Montag, 1. August 2011

Wochenplan

„Irgendwie und sowieso“ / Bayerisches Fernsehen, Pressevorführungen „Die Haut, in der ich wohne“, „Planet der Affen – Prevolution“ und „Valerie“, „Keep surfing“ / Bayerisches Fernsehen, Jongleursparade vom Olympiagelände zum Königsplatz

Facebook-Pages deutschsprachiger
Journalisten (August 2011 – Update)

Das Fernsehen berichtet nicht mehr nur über Facebook, es nutzt die Plattform auch immer häufiger selbst. So preist das ZDF seit heute seine „brandneue und offizielle Facebook-Seite an. Wobei es mit derzeit gerade mal 162 Fans beim Social Medien Ranking wohl kaum punkten kann: Die Erbsenzähler von Super-Fi und V.i.S.d.P. werten den Einfluß der Twitter- und Facebook-Auftritte institutioneller Medien wie einzelner Journalisten querbeet aus, was sicherlich interessante Vergleichsmöglichkeiten bietet.
Bei meinem Schwanzvergleich hier konzentriere ich mich dagegen weiterhin wie jeden Monatsersten auf die Journalisten persönlich zuzuordnenden Facebook-Auftritte samt ihrer aktuellen Followerzahlen. Für Bewegung sorgen hierbei vor allem Jobwechsel.
Claus Strunz hat mit dem Sprung von der Abendblatt-Chefredaktion ins Springer-Management seine Facebook-Seite offenbar gelöscht und damit über 1.500 Fans den Laufpaß gegeben. Bei Wolfram Weimer ist das noch nicht abzusehen, derzeit verharrt die Fanpage des geschaßten „Focus“-Chefredakteurs in einer Art Schockstarre. 
Schockieren wird wohl auch einige Leser, daß Oliver Pocher hier plötzlich auftaucht und wohl uneinholbar an der Spitze liegt. Na ja, zumindest so lange, wie sein Engagement als Bundesliga-Moderator bei Sky andauert. (Doch wer außer ihm hätte auch das nötige Rüstzeug, Sascha Lobo von der Spitze zu verdrängen?) Weiter außen vor bleiben in meiner Liste dagegen die institutionellen Seiten von Redaktionen, Blogs, Sendern oder Verlagshäusern.
Seiten von Kollegen, die ihre Seite offensichtlich selbst betreuen sind gefettet. Pages von Journalisten und anderen Mediengrößen, deren Auftritt offiziell wirkt, aber offensichtlich von Mitarbeitern, dem Arbeitgeber bzw. dem Agenten befüllt wird, sind in normaler Schrift aufgelistet. Inoffizielle, von Fans Angelegte in kursiv (selbst das Social Medien Ranking registriert beispielsweise Broders Facebook-Page, obwohl die offensichtlich von einem Fan geführt wird.)
Ein paar normale Facebook-Accounts („Personen“) nenne ich ganz unten auch, wenn sie offensichtlich über private Kontakte hinaus der beruflichen Vernetzung dienen, sie bleiben aber außer Wertung.
Neben Namen, Funktion, Medium und – der ständig schwankenden – Anzahl der Follower registriere ich auch gegebenenfalls, unter welchem Rubrum („Person des öffentlichen Lebens“, „Chef“, „Monarch“, „Autor“, „Journalist“, „Regierungsbeamter“...) die Seite jeweils eingeordnet wurde.
Veränderungen gegenüber dem Vormonat kann man den Klammern hinter dem Rangplatz und/oder der Followerzahl entnehmen. Für Korrekturen und Neuvorschläge beziehungsweise Hinweise auf fehlende Kollegen bin ich jederzeit dankbar.

