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Montag, 2. Dezember 2024

Söder kokettiert mit einer Rückkehr zum Bayerischen Rundfunk

Wenn es schon mit dem zweiten Staatsexamen nicht geklappt hat und man kein Volljurist ist, bleibt immer noch die solide Ausbildung beim Bayerischen Rundfunk. Und so kokettierte Ministerpräsident Markus Söder diesen Herbst wiederholt mit der Möglichkeit, nach Ende seiner politischen Karriere als Redakteur zum BR zurückzukehren, wo er auch sein Volontariat abgeschlossen hatte.

Ob bei der Eröffnung der Medientage München (Foto) oder beim Festakt in Ingolstadt zum 75-jährigen Bestehen des Deutschen Journalisten-Verbands: Nahezu wortgleich erinnerte er an seinen Rückkehranspruch gegenüber dem Bayerischen Rundfunk.

„Ich war mal früher beim Bayerischen Rundfunk, also vor … Jahrhunderten. (…) Ich bin ein Kind des Öffentlich-Rechtlichen, ich habe volontiert beim Bayerischen Rundfunk. Deswegen ist meine Liebe auch unendlich groß. Es könnte theoretisch auch passieren, dass wenn Wählerinnen und Wähler anders entscheiden, dass ich dann wieder zurück müsste. Ich habe den damaligen Intendanten, Professor Scharf gefragt: Was würde man denn mit so einem wie mir machen, wenn er wieder zurückkommt? Er zog damals an der Pfeife, das war damals noch erlaubt, und sagte: Weit, weit weg. Ich wäre wahrscheinlich Korrespondent für die Mongolei und Kirgisistan geworden.“

Wobei unklar ist, ob es gegebenenfalls bereits so im Redemanuskript stand oder er sich frei improvisierend wiederholte. Die Staatskanzlei wollte dazu keine Auskunft geben.

Söders Rückkehranspruch regelt das Bayerische Abgeordnetengesetz in Artikel 2: Zum Schutz der freien Mandatsausübung ist unkündbar, wer – so wie Söder erstmals 1994 – in den Landtag gewählt wird. 

Und so bestätigt auch der Bayerische Rundfunk auf Nachfrage: „Sollte Markus Söder zurückkehren, wäre der BR gesetzlich verpflichtet, im Rahmen des dann aktuellen Stellenplans eine Möglichkeit zu finden – orientiert an seiner Position zum Zeitpunkt des Ausscheidens 1994 als festangestellter Redakteur. In den letzten 30 Jahren haben sich programmliche Anforderungen und redaktionelle Zuschnitte weiterentwickelt, die Modalitäten müssten entsprechend besprochen werden.“

Söder wäre übrigens nicht der erste prominente Rückkehrer. Ulrich Wilhelm zog es nach seinem Ende als Merkels Regierungssprecher auch zum Haussender zurück. Aber dann gleich als neuer Intendant. Der Volljurist und Absolvent der Deutschen Journalistenschule war aber zuvor nie Redakteur gewesen, sondern nur freier Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks

Mittwoch, 24. Juli 2024

Ups, wir haben den Regisseur vergessen – Franz Xaver Bogner und der Bayerische Rundfunk

Im Oktober schien noch alles bestens: Zur Premiere von Franz Xaver Bogners neuesten Serie „Himmel, Herrgott, Sakrament“ lud der Bayerische Rundfunk in den Rio Filmpalast, samt vorherigem Stehrumchen mit Schnittchen und Blubberwasser. Man wunderte sich höchstens, warum der Sender nicht das große Haus mit über 350 Plätzen angemietet hatte, sondern nur den kleinen Saal für knapp über 100 Gäste. Aber nun gut, das machte das ganze vielleicht ein klein bisschen exklusiver.

Seit dieser Woche wiederholt das Bayerische Fernsehen nun „Irgendwie und sowieso“ jeden Dienstag zur Prime Time um 20.15 Uhr in Doppelfolgen. Jene Kultserie, die Bogners Ruhm 1986 begründete und vom BR gern und häufig wiederholt wird, wie auch jede Menge Beiträge auf der Webseite des Senders belegen.

