum meine Frage nach den 16-Uhr-Prognosen, sondern verglich die Twitter-Zahlen mit der 18-Uhr-Prognose: „kurz vor Bundestagswahlen entbrennt häufig eine Diskussion über Sinn und Unsinn, sinnvollen Gebrauch und Missbrauch von Wahltagsbefragungen. Und immer wieder tauchen im Umfeld von Wahlen Gerüchte über angeblich vor der gesetzlichen Frist von 18:00 vorliegenden Ergebnisse der Exit Polls auf – schon zu Zeiten, als es Twitter noch nicht gab. Das Gute an Twitter ist, dass nun ein schriftliches Dokument über angeblich „geleakte“ Exit Poll Ergebnisse zur Europawahl vorliegt.
Die Unsinnigkeit der Behauptung, hier lägen Ergebnisse aus einer Exit Poll vor ergibt sich in diesem Fall schon aus dem einfachen Vergleich der darin für die SPD genannten Werte und den veröffentlichten 18 Uhr Prognosen. Beim ZDF wurde das tatsächliche Ergebnis für die SPD von 20,8 Prozent mit 21,5 Prozent sehr gut, bei der ARD mit 21 Prozent sogar fast punktgenau ausgewiesen – jeweils weit entfernt von dem getwitterten Wert von 26 Prozent. Die Ergebnisse unserer Wahltagsbefragung lagen zu keinem Zeitpunkt des Wahltags auch nur in der Nähe dieses Wertes. Die in dem Twitter-Beitrag ausgewiesenen Parteianteile sind andererseits weitgehend identisch mit den von ARD und ZDF in der Woche vor der Wahl veröffentlichten Umfragewerten ( vgl. http://www.wahlrecht.de/ ). Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass hier jemand schlicht und einfach etwas verwechselt hat.
Wir nehmen dieses Beispiel gleichwohl ernst. Angesichts der jetzt aufgekommenen Diskussion über ein mögliches Twittern der Exit Poll Zahlen bei der anstehenden Bundestagswahl werden wir alles tun, um weiterhin sicherzustellen, dass vor 18:00 keine Prognose von Infratest dimap an die Öffentlichkeit dringt. Denn eines wollen wir ganz sicher nicht: eine unsinnige Diskussion über Wahltagsbefragungen.
Von unabhängigen Instituten erstellte Wahltagsbefragungen oder Exit Polls stellen heute in den meisten demokratischen Ländern ein unverzichtbares Instrument der Wahlbeobachtung und der Wahlanalyse dar. Ihr Wert wird vor allem dann deutlich, wenn es berechtigte Zweifel am korrekten Ablauf von demokratischen Wahlen gibt, wie zuletzt im Iran. Hätte es dort unabhängige Exit Polls gegeben, wären die Vorwürfe der Wahlmanipulation mittels der Ergebnisse der Wahltagsbefragung nachprüfbar. In den westlichen Demokratien, so auch in Deutschland, liegt der Schwerpunkt bei Exit Polls klar auf den analytischen Aspekten, eine Kontrollfunktion ist absolut nachrangig.
Aufgrund der zeitlichen Nähe zum Wahlakt selbst kommt den Wahltagsbefragungen gleichwohl eine Sonderstellung zu. Um jedwede Beeinflussung der Wahl durch Exit Polls auszuschließen, hat der Gesetzgeber eine vorzeitige Veröffentlichung der Ergebnisse verboten. Und nicht zuletzt deshalb hält sich Infratest dimap selbstverständlich an dieses Verbot und an die gleichlautende Forderung unseres Auftragsgebers, der ARD. “
Mathias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen fasst sich kürzer: „Wie ich Ihnen ja schon nach der LTW in Bayern geschrieben habe, informieren wir die Parteizentralen gleich welcher Partei nicht. Es gibt - auch das hatte ich Ihnen geschrieben - mit dem ein oder anderen Politiker oder Journalisten ein kurzes Gespräch bei der eine qualitative Einordnung der Wahl erfolgt. Konkrete Zahlen werden auch in diesen Gesprächen nicht genannt. Schon allein deshalb nicht, weil die Prognosen bei uns erst unmittelbar vor der Sendung endgültig festgelegt werden.
Sie können sicher sein, dass gerade die Debatte nach der Bayern-Wahl bei uns die Vorsicht der übermittelten Bewertungen weiter geschärft hat.
Nur weil Gerüchte bei Twitter verbreitet werden, kommt ihnen kein höherer Wahrheitsgehalt zu - eher im Gegenteil.“
Den Bundeswahlleiter habe ich übrigens auch gefragt, ob ihm bei der Europawahl ungewöhnliche Tweets aufgefallen wären, die eine Ordnungswidrigkeit darstellen könnten? Seine vollständige Antwort auf diese Frage fast sieben Wochen später: „Nein“.
Updates: Die „Tagesschau“ von heute zu Twitter und den Landtagswahlen (ab 00:09:11)
Im Ausland wird man jetzt auch auf uns aufmerksam: „When, at around 4 p.m., senior politicians gather in their party headquarters, the opinion poll institutes present the results of their exit polls. Television viewers only get to hear the results of these polls, which generally correspond, within a few percentage points, to the actual outcome, at 6 p.m, after the polling stations have closed.“ (ABC News), „Le Monde“, The Register, BBC.
„Der Tagesspiegel“ drückt sich etwas mißverständlich aus, wenn er behauptet: „Am späten Nachmittag der Wahltage können die Meinungsforscher aber bereits deutliche Tendenzen erkennen. Die werden zwar nicht veröffentlicht, aber vertraulich an ausgewählte Medien weitergegeben. Über Umwege gelangen sie dann auch an Politiker.“ Schließlich handelt es sich nur um zwei Medien, die ARD und ZDF, die nun mal auch die Auftraggeber der exklusiv mit Exit-Polls beauftragten Wahlforscher sind. Und bestimmte Politiker erhalten die Zahlen dann nicht über Umwege, sondern direkt – und reichen sie dann brühwarm weiter. Woraus der „Tagesspiegel“ richtige Schlüsse zieht: „Danach ist kaum noch nachzuvollziehen, wer wen informiert.“
Die „Süddeutsche Zeitung“ trauert den Zeiten der Gatekeeper nach: „Seit es Umfragen am Wahltag gibt, gilt das eherne Gesetz: nicht veröffentlichen, bevor die Wahllokale geschlossen haben. Doch am Superwahlsonntag hielten sich manche nicht daran.“
Thomas Knüwer bemerkt, daß „erstaunlich viele Menschen, mit denen ich gerne über den gestrigen Tag telefonieren würde“, nicht erreichbar sind. „Bei der Forschungsgruppe Wahlen ist man auf das Thema schlecht zu sprechen. Ein Sprecher mit Wut in der Stimme erklärte mir, aus seinem Haus kämen die Zahlen nicht. Die Forschungsgruppe gäbe erst relativ spät vor der Schließung der Wahllokale Tendenzen aus wenige, ausgewählte Politiker und Chefredakteure. In der Tat fällt auf: Die Prognosen via Twitter liegen wesentlich näher an den Zahlen von Infratest-Dimap. Dort ist die Presseabteilung heute nicht zu sprechen - ebenso niemand anderes.“
Na ja, Jörg Schönenborn hat mir am 1. Juli noch schriftlich versichert: „Weder Infratest Dimap, als von der ARD beauftragtes Wahlforschungsinstitut, noch ich als redaktionell Verantwortlicher für die Wahlberichterstattung geben an Wahltagen Prognosezahlen an Externe weiter. Insbesondere geben wir vor 18 Uhr keine Zahlen an Parteien weiter.“ Und er wird ja wohl nicht lügen, oder?
Wenn sonst schon kein Argument zieht, dann eben die Furcht vor den Nazis: „Aber auch für das rechtsextremen Lager wäre eine Vorabprognose hilfreich. Große Teile der neonazistischen Szene sind eigentlich antiparlamentarisch und institutionenfeindlich eingestellt. Kriegen ihre Anhänger ein oder zwei Stunden vor Schluss mit, dass der Einzug einer rechtsextremen Partei in ein Landesparlament möglich ist oder auf der Kippe steht, könnten sie sich noch spontan für den Urnengang entscheiden“, so die „taz“ zum ThemaPrognosenverrat Twitter-Schock.
Internet und Politik zur Medienpanik.
„Sollte die Verbreitung der Prognose bei Twitter nachweislich Einfluss auf die Wahl gehabt haben, müsste diese sogar wiederholt werden und der Verursacher für die Kosten von rund zwei Millionen Euro aufkommen“, droht Thüringens Landeswahlleiter Günter Krombholz, wobei man das bitte nicht falsch verstehen darf.
Nach
Die Wahlleiter haben kein Interesse an Aufklärung, da sonst Dritte womöglich eine Wahl anfechten könnten. Das hätte zwar letztendlich vor Gericht kaum Aussicht auf Erfolg, würde aber den Wahlleitern verdammt viel zusätzliche Arbeit bereiten: Beweissicherung, Zeugenaussagen, Rechtfertigungen, Ausreden, und für einen Wahlleiter, in der Regel Beamte der statistischen Landes- und Bundesämter, ist alles abseits der bürokratischen Gleise die Hölle.
Und die Fernsehanstalten besitzen natürlich mit den quasi amtlichen Prognosen aus Wahlnachfragen ein Pfund, mit dem sich prächtig wuchern läßt. Nicht nur wegen der Einschaltquoten um 18 Uhr, sondern auch um mit den Politikern einmal nicht als Bittsteller oder Kritiker umzugehen, sondern etwas in der Hand zu haben, das die Politiker begehren. Wer schon einmal erlebt hat, wie sich manche Journalisten bei den Geheimdiensten als Quelle verdingen, wird ahnen, wie mächtig sich ein Redakteur oder Chefredakteur fühlen muß, der den Regierenden und Parteien die Exit Polls reichen kann wie Gottvater seinen ausgestreckten Finger dem Adam, um ihn überhaupt erst zum Leben zu erwecken.
Also wird alles, grundsätzlich abgestritten. Die Verteidigungslinie der Fernsehanstalten und Wahlforscher ist dabei immer die Gleiche:
- Es würden gar keine Prognosen vor 18 Uhr zirkulieren (längst widerlegt, wenn auch jetzt von ARD-Wahlkassandra Jörg Schönenborn wieder bemüht, während Patrick Rudolph beispielsweise gar nicht dementiert, die Zahlen gekannt zu haben, sondern nur, sie selbst getwittert zu haben. Falls er lügt, klingt das, als ob er vortäuschen würde, Opfer einer Straftat zu sein, nur um keiner Ordnungswidrigkeit bezichtigt zu werden).
- Die herausgetwitterten oder beispielsweise anläßlich der hessischen Landtagswahl von BILD vorzeitig herausposaunten Zahlen würden zu sehr von den Exit-Polls-Prognosen abweichen, um sich tatsächlich darauf stützen zu können. Es seien also überhaupt keine verbotenen Prognosen aus Wahlnachfragen, sondern zulässige Prognosen aus der Hosentasche (Wobei dieses zweite Argument das erste tilt: Wozu muß man überhaupt Zahlen vergleichen, wenn die eigenen Zahlen das Haus gar nicht verlassen haben?)
Nachdem er – offenbar erstmals – davon in Kenntnis gesetzt wurde, daß diese Zahlen bereits vor 18 Uhr vertraulich ausgewählten Politikern und Journalisten zugänglich wären, sah man dennoch keinen Verdacht für eine mögliche Ordnungswidrigkeit, denn: Die Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) und infratest dimap (ARD) „haben mir auf Nachfrage berichtet, dass vor 18:00 Uhr weder Ergebnisse noch Zwischenstände an BILD oder BILD.de weitergegeben worden sind.