  1. Oliver Pocher, Regierungsbeamter (Sky-Fußballmoderator), gefällt 356.184 Personen (neu)
  2. Sascha Lobo (↓, im Vormonat Platz 1),  Autor (Spiegel-Online-Kolumnist), gefällt 9.057 Personen (↑, gefiel im Vormonat 8.464 Personen)
  3. Karim El-Gawhary (↓, 2), Journalist (freier Nahost-Korrespondent), gefällt 7.319 Personen (↑, 6.573 Personen)
  4. Henryk M. Broder (, 3), Person des öffentlichen Lebens (Pauschalist „Die Welt“), gefällt 5.846 Personen (↑, 5.718)
  5. Cherno Jobatey (↓, 4), Person des öffentlichen Lebens (Moderator ZDF-Morgenmagazin), gefällt 5.698 Personen (↑, 5.686 Follower)
  6. Franz Josef Wagner (, 5), Unternehmen („Bild“-Kolumnist), „Post von Wagner“ gefällt 5.106  (↑, 4.781), eine weitere Page als Autor 323 (↑, 293) Personen
  7. Armin Wolf (↓, 6), Person des öffentlichen Lebens (Moderator ORF2, 3sat), gefällt 4.801 Personen (↑, 4.656
  8. Katrin Bauerfeind, Person des öffentlichen Lebens (Fernsehmoderatorin), gefällt 4.034 Personen (neu) 
  9. Steffen Hallaschka, Journalist (stern TV), gefällt 3.792 Personen (neu)
  10. Annik Rubens (↓, 7), Journalistin (Podcast „Schlaflos in München“, freie Journalistin), gefällt 3.516 Personen (↑, 3.492)
  11. Wolfram Weimer (↓, 9), anfangs: Autor, jetzt als: Journalist (freier Journalist), gefällt 3.104 Personen (↑, 2.622
  12. Marcel-Reich-Ranicki (↓, 8), Person des öffentlichen Lebens (Literaturkritiker), gefällt 2.841 Personen (↑, 2.812)
  13. Marco Schreyl (↓, 10), Person des öffentlichen Lebens (hr1, RTL), gefällt 2.607 Personen (↑, 2.552)
  14. Jens Hardeland, Monarch (Radiomoderator N-JOY), gefällt 2.404 Personen (neu), 2.311)
  15. Marietta Slomka (↓, 12), Journalistin („heute-journal“), gefällt 2.372 Personen (↑, 2.310)
  16. Silke Burmester (↓, 11), Journalistin („taz“-Kolumnistin), gefällt 2.303 Personen (
  17. Bastian Sick (↓, 13), Autor („Spiegel“-Kolumnist), gefällt 2.207 Personen (↑, 2.100) 
  18. Alice Schwarzer (↓, 14), Autor (Chefredakteurin „Emma“), gefällt 2.066 Personen (↑, 1.920)
  19. Richard Gutjahr (↓, 15), Person des öffentlichen Lebens (Moderator Bayerisches Fernsehen, Kolumnist „Die Abendzeitung“), gefällt 1.945 Personen (↑, 1.820)
  20. Oliver Bendt (↓, 17), Journalist (Journalist, Sportkommentator, Moderator), gefällt 1.362 Personen (, 1.320)
  21. Harald Martenstein (↓, 19), Autor (Kolumnist „Die Zeit“, Autor „Der Tagesspiegel“) gefällt 1.294 Personen (↑, 1.191)
  22. Michel Friedman (↓, 18), Person des öffentlichen Lebens (Publizist, Moderator), gefällt 1.239 Personen (, 1.226)
  23. Stefan Niggemeier (↓, 20), Webseite (Autor „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“), gefällt 1.209 Personen (↑, 1.074)
  24. Kai Diekmann (↓, 21), Autor (Chefredakteur „Bild“) gefällt 853 Personen (↑, 847)
