Bei der Diskussion um die Einführung einer Chipkarte für die Kinder von Hartz-IV-Beziehern wird derzeit in vielen Medien (heute, „Süddeutsche Zeitung“, update: „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“) die Familienkarte der Stadt Stuttgart hochgejubelt.
Natürlich ist es generös, allen Familien mit einem Jahreseinkommen unter 60.000 Euro (!) per Chipkarte ein Guthaben von 60 Euro pro Kind (früher 90 Euro) zu schenken, das in Schwimmbädern, Sportvereinen, Musikschulen, dem Zoo und Planetarium eingesetzt werden kann.
Andererseits: was sind schon 60 Euro? Und wäre es nicht gerechter und vom Verwaltungsaufwand auch viel effizienter, die Subvention für Besserverdienende mit Monatsgehältern von 3.000, 4.000 Euro bei so einem Projekt einzusparen und stattdessen einfach allen Hartz-IV-Empfängern, Aufstockern und Niedrigverdienern beispielsweise grundsätzlich freien Eintritt zu gewähren – wie es etwa bei Schwerbehinderten auch möglich ist?
Nur ein paar Kostenbeispiele: Eine Alleinerziehende, die mit ihrem Kind den Tierpark Wilhelmina besucht, muß dafür 18 Euro bezahlen. Mit der Familienkarte darf sie sich so ein Vergnügen also genau fünfmal jährlich erlauben. Ein Nachmittag im Schwimmbad käme die beiden auf 5,70 Euro – das sind also für Mutter und Kind zehn Besuche im Jahr. Und die vielzitierten Waldheime und Musikschulen gewähren Karteninhabern zwar zusätzlich noch einen Rabatt von zwanzig Prozent. Ein Jahr Musikunterricht inklusive Anmeldegebühr käme damit aber immer noch auf mindestens 110 Euro und ein 1-wöchiger Aufenthalt im Waldheim auf 51,20 Euro.Und bei alldem heißt es für die Hartz-IV-Familie auswählen: Beispielsweise entweder Waldheim oder Schwimmbad, denn beides läßt sich von der Chipkarte nicht finanzieren.
Angesichts solcher Rechenbeispiele liegt es nahe, daß die Familienkarte, die bei mehr als drei Kindern gänzlich auf eine Vermögensgrenze verzichtet, weniger Kinder und Eltern in armen Verhältnissen fördern soll, denn ein Zuckerl für Familien im Allgemeinen sein soll und sich vor allem an den Mittelstand richtet. Was auch schön ist, aber die Bedürfnisse der Ärmsten in Deutschland letztendlich ignoriert.
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Freitag, 13. August 2010
Freitag, 27. März 2009
Münchner Volkstheater: Betrug am kleinen Mann?
14,11 Euro sieht der Regalsatz für Hartz-IV-Empfänger monatlich für den öffentlichen Nahverkehr vor, 6,31 Euro gelten bei den Bedarfspositionen der EVS (Einkommens- und Verbrauchsstichprobe) für Freizeitvergnügungen wie das Schwimmbad oder den Theaterbesuch als angemessen. Nicht gerade viel Geld, weshalb Hilfsbedürftigen in unserer Stadt ein München-Paß zusteht, mit dem Sie neuerdings ab dem 1. April ein MVV-Sozialticket, die IsarCard S, erhalten, und schon immer verbilligten Eintritt in den Freibädern genießen oder aber auch ermäßigten Eintritt im Münchner Volkstheater. Theoretisch zumindest.
Praktisch sieht das leider etwas anders aus. 8,50 Euro kostet im Münchner Volkstheater das ermäßigte Billet Studenten, Schüler, Wehr- und Zivildienstleistende und eben Inhaber des München-Passes im Vorverkauf, sechs Euro an der Abendkasse. Die Probe auf Exempel gefällig?
Online wird eine ermäßigte Karte zu 8,50 Euro bestellt und ausdrücklich auf den München-Paß verwiesen. Ungefragt wird dem Besteller eine Karte der teuersten Kategorie (28 Euro) reserviert und statt der vorschriftsmäßigen 8,50 Euro werden ihm 25,20 Euro in Rechnung gestellt, also nur eine Ermäßigung von 10 Prozent gewährt (Auftragsnummer 744184, Reservierungsnummer 189974569).