Die von BILD.de veröffentlichten Zahlen (...) stimmen darüber hinaus mit dem Zahlenwerk der beiden Institute bei keiner einzigen Partei überein.“
Nun haben Kai Diekmann und seinen Mannen natürlich auch ihre Quellen im Kanzleramt und den Staatskanzleien, und die letzte Behauptung war schlichtwegs falsch: Die von „Bild“ veröffentlichten Zahlen stimmten bei zwei Parteien mit denen des ZDF genau überein und wichen bei CDU und den Grünen um 0,5 Prozent ab sowie bei der SPD um 1,5 – möglicherweise tolerierbare Differenzen, da die Prognosen laufend aktualisiert werden.
Darauf angesprochen, meint der Leiter des Referates Wahlen und Hochheitsangelegenheiten des zuständigen Innenministeriums abschließend: „Unsere Entscheidung, in der Sache von der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens abzusehen, beruht auf dem Befund, dass die Ergebnisse, deren vorzeitige Veröffentlichung Sie beanstanden, nicht auf Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe am Wahltag beruhen. Dies haben mir sowohl die Forschungsgruppe Wahlen e.V. als auch Infratest dimap bestätigt. Auch ein vorzeitiger Zugriff Dritter auf die Daten und Berechnungen der Institute wird von diesen ausgeschlossen. Ich stelle anheim, sich direkt mit den beiden Instituten in Verbindung zu setzen.“
Wirklich kein Zugriff? Man muß Jörg Schonenborn nicht nur mit seinem Zettel wedeln lassen, der die Prognosen von 16 Uhr enthält, man kann ihn auch direkt fragen: Angesichts der bei Twitter während der Europawahlen am frühen Nachmittag veröffentlichten Zahlen bat ich ARD und ZDF, respektive die für sie exklusiv tätigen Wahlforscher, mir mitzuteilen, welche Prognosen sie um diese Uhrzeit mit den Parteien geteilt hätten, um so gegebenenfalls nachzuweisen, daß das Zahlenmaterial tatsächlich unterschiedlichen Quellen entstammt.
Richard Hilmer von infratest dimap ignorierte wiederum meine Frage nach den 16-Uhr-Prognosen, sondern verglich die Twitter-Zahlen mit der 18-Uhr-Prognose: „kurz vor Bundestagswahlen entbrennt häufig eine Diskussion über Sinn und Unsinn, sinnvollen Gebrauch und Missbrauch von Wahltagsbefragungen. Und immer wieder tauchen im Umfeld von Wahlen Gerüchte über angeblich vor der gesetzlichen Frist von 18:00 vorliegenden Ergebnisse der Exit Polls auf – schon zu Zeiten, als es Twitter noch nicht gab. Das Gute an Twitter ist, dass nun ein schriftliches Dokument über angeblich „geleakte“ Exit Poll Ergebnisse zur Europawahl vorliegt.
Die Unsinnigkeit der Behauptung, hier lägen Ergebnisse aus einer Exit Poll vor ergibt sich in diesem Fall schon aus dem einfachen Vergleich der darin für die SPD genannten Werte und den veröffentlichten 18 Uhr Prognosen. Beim ZDF wurde das tatsächliche Ergebnis für die SPD von 20,8 Prozent mit 21,5 Prozent sehr gut, bei der ARD mit 21 Prozent sogar fast punktgenau ausgewiesen – jeweils weit entfernt von dem getwitterten Wert von 26 Prozent. Die Ergebnisse unserer Wahltagsbefragung lagen zu keinem Zeitpunkt des Wahltags auch nur in der Nähe dieses Wertes. Die in dem Twitter-Beitrag ausgewiesenen Parteianteile sind andererseits weitgehend identisch mit den von ARD und ZDF in der Woche vor der Wahl veröffentlichten Umfragewerten ( vgl. http://www.wahlrecht.de/ ). Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass hier jemand schlicht und einfach etwas verwechselt hat.
Wir nehmen dieses Beispiel gleichwohl ernst. Angesichts der jetzt aufgekommenen Diskussion über ein mögliches Twittern der Exit Poll Zahlen bei der anstehenden Bundestagswahl werden wir alles tun, um weiterhin sicherzustellen, dass vor 18:00 keine Prognose von Infratest dimap an die Öffentlichkeit dringt. Denn eines wollen wir ganz sicher nicht: eine unsinnige Diskussion über Wahltagsbefragungen.
Von unabhängigen Instituten erstellte Wahltagsbefragungen oder Exit Polls stellen heute in den meisten demokratischen Ländern ein unverzichtbares Instrument der Wahlbeobachtung und der Wahlanalyse dar. Ihr Wert wird vor allem dann deutlich, wenn es berechtigte Zweifel am korrekten Ablauf von demokratischen Wahlen gibt, wie zuletzt im Iran. Hätte es dort unabhängige Exit Polls gegeben, wären die Vorwürfe der Wahlmanipulation mittels der Ergebnisse der Wahltagsbefragung nachprüfbar. In den westlichen Demokratien, so auch in Deutschland, liegt der Schwerpunkt bei Exit Polls klar auf den analytischen Aspekten, eine Kontrollfunktion ist absolut nachrangig.
Aufgrund der zeitlichen Nähe zum Wahlakt selbst kommt den Wahltagsbefragungen gleichwohl eine Sonderstellung zu. Um jedwede Beeinflussung der Wahl durch Exit Polls auszuschließen, hat der Gesetzgeber eine vorzeitige Veröffentlichung der Ergebnisse verboten. Und nicht zuletzt deshalb hält sich Infratest dimap selbstverständlich an dieses Verbot und an die gleichlautende Forderung unseres Auftragsgebers, der ARD. “
Mathias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen fasst sich kürzer: „Wie ich Ihnen ja schon nach der LTW in Bayern geschrieben habe, informieren wir die Parteizentralen gleich welcher Partei nicht. Es gibt - auch das hatte ich Ihnen geschrieben - mit dem ein oder anderen Politiker oder Journalisten ein kurzes Gespräch bei der eine qualitative Einordnung der Wahl erfolgt. Konkrete Zahlen werden auch in diesen Gesprächen nicht genannt. Schon allein deshalb nicht, weil die Prognosen bei uns erst unmittelbar vor der Sendung endgültig festgelegt werden.
Sie können sicher sein, dass gerade die Debatte nach der Bayern-Wahl bei uns die Vorsicht der übermittelten Bewertungen weiter geschärft hat.
Nur weil Gerüchte bei Twitter verbreitet werden, kommt ihnen kein höherer Wahrheitsgehalt zu - eher im Gegenteil.“
Den Bundeswahlleiter habe ich übrigens auch gefragt, ob ihm bei der Europawahl ungewöhnliche Tweets aufgefallen wären, die eine Ordnungswidrigkeit darstellen könnten? Seine vollständige Antwort auf diese Frage fast sieben Wochen später: „Nein“.
Updates: Die „Tagesschau“ von heute zu Twitter und den Landtagswahlen (ab 00:09:11)
Im Ausland wird man jetzt auch auf uns aufmerksam: „When, at around 4 p.m., senior politicians gather in their party headquarters, the opinion poll institutes present the results of their exit polls. Television viewers only get to hear the results of these polls, which generally correspond, within a few percentage points, to the actual outcome, at 6 p.m, after the polling stations have closed.“ (ABC News), „Le Monde“, The Register, BBC.
„Der Tagesspiegel“ drückt sich etwas mißverständlich aus, wenn er behauptet: „Am späten Nachmittag der Wahltage können die Meinungsforscher aber bereits deutliche Tendenzen erkennen. Die werden zwar nicht veröffentlicht, aber vertraulich an ausgewählte Medien weitergegeben. Über Umwege gelangen sie dann auch an Politiker.“ Schließlich handelt es sich nur um zwei Medien, die ARD und ZDF, die nun mal auch die Auftraggeber der exklusiv mit Exit-Polls beauftragten Wahlforscher sind. Und bestimmte Politiker erhalten die Zahlen dann nicht über Umwege, sondern direkt – und reichen sie dann brühwarm weiter. Woraus der „Tagesspiegel“ richtige Schlüsse zieht: „Danach ist kaum noch nachzuvollziehen, wer wen informiert.“
Die „Süddeutsche Zeitung“ trauert den Zeiten der Gatekeeper nach: „Seit es Umfragen am Wahltag gibt, gilt das eherne Gesetz: nicht veröffentlichen, bevor die Wahllokale geschlossen haben. Doch am Superwahlsonntag hielten sich manche nicht daran.“
Thomas Knüwer bemerkt, daß „erstaunlich viele Menschen, mit denen ich gerne über den gestrigen Tag telefonieren würde“, nicht erreichbar sind. „Bei der Forschungsgruppe Wahlen ist man auf das Thema schlecht zu sprechen. Ein Sprecher mit Wut in der Stimme erklärte mir, aus seinem Haus kämen die Zahlen nicht. Die Forschungsgruppe gäbe erst relativ spät vor der Schließung der Wahllokale Tendenzen aus wenige, ausgewählte Politiker und Chefredakteure. In der Tat fällt auf: Die Prognosen via Twitter liegen wesentlich näher an den Zahlen von Infratest-Dimap. Dort ist die Presseabteilung heute nicht zu sprechen - ebenso niemand anderes.“
Na ja, Jörg Schönenborn hat mir am 1. Juli noch schriftlich versichert: „Weder Infratest Dimap, als von der ARD beauftragtes Wahlforschungsinstitut, noch ich als redaktionell Verantwortlicher für die Wahlberichterstattung geben an Wahltagen Prognosezahlen an Externe weiter. Insbesondere geben wir vor 18 Uhr keine Zahlen an Parteien weiter.“ Und er wird ja wohl nicht lügen, oder?
Wenn sonst schon kein Argument zieht, dann eben die Furcht vor den Nazis: „Aber auch für das rechtsextremen Lager wäre eine Vorabprognose hilfreich. Große Teile der neonazistischen Szene sind eigentlich antiparlamentarisch und institutionenfeindlich eingestellt. Kriegen ihre Anhänger ein oder zwei Stunden vor Schluss mit, dass der Einzug einer rechtsextremen Partei in ein Landesparlament möglich ist oder auf der Kippe steht, könnten sie sich noch spontan für den Urnengang entscheiden“, so die „taz“ zum Thema
Internet und Politik zur Medienpanik.
Sonntag, 30. August 2009
Nur fürs Protokoll
Im Januar haben noch nahezu alle Beteiligten, ob ARD, ZDF, infratest-dimap, Forschungsgruppe Wahlen, Journalisten, Wahlleiter oder Politiker mir gegenüber bestritten, daß es überhaupt vor 18 Uhr Prognosen gäbe, obwohl sie seit Jahren per SMS am frühen Nachmittag der Wahltage selbst durch die niedrigeren Parteiränge und Lobbyistenriege schwappen und jetzt wird mit einer Selbstverständlichkeit über Twitterlecks, Prognosen-Verrat & Co diskutiert, als ob es dieses Versteckspiel nie gegeben hätte. Auch ein Fortschritt, den wir Twitter zu verdanken haben.
Wobei der oberste ARD-Wahlbeauftragte Jörg Schönenborn weiterhin Entscheidendes leugnet: „Die Behauptung, Daten unserer Wahlforscher seien heute vorab ins Netz gegangen, ist falsch. Ich habe mir die Zahlen angesehen und finde keine Ähnlichkeiten mit den internen Daten, die wir am Nachmittag hatten“, so das „Handelsblatt“, das zudem auch zu dem Prognosen-Ausplauderer der CDU, Patrick Rudolph, Interessantes zu berichten weiß: „'Ich weiß nicht, wer das geschrieben hat', sagte Rudolph auf Nachfrage von Spiegel Online. Er sei es jedenfalls nicht gewesen – und habe den Account deswegen gelöscht.“
Updates: Im Tagesschau-Blog verbreitet Schönenborn die alte Mär, nur eine Handvoll Menschen bekäme vor 18 Uhr die Zahlen: „Die Umfragezahlen sind am Wahltag ein gut gehütetes Geheimnis. Ein enger Kreis der Mitarbeiter von Infratest dimap kennt sie - und die beteiligten Chefredakteure der ARD.“ Als ob nicht die Parteizentralen zwischen 15 und 16 Uhr eingeweiht werden würden, von wo aus die Prognosen den Weg durch die Welt antreten – und um 17 Uhr schließlich auch die wichtigsten Journalisten der Printmedien. Sehr geschickt wie Schönenborn dabei so formuliert, als ob der enge Kreis und die 18-Uhr-Frist im Zusammenhang stünden, ohne es natürlich explizit zu behaupten. Das könnte ihm wohl zu leicht widerlegt werden.
