Freitag, 27. Mai 2016

Im Taxi mit Regina Ziegler (1996)

Heute abend bekommt Regina Ziegler in Berlin beim Deutschen Filmpreis den Ehrenpreis 2016 verliehen für herausragende Verdienste um den deutschen Film. Eine Krönung ihrer Arbeit als Filmproduzentin, aber noch keineswegs das Ende. Vor zwanzig Jahren behauptete sie mir gegenüber beim Interview für „Ticket“, die wöchentliche Kulturbeilage des „Tagesspiegel“, sie könne sogar „gut“ ohne Arbeit leben. „Das glaubt mir nur keiner. Damit bin ich fast im Zugzwang, es zu beweisen.“ Aber eben nur fast.

TICKET: Sie haben gar keinen Ihrer schönen Hüte auf? 
REGINA ZIEGLER: Der Hut hat Ausgang. Schließlich war ich heute morgen beim Friseur. 
Extra für uns? 
Nein, dienstags ist immer mein Friseurtag im Kempi. 
Welchen Hut setzen Sie sich beim Produzieren auf? 
Ich mache Nischengeschichten. Es hat ja keinen Zweck, wenn ich jetzt auch „Lehrer Specht“ oder die „Schwarzwaldklinik“ produziere. Ich mache lieber so etwas wie die „Erotic Tales“, das hat eben kein anderer auf der Palette.
Wenn man sich die Regisseure anschaut, die Sie produziert haben: Peter Stein, Hans Neuenfels oder Andrzej Wajda, dann ist das eine sehr illustre Runde. Verkörpern diese Namen eine vergangene Ära?
Das hat nichts mit Zeiten oder Entwicklungen zu tun. Das Wichtigste ist, daß der Regisseur eine Vision hat. Ein Regisseur ohne Vision ist auch kein guter Regisseur. Einfach zu sagen, die Kamera steht da, und du gehst jetzt von links nach rechts, das ist Handwerk, das muß ein Regisseur sowieso beherrschen. Wichtig ist die eigene Handschrift. Wie Peter Stein bei den „Sommergästen“. Wir hatten da mit Michael Ballhaus an der Kamera wirklich tolle Einstellungen, die dazu geführt haben, daß der Film ein Klassiker geworden ist. Und ich bin auch sehr stolz, ihn produziert zu haben. Wenn möglich, möchte ich mit den Besten arbeiten.
Zählt für Sie auch Detlev Buck dazu, der bei Ihren „Erotic Tales“ neben Weltstars wie Nicolas Roeg oder Ken Russell Regie führte?
Ich habe mit verschiedenen deutschen Regisseuren gesprochen, und Buck hatte einfach eine gute Idee. Bei den neuen Folgen will ich Volker Schlöndorff dabei haben.
Haben Sie keine Probleme damit, daß Schlöndorff jetzt in Babelsberg das Sagen hat, nachdem Sie vergeblich versucht haben, die DEFA zu übernehmen?
Das war eine Herausforderung, von der ich nicht weiß, wie sie ausgegangen wäre. Aber Volker und ich sind jetzt bester Dinge. Ich gucke immer nach vorne.
Machen Sie eine Mischkalkulation auf: Diese Filme produziere ich um der Kunst willen und jene, um Geld zuverdienen?
Nehmen Sie die Kinderserie „Sprechstunde bei Dr. Frankenstein“, wo Unterhaltung eine große Rolle spielt und wir zugleich etwas Ungewöhnliches umgesetzt haben, ohne daß es viel Geld gekostet hat. Da hat die Phantasie zugeschlagen. Wenn ich sage, der Regisseur muß eine Vision haben, dann muß er auch Phantasie haben. Genauso der Produzent. Wenn ein Produzent glaubt, daß das Filmgeschäft mit einer Nagelfabrik zu vergleichen wäre, ist er einfach falsch gewickelt.
Gibt es bei Ihnen eine Verlagerung von der Kino- zur Fernsehproduktion? 
Das ist gerade wieder am Umkippen. Wir haben schöne Kinostoffe entwickelt, wie „Solo für Klarinette“, ein Psycho-Erotic-Thriller, wo eine Single-Frau unheimliche Geschichten erlebt. Und ich habe auf mehrere Bestseller eine Option: Etwa „Suche impotenten Mann fürs Leben“ oder „Männer sind wie Schokolade“. Komödien, von denen ich glaube, daß sie im Kino eine gute Chance haben. Man darf nicht den Fehler machen, zu sagen, jeder Stoff ist gut fürs Kino. Nur zu sagen: Ich mach Kinofilme, was leider einige Kollegen tun‚ das reicht nicht. Das sind dann Filme, die meistens gar nicht bis ins Kino kommen.
Wie kamen Sie zum Kino? 
Ich habe 1973 das Debüt von Wolf Gremm, meinem Mann, produziert. Damals war ich noch Produktionsassistentin beim SFB, und Wolf hat mich bestärkt, mich selbständig zu machen. Ich hatte ja keine große Perspektive beim SFB. Ich glaube, es gibt dort heute noch immer keine Frau in einer bedeutenden Position.
Sie haben gedroht, bis zum Jahr 2000 so weit zu sein, daß Sie nicht mehr arbeiten müssen. Könnten Sie denn ohne Arbeit leben?
Das war Spaß, aber es wäre toll, wenn mir das gelange. Nur sieht es damit schlecht aus. Ich kann gut ohne Arbeit leben. Das glaubt mir nur keiner. Damit bin ich fast im Zugzwang, es zu beweisen.

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