Heute abend bekommt Regina Ziegler in Berlin beim Deutschen Filmpreis den Ehrenpreis 2016 verliehen für herausragende Verdienste um den deutschen Film. Eine Krönung ihrer Arbeit als Filmproduzentin, aber noch keineswegs das Ende. Vor zwanzig Jahren behauptete sie mir gegenüber beim Interview für „Ticket“, die wöchentliche Kulturbeilage des „Tagesspiegel“, sie könne sogar „gut“ ohne Arbeit leben. „Das glaubt mir nur keiner. Damit bin ich fast im Zugzwang, es zu beweisen.“ Aber eben nur fast.
TICKET: Sie haben gar keinen Ihrer schönen Hüte auf?
REGINA ZIEGLER: Der Hut hat Ausgang. Schließlich war ich heute morgen beim Friseur.
Extra für uns?
Nein, dienstags ist immer
mein Friseurtag im Kempi.
Welchen Hut setzen Sie sich beim Produzieren auf?
Ich mache Nischengeschichten. Es hat ja keinen Zweck,
wenn ich jetzt auch „Lehrer
Specht“ oder die „Schwarzwaldklinik“ produziere. Ich
mache lieber so etwas wie die
„Erotic Tales“, das hat eben
kein anderer auf der Palette.
Wenn man sich die Regisseure anschaut, die Sie produziert haben: Peter Stein,
Hans Neuenfels oder
Andrzej Wajda, dann ist
das eine sehr illustre Runde. Verkörpern diese Namen eine vergangene Ära?
Das hat nichts mit Zeiten oder
Entwicklungen zu tun. Das
Wichtigste ist, daß der Regisseur eine Vision hat. Ein Regisseur ohne Vision ist auch
kein guter Regisseur. Einfach
zu sagen, die Kamera steht da,
und du gehst jetzt von links
nach rechts, das ist Handwerk, das muß ein Regisseur
sowieso beherrschen. Wichtig
ist die eigene Handschrift. Wie
Peter Stein bei den „Sommergästen“. Wir hatten da mit
Michael Ballhaus an der Kamera wirklich tolle Einstellungen, die dazu geführt haben,
daß der Film ein Klassiker geworden ist. Und ich bin auch
sehr stolz, ihn produziert zu
haben. Wenn möglich, möchte
ich mit den Besten arbeiten.
Zählt für Sie auch Detlev
Buck dazu, der bei Ihren
„Erotic Tales“ neben Weltstars wie Nicolas Roeg oder
Ken Russell Regie führte?
Ich habe mit verschiedenen
deutschen Regisseuren gesprochen, und Buck hatte einfach eine gute Idee. Bei den
neuen Folgen will ich Volker
Schlöndorff dabei haben.
Haben Sie keine Probleme
damit, daß Schlöndorff
jetzt in Babelsberg das Sagen hat, nachdem Sie vergeblich versucht haben, die
DEFA zu übernehmen?
Das war eine Herausforderung, von der ich nicht weiß,
wie sie ausgegangen wäre.
Aber Volker und ich sind jetzt
bester Dinge. Ich gucke immer
nach vorne.
Machen Sie eine Mischkalkulation auf: Diese Filme
produziere ich um der
Kunst willen und jene, um
Geld zuverdienen?
Nehmen Sie die Kinderserie
„Sprechstunde bei Dr. Frankenstein“, wo Unterhaltung
eine große Rolle spielt und wir
zugleich etwas Ungewöhnliches umgesetzt haben, ohne
daß es viel Geld gekostet hat.
Da hat die Phantasie zugeschlagen. Wenn ich sage, der
Regisseur muß eine Vision haben, dann muß er auch Phantasie haben. Genauso der Produzent. Wenn ein Produzent
glaubt, daß das Filmgeschäft
mit einer Nagelfabrik zu vergleichen wäre, ist er einfach
falsch gewickelt.
Gibt es bei Ihnen eine Verlagerung von der Kino- zur
Fernsehproduktion?
Das ist gerade wieder am Umkippen. Wir haben schöne Kinostoffe entwickelt, wie „Solo
für Klarinette“, ein
Psycho-Erotic-Thriller, wo eine
Single-Frau unheimliche Geschichten erlebt.
Und ich habe auf
mehrere Bestseller
eine Option: Etwa
„Suche impotenten Mann fürs Leben“ oder „Männer sind wie Schokolade“.
Komödien, von denen ich glaube, daß sie im Kino eine gute
Chance haben. Man darf nicht
den Fehler machen, zu sagen,
jeder Stoff ist gut fürs Kino.
Nur zu sagen: Ich mach Kinofilme, was leider einige Kollegen tun‚ das reicht nicht. Das
sind dann Filme, die meistens
gar nicht bis ins Kino kommen.
Wie kamen Sie zum Kino?
Ich habe 1973 das Debüt von
Wolf Gremm, meinem Mann,
produziert. Damals war ich
noch Produktionsassistentin
beim SFB, und Wolf hat mich
bestärkt, mich selbständig zu
machen. Ich hatte ja keine
große Perspektive beim SFB.
Ich glaube, es gibt dort heute
noch immer keine Frau in einer bedeutenden Position.
Sie haben gedroht, bis zum
Jahr 2000 so weit zu sein,
daß Sie nicht mehr arbeiten müssen. Könnten Sie
denn ohne Arbeit leben?
Das war Spaß, aber es wäre
toll, wenn mir das gelange.
Nur sieht es damit schlecht
aus. Ich kann gut ohne Arbeit
leben. Das glaubt mir nur keiner. Damit bin ich fast im
Zugzwang, es zu beweisen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen