Heute vor zwanzig Jahren veröffentlichten die Nepper Schlepper Schlechte Rapper ihren Kultsong „Sommer in Berlin“. Ich schrieb in den Neunzigern u.a. für die „Berliner Morgenpost“ über Transen, Tattoos, Althippies, Sexsekten und was sonst noch im Feulleton stattfand, ohne dem klassischen Kulturbegriff zu entsprechen. So eben auch in der Ausgabe vom 25. Juli 1997 über Christophe Azone, Ingo Wohlfeil, Stefan Rupp und Mitri Sirin von den Neppern, deren Song sich in den seit der Veröffentlichung vergangenen zwei Jahren zumindest lokal zum veritablen Ohrwurm entwickelt hatte.
Sprühsahne, Fesselspiele, Publikumsbeschimpfung – wenn Funkmaster Confetti, Mallorca Joe, Der Sturm und Sugar Macho Nova einen Auftritt planen, spielen die kleinen geplanten Attentate zwischen den Gesangsnummern eine wichtigere Rolle als das Liedgut an und für sich. Gerade weil die vier Berliner in ihren bürgerlichen Jobs als Radio-Anarchisten bei Kiss FM, Energy und RTL nur mit dem Mund Blödsinn machen können, inszenieren sie bei ihren gemeinsamen Liveauftritten als Nepper Schlepper Schlechte Rapper ein Spektakel, bei dem nicht nur Plattenspieler zertrümmert werden, sondern auch die Illusion vom politisch engagierten oder populistisch unterhaltenden Rap.
Nepper Schlepper Schlechte Rapper nehmen nichts ernst, das aber in einem Tempo von 140 Silben per Minute. Und wenn ihnen ein Hardcore-HipHopper „Verrat an der Szene“ vorwirft, schmieden diese fantastischen Vier umeghend eine Nummer daraus. Daß bei dieser Schlagfertigkeit ihr musikalisches Werkverzeichnis mit zwanzig Titeln in zwei Jahren eher übersichtlich blieb, liegt denn auch nicht an kreativem Unvermögen, sondern am eitel ausgelebten Selbstverständnis, die faulste Band der Welt zu sein.
Einen Manager und einen Produzenten haben sie mit diesem Phlegma schon verheizt. Die Plattenfirma hält ihnen noch mißtrauisch die Treue, obwohl die Gruppe bislang nur eine Single veröffentlicht hat. Vom ungemein geschmeidigen „Sommer in Berlin“ wurden in Berlin sogar 4500 CDs verkauft, auswärts nur weitere 500. Da das nun bereits ein Jahr her ist, haben die Vier ihrer Plattenfirma den gleichen Song als neuerliche Single-Veröffentlichung angeboten.
Dabei gäbe es genug weiteres Material. Zwar verfügt nur der Sommerhit über melodiöse Eleganz (und zahlreiche Textvarianten von „Winter in Berlin“ bis „Dienstags um halb fünf in Berlin“), doch inhaltlich deckt das übrige Repertoire der Sexmaniacs alle gesellschaftlich relevanten Bereiche wie Politik („Helmut Kohl – Sexsymbol“) und Völkerverständigung („Türkische Mädchen, worauf stehen sie?“) ab.
Heute abend um 21 Uhr werden Nepper Schlepper Schlechte Rapper mit fraulicher Unterstützung von Dani „Der Mund“ Schulze das Publikum des Soon-E-MC-Konzerts im Pfefferberg am Prenzlauer Berg anheizen.
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Mittwoch, 8. Juli 2015
Donnerstag, 16. Oktober 2014
Déja-Vu: Die Form – Elektrobeats in Lack und Leder
Ende der neunziger Jahre schrieb ich in Berlin parallel für die Feuilletons der „Berliner Morgenpost“ und des „Tagesspiegel“, wobei ich eher für die Subkultur zuständig war: Tattoos, Transen, SM und ähnliche Phänomene. So berichtete ich am 10. März 1999* auch über ein Konzert von Die Form. Und stellte gestern überrascht fest, daß die Band, die eigentlich schon damals ihren Zenit überschritten hatte, heute immer noch emsig weiterschrammelt.
Wo war die Sklavia? Hatte Pascale anläßlich des Weltfrauentages frei? Wollen Philippe Fichot und Éliane P., das Sado-Maso-Duo der französischen Maschinensound-Combo Die Form, die aufgegeilte Aufmerksamkeit ihres Konzertpublikums nicht mehr mit einer weiteren Akteurin teilen? Oder ernährt das Geschäft mit dem spekulativen Techno-Sex-Sound keine dritte Bühnenkraft mehr?
