Ein aktuelles Entertainmentformat voller Stars, über die man respektlos, frech berichtet. Als Zielgruppe die junge, mobile, aus Chats und SMS prägnante Kürze gewohnte Generation, der die „Bunte“ mit ihrer – vielleicht noch den Wartezeiten beim Friseur und Arzt geschuldeten – seitenlangen Psychologisiererei zu behäbig ist. Wir waren entschlossen die junge „Bunte“ zu stemmen, wie so viele vor und nach uns.
Doch in Druck ging es nie, was da in den Berliner Räumen der Burda-Tochter STARnetONE im Sommer 2001 unter Philipp Welte entwickelt worden war. Obwohl „whow“, primär ein tagesaktuelles Entertainmentformat im Internet, aber mit glossy Magazin-Look, keineswegs nur online erscheinen, sondern von Anfang an um einen Print-Ableger erweitert werden sollte. Für das papierne Spin-off hatte man mich aus München nach Berlin geholt und dann erst einmal beim Webformat geparkt.
Es war eine denkwürdige Erfahrung, das erste Mal, daß ich einen Redaktionsbetrieb erlebte, der aus sich selbst schöpfte und vor allem in sich selbst ruhte. Man recherchierte nicht vor Ort, traf sich nicht mit Stars, traute sich kaum aus der Redaktion heraus, allein schon, weil dafür gar keine Zeit vorgesehen war. Stattdessen flöhte man das Internet und produzierte täglich zwei Dutzend Geschichten am Schreibtisch, den man höchstens mal verließ, wenn man ausnahmsweise ein Telefoninterview arrangiert hatte und es in Ruhe führen wollte. Dann wich man vom Großraumbüro der Redaktion ins Obergeschoß aus, in Weltes Büro, der kein Schreibtischtäter war, weshalb es öfters leer stand. Dort, zwischen dem Silver-Surfer-Flipper und einer Silver-Surfer-Originalzeichnung holte ich mir dann vielleicht ausnahmsweise einen O-Ton. Schließlich waren wir multimedial, dann wollte so eine Sounddatei auch mal produziert werden.
Während Tom Kummer bei seinem Borderline-Journalismus zumindest noch den Eindruck zu erwecken versuchte, er hätte die Hollywood-Größen face to face interviewt, begann mit „whow“ die Ära der schnoddrigen Schreibtischtäter, die im Grunde auch nicht näher als ihre Leser an den Stars saßen, auch nicht viel mehr wußten, das Halbwissen aus Angelesenem und Angedichtetem höchstens vielleicht pointierter formulieren konnten.
Natürlich kam es auch schon früher im analogen Redaktionsalltag vor, daß man mit Dinosauriern wir Gerald Büchelmaier um einen Leuchttisch saß, das Bildmaterial der Agenturen sichtete und dann in der Bildunterschrift mutig drauflos schwadronierte, irgendeine Nachricht zu einem Foto erfand, immer im Vertrauen darauf, daß der Leser alles glaube, was gedruckt wird – oder sich zumindest gut unterhalten fühlt.
Heute böte das Internet nun die Möglichkeit, zu googeln, ob ein vermeintliches Exklusivinterview tatsächlich geführt oder nur aus bereits veröffentlichten Beiträgen anderer zusammenkopiert worden ist, bei unzureichend beschrifteten Paparazzifotos nachzurecherchieren, ob das nun ein Schnappschuß aus Malibu oder Saint-Tropez ist, zu überprüfen, ob es tatsächlich ein aktuelles oder doch nur veraltetes Bild ist.
Doch statt das Internet als ergänzendes Hilfsmittel zu sehen, als weitere Instanz, neben der Zusammenarbeit aus Freelancern, Korrespondenten, Agenturen und Redakteuren, neben der Vor-Ort-Recherche, neben Interviews und der Basisarbeit des Sich-Herumtreibens, dem mehr vom Zufall gesteuerten denn planvollen Sammeln und Jagen, wird zunehmend ausschließlich am Rechner recherchiert, und das nicht nur bei Heften wie „Chatter“, wo Borderline Redaktionsstatus zu haben scheint.
Als die „Süddeutsche Zeitung“ neulich den Agentur-Veteranen Mort Rosenblum (Associated Press) porträtierte, zitierte sie seine Sorge, die Redaktionen erlägen dem Irrglauben, „dass man von diesen Korrespondenten nicht mehr so viele braucht in Zeiten des Internets, die Redakteure können doch alle am Schreibtisch recherchieren.“
Der Schreibtischtäter ist gerade im tagesaktuellen Geschäft ein herrlich effizienter Journalist, an seinen Computer gekettet, und das im Idealfall sogar aus eigenen Stücken. „Die jungen Leute gehen nicht mehr vor Ort, weil sie sich in den Laptop verliebt haben“, bemängelte Michael Graeter („Abendzeitung“) neulich auf der Tagung „Boulevard – jein danke“, „die machen alles vom Schreibtisch aus. Selbst bei mir im Haus gibt es Leute, die sind noch nie außerhalb vom Rundfunkplatz 4 gesehen worden“.
Doch noch ist der Leser schlauer als so mancher Geschäftsführer oder Chefredakteur. „Whow“ fand selbst im Internet kaum Anklang und wurde bald abgewickelt. „Chatter“ verkaufte von der ersten Ausgabe nicht einmal die Hälfte der den Anzeigenkunden versprochenen Garantieauflage und bei der ums Überleben kämpfenden „Abendzeitung“ hat man ein Frontschwein wie Graeter den Schreibtischtätern zu Seite gestellt.
1 Kommentar:
Nun, die Verlage ziehen raus aus der Stadt auf die grüne Wiese, damit die Redakteure nicht mehr von PR-Leuten besucht werden oder gar selbst auf Pressekonferenzen gehen.
Alles ist "aus'm Web" zu recherchieren.
Wer wie ich sich eine Fotoausrüstung anschafft, vor Ort fährt, bekommt nicht nur keine Spesen ersetzt - und gilt als korrupt, wenn er sich dann von anderen auch nur die Fahrkarte zahlen läßt. Er bekommt auch den Vorwurf, sich "mit dem Objekt der Berichterstattung gemein zu machen", wenn er dazu vor Ort geht.
Früher (also etwa im letzten Jahrtausend) war das mal genau andersrum...
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