Wie Wolfgang Hannappel, der Landeswahlleiter für Hessen, mich diese Woche wissen ließ, sieht er keine Anhaltspunkte, die ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen bild.de rechtfertigen würden:
„§ 49 Abs. 1 Nr. 3 LWG bedroht als Ordnungswidrigkeit die vorzeitige Veröffentlichung nur von solchen Ergebnissen, die auf Wählerbefragungen beruhen, die nach der Stimmabgabe am Wahltag durchgeführt worden sind.
Derartige Befragungen finden in unmittelbarer Nähe zu den Wahllokalen – regelmäßig im selben Gebäude – statt, um Wählerinnen und Wähler im direkten zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Wahlteilnahme ansprechen zu können.
Diese so genannten Wählernachfragen sind von der Forschungsgruppe Wahlen und von Infratest dimap angekündigt um (sic) am 18. Januar 2009 in verschiedenen hessischen Wahlbezirken durchgeführt worden.
Beide Unternehmen haben mir auf Nachfrage berichtet, dass vor 18:00 Uhr weder Ergebnisse noch Zwischenstände an BILD oder BILD.de weitergegeben worden sind.
Die von BILD.de veröffentlichten Zahlen (...) stimmen darüber hinaus mit dem Zahlenwerk der beiden Institute bei keiner einzigen Partei überein.
Ich muss nach alledem davon ausgehen, dass es sich bei den in Rede stehenden Zahlen nicht um Ergebnisse aus einer Wählernachfrage handelt.“
Prognose BILD: CDU 38 Prozent, SPD 22, FDP 17, Grüne 13, Linke 5
ARD: CDU 37,5 Prozent, SPD 23,5, FDP 16, Grüne 14, Linke 5,1
ZDF: CDU 37,5 Prozent, SPD 23,5, FDP 17, Grüne 13,5, Linke 5
Nun versorgen aber sowohl die Forschungsgruppe Wahlen, als auch Infratest dimap den ganzen Tag über die politischen Parteien mit Zwischenständen der exit polls und ab 17 Uhr auch ausgewählte Kollegen mit den Prognosen, das heißt, es dürfte für die gut vernetzte BILD-Redaktion kein Problem gewesen sein, sich zumindest die Zwischenstände der Prognosen zu beschaffen, wenn sie sie tatsächlich nicht von den Instituten oder auftraggebenden Fernsehanstalten bekommen haben sollten. Wobei diese Zwischenstände von den endgültigen Prognosen um 18 Uhr sicherlich um die 0,1 bis 1,5 Prozentpunkte abgewichen sein können, die BILD daneben lag, was der Landeswahlleiter offenbar nicht bedenkt oder wohlweislich verschweigt.
Oder aber die BILD-Gruppe wäre jetzt auch von Amts wegen der Schwindelei überführt worden, da sie zusammenfabulierte Zahlen als „1. Prognose“ ausgegeben hätte...
Tobias Fröhlich von der BILD-Gruppe lehnt in dieser Angelegenheit weiterhin jede Stellungnahme ab.
Update: Verdächtige Tweets bei der Europawahl und im „Spiegel“ werden Bedenken hinsichtlich herausgetwitterter Exit-Polls bei den kommenden Bundestagswahlen geäußert.
Antonia Beckermann in der „Welt“ vom 24. August über die Angst der Politnomenklatur vor herausgetwitterten Exit Polls der Bundestagswahl 2009.
Beobachtungen vom 30. August anläßlich der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und dem Saarland sowie der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen (Spiegel Online: „Prognosen-Verrat: Wahlergebnisse sickerten vorab auf Twitter durch“).
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