Morgens düster. Nachmittags dunkel. Für die von schwülstigen Teemischungen und penetranten Duftkerzen Berauschten höchste Zeit zum kuschelwarmen, knutschbereiten Nestbau im friedvoll-vorweihnachtlichen Versöhnungsdelirium.
Für andere nur noch mehr Nacht. Das muß nichts schlechtes sein. Wenn etwa morgen, Dienstag abend, Lydia Lunch mit Gallon Drunk in der Münchner Kranhalle auftritt.
Natürlich kann man Lydia Lunch als Tabubrecherin fürchten. Dabei verletzt sie im Grunde keine Regeln (und überhaupt: wessen Regeln?), sondern geht ausgesprochen positivistisch und wahrheitsliebend den Dingen auf den Grund: den Trieben, Leidenschaften, Abhängigkeiten und sonstigen Abgründen zwischen Sex, Gewalt und Drogen, die sie voll ausgekostet und überlebt hat.
Die Zeit als New York Girl, aufgezeichnet von Beth B. und Richard Kern in schmuddeligen Undergroundfilmen, in denen Lady Lydia nicht nur alles gab, sondern auch allerhand in den Mund nahm (und im Gegensatz zu Maruschka Detmers Bemühungen in „Teufel im Leib“ blieb bei Lydia Lunch nichts schlaff).
Die neuen Erfahrungen als Californian Girl, von denen Lunch bei ihren Poetry Performances ausgiebigst erzählte und dabei jeden Mann im Publikum anpöbelte, der laut zu werden wagte.
Und später dann die Begegnung mit Osteuropa, wo Lydia Lunch in Ciorans Texten ein Echo fand auf ihre Schreie, bei denen man nicht immer weiß, ob sie Lust, Schmerz oder beides wiedergeben. Wie sich Lunchs amerikanischer Großstadtnihilismus mit der tradierten, unendlich traurigen Desillusioniertheit der rumänischen Scholle und deren melancholischen Bauernschläue verband, war von atemberaubend eindringlicher Überzeugungskraft.
Wo immer sie auch weilt: Halb versinkt Lydia Lunch in einem Strudel aus Blut, Schweiß und anderen Körpersäften, halb schöpft sie daraus neue Energie.
(Foto: Berto Garcia/flickr)
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