Montag, 24. August 2020

Die Flüsterpreise der Landeshauptstadt München

So kleinlaut habe ich das Kulturreferat nicht mehr erlebt, seit Jürgen Kolbe vor zig Jahren einen Schlaganfall erlitten hatte und alle Welt es geheimhalten wollte… Dabei war der Anlaß heuer grundsätzlich erst einmal ein erfreulicher.
Es war sogar eine der letzten rauschenden Kulturnächte in München, bevor sich Corona wie Mehltau über die Stadt legte. Die Förderpreise der Landeshauptstadt München standen an und zur Vernissage in der Lothringer 13 strömte am 5. März tout Munich oder zumindest der kulturell interessierte Teil davon nach Haidhausen.
Alle zwei Jahre vergibt die Stadt sechs dieser jeweils mit 6.000 Euro dotierten Förderpreise als Auszeichnung einer künstlerisch herausragenden Leistung in den Bereichen Architektur, Design, Fotografie, Schmuck und sogar an zwei Preisträger*innen der Bildenden Kunst. Beurteilt wird dabei von der aus Stadträt*innen und Fachleuten gebildeten Jury das gesamte bisherige Schaffen.
Die Jurysitzungen sollten dann in den Wochen nach der Vernissage in den Ausstellungsräumen stattfinden, die Preisverleihung am 7. Mai. Doch dann schlugen die coronabedingten Ausgangsbeschränkungen Mitte März ein. Die Zeit, als in den Münchner Straßen Polizei und Feuerwehr via Lautsprecherdurchsagen davor warnten, das Haus ohne triftigen Grund zu verlassen. Im Wording des Kulturreferats: „ein kurzfristiger Shut Down“.
Und obwohl Kulturförderung und die Ausübung eines Wahlamtes sicherlich ein ausreichend triftiger Grund gewesen wären, die Lothringer 13 zudem groß genug, um sogar die jeweilige Fachjury mit ausreichend Sicherheitsabstand zu empfangen, und obwohl die Ausstellung selbst umgehend auch in digitaler Form online bereit stand und Jurysitzungen via Videokonferenz denkbar gewesen wären, geschah erst einmal gar nichts.
Außer einer Kommunalwahl, die dazu führte dass die aus dem Stadtrat entsandten Jurymitglieder nicht mehr zur Verfügung standen und der bürokratische Rattenschwanz: Wahl des Stadtrats, Besetzung des Kulturausschusses, Nominierung der Jurymitglieder für den Förderpreis, Wahl der Jurymitglieder von Neuem begann, während die für die Förderpreise Nominierten gerade während einer Pandemie, in der jedes Preisgeld ersehnt gewesen wäre, nicht einmal vertröstet wurden, sondern gar nichts mehr hörten. Stillstand. Schweigen.
Während die Stadt keine Probleme hatte, die Kinoprogramm- und Schwabinger Kunstpreise trotz Covid-19 wie geplant zu verleihen. Um Stadträtin Mona Fuchs von den Grünen zu zitieren: „Gerade Preisgelder sind in der jetzigen Situation ein wichtiges Zubrot.“
Anfang Mai nahm der neue Stadtrat seine Arbeit auf. Aber erst am 17. Juni erbarmte sich die in der Philharmonie im Gasteig tagende Vollversammlung endlich auch der Förderpreise und setzte die Kür der neuen Jury auf die Tagesordnung.
Weitere zwei Monate später wurden denn auch tatsächlich die Förderpreise verliehen. Der Feriensenat des Münchner Stadtrats folgte den Empfehlungen der Jurys und eine kleine Meldung in der „Rathaus-Umschau“ kündete davon. 
Die Nominierten sollen angeblich Nominierte und sogar Preisträger sind währenddessen tagelang nicht etwa vom Kulturreferat benachrichtigt worden, nichts davon erfahren und sondern haben erst auf Eigeninitiative der Webseite der Stadt München entnommen haben oder durch mich erfahren, wer die glücklichen Gewinner*innen sind: Der Designer Leonhard Rothmoser, die Architekten Carsten Jungfer & Norbert Kling/zectorarchitects, die Schmuckdesignerin Carina Shoshtary und die Fotografin Saskia Groneberg. In Bildender Kunst gewannen Sophia Süßmilch (Foto unten) und Maria VMier. Wobei Kulturreferent Anton Biebl (Foto oben) in seinem offiziellen Glückwunschschreiben Süßmilch zum Förderpreis für Architektur gratulierte…
