Zwar kann ich mich gut erinnern, in den achtziger Jahren schöne Abende mit Olaf Kracht und seiner reizenden Freundin (Frau?) im Park-Café verbracht zu haben. Aber ich hatte völlig verdrängt, daß wir uns wohl überhaupt nur kennengelernt haben, weil er dieses Porträt über mich für den „Münchner Merkur“ vom 5./6. Juni 1985 geschrieben hat. Ein paar offensichtliche Rechtschreibfehler habe ich korrigiert.
Die Zeit, da die „no-future“-, „Null-Bock“- und Aussteiger-Generation Leitartikler wie Stammtischrunden gleichermaßen beschäftigte, scheint endgültig vorüber. In Film, Fernsehen, Mode, Musik, auf dem Dienstleistungsbereich, natürlich im Computergeschäft drängen nun Anfang-Zwanzigjährige nach oben, beweisen Innovationskraft, Einfallsreichtum, Talent und Selbstbewußtsein. Dorin Popa, Münchner rumänischer Abstammung, wagt sich gar auf ein Terrain, das vielen wohl nur im westamerikanischen Stil bekannt sein dürfte: Zigarrenqualm, schwere Schreibtische, mürrische Gesichter, die hoffnungsfrohen Neu-Schriftstellern Absagen erteilen – Verlegerarbeit à la Hollywood.
Dorin Popas Wirklichkeit sieht anders aus, sein „Popa-Verlag“ fordert harte Arbeit. Wie kam er dazu? „Hauptsächlich ist das familiär angelegt, denke ich. Ich bin in einer Familie von Schriftstellern und Journalisten aufgewachsen, wo der Umgang mit dem Buch, mit dem Wort, mit Kultur überhaupt sehr selbstverständlich war“. So existiere bei ihm kein flaues Gefühl oder gar Ehrfurcht vor „großer Kultur“, erklärt der hochgewachsene Newcomer, sondern sei das Schreiben, Bücher zu machen oder zu verlegen für ihn Arbeit wie jede andere auch.
Selbstredend folgte während der Schulzeit dann die Umsetzung dieser Philosophie. Dorin Popas Mitarbeit an Schülerzeitungen ging erfolgversprechend an, bis sich eines Tages die „Zensur“ regte. „Als sie meinen Artikel nicht abdrucken wollten, gründete ich eine eigene Zeitung und verkaufte die eben vor der Schule.“ Jede Ausgabe hatte einen anderen Titel und brachte ihm erste Erfahrungen in Lay-Out-Fragen, mit Anzeigen-Kunden, Druck und Druckvorlagen.
Sein in vielen Schulen, Boutiquen, Kneipen und auf Konzerten im Raum München vertriebenes Lyrik-Blatt „Die Provinz“ und die später folgende feuilletonistische Jugendzeitschrift „Outonom“ (mit immerhin 2.000 Exemplaren Auflage) waren die nächsten Fingerübungen, bis er vom „Münchner Buchmagazin“ abgeworben wurde.
„Das war eigentlich die wichtigste Station. Ein Jahr über Bücher und Verlage zu schreiben, brachte mich sehr viel weiter. Ich konnte dort Verbindungen knüpfen, die auch heute noch sehr hilfreich sind.“ War er beim Buchmagazin und dem im gleichen Verlag erscheinendem „Stadtbuch für München“ noch ehrenamtlich tätig, so brachte seine freie Mitarbeit bei verschiedenen Zeitungen die ersten Honorare. „Irgendwann stieß ich auf Bücher, von denen ich meinte, es müsse sie auf Deutsch geben. So kam ich auf die Idee, einen eigenen Verlag zu gründen.“
Gute Kontakte nach Frankreich – Dorin Popa spricht französisch, rumänisch und deutsch fließend – kamen ihm nun zugute. „Während eines meiner jährlichen Besuche dort erlebte ich einen regelrechten Boom der Brontë-Werke mit. Plötzlich gab es in Frankreich Hörspiele, Filme über sie und Neuausgaben ihrer Gedichte.“ Die Naturlyrik Emily Brontës auch deutschsprachigen Interessenten zugänglich zu machen, wurde sein erstes Verlagsprojekt. Doch sollte es noch zwei Jahre dauern, bis er genügend Geld, Kontakte und das juristische Gerüst für seinen Plan zusammen hatte.