Zur aktuellen Ausstrahlung widmete man dem „Weißblauen Weltkulturerbe“ in der Online-Unternehmens-Chronik dennoch eine aktuelle Würdigung. »Irgendwie und Sowieso« ist eine Hommage an das Leben der 68er auf dem Land in Bayern. Es geht um Freundschaft, echte Liebe und Abschied nehmen, um Rebellion und die Sehnsucht nach Freiheit“, hieß es im Vorspann. Insgesamt ein Artikel mit über 3000 Zeichen zur „einzigartigen Mischung, die »Irgendwie und Sowieso« so legendär macht“. Die Handlung, die Schauspieler*innen, die Autos, die Musik, die Drehorte, die Fangemeinde. Moment mal, fehlt da nicht irgendetwas. oder vielmehr irgendwer?

Auf der ganzen Seite (Stand: 22.07.2024) wird kein einziges Mal der Regisseur und Schöpfer Franz Xaver Bogner erwähnt. „Das hat der Praktikant vergessen, ist leider heute so“, kommentierte jemand meine Beobachtung auf Facebook. Von wegen. Der Artikel stammt von einer Online-Redakteurin des Senders mit jahrzehntelanger Erfahrung.

Also kurz beim Sender nachgefragt, der recht überrascht schien. Denn die Wiederholung sei ausdrücklich zum 75. Geburtstag des Regisseurs heuer geplant worden. Aber „manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht“, so die Pressestelle. Und hat flugs nachbessern lassen.

Im Vorspann der heutigen Neufassung heißt es nun: „Kult, bayerisches Heiligtum – auch über 30 Jahre nach der Erstausstrahlung am 9. Oktober 1986 ist »Irgendwie und Sowieso« unvergessen. Wurde doch die Hippiezeit in der bayerischen Provinz noch nie so absurd komisch und liebenswert erzählt, wie in der BR-Serie von Franz Xaver Bogner. Ab 23. Juli gibt es im BR Fernsehen ein Wiedersehen.“ Auf eine Aktualisierung des Zeitstempels hat man verzichtet. Der steht immer noch auf vorgestern.

Donnerstag, 28. Juli 2016

Konkordanz tödlicher Beleidigungen (1): Sigmund Gottlieb

Der atmende Mikrofonständer
Tomas Avenarius über Sigmund Gottlieb in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 27. Juli 2016

Devot - so wie einst Sigmund Gottlieb, wenn er Edmund Stoiber interviewte
Franz Kotteder in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 29. oder 30. August 2012

Der Donald Trump des ARD-Brennpunkts
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 16. August 2015

Freitag, 22. Oktober 2010

Agora (2): Mercedes Riederer - beharrlich inmitten all des Bling-Blings und Ballyhoos

Am Mittwoch wurde Mercedes Riederer, Chefredakteurin des BR-Hörfunks und früher langjährige Leiterin der Deutschen Journalistenschule, im Literaturhaus mit dem Publizistikpreis der Landeshauptstadt München ausgezeichnet. In ihrer Dankesrede beteuerte Riederer, daß sie trotz der Auszeichnung ihres „Lebenswerkes“ noch lange nicht ans Aufhören dächte. Wieso das eine gute Nachricht ist, läßt Dagmar Reims hinreißende Laudatio ahnen. Reim, eine ehemalige Kollegin Riederers zu Christoph Lindenmeyers „Zündfunk“-Zeiten und gute Freundin, ist inzwischen Intendantin des RBB:

Dies ist vielleicht eine etwas unübliche Laudatio, weil ich kurz, knapp und einprägsam begründen will, warum der Publizistikpreis der Landeshauptstadt München in diesem Jahr 2010 an die Falsche geht. Insofern ist es bedauerlich, dass Sie, sehr verehrter Herr Dr. Küppers bereits Tatsachen geschaffen haben.

3 Punkte sprechen nämlich gegen Ihre Entscheidung:

1. Mercedes Riederer kommt für diesen Preis nicht in Frage, weil sie kein berstendes Ego ist. Die hier zahlreich versammelten Journalisten können bezeugen: Wer in unserer Branche nicht permanent die Ego-Bongo-Trommel rührt, geht unter. Wer wie Mercedes leise, aber beharrlich, seinen Weg geht, der kann gar nicht ankommen. Vier von mir zu Mercedes befragte Berufs- und Zeitgenossen gaben ihr unabhängig voneinander das Prädikat „uneitel“. Das geht gar nich’.

