Sonntag, 9. September 2018

Oiss Amigos: Christian Waggershauser, Dirk Ippen und zuweilen verschwiegene Besitzverhältnisse (Update)

Die Panama Papers in allen Ehren, aber wer sich für die Besitzverhältnisse ordentlicher deutscher Unternehmen interessiert, dem genügen meist wenige Klicks im Gemeinsamen Registerportal der Länder. Oder, wenn man sich die 4 Euro 50 für die Online-Auskunft sparen will, ein Gang zum zuständigen Registergericht. In München beispielsweise in der Infanteriestraße.
Darüberhinaus sehen manche Landespressegesetze bei Zeitungen und Zeitschriften durchaus vor, dass deren Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse regelmäßig im Impressum zu veröffentlichen sind, weil man offensichtlich nicht ganz zu Unrecht der Meinung ist, dass es eine Rolle spielen könne, wer im Verlag das Sagen hat und letztendlich die Journalisten für ihre Recherchen, Faktenaufbereitung oder Meinung bezahlt.
Als man 2010 in Hessen die Einführung solch einer Vorschrift diskutierte, schrieb die „Frankfurter Rundschau“: „Die Landesregierung begründete die geplante Änderung mit der stark gestiegenen Konzentration im Zeitungsmarkt. Ohne Offenlegung der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse könnten Leser nicht einschätzen, was freie Berichterstattung und was ,in der Berichterstattung versteckte gestaltende Politik' sei.“ Die Presse ist eben ein Tendenzbetrieb.
So entstand der § 5 des Hessischen Gesetzes über Freiheit und Recht der Presse (HPresseG). In Bayern entspricht ihm Art. 8 (3) des Bayerischen Pressegesetzes (BayPrG). Schließlich gibt es hier etwa dank Dirk Ippens Münchner Zeitungs-Verlag durchaus auch Konzentrationsentwicklungen.
Mit solchen Vorschriften kann man nun spielerisch umgehen, schließlich handelt es sich nur um Kleingedrucktes. Beim „Münchner Buch-Magazin“ Anfang der achtziger Jahre etwa stand im Redaktionskeller ein Flipper, auf dem Kurt Nane Jürgensen und ich regelmäßig um unsere Anteile an dem Blatt zockten und etwaige Veränderungen dann eben in der nächstmöglichen Ausgabe veröffentlichten.
Man kann diese Pflichtmitteilung aber auch über mehrere Jahre „schlichtwegs vergessen“, wie Stefan Kukuk, Geschäftsführer der InMagazin Verlags GmbH (Amtsgericht München HRB 82409), unumwunden und durchaus schuldbewußt zugibt. Kukuk, der als ehemaliger Verlagsleiter Süd des Jahreszeiten Verlags „das Geschäft aus dem EffEff kennt“ („kress“), kann nicht einmal sagen, wann man zuletzt wie vorgeschrieben die Eigentümerverhältnisse veröffentlicht hätte. Mein flüchtiger Check der Impressen im ePaper ergaben etwa für die Zeit von 2014 bis einschließlich 2018 offensichtlich keinerlei Angaben zu den jeweils aktuellen Eigentumsverhältnissen. (Das Online-Archiv setzt erst mit Heft 5/2013 ein.)
Aber warum sollte man sich überhaupt für die Eigentümer eines kostenlos verteilten Programm-Magazins interessieren? Selbst wenn es sich selbst im Titellogo als „Das Stadtmagazin“ bezeichnet, durchaus auch lesenswerte Beiträge renommierter Journalisten wie Gebhard Hölzl, Luitgard Koch, Margret Köhler, Ssirus W. Pakzad oder Michael Sailer veröffentlicht und immerhin eine in München verbreitete Auflage von 74.166 Exemplaren laut IVW hat.
Nun steht in der aktuellen Ausgabe 17/2018 ein etwas aus der Reihe fallendes „Ortsgespräch“. Wie immer geführt von Rupert Sommer, der sonst als Münchner Korrespondent des Branchendienstes „kress“ (von ihm stammt obenstehendes Zitat über Kukuk) oder freier Mitarbeiter diverser Redaktionen wie etwa auch der „Abendzeitung“, gerade als Medienjournalist renommiert ist.
Dieses Mal interviewt Sommer im „In München“ anläßlich des 25-jährigen Jubiläums des Muffatwerks dessen beiden Geschäftsführer: Dietmar Lupfer und…Christian Waggershauser. Letzterer ist neben seinen Meriten als Betreiber des Kulturzentrums auch sonst recht umtriebig gewesen, ob bei den Grünen, dem TSV 1860 oder…, da war doch einmal was: eben auch bei der In Magazin Verlags GmbH. Dort erwarb er vor mehreren Jahrzehnten, als ich dort noch redaktionell tätig war, 12,5 Prozent der Verlagsanteile.