Flexible Arbeitsmöglichkeiten stehen auf seiner Wunschliste obenan und selbst jetzt, als „Vorstand“ im eigenen „Verlagshaus“ sieht er sich nicht allzu festgelegt. Allerdings kostet ihn sein Unternehmen „zuviel Zeit“. Denn außer einer Mitarbeiterin, die sich um Organisatorisches, sprich Buchhaltung kümmert, ist er sein einziger Angestellter. Von der Bearbeitung neuer Textprojekte, über Graphiken, Drucküberwachung, Vertrieb, Werbung und Pressebetreuung – alles läuft durch seine Hände. „Das ist ein großes Problem, denn die 20.000 Mark, die ich zu Beginn, investierte, waren natürlich schnell verbraucht. Ich hatte keine Zeit zu schreiben, mußte Kredite aufnehmen. Sie halten sich zwar in überschaubarem Rahmen, doch jetzt kommt es darauf an, die Durststrecke zu überwinden. Erst dann kann ich an eigene Räumlichkeiten denken.“
Mit ihnen wäre dann auch eine Arbeitsteilung mit verschiedenen Mitarbeitern möglich. Momentan jedoch lagert ein Teil seiner Bücher und Dokumente noch in Berlin – der zweiten Wahlheimat –, ein weiterer in der Münchner Wohnung der Mutter. Koordination ist so recht schwierig. Aber der Jungunternehmer gibt sich gelassen, die Umsätze steigen und verkaufsfördernde Ideen scheinen ihm auch nicht auszugehen – ein Brontë-Filmfestival etwa, mit dem Dorin Popa in allen Universitäts-Städten Deutschlands gastieren möchte. Auch die professionelle Gestaltung seines Gesamtprogramms und die einzelner Werke scheint den Aufwärtstrend zu unterstützen.
Entschieden anfangs Vorlieben, so ruht das Popa-Programm inzwischen klar auf vier Säulen. Da sind zunächste die Erstausgaben ausländischer Klassiker, wie etwa die der Brontë, die immer zweisprachig erscheinen.
Mit „moderner französischer Belletristik“ umschreibt Dorin Popa das zweite Gebiet. Hierzu gehört auch Valérie Valères „Weißer Wahn“, das Sorgenkind des Verlages: vollständig gesetzt, scheitert der Druck nur am fehlenden Geld. Serge Gainsbourg „Evguénie Sokolov“, eine „diabolische Erzählung über den Kulturbetrieb“, soll zum Jahresende erscheinen und Pierre Boulles „Falkland-Wal“ bringt schon jetzt Nebeneinnahmen anderer Art: „Reader's Digest“ kaufte Abdrucksrechte für eine Kurzfassung. Ebenfalls zum Jahreswechsel hat er Eugène Ionescos „Anti-Biographie zur Entmystifikation Victor Hugos“ angekündigt.
„Lifestyle-Bücher“ bilden die dritte Gruppe. Dorin Popa versteht darunter eher „lustvolle“ Bücher, teure Bildbände. Exemplarisch für diese Sparte, das Paradepferd des Verlages, „Quintessenz“. Eine Hochglanz-Abhandlung in Wort und makellosen Schwarz-Weiß-Photographien über ästhetische „Nebensächlichkeiten“ des Lebens.
Filmbücher sollen das Gesamtprogramm abrunden. In Arbeit ist momentan ein Foto-Interview-Band, „Die Töchter der Duse“, für den die bekannte Münchner Fotografin Isolde Ohlbaum die Bildarbeit leistete.
„Durch 'Quintessenz' ist meine Kunden-Kartei sehr gewachsen. Ich muß darauf achten, die Kundschaft aufzubauen, sie nicht zu enttäuschen. Man kann es sich nicht leisten, ein Kramladen zu sein, der alles macht, sondern muß eher ein Projekt ablehnen, was nicht hineinpaßt.“
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