2. Mercedes Riederer ist eine ungeeignete Preisträgerin, weil sie andere in unserem Beruf für wichtiger hält als sich selbst. Sie sucht und findet Talente im Komposthaufen der Medien, angelt nach Begabungen im Brachwasser der Branche und entlässt manch’ unscheinbaren Stichling später als stolzen Koi-Karpfen aus ihrer Obhut. Sie braucht keine Selbst-Illumination in einer Szene des Talmi-Glanzes, voller Bling-Bling und Ballyhoo.

3. Mercedes Riederer kommt für den Publizistikpreis der Landeshauptstadt nicht in Frage, weil sie sich der Hebammenkunst verschrieben hat, der Mäeutik, und auf beharrliche, sehr geduldige Weise anderen zu den herrlichsten Ergebnissen verhilft, von denen diese bis anhin nicht einmal wussten, dass sie sie würden zustande bringen können.

Drei schlagende Beweise gegen die Auszeichnung. Ihnen allen noch einen schönen Abend. Noch ein kleines P.S., biografisch, das ich der einladenden Landeshauptstadt schulde, in die mich heute 578,31 Kilometer Weges führten.

Mercedes Riederer, unsere Preisträgerin, beschloss mit 14, Journalistin zu werden. Die Familie, konservativer, aber toleranter bayerischer Adel, fand das schräg, gleichwohl akzeptabel. Das Kind machte ein Praktikum beim Rottaler Anzeiger, einer allseits gefürchteten Journalisten-Talentschmiede und brillierte sowohl mit Reportagen über das Ende der Freibadsaison als auch über die Preisverleihung eines Lego-Bau-Wettbewerbs durch Inge Meisel. Weitere Praktika führten zum Sender Freies Berlin und zur Berliner Morgenpost. Dort flötete niemand: „Willkommen im Traumberuf!“ sondern Mercedes fand sich als Stellvertreterin des Stellvertreters des Zooberichterstatters im Lokalteil wieder. (Rolf Hochhuth hat einem anderen Stellvertreter ein literarisches Denkmal gesetzt, die Stellvertreterin des Stellvertreters bei Panda, Gorilla & Co, ist bis heute unbesungen.)

Da lief es als freie Mitarbeiterin im Jugendfunk des Bayerischen Rundfunks dann schon erheblich besser, wo man Mercedes die unter allen Freien verhassten Umfragen mit dem Mikrofon zutraute – vorzugsweise unter der weiblichen Landjugend. Als Mercedes Riederer 1978 eine feste Stelle bekam, warnte sie der Personalchef des BR: „Das ist Ihnen schon klar, dass sie so gut wie keine Entwicklungsmöglichkeiten haben. Nach dem Jugendfunk geht nur noch der Familienfunk oder der Kinderfunk.“ Mercedes wechselte alsbald in den Zeitfunk, den Oberpersonaler Lügen strafend, obwohl dort – wegen der vielen, vielen jungen Frauen hier im Saal muss ich es sagen – die Überzeugung herrschte, Frauenstimmen, zumal hellere, seien nicht seriös genug für die Vermittlung aktueller politischer Inhalte. Auch daran hat Mercedes sich nicht weiter gestört. Sie hat’s einfach gemacht.

1985 verließ sie den BR und fand ihre Passion in der Ausbildung. Hunderte von Journalistenschülern hat sie in der Deutschen Journalistenschule den steinigen, schwierigen, kurvenreichen Weg in unseren schönen Beruf geebnet. Sie hatte und hat einen unbestechlichen Blick dafür, wer was können könnte, wer mit wem ein tolles Team bilden, und wer als Solist seine Pirouetten drehen sollte. Noch nie hatte vor Mercedes eine Frau die ruhmreiche Deutsche Journalistenschule geleitet. Sie hat in schweren Zeiten das Ansehen der Institution gemehrt, Gelder beschafft, die Schüler geliebt.