Aber ist das überhaupt noch aktuell? Also sicherheitshalber bei Kukuk nachgefragt, der prompt antwortet:

„Seit 2011 ist die Gesellschafterstruktur unverändert wie folgt:
25% Münchner Zeitungs-Verlag GmbH & Co.KG

25% Stefan Brunner, Rentner
25% Heidemarie Jefimov, Rentnerin, am 24.7.2018 verstorben (Update: die Anteile hält jetzt laut Impressum der Ausgabe 1/2019 vom 10. Januar 2019 Brigitte Strobel-Shaw, Wien)
12,5% Christian Waggershauser, Kaufmann
12,5% Paul Schmidt, Kaufmann“

Waggershauser zählt also unverändert zu den Eigentümern. Ohne dass es Rupert Sommer oder der presserechtlich verantwortliche Kukuk für notwendig befunden hätten, vielleicht in einem Disclaimer oder im Teaser kurz darauf hinzuweisen, dass hier dann eben ein Journalist über anderthalb Seiten quasi seinen Verleger interviewt. Letztendlich vielleicht nur eine Frage des guten Geschmacks und des Berufsethos.

Die über Jahre nicht veröffentlichten Inhaber- oder Besitzverhältnisse dagegen, nach denen ich ohne dieses anrüchige Interview nie gesucht hätte, stellen eine Ordnungswidrigkeit nach Art. 13 BayPrG dar. Zuständig für eine mögliche Ahndung wäre laut Zuständigkeitsverordnung (ZustV) vom 16. Juni 2015 (GVBl. S. 184) die Kreisverwaltungsbehörde der Landeshauptstadt. Jener Kommune, die Christian Waggershauser Vermieterin beim Muffatwerk ist. Womit sich wieder einmal ein Münchner Reigen schön schließt.

Updates: Laut Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration wäre eine etwaige Ordnungswidrigkeit übrigens eh verjährt. „Die Bekanntgabepflicht des Art. 8 Abs. 3 BayPrG bezieht sich ausdrücklich auf die erste Ausgabe im Kalenderjahr bzw. –halbjahr. Nach drei Monaten ist eine Ordnungswidrigkeit damit in der Regel Anfang April verjährt. Eine Nichtveröffentlichung ist kein Dauerdelikt. Auch bei einer unterlassenen Veröffentlichung zu Jahres- oder Halbjahresbeginn besteht keine Pflicht in der zweiten oder einer weiter nachfolgenden Ausgabe diese Veröffentlichung nachzuholen.“

Am 17. Juli 2023 hat die InMagazin Verlags GmbH Insolvenz anmelden müssen. Neuer Inhaber ist jetzt Andreas Stahls Digital München GmbH (munichx.de, Stadtbranchenbuch), die infolgedessen zur Stadtmagazin München GmbH umfirmiert.


Fotos: Christian Waggershauser, links, mit dem Gründer des „In München“, Günter F. Bereiter, 1993 und 2004 auf Veranstaltungen des Verlages.

Aus gegebenem Anlaß ein besonders pingeliger Dislaimer: Der Autor dieses Beitrags gehörte als Freelancer bis etwa 1989  der Gründungsredaktion des „In München“ an, hat danach in dem Stadtmagazin noch bis 2010 weiterhin Filmkritiken veröffentlicht, ist dem Verlag bis etwa 2015 als Anzeigenkunde verbunden geblieben und war unabhängig davon im „In München“ gelegentlich Ziel zumeist freundlicher oder ironischer Erwähnungen oder Berichterstattung.

Wochenplan

35 Jahre Galerie Karl Pfefferle, Vernissagen Jörg Immendorf: „Für ein Leben in der Welt“ / Haus der Kunst, „Monumental 2018“ (Foto) / Størpunkt und „Il Mondo Botanico“ / Klüser, Open Scene: Ein Abend für Enno Patalas / Filmmuseum, Tagung „Verblasstes Vertrauen – Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft in der Glaubwürdigkeitskrise“ / Akademie für politische Bildung Tutzing, 30 Jahre Fortuna Falsche Freunde / The LovelaceOpen Art München, „Ausspekuliert“ – Großdemo für bezahlbaren Wohnraum / Mariahilfplatz, Masako Ohta spielt auf der Taishōgoto / Galerie Micheko, SZ-Nacht der Autoren, Pressevorführungen „25 km/h“, „Loro“, „Predator – Upgrade“, „Der Vorname“ und „Intrigo – Tod eines Autors“

(Foto: Anna Baranowski, „Reiterstandbild“, photography, 233 x 150 cm)

Wenn Engel morden: „God's Army“

Wenn Engel morden, wird selbst der Himmel auf Erden zum Inferno. Gregory Widens brillanter Thriller vom erbitterten Kampf unter den himmlischen Heerscharen bildet den Höhepunkt der Retrospektive, mit der sich das Fantasy Filmfest zum Jubiläum selber feiert. Zumal es das souverän mit den Genres spielende Meisterwerk bei uns nur bis in die Videotheken geschafft hat. Dabei muß man Dialogwitz, Phantasiereichtum und die Schauspieler dieses teuflich guten Mordfalls auf der großen Leinwand erlebt haben.