Gut 17 Jahre* (Stand 1999) bosselt Fichot nunmehr schon öffentlichkeitswirksam an seinem „Museum of Ecstasy“ herum, an einer surrealen Welt der Begierden und Schmerzen. An Videoclips, Bildbänden, Musikalben und den diese Bilder und Töne verbindenden Konzertabenden, bei denen Fichot unter einer Gasmaske das Elektrogeblubber steuert, während auf die Leinwand Blümchensex mit Blütenstengeln projiziert wird und Lebenspartnerin Éliane P. in Lack und Leder tiriliert, tanzt und ihre Geschlechtsmerkmale zur Schau stellt.
Die Zeiten, als eine gewalttätige Bühnenshow noch Auftrittsverbote deutscher Behörden auslöste, sind längst vorbei. Die Form zelebriert nurmehr eine streng stilisierte, sich in Andeutungen ergehende Sado-Maso-Show, bei der gerade noch Élianes Catsuit unters Messer gerät, die Fesselspiele brav bleiben und die Gewaltphantasien sich auf Videoeinspielungen nackter, derangierter, im Wald herumkrabbelnder Frauen konzentrieren. Im Unterschied zum letzten Auftritt in der Potsdamer Mensa sorgt nicht einmal mehr die Gespielin Pascale für einen devoten Bonustrack, obwohl das Konzert im Glashaus sonst weitgehend an jenes Gastspiel anknüpft.
Der zahlreich erschienenen Berliner Gruftie-Gemeinde präsentierten sich Fichot und Éliane hinter dem bewährten Drahtbauzaun. Die Besucher der Form ergaben sich weitgehend phlegmatisch dem monotonen erotischen Weihespiel, das die Phantasien des 19. Jahrhunderts mit den Sado-Maso-Devotionalien der neunziger Jahre verknüpft und musikalisch klingt, als ob Franz Schuberts Liedgut und mancher Choral durchs Maschinenkraftwerk gejagt worden wäre. Das Ganze entbehrt mitunter nicht einer gewissen Lächerlichkeit.
Wo war die Sklavia? Hatte Pascale anläßlich des Weltfrauentages frei? Wollen Philippe Fichot und Éliane P., das Sado-Maso-Duo der französischen Maschinensound-Combo Die Form, die aufgegeilte Aufmerksamkeit ihres Konzertpublikums nicht mehr mit einer weiteren Akteurin teilen? Oder ernährt das Geschäft mit dem spekulativen Techno-Sex-Sound keine dritte Bühnenkraft mehr?
Gut 17 Jahre* (Stand 1999) bosselt Fichot nunmehr schon öffentlichkeitswirksam an seinem „Museum of Ecstasy“ herum, an einer surrealen Welt der Begierden und Schmerzen. An Videoclips, Bildbänden, Musikalben und den diese Bilder und Töne verbindenden Konzertabenden, bei denen Fichot unter einer Gasmaske das Elektrogeblubber steuert, während auf die Leinwand Blümchensex mit Blütenstengeln projiziert wird und Lebenspartnerin Éliane P. in Lack und Leder tiriliert, tanzt und ihre Geschlechtsmerkmale zur Schau stellt.
Die Zeiten, als eine gewalttätige Bühnenshow noch Auftrittsverbote deutscher Behörden auslöste, sind längst vorbei. Die Form zelebriert nurmehr eine streng stilisierte, sich in Andeutungen ergehende Sado-Maso-Show, bei der gerade noch Élianes Catsuit unters Messer gerät, die Fesselspiele brav bleiben und die Gewaltphantasien sich auf Videoeinspielungen nackter, derangierter, im Wald herumkrabbelnder Frauen konzentrieren. Im Unterschied zum letzten Auftritt in der Potsdamer Mensa sorgt nicht einmal mehr die Gespielin Pascale für einen devoten Bonustrack, obwohl das Konzert im Glashaus sonst weitgehend an jenes Gastspiel anknüpft.
Der zahlreich erschienenen Berliner Gruftie-Gemeinde präsentierten sich Fichot und Éliane hinter dem bewährten Drahtbauzaun. Die Besucher der Form ergaben sich weitgehend phlegmatisch dem monotonen erotischen Weihespiel, das die Phantasien des 19. Jahrhunderts mit den Sado-Maso-Devotionalien der neunziger Jahre verknüpft und musikalisch klingt, als ob Franz Schuberts Liedgut und mancher Choral durchs Maschinenkraftwerk gejagt worden wäre. Das Ganze entbehrt mitunter nicht einer gewissen Lächerlichkeit.
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