  25. Günther Jauch (↓, 23), Person des öffentlichen Lebens (Moderator), gefällt 828 Personen (, 670)
  26. Claus Kleber (↓, 22), Person des öffentlichen Lebens (Erster Moderator „heute journal“), gefällt 746 Personen (↑, 739) 
  27. Frank Plasberg (↓, 24), Unternehmen („hart, aber fair“), gefällt 720 Personen (↑, 698)
  28. Klaus Bardenhagen (↓, 26), Journalist (freier Südostasien-Korrespondent), gefällt 658 Personen (↑, 613)
  29. Hubert Burda (↓, 25), Person des öffentlichen Lebens (Hubert Burda Media), gefällt 642 Personen (↑, 627)
  30. Matthias Matting, Journalist („Focus“-Redaktion), gefällt 621 Personen (neu)
  31. Ulrike Zeitlinger (, 27), Journalistin (Chefredakteurin „freundin“, „freundin Wellfit“ und „freundinDONNA“ sowie Redaktionsdirektorin „burda style“), gefällt 598 Personen (↑, 561)
  32. Andreas Koller (↓, 28), Journalist (stellvertrender Chefredakteur „Salzburger Nachrichten“), gefällt 441 Personen (↑, 426)
  33. Holger Schmidt (↓, 29), Journalist (Netzökonom „F.A.Z.“, wechselt Ende des Jahres als Chefkorrespondent Internet & Wirtschaft zu „Focus“), gefällt 417 Personen (↑, 403)
  34. Else Buschheuer (↓, 30), Schriftstellerin (freie Journalistin), gefällt 405 Personen (↑, 393)
  35. Tom Buhrow (↓, 31), (Moderator „Tagesthemen“), gefällt 245 Personen (↑, 240) 
  36. Dagmar Bily (, 32), Journalistin (Chefredakteurin „burda style“), gefällt 233 Personen (↑, 198)
  37. Daniel Fiene (↓, 33), Journalist (Antenne Düsseldorf, Was mit Medien, Sendung mit dem Internet, DRadio Wissen Online-Talk), gefällt 212 Personen (↑, 186) 
  38. Jessica Kastrop, Journalistin (Sky-Fußballmoderatorin), gefällt 203 Personen (neu)
  39. Benjamin von Stuckrad-Barre (↓, 34), Schriftsteller (freier Journalist), gefällt 194 Personen (↑, 183)
  40. Frank Schirrmacher (↓, 35), Autor (Herausgeber „F.A.Z.“), gefällt 193 Personen (↑, 178)
  41. Giovanni di Lorenzo (↓, 36), Person des öffentlichen Lebens (Chefredakteur „Die Zeit“), gefällt 131 Personen (↑,  106)
  42. Heribert Prantl (↓, 37), Person des öffentlichen Lebens (Mitglied der Chefredaktion „Süddeutsche Zeitung“), gefällt 118 Personen  (↑, 105)
  43. Petra Gerster (↓, 38), Person des öffentlichen Lebens (Studioredakteurin „heute“), gefällt 108 Personen (↑, 91)
  44. Hans Leyendecker (↓, 39), Autor (Ressortleiter Investigative Recherche „Süddeutsche Zeitung“), gefällt 77 Personen (↑, 67)
  45. Helmut Markwort (↓, 40), Interesse (Herausgeber „Focus“), gefällt 60 Personen (↑, 53)
  46. Jürg Vollmer (↓, 41), Journalist (maiak), gefällt 42 Personen (42)
    Robert Iwanetz
    (↓, 42),
    Journalist (freier Journalist), gefällt 42 Personen (↑, 39)
  47. Katrin Schuster (↓, 43), Journalistin (freie Journalistin), gefällt 39 Personen (↑, 28)
  48. Dorin Popa (↓, 44), Journalist, gefällt 17 Personen (↑, 14)

