Samstag, 17. Juli 2010

Agora (1): Jochen Wegners 23 Thesen zur Zukunft der Medien

Anläßlich der Tagung „Umbrüche in der Medienlandschaft“ in der Akademie für politische Bildung Tutzing hat Jochen Wegner gestern (update: eigentlich „unter Ausschluß der Öffentlichkeit“, so Wegner am 15. Oktober auf den Münchner Medientagen) nicht nur diesen Screenshot des zukünftigen Focus-Online-Looks präsentiert (Transformation!), sondern auch „23 Thesen zur Zukunft der Medien“ (Thesen wortwörtlich, die ihnen nachgestellten Erläuterungen in Klammern aus dem Gedächtnis nacherzählt, wobei ich sie laufend update, wenn ich mich wieder an neue Details erinnere. Auf den Medientagen München 2010 hat Jochen Wegner diesen Vortrag im Contentgipfel wiederholt. Ein Videomitschnitt davon steht online – leider ohne Deep Link, nach Contentgipfel suchen. Was mit Medien hat einige von Wegners Anmerkungen dort notiert):
  1. Journalistische Qualität ist keine Frage des Substrats. (z.B. Print, Radio, Fernsehen, Online)
  2. Journalistische Qualität ist eine Frage der Ressourcen.
  3. Die Reichweite vieler digitaler Töchter übertrifft bald die der analogen Mütter. 
  4. Die Erlöse digital:analog verhalten sich wie 1:10. (Focus Online z.B. verdient ein Zehntel von dem, was die Printredaktion erlöst. International hat Wegner bei anderen Redaktionen ähnliche Zahlenverhältnisse recherchiert.)
  5. Das Internet hat keinen Geburtsfehler.
  6. Das Kernprinzip des Internet ist Effizienz.
  7. Die freie Presse ist nicht gottgegeben. (Sie ist keine Selbstverständlichkeit, sondern man muß darum, dafür kämpfen.)
  8. Journalisten müssen Unternehmer werden.
  9. Der Artikel wird zum Geschäftsmodell – und darf es keinesfalls werden. (z.B. Publishing-Sites wie ehow.com, aber auch sonst durch die Verknüpfung mit Google Ads. Das funktioniert hervorragend bei Service-Artikeln, aber wer will in Zusammenhang mit Kriegsberichten aus Afghanistan werben?)
  10. Nur originäre Inhalte haben eine Zukunft.
  11. (Bislang extreme Redundanz. Bei der Arbeit an nachrichten.de ist Wegner aufgefallen, wie hunderte deutschsprachiger Anbieter, darunter auch namhafte Redaktionen, oft identische Agenturtexte online stellen.)
  12. Die neue Ökonomie der Medien gleicht der Ökologie des Regenwalds. (Prächtig gedeihen die Baumriesen und das – teils parasitäre – Kleingewächs am Boden. Wie im Regenwald stirbt aber der Mittelbau in den Medien aus. Das Dumme ist nur, daß dort die meisten Journalisten arbeiten.)
  13. Zeit, Ort und Substrat verlieren ihre Bedeutung. (Ob man z.B. die Tagesschau um 20 Uhr live im Fernsehen, zeitversetzt am Rechner oder auf dem Handy erlebt, ob man eine Serienepisode im Fernsehen, als VoD oder auf DVD anschaut, spielt immer weniger eine Rolle. Ausnahmen sind Fernsehübertragungen mit Eventcharakter wie der „Tatort“ oder Fußballspiele.)
  14. Niemand braucht Print, Radio und TV.
  15. Neue Medien verhalten sich parasitär. (Bei den Medientagen München 2010 ergänzte Jochen diese These durch die Feststellung: „Onlinetöchter sind Parasiten der Printprodukte“. Jetzt, wo er Focus Online verläßt, dürfe er das ja sagen.)
  16. Print, Radio und TV werden noch lange leben. (Rieplsches Gesetz)
  17. Parasitismus ist kompliziert. 
  18. Es entstehen permanent neue Medien...
  19. ...mit völlig neuen Metaphern.
  20. ...und neue Formen der Monetarisierung.
  21. Ein Ökosystem digitaler Magazine entsteht...
  22. Viele Mittelsmänner werden ausgeschaltet. (z.B. Kiosk, Zeitungsausträger)
  23. Die digitalen Medien haben längst nicht zu sich gefunden...
  24. ...und werden noch sehr oft transformiert. 
Update: Carta mit Kommentaren dazu

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