„Ich habe meinen Zettel von 16.00 Uhr nochmal rausgekramt, der keine Ähnlichkeit hat mit den Zahlen, die um 16.30 Uhr bei Twitter erschienen sind“, schreibt Schönenborn weiterhin. Wieso legt er ihn dann nicht vor, veröffentlicht er ihn nicht in seinem Blog? Schließlich könnte dieser Zettel vielleicht sogar Lehmanns Elfmeter-Zettel den Rang als Zeitdokument abspenstig machen.
Die Blogosphäre dazu.
„Das ist schlicht und einfach eine Sauerei“, zitiert die Netzeitung SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz, der damit keineswegs das Lügengestrüpp der Wahlforschungsmafia meint, sondern die Tweets, die nur die Art Zahlenmaterial wiedergeben, das bei jeder Wahl schon lange vor Erfindung Twitters landesweit kursierte.
„Sollte die Verbreitung der Prognose bei Twitter nachweislich Einfluss auf die Wahl gehabt haben, müsste diese sogar wiederholt werden und der Verursacher für die Kosten von rund zwei Millionen Euro aufkommen“, droht Thüringens Landeswahlleiter Günter Krombholz laut thueringer-allgemeine.de, die in ihrem Bericht sogar den Tivoli-Blog ausdrücklich als Quelle erwähnt.
Was deutsche Exit Polls mit dem Regime in Teheran zu tun haben und auf welche interessanten wie ablenkenden Argumente die Wahlforscher und Wahlleiter sonst noch so kommen.
Wobei der oberste ARD-Wahlbeauftragte Jörg Schönenborn weiterhin Entscheidendes leugnet: „Die Behauptung, Daten unserer Wahlforscher seien heute vorab ins Netz gegangen, ist falsch. Ich habe mir die Zahlen angesehen und finde keine Ähnlichkeiten mit den internen Daten, die wir am Nachmittag hatten“, so das „Handelsblatt“, das zudem auch zu dem Prognosen-Ausplauderer der CDU, Patrick Rudolph, Interessantes zu berichten weiß: „'Ich weiß nicht, wer das geschrieben hat', sagte Rudolph auf Nachfrage von Spiegel Online. Er sei es jedenfalls nicht gewesen – und habe den Account deswegen gelöscht.“
Updates: Im Tagesschau-Blog verbreitet Schönenborn die alte Mär, nur eine Handvoll Menschen bekäme vor 18 Uhr die Zahlen: „Die Umfragezahlen sind am Wahltag ein gut gehütetes Geheimnis. Ein enger Kreis der Mitarbeiter von Infratest dimap kennt sie - und die beteiligten Chefredakteure der ARD.“ Als ob nicht die Parteizentralen zwischen 15 und 16 Uhr eingeweiht werden würden, von wo aus die Prognosen den Weg durch die Welt antreten – und um 17 Uhr schließlich auch die wichtigsten Journalisten der Printmedien. Sehr geschickt wie Schönenborn dabei so formuliert, als ob der enge Kreis und die 18-Uhr-Frist im Zusammenhang stünden, ohne es natürlich explizit zu behaupten. Das könnte ihm wohl zu leicht widerlegt werden.
„Ich habe meinen Zettel von 16.00 Uhr nochmal rausgekramt, der keine Ähnlichkeit hat mit den Zahlen, die um 16.30 Uhr bei Twitter erschienen sind“, schreibt Schönenborn weiterhin. Wieso legt er ihn dann nicht vor, veröffentlicht er ihn nicht in seinem Blog? Schließlich könnte dieser Zettel vielleicht sogar Lehmanns Elfmeter-Zettel den Rang als Zeitdokument abspenstig machen.
Die Blogosphäre dazu.
„Das ist schlicht und einfach eine Sauerei“, zitiert die Netzeitung SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz, der damit keineswegs das Lügengestrüpp der Wahlforschungsmafia meint, sondern die Tweets, die nur die Art Zahlenmaterial wiedergeben, das bei jeder Wahl schon lange vor Erfindung Twitters landesweit kursierte.
„Sollte die Verbreitung der Prognose bei Twitter nachweislich Einfluss auf die Wahl gehabt haben, müsste diese sogar wiederholt werden und der Verursacher für die Kosten von rund zwei Millionen Euro aufkommen“, droht Thüringens Landeswahlleiter Günter Krombholz laut thueringer-allgemeine.de, die in ihrem Bericht sogar den Tivoli-Blog ausdrücklich als Quelle erwähnt.
Was deutsche Exit Polls mit dem Regime in Teheran zu tun haben und auf welche interessanten wie ablenkenden Argumente die Wahlforscher und Wahlleiter sonst noch so kommen.
Wer hat den Größten? Vom Ende der Langsamkeit bei den Wahlnachfragen
So wie manche an Klowänden mit ihrer Schwanzgröße angeben, kann es sich der eine oder andere Politprofi nicht verkneifen, mit seinem Insiderwissen an Wahltagen zu protzen. Früher waren die entsprechenden Zahlen im SMS-Display das Potenzzeichen, heute setzt man sich online in machtvoller Pose.
Bei der hessischen Landtagswahl war es bild.de mit einem zu früh startenden Wahlticker, bei der Bundespräsidentenwahl unter anderem ein Mitglied des Wahlausschusses und bei der Europawahl standen möglicherweise die ersten Exit Polls vor Schließung der Wahllokale online: jedenfalls erschallte, kaum lagen erste Wahlnachfragen den Parteien vor, ein Zahlenecho auf Twitter.
Um so spannender wird es daher, heute zu beobachten, ob gegen halb vier wieder erste „Tips“, „Prognosen“ und sonst notdürftig kaschierte Exit-Poll-Zahlen der Wahlforscher aus Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen und dem Saarland ins Internet schwappen.
Wenn, und ich gehe ziemlich fest davon aus, wird der Eintrag hier entsprechend laufend aktualisiert. Zur Stunde jedenfalls gibt es bis auf spaßhafte Wahlergebnisse eines Trixieys für Sachsen und Thüringen in den frühen Morgenstunden noch keine Wahltips – wie bei der Europawahl fangen die Twitterati überhaupt und gerade die Parteigrößen im Besonderen zufälliger- wie seltsamerweise immer erst nach Vorlage erster Exit Polls damit an, ganz unverbindlich persönliche Voraussagen zu treffen, die natürlich in keinem Zusammenhang mit dem vertraulichen Zahlenmaterial stehen sollen.
14.13 Uhr
Der Dresdener FDP-Bundestagskandidat Johannes Lohmeyer eröffnet den Reigen und hat soeben für Sachsen „getippt“: CDU 38%, SED 18%, FDP 16%, SPD 12%, Grüne 4,99%, NPD 3%. Könnte tatsächlich nur ein Tip sein, da nach meinen Erfahrungen die ersten Exit Polls erst zwischen 15 und 16 Uhr kursieren, aber vielleicht sind die Sachsen da auch fixer.
15.47 Uhr
Cornelius aus Hamburg-Altona schachert mit „inoffiziellen Exit Polls“ aus dem Saarland: „CDU 31,2%, SPD 29,1%, Linke 19,1%, FDP 7,5%, Grüne 7,1%, Piraten 4,8%, Stg 1,1%“. Von der Uhrzeit her könnte das passen, aber an die fünf Prozent für die Piraten lassen mich an der Authentizität zweifeln. (Update: wie vermutet waren diese Zahlen „frei erfunden“.)
16.11 Uhr
Außerordentliche Funk- äh Twitterdisziplin heute, gab's da einen Anschiß von oben? Bin gespannt, ob's so ruhig bleibt, werden die Exit Polls doch nicht abgeschafft?
16.24 Uhr
Peter Dondl sieht in Sachsen „CDU 40-41%, LINKE 25%, SPD 10%, FDP 11%, GRÜN 5%, NPD 5%“, in Thüringen „CDU 34-36%, LINKE 25-27%, SPD 15-17%, GRÜ 4,5-5,5%, FDP 10-12%, NPD 3-4%“ und im Saarland „CDU 35-37%, SPD 23-25%, LINKE 16-18%, GRÜ 7-8%, FDP 8-9%“.
16.31 Uhr
Patrick Rudolph, Vorsitzender des CDU-Stadtverbands Radebeul: „Saarland: CDU 36, SPD 25, Linke 21, FDP 10, Grüne 5. Thüringen: CDU 34, SPD 20, Linke 25, FDP 8, Grüne 6. Sachsen: CDU 40, SPD 10, Linke 21, FDP 10, Grüne 5“. (Update vom 25. September: Laut der „Sächsischen Zeitung“ war Rudolph eventuell das Opfer einer politischen Intrige. Siehe auch den Dresdener Presseclub dazu.)
16.42 Uhr
Ein Daniel verbreitet fürs Saarland dasselbe Ergebnis wie Rudolph.
16.55 Uhr
Dann werden wir mal den Scanner von Blogs und Tweets auf die klassischen Medien im Internet erweitern. Vielleicht prischt da auch wieder jemand vor...
17.29 Uhr
Nachdem er vielfach retweetet worden ist, hat Patrick Rudolph seinen Account offenbar gelöscht. Danke für die Info, Till Westermayer!
17.35 Uhr
bananabandana alias bampowpeng: „Sachsen: CDU 40, SPD 10, Linke 21, FDP 10, Grüne 5. Thüringen: CDU 34, SPD 20, Linke 25, FDP 8, Grüne 6. Saarland: CDU 36, SPD 25, Linke 21, FDP 10, Grüne 5“.
17.48 Uhr
David Hamanns Hamburger Wahlportal Du wählst meldet „Saarland: CDU 37, SPD 25, Linke 20, FDP 9“ und anschließend: „Thüringen: CDU 33, Linke 26, SPD 19, Grüne 7-9, FDP 6“.
17.54 Uhr
Da hat sich jemand besonders viel Mühe gemacht und eigens den Twitteraccount Thüringer Wahl gegründet, um ein paar Minuten vor den Fernsehanstalten dieses Ergebnis zu melden: „CDU 32,2% LInke 26,3% SPD 20,1% Grüne 5,4% FDP 7% NPD 5,3% Sonstige 3,7%“
18.00 Uhr
Die ARD (infratest-dimap) meldet als erste Prognosen für Thüringen: CDU 32,5, Linke 26, SPD 18,5, Grüne 5,5, FDP 8, NPD 4,8; für das Saarland: CDU 34,5, SPD 25, Grüne 5,5, FDP 9,5, Linke 21; für Sachsen: CDU 41, Linke 20,5, SPD 10, NPD 5,5, FDP 10,5 und Grüne 6.
Das ZDF (Forschungsgruppe Wahlen) meldet als erste Prognosen für Thüringen: CDU 31, Linke 27, SPD 19, Grüne 6, FDP 8,5, NPD 3,5; für das Saarland: CDU 35, SPD 26, Grüne 6, FDP 8,5, Linke 19,5; für Sachsen: CDU 40,5, Linke 21, SPD 10, NPD 5,2, FDP 10,5 und Grüne 6.
