Teile deine intimsten Geheimnisse, nimm bei deinen Geständnissen keine Rücksicht, reflektiere die Höhen und Tiefen deines Lebens, aber bitte, bitte sei dabei möglichst gut – oder zumindest neutral angezogen.
Kleider machen Leute, und nicht umsonst hat die „Süddeutsche Zeitung“, als sie mich vor Jahren mal porträtierte, nicht umhin können, auch mein Outfit zu berücksichtigen: „Menschen, die ihn von seiner alten Arbeitsstelle kennen, wissen, dass Dorin Popa dort immer ziemlich aufgefallen ist. Norwegerpulli, ausgebeulte Jeans und bequeme Schuhe trug im Reich der Frauenzeitschriften-Redakteurinnen sonst keiner.“
Nun hat dieser Tage ein anderes Medium angeklopft, um mich diesmal als twitternden Türsteher vorzustellen. Die Location: mein Arbeitsplatz vor der Bar. Die Pose: als Türsteher mit verschränkten Armen. Doch als ich konsequenterweise auch mit einem meiner Türsteher-T-Shirts zum Fotoshooting antreten wollte, bat mich der Fotograf, doch bitte etwas dezenteres anzuziehen.
Worte sind nur Füllfläche, Grauwerte, aber bei den illustrierenden Bildern wägt eine Phalanx aus Chefredaktion, Art Direction, Layoutern, Bildredakteuren, Stylist und Fotograf jedes Detail ab, als ob jedes richtige Accessoire unmittelbar ein paar zusätzliche Prozentpunkte in den IVW-Zahlen herausholen könnte.
Das betrifft nicht nur namenlose Testimonials wie mich. Den Stars geht es kaum besser. Outfits fürs Titelmotiv werden schon mal mit Photoshop umgefärbt, wenn nicht gleich auf aktuelle Modetrends umgeschneidert. Und wenn ein Prominenter ein paar Seiten für seine Lebensbeichte oder auch nur sein aktuelles Projekt eingeräumt bekommt, zählt, falls man für die Strecke eigens Bilder produziert, zu den wichtigsten Vorbereitungen, im Vorfeld die Kleidergröße abzuklären, damit ihn die Stylistin für das begleitende Shooting schön anzieht.
Authentizität spielt eher auf den kleinteiligen bunten Seiten vorne oder hinten im Heft eine Rolle, dort, wo die Stars aufgrund der Red-Carpet-Inszenierungen oder Paparazzi-Abschüsse vom Praktikanten oder Volo tiefenpsychologisch analysiert werden. Auf den großen Strecken muß die von Redaktion zu Redaktion unterschiedliche Bildsprache der Magazine gewahrt werden: „Ich mach' mir die Welt - widdewidde wie sie mir gefällt“, und auch wenn sich die Beichten der Prominenten oft wiederholen, so werden die gleichen einstudierten bzw. im Authorisierungsprozeß glatt geschliffenen Phrasen zumindest in der sie umrahmenden Optik variiert: mal ist der Star voguig gestylt, mal brigittig.
Woher das Verlangen, jemanden, über den man redaktionell, nicht etwa in einer Modestrecke, berichtet, wie eine leblose Anziehpuppe auszustaffieren und herzurichten? Kann man den Lesern heutzutage wirklich keine Menschen zumuten, die so aussehen, wie sie nun mal aussehen, und vielleicht ihr Lieblingsteil aus der vorletzten Saison tragen (oder zumindest das Lieblingsteil ihres eigenen Stylisten – nicht das der Redaktion)? Will man mit entsprechend gestylten Promis die Leser Woche für Woche, Monat für Monat aufs neue in die Boutiquen oder Onlineshops treiben und so die Werbetreibenden aus der Modebranche gütlich stimmen? Will man einfach nur Gott spielen?
Manchmal geht das auch herrlich schief. Als die „freundin“ Katharina Borchert vor fast zehn Jahren fotografierte, war das Team vor Ort nicht so mit Borcherts Style zufrieden. Borchert fühlte sich „wie damals in der ersten Klasse, als mir der Lehrer erklärte, ich könne meinen Lieblingspulli nicht ununterbrochen tragen, schon gar nicht mit Flecken darauf. Schwarz ist nicht frisch und Lieblingspullover werden nicht nur am Wochenende gewaschen. Das Leben hält immer wieder schmerzhafte Erkenntnisse bereit.“ Sie ließ sich aber überrumpeln und reagierte dann erst im nachhinein, als Leserinnen auffiel, daß sie völlig anders als sonst gestylt war, und die Blogosphäre begann, das Outfit zu diskutieren.
Vielleicht hätte sie gleich beim Shooting ablehnen müssen. Vielleicht sollten wir alle den Mut haben, einfach nein zu sagen, damit sich etwas ändert.
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