2001 saß ein gewisser Thomas Gruber, Intendant des Bayerischen Rundfunks, mit zwei Männern (Namen auf Anfrage) auf seinem Balkon im Chiemgau, und es kam ihm die Idee, Mercedes Riederer zurückzuholen zum BR. Als Chefredakteurin. Muss ich sagen, selbstverständlich als erste Chefredakteurin in der damals dreiundfünfzigjährigen Geschichte des BR? Muss ich nicht. Muss ich sagen: Zur sehr gedämpften Freude mancher männlicher BR-Kollegen? Muss ich nicht. Jedenfalls beschreibt Thomas Gruber Mercedes als nachhaltig sanftmütig im Auftreten und sanftmütig nachhaltig im Handeln. Wer sich durch ihre großen Augen und deren so sanften Blick täuschen lässt und vermutet, dahinter könne sich weder Zähigkeit noch Durchsetzungskraft verbergen, der ist einfach selbst schuld. Mercedes beweist im nicht immer durchgängig intrigenfreien BR: Es geht ohne. Es geht ohne Intrige, ohne Über-Taktiererei, ohne politisches Kalkül, ohne kleinen Betrug und große Attitüde. Auch hier erkennt sie – wie an der Journalistenschule – Talente und fördert sie, bringt Menschen an die richtige Stelle, knüpft Netzwerke und scheut sich nicht, den ihr Anvertrauten auch unangenehme Botschaften zu übermitteln. Taktvoll, überaus diskret.

Und deswegen ist das, was uns heute zusammenführt, ein doppelter Anlass zum Feiern und zum Gratulieren. Und ein etwas längeres P.S. als es eigentlich werden sollte. „Wie kommen die denn ausgerechnet auf mich?“ hast Du, liebe Mercedes, gefragt, als Du von der Auszeichnung hörtest.
Schön, dass sie gerade auf dich gekommen sind. Gegen alle äußeren Anzeichen, gegen die ungeschriebenen Gesetze unserer Branche, haben sie die drei Thesen vom Anfang meiner kleinen Laudatio widerlegt. Herzlichen Glückwunsch, Landeshauptstadt, zu dieser Preisträgerin. Wir alle freuen uns mit Dir, liebe Mercedes!

(Foto: BR/Ralf Wilschewski)

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Die schöne neue Welt des Bayerischen Rundfunks

Wenn Ulrich Wilhelm am 1. Februar als Intendant des Bayerischen Rundfunk antritt, wird zumindest die Fernsehabteilung des BR nicht unbedingt mehr ganz dieselbe sein, sondern vielleicht großstädtischer, multikultureller, ja Berlinerischer.
Nicht daß die Münchner Programmdirektion nicht schon früher ihre Meriten mit „Türkisch für Anfänger“ im Ersten erworben hätte oder mit dem „Türkisch-bayerisch Kochen für Anfänger“ im III. Programm. Doch dieses Mal geht es um mehr als nur ein paar bunte Tupfer im Sendeplan, diesmal geht's ums Ganze. Um „EIN Fernsehprogramm für alle, bei jedem kulturellen Hintergrund, durch alle Genres, für jede Altersgruppe.“  Es geht um „Migranten/Migrantinnen in Deutschland und ihr Zugang zum deutschen Fernsehprogramm“, um das „Projekt einer Kundenbeteiligung“. Es geht um ein Zukunftsmodell für den Bayerischen Rundfunk.
Gerhard Engel, ehemaliger Präsident des Bayerischen Jugendrings und in dieser Funktion auch Rundfunkrat, hat von Andreas Bönte, dem Leiter des Programmbereichs Planung und Entwicklung, den Auftrag erhalten, diese Kundenbefragung durchzuführen. Und wer nun darauf wartet, daß die Ergebnisse dieser Studie der Öffentlichkeit präsentiert werden, kann lange warten, handelt es sich doch um eine interne Maßnahme zur Programmverbesserung.
Als der Münchner Ausländerbeirat diesen Montag aber im Rathaus über „Integration durch Medien“ diskutieren ließ, präsentierte Engel unter dem Fazit „Fernsehen kann und muß zur Integration von Zuwanderern beitragen“ in einem Impulsreferat einige Details seiner Zukunftswerkstatt. In Aschaffenburg, Bayreuth, Cham, Günzburg, München und Nürnberg setzte er sich mit jeweils ca. 60 Männer und Frauen aus 20 bis 30 Ländern zusammen. Im ersten Schritt sollten die Fernsehzuschauer das Programm bewerten, in einem Brainstorming dann entwerfen, wie ein Bayerisches Fernsehprogramm ihrer Wahl aussehen könnte und abschließend mit einem Vertreter der Fernsehdirektion über die tatsächliche Umsetzung diskutieren.
Während diese Peergroups die „Münchner Runde“ beispielsweise zu staatstragend fanden, gefielen die „Rundschau“, „Quer“ und „Dahoam is dahoam“. Letzteres wohl nicht uneingeschränkt, denn die Migranten können zwar deutsch, aber nicht unbedingt bayerisch. Deutsche Untertitel für dialektgefärbte Sendungen war daher ein Vorschlag beim Brainstorming.
Nicht nur Bayerisch kann zum Problem werden. „Ich mußte Englisch lernen, um das deutsche Fernsehen zu verstehen“, beklagte sich eine 58-Jährige aus Sibirien und ermunterte: „Pflegt die deutsche Sprache und Tradition. Heimat ist das Wertvollste, das es gibt.“ 
Sie solle positiv präsentiert werden, ob nun die deutsche (Wahl-)Heimat oder die Heimat, aus der man stammt, überhaupt wollten die Befragten ihre Lebenswirklichkeit als Menschen mit Migrationshintergrund grundsätzlich nicht nur problemorientiert präsentiert sehen. „Stellt Migranten auch positiv dar, zeigt diejenigen, die's geschafft haben, das Zusammenleben im Viertel, in den Vereinen“.
So registrierte Engel in den Gruppen eine starke Sehnsucht nach Harmonie, Normalität und Schönheit, nach „lockerem und fröhlichen“ Fernsehen. Klingt nach einer schönen neuen Welt, die dem Bayerischen Fernsehen aber längst alles andere als fremd ist.