Beim Vergleich mit den vorab getwitterten Zahlen ist zu bedenken, daß die am frühen Nachmittag den Parteien und um 17 Uhr der Presse von den Wahlforschern überlassenen Prognosen natürlich von den für 18 Uhr ermittelten abweichen können, da die Zahlen den ganzen Nachmittag über aktualisiert werden.
Da schau an, dpa benutzt Twitter als Vorwand, um über eine halbe Stunde vor Schließung der Wahllokale erste Trends auszuplaudern.
20.12 Uhr
Ole Reißmann auf Spiegel Online über „Prognosen-Verrat – Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“.
23.08 Uhr
Weiterer Blogeintrag mit den Reaktionen Patrick Rudolphs und Jörg Schönenborns zu den Vorwürfen des Prognose-Verrats. Schließlich kann nicht sein, was nicht sein darf.
Montag
Was deutsche Exit Polls mit dem Regime in Teheran zu tun haben und auf welche interessanten wie ablenkenden Argumente die Wahlforscher und Wahlleiter sonst noch so kommen.
Dienstag
Wie ARD, ZDF und die Wahlforscher mit den Exit Polls Politik machen.
Donnerstag
Erstaunliche Übereinstimmung, obwohl über anderthalb Stunden dazwischen lagen: „Zapp“ vergleicht die bei Twitter veröffentlichten Zahlen mit den offiziellen Prognosen aus Wahlnachfragen.
Bei der hessischen Landtagswahl war es bild.de mit einem zu früh startenden Wahlticker, bei der Bundespräsidentenwahl unter anderem ein Mitglied des Wahlausschusses und bei der Europawahl standen möglicherweise die ersten Exit Polls vor Schließung der Wahllokale online: jedenfalls erschallte, kaum lagen erste Wahlnachfragen den Parteien vor, ein Zahlenecho auf Twitter.
Um so spannender wird es daher, heute zu beobachten, ob gegen halb vier wieder erste „Tips“, „Prognosen“ und sonst notdürftig kaschierte Exit-Poll-Zahlen der Wahlforscher aus Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen und dem Saarland ins Internet schwappen.
Wenn, und ich gehe ziemlich fest davon aus, wird der Eintrag hier entsprechend laufend aktualisiert. Zur Stunde jedenfalls gibt es bis auf spaßhafte Wahlergebnisse eines Trixieys für Sachsen und Thüringen in den frühen Morgenstunden noch keine Wahltips – wie bei der Europawahl fangen die Twitterati überhaupt und gerade die Parteigrößen im Besonderen zufälliger- wie seltsamerweise immer erst nach Vorlage erster Exit Polls damit an, ganz unverbindlich persönliche Voraussagen zu treffen, die natürlich in keinem Zusammenhang mit dem vertraulichen Zahlenmaterial stehen sollen.
14.13 Uhr
Der Dresdener FDP-Bundestagskandidat Johannes Lohmeyer eröffnet den Reigen und hat soeben für Sachsen „getippt“: CDU 38%, SED 18%, FDP 16%, SPD 12%, Grüne 4,99%, NPD 3%. Könnte tatsächlich nur ein Tip sein, da nach meinen Erfahrungen die ersten Exit Polls erst zwischen 15 und 16 Uhr kursieren, aber vielleicht sind die Sachsen da auch fixer.
15.47 Uhr
Cornelius aus Hamburg-Altona schachert mit „inoffiziellen Exit Polls“ aus dem Saarland: „CDU 31,2%, SPD 29,1%, Linke 19,1%, FDP 7,5%, Grüne 7,1%, Piraten 4,8%, Stg 1,1%“. Von der Uhrzeit her könnte das passen, aber an die fünf Prozent für die Piraten lassen mich an der Authentizität zweifeln. (Update: wie vermutet waren diese Zahlen „frei erfunden“.)
16.11 Uhr
Außerordentliche Funk- äh Twitterdisziplin heute, gab's da einen Anschiß von oben? Bin gespannt, ob's so ruhig bleibt, werden die Exit Polls doch nicht abgeschafft?
16.24 Uhr
Peter Dondl sieht in Sachsen „CDU 40-41%, LINKE 25%, SPD 10%, FDP 11%, GRÜN 5%, NPD 5%“, in Thüringen „CDU 34-36%, LINKE 25-27%, SPD 15-17%, GRÜ 4,5-5,5%, FDP 10-12%, NPD 3-4%“ und im Saarland „CDU 35-37%, SPD 23-25%, LINKE 16-18%, GRÜ 7-8%, FDP 8-9%“.
16.31 Uhr
Patrick Rudolph, Vorsitzender des CDU-Stadtverbands Radebeul: „Saarland: CDU 36, SPD 25, Linke 21, FDP 10, Grüne 5. Thüringen: CDU 34, SPD 20, Linke 25, FDP 8, Grüne 6. Sachsen: CDU 40, SPD 10, Linke 21, FDP 10, Grüne 5“. (Update vom 25. September: Laut der „Sächsischen Zeitung“ war Rudolph eventuell das Opfer einer politischen Intrige. Siehe auch den Dresdener Presseclub dazu.)
16.42 Uhr
Ein Daniel verbreitet fürs Saarland dasselbe Ergebnis wie Rudolph.
16.55 Uhr
Dann werden wir mal den Scanner von Blogs und Tweets auf die klassischen Medien im Internet erweitern. Vielleicht prischt da auch wieder jemand vor...
17.29 Uhr
Nachdem er vielfach retweetet worden ist, hat Patrick Rudolph seinen Account offenbar gelöscht. Danke für die Info, Till Westermayer!
17.35 Uhr
bananabandana alias bampowpeng: „Sachsen: CDU 40, SPD 10, Linke 21, FDP 10, Grüne 5. Thüringen: CDU 34, SPD 20, Linke 25, FDP 8, Grüne 6. Saarland: CDU 36, SPD 25, Linke 21, FDP 10, Grüne 5“.
17.48 Uhr
David Hamanns Hamburger Wahlportal Du wählst meldet „Saarland: CDU 37, SPD 25, Linke 20, FDP 9“ und anschließend: „Thüringen: CDU 33, Linke 26, SPD 19, Grüne 7-9, FDP 6“.
17.54 Uhr
Da hat sich jemand besonders viel Mühe gemacht und eigens den Twitteraccount Thüringer Wahl gegründet, um ein paar Minuten vor den Fernsehanstalten dieses Ergebnis zu melden: „CDU 32,2% LInke 26,3% SPD 20,1% Grüne 5,4% FDP 7% NPD 5,3% Sonstige 3,7%“
18.00 Uhr
Die ARD (infratest-dimap) meldet als erste Prognosen für Thüringen: CDU 32,5, Linke 26, SPD 18,5, Grüne 5,5, FDP 8, NPD 4,8; für das Saarland: CDU 34,5, SPD 25, Grüne 5,5, FDP 9,5, Linke 21; für Sachsen: CDU 41, Linke 20,5, SPD 10, NPD 5,5, FDP 10,5 und Grüne 6.
Das ZDF (Forschungsgruppe Wahlen) meldet als erste Prognosen für Thüringen: CDU 31, Linke 27, SPD 19, Grüne 6, FDP 8,5, NPD 3,5; für das Saarland: CDU 35, SPD 26, Grüne 6, FDP 8,5, Linke 19,5; für Sachsen: CDU 40,5, Linke 21, SPD 10, NPD 5,2, FDP 10,5 und Grüne 6.
Beim Vergleich mit den vorab getwitterten Zahlen ist zu bedenken, daß die am frühen Nachmittag den Parteien und um 17 Uhr der Presse von den Wahlforschern überlassenen Prognosen natürlich von den für 18 Uhr ermittelten abweichen können, da die Zahlen den ganzen Nachmittag über aktualisiert werden.
Da schau an, dpa benutzt Twitter als Vorwand, um über eine halbe Stunde vor Schließung der Wahllokale erste Trends auszuplaudern.
20.12 Uhr
Ole Reißmann auf Spiegel Online über „Prognosen-Verrat – Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“.
23.08 Uhr
Weiterer Blogeintrag mit den Reaktionen Patrick Rudolphs und Jörg Schönenborns zu den Vorwürfen des Prognose-Verrats. Schließlich kann nicht sein, was nicht sein darf.
Montag
Was deutsche Exit Polls mit dem Regime in Teheran zu tun haben und auf welche interessanten wie ablenkenden Argumente die Wahlforscher und Wahlleiter sonst noch so kommen.
Dienstag
Wie ARD, ZDF und die Wahlforscher mit den Exit Polls Politik machen.
Donnerstag
Erstaunliche Übereinstimmung, obwohl über anderthalb Stunden dazwischen lagen: „Zapp“ vergleicht die bei Twitter veröffentlichten Zahlen mit den offiziellen Prognosen aus Wahlnachfragen.
Montag, 8. Juni 2009
Politiker twittern wieder mal vorschnell
Keine Wahlprognosen vor Schließung der Wahllokale? Von wegen, auch bei den gestrigen Europawahlen galt, was bei allen Wahlen eine wichtige Rolle fürs Ego spielt: Wer unter Politikern, Lobbyisten oder Journalisten etwas gelten will, muß bereits zwischen 15 und 16 Uhr die ersten Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) oder ihrer Kollegen bei der ARD: infratest dimap in Händen halten. So auch diesen Sonntag.
„Die SPD-Oberen wussten schon früher am Tag von den schlechten Resultaten. Den Gesichtern ihrer Mitarbeiter war anzusehen, dass es schlimm, sehr schlimm kommen würde. (...) Am Nachmittag war bei Seehofer eher Erleichterung zu spüren. (...) Die CSU sei sicher über der Fünf-Prozent-Hürde, hatten ihm die Demoskopen da schon gemeldet.“ (Die „Süddeutsche Zeitung“ heute auf Seite Drei – online bei jetzt.de)
Zwar verbieten es die Wahlgesetze (§ 4 EuWG i.V.m. § 32 Abs. 2 BWG, § 32 Abs. 2 BWG), Ergebnisse der am Wahltag nach der Stimmabgabe durchgeführten Befragungen von Wählern über den Inhalt ihrer Wahlentscheidung, sog. exit polls, vor Schließung der Wahllokale zu veröffentlichen. Aber wie der Bundeswahlleiter in Bezug auf frühere Bundestags- und Europawahlen mitteilen läßt, ist „er in diesen Fällen bisher nicht tätig geworden, da er, soweit ihm hierzu Kenntnisse vorlagen, hierin keine 'Veröffentlichung'“ im Sinne des Wahlgesetzes gesehen hat.
Doch heute kursieren solche Insiderinfos nicht nur wellenartig via SMS und E-Mail, und somit noch „privat“, heute gibt es Twitter. Bei der Wahl des Bundespräsidenten kamen die Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber (SPD) und Julia Klöckner (CDU) der offiziellen Meldung des Wahlergebnisses zuvor und plauderten Köhlers Sieg per Twitter aus.
Sollte man den Politikern gestern mehr Selbstbeherrschung zutrauen?
Merkwürdigerweise gab es den Wahlvormittag über keinerlei Tweets mit Wahltips, Prognosen etcetera. Erst nach 15.30 Uhr, wenn erfahrungsgemäß die ersten exit polls der Wahlforscher in den Parteien zirkulieren, tauchen auch die ersten Tweets auf, bezeichnenderweise auch nicht bei stinknormalen Twitterern, sondern bei Politikern und Parteinahen, auch wenn sich die ersten noch verschämt geben: Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler „tippt“ um 15.44 Uhr: „#CDU 38, #SPD 26, #FDP 9, #Grüne 10, #Linke 8“.
Henrik Bröckelmann aus dem Bundesvorstand der Jungen Union „tippt“ gegen 16 Uhr auf: „#CDU 36, #SPD 27, #FDP 10, #Grüne 9, #Linke 10“.