Zweiter Fall: An der Abendkasse wird wiederum unter Vorlage des München-Passes eine ermäßigte Karte gewünscht, die vor Vorstellungsbeginn 6 Euro kosten würde. Erneut werden die vorgesehene „klassische Ermäßigung“ verweigert und stattdessen nur 20 Prozent auf den vollen Kartenpreis gewährt, also zwischen 9,60 und 22,40 Euro verlangt.
Am Resi oder in den Kammerspielen würde das einen weniger wundern, aber ausgerechnet Christian Stückls Radikalbrigade, die so gern gegen Glamour und die Münchner Schickeria wettert und die Hauszeitschrift anbiedernd „Volksmund“ nennt, zeigt sich hier völlig inkompetent und unsozial.
Das schriftlich angefragte Volkstheater wollte sich bisher nicht dazu äußern. Wahrscheinlich ist man zu sehr mit der Bundespräsidentenwahl beschäftigt...
Updates: Im Juli 2009 schlägt Brigitte Wolf, Stadträtin der Linken, vor, wie in Berlin auch in München ein Drei-Euro-Ticket für Empfänger von Sozialleistungen einzuführen. Als das Kulturreferat kontert, es gäbe bereits ein „breites Spektrum an Ermäßigungen“, ändert sie ihren Antrag und empfiehlt, freie Sitzplätze an der Abendkasse Hartz-IV-Empfängern für drei Euro anzubieten. Der Stadtrat lehnt ab. Franz Kotteder von der „Süddeutschen Zeitung“ bedauert das Votum: „Dumme Sache halt, wenn eine an sich gute Idee von der falschen Seite kommt“.
Auf Vermittlung Brigitte Wolfs hat das Volkstheater denn auch sofort die oben geschilderten Vorkommnisse untersucht und sich dafür entschuldigt: eine Kassenaushilfe, die den München-Paß mit der M-Card verwechselt hätte, sowie die hektische Vorbereitungszeit des Radikal-Jung-Festivals hätten zu diesen „Unannehmlichkeiten“ geführt.
Praktisch sieht das leider etwas anders aus. 8,50 Euro kostet im Münchner Volkstheater das ermäßigte Billet Studenten, Schüler, Wehr- und Zivildienstleistende und eben Inhaber des München-Passes im Vorverkauf, sechs Euro an der Abendkasse. Die Probe auf Exempel gefällig?
Online wird eine ermäßigte Karte zu 8,50 Euro bestellt und ausdrücklich auf den München-Paß verwiesen. Ungefragt wird dem Besteller eine Karte der teuersten Kategorie (28 Euro) reserviert und statt der vorschriftsmäßigen 8,50 Euro werden ihm 25,20 Euro in Rechnung gestellt, also nur eine Ermäßigung von 10 Prozent gewährt (Auftragsnummer 744184, Reservierungsnummer 189974569).
Zweiter Fall: An der Abendkasse wird wiederum unter Vorlage des München-Passes eine ermäßigte Karte gewünscht, die vor Vorstellungsbeginn 6 Euro kosten würde. Erneut werden die vorgesehene „klassische Ermäßigung“ verweigert und stattdessen nur 20 Prozent auf den vollen Kartenpreis gewährt, also zwischen 9,60 und 22,40 Euro verlangt.
Am Resi oder in den Kammerspielen würde das einen weniger wundern, aber ausgerechnet Christian Stückls Radikalbrigade, die so gern gegen Glamour und die Münchner Schickeria wettert und die Hauszeitschrift anbiedernd „Volksmund“ nennt, zeigt sich hier völlig inkompetent und unsozial.
Updates: Im Juli 2009 schlägt Brigitte Wolf, Stadträtin der Linken, vor, wie in Berlin auch in München ein Drei-Euro-Ticket für Empfänger von Sozialleistungen einzuführen. Als das Kulturreferat kontert, es gäbe bereits ein „breites Spektrum an Ermäßigungen“, ändert sie ihren Antrag und empfiehlt, freie Sitzplätze an der Abendkasse Hartz-IV-Empfängern für drei Euro anzubieten. Der Stadtrat lehnt ab. Franz Kotteder von der „Süddeutschen Zeitung“ bedauert das Votum: „Dumme Sache halt, wenn eine an sich gute Idee von der falschen Seite kommt“.
Auf Vermittlung Brigitte Wolfs hat das Volkstheater denn auch sofort die oben geschilderten Vorkommnisse untersucht und sich dafür entschuldigt: eine Kassenaushilfe, die den München-Paß mit der M-Card verwechselt hätte, sowie die hektische Vorbereitungszeit des Radikal-Jung-Festivals hätten zu diesen „Unannehmlichkeiten“ geführt.
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