(Foto: „Türkisch-bayerisch Kochen für Anfänger“, Megaherz/BR)

Dienstag, 31. März 2009

Wächter aus der Anonymität – Die Schlapphüte unter den Kollegen

Die „Süddeutsche Zeitung“ tut es, der WDR tut es, immer noch gibt es Redaktionen, die bei ihren Anrufen grundsätzlich ihre Rufnummer unterdrücken. Eine ins Inkognito verliebte Schlapphutmentalität, die mich immer wieder irritiert. Tun es doch sonst gemeinhin nur Callcenter, Drückerkolonnen und andere Unsympathen.
Diesen ist es zumindest zu Werbezwecken seit letzter Woche gesetzlich untersagt, wobei Telefonterroristen wie die GfK & Co sich sicherlich wieder darauf herausreden werden, daß es sich bei Ihren Cold calls gar nicht um Werbung handle, sondern um Meinungsforschung...
Doch warum greifen die Watchmen aus den Redaktionen immer noch zu diesem Mittel? Eine kleine repräsentative Umfrage unter den öffentlich-rechtlichen Kollegen bot bislang nur die Erkenntnis, daß von allen angeschriebenen Sendern nach drei Tagen noch kein einziger dazu Stellung nehmen wollte – in zwanzig Jahren journalistischer Arbeit mit den Kollegen eine Premiere. Sprechen die sich ab, stehe ich seit meinen Blogeinträgen zum Thema Wahlprognosen auf einer schwarzen Liste oder was?
Daher ganz 2.0-mäßig meine Bitte an die Leser: Welche Redaktionen, ob Print, Rundfunk oder Online kennt Ihr, die auch konsequente Rufnummernunterdrückung praktizieren?

Updates – während des Motzbloggens kam das erste Feedback:
„Beim Saarländischen Rundfunk sind die Rufnummern ausgehender Anrufen grundsätzlich unterdrückt; die Maßnahme dient dem Rechercheschutz unserer Journalisten.“

Finde nur ich das seltsam? Laut Pressekodex dürfen Journalisten eh nicht anonym auftreten, sondern müssen sich als solche zu erkennen geben. Außerdem besteht ja durchaus die Möglichkeit, in heiklen Fällen auf anonym zu schalten, aber grundsätzlich? Und was ist mit den anderen Abteilungen des Hauses?