Zwischen 16.16 und 16.26 Uhr tauchen dann plötzlich erste „ARD-Prognosen“ als Tweets auf, mehr als anderthalb Stunden vor Schließung der Wahllokale:
Ein Frodo Lübcke (@frolueb, der Berliner FDP-Mann Michael Unterberger?) zitiert die ARD ausdrücklich gegen 16.16 Uhr mit der Prognose „FDP 9-10 %, SPD ca. 25%, Union unter 40%, Grüne 10% Linke um die 8%“, löscht diesen Tweet aber offenbar wieder und bleibt nur hie und da indirekt überliefert. Update: frolueb meint, sein Tweet wäre ein „fake“ gewesen, siehe unten.
Ein Rainer Michael Rilke zitiert zehn Minuten später ARD-Quellen mit: „CDU 38, SPD 26, FDP 9, Grüne 12, Linke 7, (CSU drin)“.
(Parteiferne Twitterer fühlen sich dann offenbar herausgefordert und antworten mit Gegenprognosen, die wohl nicht auf Insiderinfos basieren, aber den Ball ins Spiel gebracht haben eindeutig Leute aus dem inner circle, denen man Zugang zu den exit polls zurechnen darf.)
Natürlich sind diese Zahlen sehr unterschiedlich, aber wenn man davon ausgeht, daß ARD und ZDF unterschiedliche Zahlen errechnen und die ersten Hochrechnungen zwischen 15 und 16 Uhr in der Regel von den qualifizierteren Prognosen um 18 Uhr abweichen, wäre es schon interessant, herauszufinden, wie die Zahlen von infratest dimap und der Forschungsgruppe Wahlen am frühen Nachmittag aussahen und ob diese tatsächlich von Dritten via Twitter veröffentlicht worden sind, was eine Ordnungswidrigkeit darstellte.
Nach der hessischen Landtagswahl, bei der sogar BILD eine erste Prognose aus Wahlnachfragen vor Schließung der Wahllokale online getickert hat, hatten ARD, ZDF, Forschungsgruppe Wahlen und infratest dimap lange, wenn nicht sogar bis heute gänzlich bestritten, daß überhaupt jemand, also auch Politiker und Presse, vor 18 Uhr Zahlen erhielte. Das ist längst widerlegt. Stellt sich nun die Frage, ob diese Privilegierten mit dem Zahlenmaterial weiterhin nur untereinander schachern oder ob nicht Twitter die Grenzen zur Öffentlichkeit längst geöffnet hat.
P.S. Konnte gestern die Tweets nur bis gegen 16.30 Uhr verfolgen, da ich dann wieder ins Wahllokal mußte. Meine Twitter-Search lief dann noch weiter, aber angesichts von weit über 600 Tweets hatte ich bisher noch nicht den Nerv, nachzulesen, wer zwischen 16.30 und 18 Uhr noch so alles geplaudert hat...
Updates:
Der „Spiegel“ weiß von der Furcht des Bundeswahlleiters und der Politiker vor zu früh getwitterten Exit Polls.
Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.
Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).
(Foto: WDR/Herby Sachs)
„Die SPD-Oberen wussten schon früher am Tag von den schlechten Resultaten. Den Gesichtern ihrer Mitarbeiter war anzusehen, dass es schlimm, sehr schlimm kommen würde. (...) Am Nachmittag war bei Seehofer eher Erleichterung zu spüren. (...) Die CSU sei sicher über der Fünf-Prozent-Hürde, hatten ihm die Demoskopen da schon gemeldet.“ (Die „Süddeutsche Zeitung“ heute auf Seite Drei – online bei jetzt.de)
Zwar verbieten es die Wahlgesetze (§ 4 EuWG i.V.m. § 32 Abs. 2 BWG, § 32 Abs. 2 BWG), Ergebnisse der am Wahltag nach der Stimmabgabe durchgeführten Befragungen von Wählern über den Inhalt ihrer Wahlentscheidung, sog. exit polls, vor Schließung der Wahllokale zu veröffentlichen. Aber wie der Bundeswahlleiter in Bezug auf frühere Bundestags- und Europawahlen mitteilen läßt, ist „er in diesen Fällen bisher nicht tätig geworden, da er, soweit ihm hierzu Kenntnisse vorlagen, hierin keine 'Veröffentlichung'“ im Sinne des Wahlgesetzes gesehen hat.
Doch heute kursieren solche Insiderinfos nicht nur wellenartig via SMS und E-Mail, und somit noch „privat“, heute gibt es Twitter. Bei der Wahl des Bundespräsidenten kamen die Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber (SPD) und Julia Klöckner (CDU) der offiziellen Meldung des Wahlergebnisses zuvor und plauderten Köhlers Sieg per Twitter aus.
Sollte man den Politikern gestern mehr Selbstbeherrschung zutrauen?
Merkwürdigerweise gab es den Wahlvormittag über keinerlei Tweets mit Wahltips, Prognosen etcetera. Erst nach 15.30 Uhr, wenn erfahrungsgemäß die ersten exit polls der Wahlforscher in den Parteien zirkulieren, tauchen auch die ersten Tweets auf, bezeichnenderweise auch nicht bei stinknormalen Twitterern, sondern bei Politikern und Parteinahen, auch wenn sich die ersten noch verschämt geben: Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler „tippt“ um 15.44 Uhr: „#CDU 38, #SPD 26, #FDP 9, #Grüne 10, #Linke 8“.
Henrik Bröckelmann aus dem Bundesvorstand der Jungen Union „tippt“ gegen 16 Uhr auf: „#CDU 36, #SPD 27, #FDP 10, #Grüne 9, #Linke 10“.
Zwischen 16.16 und 16.26 Uhr tauchen dann plötzlich erste „ARD-Prognosen“ als Tweets auf, mehr als anderthalb Stunden vor Schließung der Wahllokale:
Ein Frodo Lübcke (@frolueb, der Berliner FDP-Mann Michael Unterberger?) zitiert die ARD ausdrücklich gegen 16.16 Uhr mit der Prognose „FDP 9-10 %, SPD ca. 25%, Union unter 40%, Grüne 10% Linke um die 8%“, löscht diesen Tweet aber offenbar wieder und bleibt nur hie und da indirekt überliefert. Update: frolueb meint, sein Tweet wäre ein „fake“ gewesen, siehe unten.
Ein Rainer Michael Rilke zitiert zehn Minuten später ARD-Quellen mit: „CDU 38, SPD 26, FDP 9, Grüne 12, Linke 7, (CSU drin)“.
(Parteiferne Twitterer fühlen sich dann offenbar herausgefordert und antworten mit Gegenprognosen, die wohl nicht auf Insiderinfos basieren, aber den Ball ins Spiel gebracht haben eindeutig Leute aus dem inner circle, denen man Zugang zu den exit polls zurechnen darf.)
Natürlich sind diese Zahlen sehr unterschiedlich, aber wenn man davon ausgeht, daß ARD und ZDF unterschiedliche Zahlen errechnen und die ersten Hochrechnungen zwischen 15 und 16 Uhr in der Regel von den qualifizierteren Prognosen um 18 Uhr abweichen, wäre es schon interessant, herauszufinden, wie die Zahlen von infratest dimap und der Forschungsgruppe Wahlen am frühen Nachmittag aussahen und ob diese tatsächlich von Dritten via Twitter veröffentlicht worden sind, was eine Ordnungswidrigkeit darstellte.
Nach der hessischen Landtagswahl, bei der sogar BILD eine erste Prognose aus Wahlnachfragen vor Schließung der Wahllokale online getickert hat, hatten ARD, ZDF, Forschungsgruppe Wahlen und infratest dimap lange, wenn nicht sogar bis heute gänzlich bestritten, daß überhaupt jemand, also auch Politiker und Presse, vor 18 Uhr Zahlen erhielte. Das ist längst widerlegt. Stellt sich nun die Frage, ob diese Privilegierten mit dem Zahlenmaterial weiterhin nur untereinander schachern oder ob nicht Twitter die Grenzen zur Öffentlichkeit längst geöffnet hat.
P.S. Konnte gestern die Tweets nur bis gegen 16.30 Uhr verfolgen, da ich dann wieder ins Wahllokal mußte. Meine Twitter-Search lief dann noch weiter, aber angesichts von weit über 600 Tweets hatte ich bisher noch nicht den Nerv, nachzulesen, wer zwischen 16.30 und 18 Uhr noch so alles geplaudert hat...
Updates:
Der „Spiegel“ weiß von der Furcht des Bundeswahlleiters und der Politiker vor zu früh getwitterten Exit Polls.
Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.
Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).
(Foto: WDR/Herby Sachs)
Sonntag, 8. März 2009
Hessischer Landeswahlleiter spricht bild.de frei
Wie Wolfgang Hannappel, der Landeswahlleiter für Hessen, mich diese Woche wissen ließ, sieht er keine Anhaltspunkte, die ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen bild.de rechtfertigen würden:
„§ 49 Abs. 1 Nr. 3 LWG bedroht als Ordnungswidrigkeit die vorzeitige Veröffentlichung nur von solchen Ergebnissen, die auf Wählerbefragungen beruhen, die nach der Stimmabgabe am Wahltag durchgeführt worden sind.
Derartige Befragungen finden in unmittelbarer Nähe zu den Wahllokalen – regelmäßig im selben Gebäude – statt, um Wählerinnen und Wähler im direkten zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Wahlteilnahme ansprechen zu können.
Diese so genannten Wählernachfragen sind von der Forschungsgruppe Wahlen und von Infratest dimap angekündigt um (sic) am 18. Januar 2009 in verschiedenen hessischen Wahlbezirken durchgeführt worden.
Beide Unternehmen haben mir auf Nachfrage berichtet, dass vor 18:00 Uhr weder Ergebnisse noch Zwischenstände an BILD oder BILD.de weitergegeben worden sind.
Die von BILD.de veröffentlichten Zahlen (...) stimmen darüber hinaus mit dem Zahlenwerk der beiden Institute bei keiner einzigen Partei überein.
Ich muss nach alledem davon ausgehen, dass es sich bei den in Rede stehenden Zahlen nicht um Ergebnisse aus einer Wählernachfrage handelt.“
Prognose BILD: CDU 38 Prozent, SPD 22, FDP 17, Grüne 13, Linke 5
ARD: CDU 37,5 Prozent, SPD 23,5, FDP 16, Grüne 14, Linke 5,1
ZDF: CDU 37,5 Prozent, SPD 23,5, FDP 17, Grüne 13,5, Linke 5
Nun versorgen aber sowohl die Forschungsgruppe Wahlen, als auch Infratest dimap den ganzen Tag über die politischen Parteien mit Zwischenständen der exit polls und ab 17 Uhr auch ausgewählte Kollegen mit den Prognosen, das heißt, es dürfte für die gut vernetzte BILD-Redaktion kein Problem gewesen sein, sich zumindest die Zwischenstände der Prognosen zu beschaffen, wenn sie sie tatsächlich nicht von den Instituten oder auftraggebenden Fernsehanstalten bekommen haben sollten. Wobei diese Zwischenstände von den endgültigen Prognosen um 18 Uhr sicherlich um die 0,1 bis 1,5 Prozentpunkte abgewichen sein können, die BILD daneben lag, was der Landeswahlleiter offenbar nicht bedenkt oder wohlweislich verschweigt.
Oder aber die BILD-Gruppe wäre jetzt auch von Amts wegen der Schwindelei überführt worden, da sie zusammenfabulierte Zahlen als „1. Prognose“ ausgegeben hätte...
Tobias Fröhlich von der BILD-Gruppe lehnt in dieser Angelegenheit weiterhin jede Stellungnahme ab.
Update: Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.
Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.
Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).
„§ 49 Abs. 1 Nr. 3 LWG bedroht als Ordnungswidrigkeit die vorzeitige Veröffentlichung nur von solchen Ergebnissen, die auf Wählerbefragungen beruhen, die nach der Stimmabgabe am Wahltag durchgeführt worden sind.