Profilseiten (ohne Wertung, in alphabetischer Reihenfolge)

Samstag, 16. Juli 2011

Wochenplan

Oktoberfestaufbau, Sonderauktion Vintage-Mode & -Accessoires / Neumeister, Tagung „Tsunami und Super-GAU – Für Kinder berichten: Konzepte aus Forschung und Praxis“ / BR, Pressevorführungen „Plötzlich Star – Monte Carlo“, „Green Lantern“, „Nach der Stille“ und „Fenster zum Sommer“, Foto-Op „München 7“ / Viktualienmarkt, Opening Das Provisorium - Kunstbar & Lesesaal / Lindwurmstraße 37, Schau x 6 der Meisterschule für Mode mit Burda Style Award / BMW-Museum, Komm küssen: 10 Jahre jetzt.de! / Import Export, Nadaville-Lesung „Haute Cuisine für arme Schlucker“ / Gasteig

Freitag, 15. Juli 2011

Stars auf Speed: „Spun“ von Jonas Åkerlund

Das Leben ist viel zu kurz, um es auch nur stundenweise besinnungslos zu verpennen, und viel zu aufregend mit seinen eiskalten, vor Kondenswasser glitzernden Sixpacks, den bebenden Brüsten der Tabledance-Girls, den Fleischorgien im Catcherkanal, dem kunterbunten Blickficksortiment der Erwachsenenvideothek und den kalifornischen Boulevards der Dämmerung, die nicht nur all diese Delikatessen miteinander verbinden, sondern – der Weg ist das Ziel! – Passionswege für den jungen Ross (Jason Schwartzman) sind, der gerade vom schicken College geflogen und von seiner noch schickeren großen Liebe verlassen worden ist, was aber nicht weiter tragisch ist, so lange die Dröhnung stimmt und Ross' Volvo weiter rollt auf seiner Reise in das Reich jenseits des globalen Gucci-Faschismus und MTV-Glamouramas, mitten hinein in L.A.'s Schattenwelt des White Trash, wo Menschen noch Pickel haben, Sex nach Schweiß riecht und Helden von Mickey Rourke verkörpert werden, dessen Gesicht aussieht, als ob es von der US-Army befreit worden wäre, und dessen Stimme zerschmiergelt ist von zu vielen schlechten Drehbuchtexten, die Rourke hier aber alle vergessen macht in seiner Traumrolle eines modernen Cowboys, des kriminellen The Cook, der in der improvisierten Drogenküche eines Motelzimmers den Stoff produziert, aus dem in „Spun“ die Träume sind, pure Energie zum Schnupfen, Rauchen, Trinken oder Spritzen, ein aus Asthma-Mitteln, Batteriesäure und rotem Phosphor zusammengemantschter, fahrlässig leicht entflammbarer Speed, der ihm und den Junkies nicht etwa nur gelegentlich einmal eine wache Nacht schenkt, sondern tagelange Marathon-Ekstase, zügellose Dauer-Power, so dass sogar die Bullen sich eine Dosis dieser Weckamine reinziehen, bevor sie bei einer Drogen-Razzia, natürlich live auf Sendung des örtlichen Reality-Soap-Kanals, den nächsten Wohnwagen stürmen, während der Zuschauer schon nicht mehr weiß, ob er dem rastlosen wie urkomischen Methamphetamin-Universum von Spider Mike (John Leguizamo), Frisbee (Patrick Fugit), Cookie (Mena Suvari), Nikki (Brittany Murphy), The Man (Eric Roberts) und dem Cop (Alexis Arquette) erst einen oder schon vier Tage beim Dealen, Flirten, Schnüffeln, Streiten, Vögeln, Autofahren, kurzum: beim Leben ohne Pause zusieht, denn lebendig sind sie, bei aller Dauerberieselung aus Videospielen, Pornocassetten und Wrestling-Sendungen, trotz des Aufgeilens an Strip-, Porno- und Telefonsexnummern, so spitz, nervös, zügellos und hochtourig lebenshungrig, dass man einen kurzen Lidschlag lang fürchtet, der mit seinen Madonna-Videoclips („Ray of Light“, „Music“, „American Life“) berühmt gewordene schwedische Regisseur Jonas Åkerlund wäre nicht nur ein begabter Zyniker, sondern würde sich vielleicht bei seinem Spielfilmdebüt auf Kosten dieser amerikanischen Vorstadthelden lustig machen wollen und den – wirklich nicht nur sprichwörtlichen – Blick auf die Scheiße dieser Underdogs nicht ehrlich meinen, doch was wäre das schon im Vergleich zu Mena Suvaris („American Beauty“) und Brittany Murphys („8 Mile“) verlogener Star-Existenz in Hochglanzillustrierten wie „InStyle“, während die beiden Schauspielerinnen in Åkerlunds wahnwitzigem Drogenspektakel immerhin mit sehr viel Mut einem ungeschminkten, anarchistischen Trash huldigen, und den wahren Tugenden einer Welt, in der die Wohnungen winzig klein und ungestylt sein mögen, so lange die Betten nur breit genug sind, einer Welt, in der ein alter Volvo vielleicht kackbraun und verrostet ist, aber dennoch mit jedem Detail seiner Karrosserie und seines Motors die Freiheit und Freude beim Fahren symbolisiert, einer Welt, in der ein treuer Freund mit der nötigen Kaution bereit steht, wenn dich die Bullen erwischt haben, einer Welt, in der Mickey Rourke eine flammende Rede hält, wie man als Patriot der Pussy zu dienen hat, und Debbie Harry der einzige Kerl ist, der mit Rourke mithalten kann, eine Welt, die wie in allen guten Geschichten letztendlich kein Happy-end kennen darf, weil dem klassischen „Boy Meets Girl“ zwar ein zarter Flirt folgt, der unausweichlichen Verhaftung die Freilassung, dem sadistischen Scheißfreund eine coole Freundin, aber keine Droge alle bösen Erinnerungen und jedwelche Angst auslöschen kann, weshalb letztendlich vielleicht die Flucht in den rettenden Schlaf bleibt oder der Mut zum großen Finale.