Beim Bayerischen Rundfunk wird zum „Informantenschutz“ und zur „verdeckten Recherche“ wahlweise die Rufnummer unterdrückt:
„Im Bayerischen Rundfunk gibt es 2 Möglichkeiten die Rufnummer zu unterdrücken.
Variante 1
Bei dieser Variante ist die Rufnummernunterdrückung permanent (intern und extern)
Variante 2
Die Variante 2 haben alle Telefone im Bayerischen Rundfunk. Die Grundeinstellung ist Rufnummernunterdrückung aus, aber durch Vorwahl von Stern und Ziffer 2 wird beim nächsten Telefongespräch die Rufnummer unterdrückt.
Diese beiden Möglichkeiten gibt es im BR schon seit 6 Jahren und sind mit dem Personalrat abgesprochen.
Noch ein Hinweis zum Sicherheit
Bei Anrufen zu Notarzt oder Feuerwehr wird automatisch die Anrufunterdrückung aufgehoben.“


„Das ZDF liefert grundsätzlich bei ausgehenden Anrufen die Rufnummern mit. Die entsprechende TK-Anlage ist seit 1993 in Betrieb.“


„Der SWR zeigt die Rufnummern nicht an, einmal zum Schutz von Informaten bei Recherchen, zum anderen aus datenschutzrechtlichen Gründen. Es ist jedoch technisch möglich, einzelne Anrufe nach draußen mit der Rufnummernübertragung zu tätigen. Dies kann jeder Beschäftigte im Einzelfall selbst entscheiden.“

Ralph Kotsch vom RBB läßt mich wissen, daß der Sender keine Rufnummern unterdrückt und wirft mir – nachvollziehbar – mangelnde Seriosität vor, da ich schließlich den Pressestellen bis Mittwoch Zeit für ihre Antwort eingeräumt hätte. Stimmt, touché!

„Als Medienunternehmen ist der NDR verpflichtet, sensibel und achtsam mit personenbezogenen Daten umzugehen. Die heutige Technik ermöglicht, dass jede Person, die Zugang zu handelsüblichen Telefonen hat, geführte Telefonate anhand der gesendeten Rufnummern erfassen kann. Durch diese Anruflisten könnten zudem auch Dritte die geführten Gespräche nachvollziehen. Um das zu verhindern, hat der Norddeutsche Rundfunk seine Telekommunikationssysteme konsequent abgesichert, d. h. an den Schnittstellen ins öffentliche Netz hat der NDR die Übermittlung von abgehenden Rufnummern deaktiviert. Diese Maßnahme gilt sowohl dem Recherche- als auch dem Datenschutz.“

„Bei abgehenden Anrufen aus dem WDR werden die Nummern der WDR-Anschlüsse grundsätzlich unterdrückt. Dies geschieht zum Schutz von Informanten. Wie das aktuelle Beispiel der Deutschen Bahn zeigt, wo der Telefonverkehr von Tausenden Mitarbeitern aufgezeichnet wurde, ist eine Gefährdung von Informanten durch Anrufe nicht von der Hand zu weisen. Eine selektive Unterdrückung, etwa nur von Redaktionsnummern, ist technisch nicht möglich. An eine Änderung ist aktuell nicht gedacht. Unsere Praxis ist keinesfalls mit dem Vorgehen von Callcentern oder telefonischen Drückerkolonen zu vergleichen. Schließlich ist es unser Ziel, Informationen zu bekommen, ohne Informanten zu gefährden.“


„Aus rundfunkrechtlichen Gründen fühlt sich Radio Bremen dem Informantenschutz verpflichtet und überträgt keine Telefonnummern.“



(Foto: Watchmen – Die Wächter)

Donnerstag, 29. November 2007

Bavarian Open Space

„Dass die fünfte Bavarian Open in den recht geräumigen Studios des Bayerischen Rundfunks schon lange ausverkauft ist, zeigt, wie hochrangig das Festival wieder besetzt ist“, behauptet Dirk Wagner heute in der „Süddeutschen Zeitung“. Und ich dachte, es läge daran, daß aus feuerpolizeilichen Gründen die Zuschauerkapazität bereits letztes Jahr drastisch reduziert worden sei. Vergleichsweise leer und leblos ging es dann auch im Foyer zu.