Derartige Befragungen finden in unmittelbarer Nähe zu den Wahllokalen – regelmäßig im selben Gebäude – statt, um Wählerinnen und Wähler im direkten zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Wahlteilnahme ansprechen zu können.
Diese so genannten Wählernachfragen sind von der Forschungsgruppe Wahlen und von Infratest dimap angekündigt um (sic) am 18. Januar 2009 in verschiedenen hessischen Wahlbezirken durchgeführt worden.
Beide Unternehmen haben mir auf Nachfrage berichtet, dass vor 18:00 Uhr weder Ergebnisse noch Zwischenstände an BILD oder BILD.de weitergegeben worden sind.
Die von BILD.de veröffentlichten Zahlen (...) stimmen darüber hinaus mit dem Zahlenwerk der beiden Institute bei keiner einzigen Partei überein.
Ich muss nach alledem davon ausgehen, dass es sich bei den in Rede stehenden Zahlen nicht um Ergebnisse aus einer Wählernachfrage handelt.“
Prognose BILD: CDU 38 Prozent, SPD 22, FDP 17, Grüne 13, Linke 5
ARD: CDU 37,5 Prozent, SPD 23,5, FDP 16, Grüne 14, Linke 5,1
ZDF: CDU 37,5 Prozent, SPD 23,5, FDP 17, Grüne 13,5, Linke 5
Nun versorgen aber sowohl die Forschungsgruppe Wahlen, als auch Infratest dimap den ganzen Tag über die politischen Parteien mit Zwischenständen der exit polls und ab 17 Uhr auch ausgewählte Kollegen mit den Prognosen, das heißt, es dürfte für die gut vernetzte BILD-Redaktion kein Problem gewesen sein, sich zumindest die Zwischenstände der Prognosen zu beschaffen, wenn sie sie tatsächlich nicht von den Instituten oder auftraggebenden Fernsehanstalten bekommen haben sollten. Wobei diese Zwischenstände von den endgültigen Prognosen um 18 Uhr sicherlich um die 0,1 bis 1,5 Prozentpunkte abgewichen sein können, die BILD daneben lag, was der Landeswahlleiter offenbar nicht bedenkt oder wohlweislich verschweigt.
Oder aber die BILD-Gruppe wäre jetzt auch von Amts wegen der Schwindelei überführt worden, da sie zusammenfabulierte Zahlen als „1. Prognose“ ausgegeben hätte...
Tobias Fröhlich von der BILD-Gruppe lehnt in dieser Angelegenheit weiterhin jede Stellungnahme ab.
Update: Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.
Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.
Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).
Freitag, 13. Februar 2009
Aktenzeichen II 1 - 3e06.30 ungelöst oder:
Das Exit-Polls-Projekt 2009
Nirgendwo wird so konsequent gelogen wie bei Statistiken. Aber Wahlprognosen toppen es locker, wenn auch nicht bei den Zahlen, sondern beim Drumherum. Wenn ich nun drei Wochen lang zu dem Thema geschwiegen habe, bedeutet das keineswegs, daß ich es beiseite gelegt hätte. Schließlich haben wir ein „Superwahljahr“ (ZDF) – und wenn ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender dieses „Jahr der Richtungswahlen“ als „Jahr der Realitäten und der Wahrheiten“ plant, will ich nicht nachstehen.
Die Ausgangssituation: Aus Exit Polls, Wahlnachfragen resultierende Prognosen dürfen in Deutschland nicht vor Schließung der Wahllokale veröffentlicht werden.
Fakt: Aufgrund eines politischen wie journalistischen Gewohnheitsrechts zirkulieren diese Prognosen dennoch bereits Stunden vorher in den Redaktionen und Parteien, oder umXXXX einen Kollegen zu zitieren: „Einige Medien (und im Übrigen auch Politiker) bekommen vertraulich aber schon früher die Prognosen, die auf den sogenannten Wahl-Nachfragen vor den Wahllokalen beruhen.“ (Updates: Der zitierte Kollege bat im Nachhinein, seinen Namen zu verschweigen, denn: „Ein bisschen heikles Thema. Ich gehe deshalb davon aus, dass Sie auch mich bitte nicht öffentlich zitieren.“ Er könne schließlich nicht offiziell für seine Zeitung sprechen.)
Kurios: Die meisten Beteiligten leugnen das hartnäckig.
Nun kannte offenbar bild.de bei der Hessenwahl am 18. Januar nicht nur eine Wahlprognose, sondern veröffentlichte diese unglücklicherweise bereits vor Schließung der Wahllokale. Der hessische Landeswahlleiter sieht aber nicht zwingend eine Ordnungswidrigkeit, da schließlich die validen Exit Polls zu der Zeit gar nicht verfügbar gewesen wären. Die Forschungsgruppe Wahlen gestand dann aber, daß sie den Tag über ihre exklusiv fürs ZDF erarbeiteten Zahlen mit Politikern austauscht und ausgewählten Journalisten vor Schließung der Wahllokale zur Verfügung stellt. Das ZDF will davon nichts gewußt haben. Bei der ARD ist nach ersten Dementis noch ein Gespräch mit dem Wahlexperten Jörg Schönenborn anhängig, die exklusiv für sie tätigen Wahlforscher von infratest dimap haben aber bisher jeden Informationsfluß abgestritten und äußern sich nicht mehr in der Sache (BILDblog, Tivoli-Blog 1, 2, 3).
Wer weiß wann was – und warum bestreiten dies alle auf erste Nachfrage und knicken erst später ein? Mit diesem Mantra widme ich mich in den kommenden Monaten vergangenen Wahlen und den bevorstehenden Urnengängen am 7. Juni (Europawahl), 30. August (Saarland, Sachsen, Thüringen) und 27. September (Bundestag, Brandenburg).
Zwischenzeitlich hat mir der hessische Landeswahlleiter am 5. Februar bestätigt, daß er unter dem Aktenzeichen II 1 - 3e06.30 prüft, „ob der Vorgang Veranlassung gibt, ein förmliches Ordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten. (...) Ich weise nochmals darauf hin, dass eine Ordnungswidrigkeit nur dann vorliegt, wenn es sich um die Veröffentlichung von 'Ergebnissen von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe' handelt. Meine diesbezügliche Anfrage hat BILD digital bisher nicht beantwortet.“
Updates: „Was macht die Demokratie aus? Daß wir eine mißliebige Regierung ohne Blutvergießen wieder loswerden können, so schrieb vor fast 65 Jahren Karl Popper. Und der Wahlakt, durch den sich die Willensäußerung des demokratischen Souveräns vollzieht, ist folglich ein bis ins letzte Detail reglementiertes Verfahren.“ Oder auch nicht. Die Wissenswerkstatt greift mein Thema auf.
Mit Schreiben vom 3. März teilt mir der Landeswahlleiter mit, daß er keine Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die BILD-Gruppe sähe.
Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.
Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.
Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).
(Grafik: ZDF/Forschungsgruppe Wahlen)
Die Ausgangssituation: Aus Exit Polls, Wahlnachfragen resultierende Prognosen dürfen in Deutschland nicht vor Schließung der Wahllokale veröffentlicht werden.
Fakt: Aufgrund eines politischen wie journalistischen Gewohnheitsrechts zirkulieren diese Prognosen dennoch bereits Stunden vorher in den Redaktionen und Parteien, oder um
Kurios: Die meisten Beteiligten leugnen das hartnäckig.
Nun kannte offenbar bild.de bei der Hessenwahl am 18. Januar nicht nur eine Wahlprognose, sondern veröffentlichte diese unglücklicherweise bereits vor Schließung der Wahllokale. Der hessische Landeswahlleiter sieht aber nicht zwingend eine Ordnungswidrigkeit, da schließlich die validen Exit Polls zu der Zeit gar nicht verfügbar gewesen wären. Die Forschungsgruppe Wahlen gestand dann aber, daß sie den Tag über ihre exklusiv fürs ZDF erarbeiteten Zahlen mit Politikern austauscht und ausgewählten Journalisten vor Schließung der Wahllokale zur Verfügung stellt. Das ZDF will davon nichts gewußt haben. Bei der ARD ist nach ersten Dementis noch ein Gespräch mit dem Wahlexperten Jörg Schönenborn anhängig, die exklusiv für sie tätigen Wahlforscher von infratest dimap haben aber bisher jeden Informationsfluß abgestritten und äußern sich nicht mehr in der Sache (BILDblog, Tivoli-Blog 1, 2, 3).
Wer weiß wann was – und warum bestreiten dies alle auf erste Nachfrage und knicken erst später ein? Mit diesem Mantra widme ich mich in den kommenden Monaten vergangenen Wahlen und den bevorstehenden Urnengängen am 7. Juni (Europawahl), 30. August (Saarland, Sachsen, Thüringen) und 27. September (Bundestag, Brandenburg).
Zwischenzeitlich hat mir der hessische Landeswahlleiter am 5. Februar bestätigt, daß er unter dem Aktenzeichen II 1 - 3e06.30 prüft, „ob der Vorgang Veranlassung gibt, ein förmliches Ordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten. (...) Ich weise nochmals darauf hin, dass eine Ordnungswidrigkeit nur dann vorliegt, wenn es sich um die Veröffentlichung von 'Ergebnissen von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe' handelt. Meine diesbezügliche Anfrage hat BILD digital bisher nicht beantwortet.“
Updates: „Was macht die Demokratie aus? Daß wir eine mißliebige Regierung ohne Blutvergießen wieder loswerden können, so schrieb vor fast 65 Jahren Karl Popper. Und der Wahlakt, durch den sich die Willensäußerung des demokratischen Souveräns vollzieht, ist folglich ein bis ins letzte Detail reglementiertes Verfahren.“ Oder auch nicht. Die Wissenswerkstatt greift mein Thema auf.
Mit Schreiben vom 3. März teilt mir der Landeswahlleiter mit, daß er keine Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die BILD-Gruppe sähe.
Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.
Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.
Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).
(Grafik: ZDF/Forschungsgruppe Wahlen)
Donnerstag, 22. Januar 2009
Taugt ein Wahlgeheimnis zum Exit-Polls-Gate?
Wenn es für mich ein offenes Geheimnis gab, dann daß die Alphamännchen unter den Politikern an Wahltagen bereits lange vor Schließung der Wahllkokale erste Prognosen erhalten, wie auch die unter Zeitdruck arbeitende Tagespresse. Deshalb hielt ich am Sonntag noch das Vorpreschen von bild.de bei der Veröffentlichung erster Prognosen der hessischen Landtagswahl für den eigentlichen Skandal, na ja, für ein Skandälchen.
Aber dann bestritten der hessische Landeswahlleiter ebenso wie die maßgeblichen Meinungsforschungsinstitute, daß irgendwelche Prognosen vor der Fernsehpräsentation durch Jörg Schönenborn (ARD) & Co um 18 Uhr weitergegeben werden würden.
Dabei ist das Spiel an jedem Wahlsonntag das gleiche, wie mir eine weitere Quelle aus Berliner Regierungskreisen bestätigte. Die ersten Prognose der Wahlnachfrage kursieren am frühen Nachmittag und es „sind die gleichen wie bei ARD/ZDF, in den Parteien selbst verteilt es sich teils im Schneeballsystem per SMS, einige Großkopferte haben's zuerst.“
Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen (ZDF), der immerhin als einer der wenigen meine Anfragen beantwortet, streitet das weiter vehement ab, räumt aber immerhin plötzlich ein, daß es durchaus den Tag über Gespräche mit Politikern gäbe und handverlesene Journalisten bereits um 17 Uhr vorab Zahlen erhielten:
Es könne nicht sein, „dass Ihnen bezüglich der Forschungsgruppe Wahlen verlässliche Information vorliegen, dass wir zu den angegebenen Zeiträumen Prognosen der Wahlnachfrage Politikern zukommen lassen.