Diese Filmkritik erschien zuerst im „In München“ 17/2003.

Sonntag, 10. Juli 2011

Wochenplan

Pressevorführungen „Die Lincoln-Verschwörung“ und „El Bulli – Cooking in Progress“, P1-Sommerfest: Le cirque du soir, Vernissage Donald Judd – A good chair is a good chair / Pinakothek der Moderne,  „Spun – Leben im Rausch“ / 3sat, Jahresausstellung der Akademie der bildenden Künste, Doris Dörries „Ob's stürmt oder schneit“ / Filmmuseum, Kocherlball / Chinesischer Turm

Die Abendzeitung auf der Fashion Week Berlin: Weder schauen, noch lesen können?

Manche Fehler sind so blöd, daß ich mich nicht einmal mehr darüber aufregen kann, sondern den Lapsus nur der Vollständigkeit halber dokumentiere: „Hübsche Beine: Bei der Escada-Show saßen nur Frauen in der ersten Reihe“ schreibt die Münchner „Abendzeitung“ am Freitag in einer Bildunterschrift zur Fashion Week Berlin, während man auf dem ersten Blick gleich zwei Männer auf dem dazugehörigen Foto in eben dieser ersten Reihe entdecken kann. Und im dazugehörigen Artikel eine Handbreit unter der delirierenden Bildunterschrift sogar noch ausdrücklich erklärt bekommt: „In der ersten Reihe thronte neben Model und It-Girl Poppy Delevigne (sie trug natürlich Escada) auch der britische Musikproduzent Mark Ronson mit seiner Verlobten Josephine de la Baume.“

Sonntag, 3. Juli 2011

Wochenplan

Pinkie „Männerherzen...und die ganz, ganz große Liebe“, Isarfunk Elektrotaxilaunch, B&B Super Nights, Bread & Butter Berlin, Anton Unai / Circleculture Gallery, Facebook-Party mit Sigmar Gabriel / BASE_camp, Asandri Fashionshow / Kosmos Berlin, Jubelkranz und Freudentanz – 10 Jahre Blutsgeschwister / , Mauersegler, VICE Party – Esther Perbandt / Bechsteinhaus, Dolomite for Rangdum / BBB, Rebekka Ruétz: The 4 Rings of Revelation. Chapter III – The Virgin / Fashion Week Berlin Studio, Patrick Mohr SS 2012 / Fashion Week Berlin, Perret Schaad Show / Fashion Week Berlin, Pressevorführung „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2“, Jahrestreffen der jungen Verlagsmenschen /Random House