Vielleicht die letzten Förderpreisträger*innen überhaupt. Bisher wurde nur bei den Ausstellungskosten der Förderpreise gespart. (Zum Vergleich: In den städtischen Kunstarkaden erhalten die Ausstellenden beispielsweise ein Budget in Höhe von 1.500 Euro zur Deckung ihrer Kosten.) Ausgerechnet bei den Förderpreisen erhalten aber die teilnehmenden Künstler*innen weder eine Aufwandsentschädigung, noch eine Ausstellungsvergütung. Wir wurden dazu angehalten, Werkzeug selbst mitzubringen und zur Installation/zum Aufbau gab es keine Hilfskräfte vor Ort. Man hat ja Unkosten und Zeitaufwand und es ist ein städtischer Preis in einer städtischen Einrichtung einer der reichsten Städte Deutschlands. Das geht einfach nicht. Man lässt ja auch nicht umsonst mehrere Musiker für ein öffentliches Konzert aufspielen und gibt dann nur einem davon Geld. Fehlende Vergütung ist mitunter ein Grund. warum Künstler so prekär leben, und die Stadt müsste hier eigentlich Vorreiter sein, immerhin einen Mindestlohn für den Aufwand zahlen. Es reicht nicht, dass EINER einen prestigeträchtigen Preis bekommt und alle anderen mit Unkosten dastehen – und die Stadt sich für ihre Großzügigkeit auf die Schultern klopft.“
Inzwischen ist gerüchteweise sogar die Rede davon, nicht mehr nur bei der Ausstellung zu sparen, sondern im Rahmen der pandemiebedingten kommunalen Einsparungen die Förderpreise nicht mehr nur aufzuschieben, sondern abzuschaffen. 
Vielleicht schafft man es aber im Gegenteil auch, die Förderpreise nicht nur zu bewahren, sondern auch in ihrem Profil zu schärfen? Es gibt keine festgelegten Förderkriterien: gewinnt der Nachwuchs, der oder die Bekannteste, der/die kommerzielle oder der künstlerische Designer/Künstler/...? Die Jury ist nicht unabhängig. Die Nominierenden sind gleichzeitig die Jury, zusammen mit einer Auswahl vom Stadträten, die über keinerlei Expertise verfügen, aber deren Mehrheit schließlich entscheidet (gegeben, dass jeder Nominierende sich wohl für seinen Vorschlag aussprechen dürfte). Der Preis wird fürs Lebenswerk bzw. das gesamte Schaffen verliehen – aber das ist ja in der Ausstellung nicht zu sehen, man muss auch keine Mappe oder ähnliches abgeben. Es hängt dann wohl am eigenen Nominierenden/Juror, den anderen Teilnehmern der Jury das Lebenswerk nahe zu bringen oder man muss hoffen, dass die Jury schon mal irgendwo irgendwas von einem gesehen hat.“
Nominiert waren heuer übrigens aus der Bildenden Kunst Felix Burger, Lena Grossmann, Maria VMier, Cordula Schieri, Angela Stiegler und Sophia Süssmilch. Die Fotograf*innen Maria Leonardo Cabrita, Jutta Görlich & Edward Beierle, Saskia Groneberg, Peter Langenhahn, Michael Mönnich, Sigrid Reinichs und Anne Wild. Die Schmuckdesigner*innen Eunmi Chun, Nadine Kuffner, Nicola Scholz, Barbara Schrobenhauser und Carina Shoshtary. Die Architekt*innen Florian Heim & Markus O. Kuntscher, Wolfgang Huß, Martin Kühfuss & Christian Schühle, Julian Chiellino, Felix Reiner & Sophie Reiner, Max Otto Zitzelsberger, Carsten Jungfer & Norbert Kling und Carmen Wolf. Und die Designer*innen Mario Kellhammer, Ana Relvao & Gerhardt Kellermann, Leonhard Rothmoser, Maximilian Schachtner, Conor Trawinski und Barbara Yelin.
Die fünf Teiljurys werden turnusgemäß im Herbst des Vorjahres per Kommissionenbeschluß vom Stadtrat gekürt. Jeweils sechs Fachjuroren auf Vorschlag des Kulturreferats. Dazu jeweils fünf Mitglieder des Stadtrats, die diesen Sommer teilweise ausgetauscht wurden. 2020 waren das in der Bildenden Kunst: Lisa Britzger, Babylonia Constantinides (Preisträgerin 2018), Anita Edenhofer, Christian Landspersky (Preisträger 2014), Konstantin Lannert und Leo Lencses sowie vom alten Stadtrat Kathrin Abele, Beatrix Burkhardt, Sabine Krieger, Marian Offman und Constanze Söllner-Schaar. In der Fotografie: Gürsoy Dogtas, Ulrich Gebert, Elke Jordanow, Nadine Loes, Mara Pollak (Preisträgerin 2018) und ein mir vom Kulturreferat vorenthaltenes Mitglied sowie vom alten Stadtrat Horst Lischka, Thomas Niederbühl, Marian Offman, Julia Schönfeld-Knorr und Otto Seidl. Im Design: Xugen Dam, Erika Groll, Johannes Gumpp, Ulrike Rehwagen, Tanja Seiner und Antonia Voit sowie vom alten Stadtrat Kristina Frank, Horst Lischka, Thomas Niederbühl, Otto Seidl und Constanze Söllner-Schaar. In der Architektur: Nicola Borgmann, Gabriela Cianciolo, Natalie Essig, Urs Greutmann, Karl R. Kegler und ein mir vom Kulturreferat vorenthaltenes Mitglied sowie vom alten Stadtrat Kristina Frank, Sabine Krieger, Horst Lischka (vertreten durch Klaus Peter Rupp), Julia Schönfeld-Knor (vertreten durch Constanze Söllner-Schaar) und Walter Zöller. Und im Schmuckdesign: Angela Böck, Unk Kraus, Karen Pontoppidan, Annamaria Leiste (Preisträgerin 2018), Doris Sacher und Gisbert Stach sowie vom alten Stadtrat Horst Lischka, Thomas Niederbühl, Marian Offman, Richard Quaas und Constanze Söllner-Schaar. 

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