Ich habe mich in der Vergangenheit auch schon gewundert, welche Zahlen da am Wahltag als Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen 'gehandelt' wurden. Da gibt es eine ganze Reihe von Leuten, die sich damit als angebliche Insider in den Vordergrund spielen wollen.
Das kann schon allein deshalb nicht sein, weil wir selbst bei uns einen ersten Einlauf von verlässlichen Daten ab 16:30 haben und diese haben selten etwas mit dem endgültigen Ergebnis zu tun.
Selbstverständlich gibt es auch im Laufe des Wahltags das ein oder andere Gespräch auch mit Politikern bei dem eine politische Einschätzung vorgenommen wird. Ganz sicher geht es dabei (in unserem eigenen Interesse) aber lediglich um eine qualitative und nicht um eine quantitative Bewertung.
Und es gibt auch gegen 17 Uhr an weniger als eine Handvoll Journalisten, mit denen wir eine langjährige Zusammenarbeit pflegen und wo wir sicher sein können, dass eine Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gewährleistet ist, eine qualitative Einschätzung des zu erwartenden Ergebnisses. Diese dienen aber nicht dazu, eine Prognose frühzeitig drucken zu können, sondern lediglich um sicherzustellen, dass der zu schreibende Kommentar etwas mit dem wirklichen Ergebnis zu tun hat.“
Updates: „An Wahlabenden gibt das ZDF vor 18.00 Uhr keinerlei Informationen, Prognosen, Umfragen oder Sonstiges heraus - wie Ihnen Frau Henrich-Dieler bereits mitgeteilt hatte. Dieselbe Auskunft hatten Sie ja auch von der Forschungsgruppe Wahlen erhalten“, schreibt mir Thomas Stange vom ZDF. Na ja, braucht das ZDF ja auch nicht, wenn – wie oben eingestanden – die exklusiv für die Mainzer tätige Forschungsgruppe Wahlen das macht. Andererseits habe ich das Gefühl, daß das ZDF auch nicht weiß, was die Forschungsgruppe mir gegenüber bereits eingeräumt hat. Auf diesen Widerspruch angesprochen, antwortet Thomas Stange schmalllippig: „Wir sprechen nur für das ZDF und nicht für Dritte“.
Und Jörg Schönenborn läßt mir durch eine Mitarbeiterin mitteilen, daß er gerne mit mir telefonieren würde.
Inzwischen hat auch die ARD reagiert. Dr. Joachim Görgen vom ARD-Referat der HA Intendanz beim SWR in Stuttgart schreibt: „Sie hatten bei der Pressestelle der ARD angefragt, ob die ARD ihre Prognose-Zahlen bei Wahlen anderen Medien vorab zur Verfügung stellt. Die Antwort ist ein klares 'Nein'. Die ARD arbeitet exklusiv mit Infratest Dimap in Berlin zusammen, so wie das ZDF mit der Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim. Zusammenarbeiten heißt: Die ARD hat mit dem privaten Unternehmen Infratest Dimap einen Vertrag über eine Dienstleistung und muss entsprechend auch dafür bezahlen. Deshalb können Sie davon ausgehen, dass die ARD kein Interesse haben kann, diese Zahlen vor 18 Uhr weiterzugeben. Die Uhrzeit ergibt sich übrigens daraus, dass um 18 Uhr die Wahllokale schließen, und die Wähler nicht 'in letzter Minute' beeinflußt werden sollen durch Prognosen zum Wahlausgang.“
Jetzt gibt's in Hessen ein Aktenzeichen zum Vorgang.
„Was macht die Demokratie aus? Daß wir eine mißliebige Regierung ohne Blutvergießen wieder loswerden können, so schrieb vor fast 65 Jahren Karl Popper. Und der Wahlakt, durch den sich die Willensäußerung des demokratischen Souveräns vollzieht, ist folglich ein bis ins letzte Detail reglementiertes Verfahren.“ Oder auch nicht. Die Wissenswerkstatt greift mein Thema auf.
Mit Schreiben vom 3. März teilt mir der Landeswahlleiter mit, daß er keine Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die BILD-Gruppe sähe.
Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.
Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.
Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).
(Foto: WDR/Herby Sachs)
Aber dann bestritten der hessische Landeswahlleiter ebenso wie die maßgeblichen Meinungsforschungsinstitute, daß irgendwelche Prognosen vor der Fernsehpräsentation durch Jörg Schönenborn (ARD) & Co um 18 Uhr weitergegeben werden würden.
Dabei ist das Spiel an jedem Wahlsonntag das gleiche, wie mir eine weitere Quelle aus Berliner Regierungskreisen bestätigte. Die ersten Prognose der Wahlnachfrage kursieren am frühen Nachmittag und es „sind die gleichen wie bei ARD/ZDF, in den Parteien selbst verteilt es sich teils im Schneeballsystem per SMS, einige Großkopferte haben's zuerst.“
Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen (ZDF), der immerhin als einer der wenigen meine Anfragen beantwortet, streitet das weiter vehement ab, räumt aber immerhin plötzlich ein, daß es durchaus den Tag über Gespräche mit Politikern gäbe und handverlesene Journalisten bereits um 17 Uhr vorab Zahlen erhielten:
Es könne nicht sein, „dass Ihnen bezüglich der Forschungsgruppe Wahlen verlässliche Information vorliegen, dass wir zu den angegebenen Zeiträumen Prognosen der Wahlnachfrage Politikern zukommen lassen.
Ich habe mich in der Vergangenheit auch schon gewundert, welche Zahlen da am Wahltag als Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen 'gehandelt' wurden. Da gibt es eine ganze Reihe von Leuten, die sich damit als angebliche Insider in den Vordergrund spielen wollen.
Das kann schon allein deshalb nicht sein, weil wir selbst bei uns einen ersten Einlauf von verlässlichen Daten ab 16:30 haben und diese haben selten etwas mit dem endgültigen Ergebnis zu tun.
Selbstverständlich gibt es auch im Laufe des Wahltags das ein oder andere Gespräch auch mit Politikern bei dem eine politische Einschätzung vorgenommen wird. Ganz sicher geht es dabei (in unserem eigenen Interesse) aber lediglich um eine qualitative und nicht um eine quantitative Bewertung.
Und es gibt auch gegen 17 Uhr an weniger als eine Handvoll Journalisten, mit denen wir eine langjährige Zusammenarbeit pflegen und wo wir sicher sein können, dass eine Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gewährleistet ist, eine qualitative Einschätzung des zu erwartenden Ergebnisses. Diese dienen aber nicht dazu, eine Prognose frühzeitig drucken zu können, sondern lediglich um sicherzustellen, dass der zu schreibende Kommentar etwas mit dem wirklichen Ergebnis zu tun hat.“
Updates: „An Wahlabenden gibt das ZDF vor 18.00 Uhr keinerlei Informationen, Prognosen, Umfragen oder Sonstiges heraus - wie Ihnen Frau Henrich-Dieler bereits mitgeteilt hatte. Dieselbe Auskunft hatten Sie ja auch von der Forschungsgruppe Wahlen erhalten“, schreibt mir Thomas Stange vom ZDF. Na ja, braucht das ZDF ja auch nicht, wenn – wie oben eingestanden – die exklusiv für die Mainzer tätige Forschungsgruppe Wahlen das macht. Andererseits habe ich das Gefühl, daß das ZDF auch nicht weiß, was die Forschungsgruppe mir gegenüber bereits eingeräumt hat. Auf diesen Widerspruch angesprochen, antwortet Thomas Stange schmalllippig: „Wir sprechen nur für das ZDF und nicht für Dritte“.
Und Jörg Schönenborn läßt mir durch eine Mitarbeiterin mitteilen, daß er gerne mit mir telefonieren würde.
Inzwischen hat auch die ARD reagiert. Dr. Joachim Görgen vom ARD-Referat der HA Intendanz beim SWR in Stuttgart schreibt: „Sie hatten bei der Pressestelle der ARD angefragt, ob die ARD ihre Prognose-Zahlen bei Wahlen anderen Medien vorab zur Verfügung stellt. Die Antwort ist ein klares 'Nein'. Die ARD arbeitet exklusiv mit Infratest Dimap in Berlin zusammen, so wie das ZDF mit der Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim. Zusammenarbeiten heißt: Die ARD hat mit dem privaten Unternehmen Infratest Dimap einen Vertrag über eine Dienstleistung und muss entsprechend auch dafür bezahlen. Deshalb können Sie davon ausgehen, dass die ARD kein Interesse haben kann, diese Zahlen vor 18 Uhr weiterzugeben. Die Uhrzeit ergibt sich übrigens daraus, dass um 18 Uhr die Wahllokale schließen, und die Wähler nicht 'in letzter Minute' beeinflußt werden sollen durch Prognosen zum Wahlausgang.“
Jetzt gibt's in Hessen ein Aktenzeichen zum Vorgang.
„Was macht die Demokratie aus? Daß wir eine mißliebige Regierung ohne Blutvergießen wieder loswerden können, so schrieb vor fast 65 Jahren Karl Popper. Und der Wahlakt, durch den sich die Willensäußerung des demokratischen Souveräns vollzieht, ist folglich ein bis ins letzte Detail reglementiertes Verfahren.“ Oder auch nicht. Die Wissenswerkstatt greift mein Thema auf.
Mit Schreiben vom 3. März teilt mir der Landeswahlleiter mit, daß er keine Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die BILD-Gruppe sähe.
Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.
Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.
Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).
(Foto: WDR/Herby Sachs)
Dienstag, 20. Januar 2009
Wahlastrologie
oder: Die 50.000-Euro-Frage
Sonntag war ein merkwürdiger Tag. Erst meldete bild.de bereits eine Viertelstunde vor Schließung der Wahllokale in Hessen die erste Wahlprognose (CDU 38 Prozent, SPD 22, FDP 17, Grüne 13, Linke 5). Dann erhielt ich gegen 19 Uhr im Münchner Akademieviertel die Fernausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ (geschätzte Andruckzeit: 17.15 Uhr) mit einem Aufmacher von Peter Fahrenholz: „FDP-Triumph sichert Koch die Macht“, ergänzt durch erste Zahlenprognosen einer „Wahlnachfrage“ – ohne jede Quellenangabe (CDU knapp 40 Prozent, FDP etwa 16 Prozent, SPD weniger als 25 Prozent, Grüne bei 13 Prozent, die Linken an der Fünf-Prozent-Hürde). Dabei gibt es - wie gesetzlich vorgeschrieben – die ersten Wahlprognosen offiziell nicht vor 18 Uhr (ARD etwa: CDU 37,5, SPD 23,5, FDP 16, Grüne 14, Linkspartei 5,1). Andererseits hat es solche vorzeitigen Zahlenergüsse immer wieder mal gegeben, wie der BILDblog minutiös schildert.
Heute war ein noch merkwürdigerer Tag. Denn bislang war ich davon ausgegangen, daß die beiden quasi hauptamtlichen Wahlforscher, die Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) und infratest dimap (ARD) vor der großen Verkündung bereits den Nachmittag über ausgewählte Journalisten und Politiker mit Zahlen versorgen, damit beispielsweise die Tageszeitungen unter Einhaltung einer Sperrfrist ihren Andruck schaffen. Energisches Dementi aber der Betroffenen.