Samstag, 2. Juli 2011

Puschel auf Reisen (10): Tutzing

Wenn Sehnsucht bis unter die Haut geht: „Tattoo“

Willkommen in der Berliner Republik: Die Politiker inszenieren sich als Schmierentheater, die Jeunesse Dorée stellt den Glamourrausch der achtziger Jahre nach, und zugewanderte Provinzjournalisten zelebrieren sich als Kosmopoliten. Niemand ist, was er scheint, alle wollen es nur kräftig glitzern lassen und hoffen inbrünstig, ohne Kater aufzuwachen, wenn die Party einmal vorbei ist. Eine Stadt als Opernball.
Die Kehrseite Berlins, zwischen Investitionsruinen und Plattenbauten, Stadtautobahn und Gammelgärten will kaum einer sehen, und so wie sie Regisseur Robert Schwentke stilsicher und klischeefrei skizziert, hat auch noch keiner dieses Berlin gesehen, das die schwärende Wunde einer Welt von Beziehungskrüppeln ist. Gleich einer Generation von Großstadtzombies streifen sie durch die Stadt, jeder auf der Suche, auf der Lauer, mal des einen Jäger und nur einen Herzschlag später des anderen Opfer. Berlin brennt, aber es ist nicht etwa das Aufglimmen von Herzen und Verstand, sondern eine tödliche Spur aus Wundbrand und Feuerbällen. 
Biografien und Berufe spielen keine Rolle mehr, Identität entsteht aus extremer Verweigerung oder in der noch radikaleren Body Modification: Blech im Gesicht, Farbe bis unter die Haut und – im wahrsten Sinne des Wortes – gespaltene Zungen sind ein Profil des 21. Jahrhunderts.
Der junge Marc (August Diehl) hat sich für die schmerzfreie Verweigerung entschieden, für blasse Ausdruckslosigkeit. Jede Menge Party, ein bißchen Ecstasy, und bloß kein Stress bei der Arbeit:  Viel mehr erwartet er sich nicht vom Leben, und seinen ruhigen Job als Nachwuchskriminaler verrichtet er mit dem gleichen Desinteresse wie die regelmäßigen Ausflüge ins Berliner Nachtleben.
Um ihn herum tobt der Totentanz, ein Serienkiller hinterläßt auf der Jagd nach seltenen Tattoos eine blutige Spur, doch Marcs Lethargie wäre ungebrochen, wenn ihn nicht ein älterer Kollege bei einem Drogenrave ertappen würde. Hauptkommissar Minks (Christian Redl) braucht den Jungen als Szenescout und nötigt ihn zum Wechsel in die unappetitlichen Abgründe der Mordkommission, wo sich Marc Schrader (!) aus seinem Kokon befreit und als Wiedergänger jener Großstadtinfernos entpuppt, die Kultautor Paul Schrader („Yakuza“, „Taxi Driver“) einst geschaffen hat. Natürlich kann Schwentke, der auch das Drehbuch schrieb, seine Fernsehvergangenheit („Tatort“) nicht völlig verleugnen, selbstverständlich ist Berlin nicht New York, und Christian Redl kein Robert Mitchum, aber seit Jörg Fausers Büchern habe ich nicht mehr so eine atemberaubende Partitur vom Abstieg in das Leben namens Hölle aus deutscher Hand durchexerziert bekommen.
Der Tod bliebe in diesem düsteren Thriller immer der Sieger, wenn ihm nicht Nadeshda Brennicke eindrucksvoll den Rang ablaufen würde.  Nachdem das blonde Gift bereits auf Pro Sieben „In den Straßen von Berlin“ eine Talentprobe gab und vielen kleinen Low-Budget-Filmen ihren Akzent aufsetzte, brilliert sie in „Tattoo“ mit einer unterkühlten Lässigkeit und rasierklingenscharfen Lüsternheit, daß die Frage nach ihrer moralischen Bewertung, nach Gut oder Böse zu vernachlässigen wäre. Sollte die von ihr gespielte Galeristin zu den Guten zählen, trüge die Sünde einen Heiligenschein. Wenn sie das Böse verkörpert, säßen wir alle dennoch sklavisch zu ihren Füßen. Selbst diese Frage wird letztendlich geklärt, so wie uns der Regisseur auf unserer gemeinsamen Reise in die Leichenkeller der Republik auch sonst kein Detail erspart.
Aber man sollte lieber einmal ein Auge zudrücken als wegen einiger unappetitlicher Szenen dieses glitzernde Kleinod verpassen. Denn was hier glänzt, ist ein verdammt ehrlicher Blick auf das autistische Tollhaus namens moderner Zivilisation.

Diese Filmkritik erschien zuerst im „In München“ 8/2002.