Diese Kurzkritik erschien im Rahmen meiner Titelgeschichte über das Fantasy Filmfest in „Ticket“, dem Supplement des Berliner „Tagesspiegel“, Ausgabe 32/1996.

Montag, 3. September 2018

Wochenplan (Update)

Klaus Kastan & Isabell Zacharias: „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in der Stadt“ / SPD-Bürgerbüro, Der Mittagsstammtisch: Helmut Markwort trifft Christian Lindner / Gasthof Schmuck, „Hamburger Gitter“ / Werkstattkino, Mercedes Lauenstein liest aus „Nichts als Freiheit“ / Parisbar, Vernissagen Katsumi Hayakawa: „Intersections“ / Micheko, Youlee Ku: „Fit“ / AkademieGalerie, Debütantinnen 2018 / BBK und Mila Mönlam: „Fließen lassen“ / Farbenladen, „Flagge zeigen! Herausforderungen einer multikulturellen Gesellschaft“ – Podiumsdiskussion mit Norbert Lammert / Bayerische Akademie der Wissenschaften, „Technikpolitik von unten. Digitalisierung, Gewerkschaft, Emanzipation“ – Gründungskonferenz des Zentrums emanzipatorische Technikforschung / Gewerkschaftshaus, „Die Stadt ohne Juden“ im Rahmen der Internationalen Stummfilmtage / Filmmuseum, Pressevorführungen „I Can Only Imagine“, „So viel Zeit“, „Juliet Naked“ (Foto), „Astrid“ und „Wuff“

Sonntag, 26. August 2018

Dienstag, 14. August 2018

Feine erste Sätze (36)

„Endlich wieder eine Portion kalte Currywurst für zehn Euro!“

Juliane Liebert in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 14./15. August 2018 in ihrer Konzertkritik zu Justin Timberlakes Berliner Auftritt.

Mittwoch, 8. August 2018

Quintessenz: Der Steinway-Flügel

Chinesische Investoren interessieren sich laut Bloomberg derzeit für das seit 2013 von US-Investoren kontrollierte Traditionsunternehmen Steinway Musical Instruments Inc.. 1984 veröffentlichten wir im Popa-Verlag den Bildband „Quintessenz – Die schönen Dinge des Lebens.“ Neben vorbildlichen Produkten wie der braunen Papiertüte, dem Schweizer OffiziersmesserDom Perignon, den Crayola Wachsmalstiften oder dem Montblanc Füller beispielsweise haben Betty Cornfeld und Owen Edwards darin auch den Steinway-Flügel gewürdigt. (Zur Buchpräsentation 1984 im Schumann's stand neben einer Harley-Davidson natürlich auch ein Steinway in der Bar, damit der legendäre Simon Schott vom Hotel Vier Jahreszeiten schräg gegenüber unsere Gäste einen Abend lang mit Barklassikern unterhalten konnte.)

Wenn es etwas gibt, das kein normaler Mensch mit einem Steinway assoziieren würde, dann ist es eine Küche. Und dennoch: Unter Kennern weiß man, daß die beiden eng miteinander verwandt sind. Das sogenannte „Küchen-Klavier“ ist der Vorläufer des modernen Konzertflügels, weil Heinrich Engelhaard Steinwig Steinweg das erste Exemplar in seiner Küche im niedersächsischen Städtchen Seesen konstruierte. 1853 wanderte er mit seinen vier Söhnen nach Amerika aus und änderte seinen Namen von Steinwig auf Steinway um. Ein Steinway (der Ausdruck „Steinway-Flügel“ ist fast schon redundant) wird auch als „Instrument der Unsterblichen“ bezeichnet, und das mit Recht. Er ist der Lieblings-Flügel (unter anderem) von Rudolf Serkin, Andre Watts, Misha Dichter, Vladimir Ashkenazy, Lili Kraus, Vladimir Horowitz und Artur Rubinstein selig.
Wo auch immer in Amerika ein Pianist eine Vorstellung gibt: Ein Steinway steht in bequemer Reichweite. Die Firma hat 305 davon (im Wert von rund 20 Millionen Mark) überall im Land stationiert, die ausschließlich Konzertzwecken vorbehalten sind. Der Künstler zahlt nur fürs Stimmen sowie für den Transport, die Benützung des Steinway selbst ist gratis. (Sollte ein Pianist jemals ein anderes Fabrikat vorziehen, so das Gerücht, dann bekäme er auf Lebzeiten Steinway-Sperre.)
Nur Unsterbliche dürfen diese Instrumente auf der Bühne spielen, aber wir Sterblichen können uns durchaus einen kaufen. Allerdings kann das die Kleinigkeit von 80.000 Mark und mehr kosten für das Spitzen-Stück, den Modell-D-Konzertflügel. Außerdem müssen Sie ein Jahr oder länger darauf warten. Von Spontankauf kann also keine Rede sein.
Ein Steinway ist eine ernsthafte Investition, und das ist gut so. Schließlich handelt es sich hier um ein in sorgfältigster Handarbeit gebautes Kunstwerk. Also bitte, bitte: kein Bier hineinschütten!