„Die Prognosen, die das ZDF bei Wahlen um 18.00 Uhr veröffentlicht“, so Regina Henrich-Dieler „stehen nicht vorher fest und können daher auch nicht vorher an andere Medien weitergegeben werden. Sie werden punktgenau um 18.00 Uhr nach Schließung der Wahllokale errechnet und gesendet. Sollten wirklich Zeitungen vorher gedruckt werden und schon Zahlen enthalten, so können das keine Prognosen sein, sondern eventuell Umfrageergebnisse.“
In anderen Worten: Die Forschungsgruppe Wahlen stellt Matthias Jung zufolge „niemandem unsere um 18 Uhr gesendete Prognosen vor 18 Uhr zur Verfügung. Schon allein deshalb nicht, weil wir diese erst unmittelbar vor der Ausstrahlung fertig stellen, da wir noch so viel wie möglich unserer Interviews, die wir ja bis 17:45 erheben, darin berücksichtigen wollen.“
Dito bei infratest dimap fürs Erste: „Bei unserer Wahlberichterstattung, also auch der Prognose am Wahlabend, handelt es sich um eine exklusive Auftragsarbeit für die ARD und ihrer angeschlossenen Anstalten (auch den Hörfunk). Wir bedienen darüber hinaus am Wahltag keine anderen Medien und verweisen bei Anfragen immer auf die ARD. Die Tageszeitungen zitieren meines Wissens immer die Ergebnisse aus dem Fernsehen und verweisen dann auch schon auf eine der frühen Hochrechnungen“, so infratest-Sprecherin Irina Roth.
Nun würde es einen neugierigen Menschen wie mich schon interessieren, woher sonst die bereits deutlich vor 18 Uhr zirkulierenden Zahlen stammen, die eine „SZ“ dann nach 18 Uhr nahezu zeitgleich mit den so nicht mehr ganz exklusiven Fernsehanstalten auf ihrer frisch gedruckten Titelseite präsentiert – und es könnte für den Axel Springer Verlag sogar einen beträchtlichen Kostenfaktor ausmachen.
Denn hinsichtlich des Vorpreschens von bild.de betont der hessische Landeswahlleiter Wolfgang Hannappel auf meine Anfrage hin: „Ich gehe der Angelegenheit nach. Allerdings weise ich schon jetzt darauf hin, dass nach § 30 Abs. 2 LWG nur die Veröffentlichung von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe verboten sind. Derartige Wählerbefragungen werden nach meiner Kenntnis nur im Auftrag von ARD und ZDF durchgeführt und von diesen Anstalten exklusiv (erst-)veröffentlicht.“
Wenn bild.de also ihre vorzeitig veröffentlichte Prognose wie die erst nach der Sperrfrist erschienene „Süddeutsche Zeitung“ auf eine „Wahlnachfrage“ stützt, läge bei bild.de eine Ordnungswidrigkeit vor, die den Verlag bis zu 50.000 Euro Strafe kosten kann.
(Weder die BILD-Gruppe, nochdie „Süddeutsche Zeitung“ oder Peter Fahrenholz haben bislang auf meine schriftlichen Anfragen dazu reagiert. Updates: Ah ja, von der ARD und dem Hessischen Rundfunk stehen die Antworten auch noch aus. Habe inzwischen auch bei der ARD-Wahlikone Jörg Schönenborn nachgefragt sowie bei den im Bundestag vertretenen Parteien.)
Updates: Wie mir ein zuverlässiger Gewährsmann heute bestätigt hat, erhalten die im Bundestag vertretenen Parteien stets die aktuellen Trends und Prognosen der Wahlnachfrage gegen 15.30 Uhr. Und jeder der in der politischen oder Medienwelt etwas auf sich zählt, kennt diese Zahlen bis spätestens 16 Uhr, also Stunden vor Schließung der Wahllokale. Je nach Partei kommen diese Infos entweder von infratest dmap oder der Forschungsgruppe Wahlen. Womit sich die Frage stellt, wer wußte was wann und von wem. Fortsetzung folgt.
Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) räumt inzwischen ein, daß es durchaus den Wahltag über Gespräche mit Politikern gäbe und handverlesene Journalisten bereits um 17 Uhr vorab Zahlen erhielten.
Inzwischen gibt's in Hessen ein Aktenzeichen zum Vorgang.
„Was macht die Demokratie aus? Daß wir eine mißliebige Regierung ohne Blutvergießen wieder loswerden können, so schrieb vor fast 65 Jahren Karl Popper. Und der Wahlakt, durch den sich die Willensäußerung des demokratischen Souveräns vollzieht, ist folglich ein bis ins letzte Detail reglementiertes Verfahren.“ Oder auch nicht. Die Wissenswerkstatt greift mein Thema auf.
Mit Schreiben vom 3. März teilt mir der Landeswahlleiter mit, daß er keine Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die BILD-Gruppe sähe.
(Disclaimer: Das Foto zeigt keine hessischen, sondern Münchner Wahlurnen.)
Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.
Heute war ein noch merkwürdigerer Tag. Denn bislang war ich davon ausgegangen, daß die beiden quasi hauptamtlichen Wahlforscher, die Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) und infratest dimap (ARD) vor der großen Verkündung bereits den Nachmittag über ausgewählte Journalisten und Politiker mit Zahlen versorgen, damit beispielsweise die Tageszeitungen unter Einhaltung einer Sperrfrist ihren Andruck schaffen. Energisches Dementi aber der Betroffenen.
„Die Prognosen, die das ZDF bei Wahlen um 18.00 Uhr veröffentlicht“, so Regina Henrich-Dieler „stehen nicht vorher fest und können daher auch nicht vorher an andere Medien weitergegeben werden. Sie werden punktgenau um 18.00 Uhr nach Schließung der Wahllokale errechnet und gesendet. Sollten wirklich Zeitungen vorher gedruckt werden und schon Zahlen enthalten, so können das keine Prognosen sein, sondern eventuell Umfrageergebnisse.“
In anderen Worten: Die Forschungsgruppe Wahlen stellt Matthias Jung zufolge „niemandem unsere um 18 Uhr gesendete Prognosen vor 18 Uhr zur Verfügung. Schon allein deshalb nicht, weil wir diese erst unmittelbar vor der Ausstrahlung fertig stellen, da wir noch so viel wie möglich unserer Interviews, die wir ja bis 17:45 erheben, darin berücksichtigen wollen.“
Dito bei infratest dimap fürs Erste: „Bei unserer Wahlberichterstattung, also auch der Prognose am Wahlabend, handelt es sich um eine exklusive Auftragsarbeit für die ARD und ihrer angeschlossenen Anstalten (auch den Hörfunk). Wir bedienen darüber hinaus am Wahltag keine anderen Medien und verweisen bei Anfragen immer auf die ARD. Die Tageszeitungen zitieren meines Wissens immer die Ergebnisse aus dem Fernsehen und verweisen dann auch schon auf eine der frühen Hochrechnungen“, so infratest-Sprecherin Irina Roth.
Nun würde es einen neugierigen Menschen wie mich schon interessieren, woher sonst die bereits deutlich vor 18 Uhr zirkulierenden Zahlen stammen, die eine „SZ“ dann nach 18 Uhr nahezu zeitgleich mit den so nicht mehr ganz exklusiven Fernsehanstalten auf ihrer frisch gedruckten Titelseite präsentiert – und es könnte für den Axel Springer Verlag sogar einen beträchtlichen Kostenfaktor ausmachen.
Denn hinsichtlich des Vorpreschens von bild.de betont der hessische Landeswahlleiter Wolfgang Hannappel auf meine Anfrage hin: „Ich gehe der Angelegenheit nach. Allerdings weise ich schon jetzt darauf hin, dass nach § 30 Abs. 2 LWG nur die Veröffentlichung von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe verboten sind. Derartige Wählerbefragungen werden nach meiner Kenntnis nur im Auftrag von ARD und ZDF durchgeführt und von diesen Anstalten exklusiv (erst-)veröffentlicht.“
Wenn bild.de also ihre vorzeitig veröffentlichte Prognose wie die erst nach der Sperrfrist erschienene „Süddeutsche Zeitung“ auf eine „Wahlnachfrage“ stützt, läge bei bild.de eine Ordnungswidrigkeit vor, die den Verlag bis zu 50.000 Euro Strafe kosten kann.
(Weder die BILD-Gruppe, noch
Updates: Wie mir ein zuverlässiger Gewährsmann heute bestätigt hat, erhalten die im Bundestag vertretenen Parteien stets die aktuellen Trends und Prognosen der Wahlnachfrage gegen 15.30 Uhr. Und jeder der in der politischen oder Medienwelt etwas auf sich zählt, kennt diese Zahlen bis spätestens 16 Uhr, also Stunden vor Schließung der Wahllokale. Je nach Partei kommen diese Infos entweder von infratest dmap oder der Forschungsgruppe Wahlen. Womit sich die Frage stellt, wer wußte was wann und von wem. Fortsetzung folgt.
Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) räumt inzwischen ein, daß es durchaus den Wahltag über Gespräche mit Politikern gäbe und handverlesene Journalisten bereits um 17 Uhr vorab Zahlen erhielten.
Inzwischen gibt's in Hessen ein Aktenzeichen zum Vorgang.
„Was macht die Demokratie aus? Daß wir eine mißliebige Regierung ohne Blutvergießen wieder loswerden können, so schrieb vor fast 65 Jahren Karl Popper. Und der Wahlakt, durch den sich die Willensäußerung des demokratischen Souveräns vollzieht, ist folglich ein bis ins letzte Detail reglementiertes Verfahren.“ Oder auch nicht. Die Wissenswerkstatt greift mein Thema auf.
Mit Schreiben vom 3. März teilt mir der Landeswahlleiter mit, daß er keine Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die BILD-Gruppe sähe.
(Disclaimer: Das Foto zeigt keine hessischen, sondern Münchner Wahlurnen.)
Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.
Sonntag, 18. Januar 2009
Hessen-Wahl: bild.de prescht vor
Um 17.47 lief die erste Wahlprognose bereits bei bild.de über den Liveticker.
Updates:
BILDblog zum Thema.
Der hessische Landeswahlleiter Wolfgang Hannappel auf meine Anfrage hin: „Ich gehe der Angelegenheit nach. Allerdings weise ich schon jetzt darauf hin, dass nach § 30 Abs. 2 LWG nur die Veröffentlichung von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe verboten sind. Derartige Wählerbefragungen werden nach meiner Kenntnis nur im Auftrag von ARD und ZDF durchgeführt und von diesen Anstalten exklusiv (erst-)veröffentlicht.“
Jetzt gibt's in Hessen auch ein Aktenzeichen zu dem Vorgang.
Rätselraten um die Herkunft von Prognosen, die bild.de und der „Süddeutschen Zeitung“ bereits vor 18 Uhr zugänglich waren.
Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) räumt inzwischen ein, daß es durchaus den Wahltag über Gespräche mit Politikern gäbe und handverlesene Journalisten bereits um 17 Uhr vorab Zahlen erhielten.
„Was macht die Demokratie aus? Daß wir eine mißliebige Regierung ohne Blutvergießen wieder loswerden können, so schrieb vor fast 65 Jahren Karl Popper. Und der Wahlakt, durch den sich die Willensäußerung des demokratischen Souveräns vollzieht, ist folglich ein bis ins letzte Detail reglementiertes Verfahren.“ Oder auch nicht. Die Wissenswerkstatt greift mein Thema auf.
Mit Schreiben vom 3. März teilt mir der Landeswahlleiter mit, daß er keine Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die BILD-Gruppe sähe.
Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.
Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).
Gesetz über die Wahlen zum Landtag des Landes Hessen
(Landtagswahlgesetz - LWG -)
§ 30 Unzulässige Wahlpropaganda und Unterschriftensammlung, unzulässige Veröffentlichung von Wählerbefragungen
(2) Die Veröffentlichung von Ergebnissen von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe über den Inhalt der Wahlentscheidung ist vor Ablauf der Wahlzeit unzulässig.
§ 49 Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig handelt, wer (...) 3. entgegen § 30 Abs. 2 Ergebnisse von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe über den Inhalt der Wahlentscheidung vor Ablauf der Wahlzeit veröffentlicht.
(2) Die (...) Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 Nr. 2 und 3 kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.
(3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist (...) 3. bei Ordnungswidrigkeiten nach Abs. 1 Nr. 3 der Landeswahlleiter.
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