Freitag, 4. November 2022

Pelz-Schreck Albert Fröhlich hört auf

Alles muss raus? Aus dem Mund von Albert Fröhlich (80) klingt das weit liebenswerter, wenn er in seinem österreichischen Singsang, mit seinem typischen Lausbubenlächeln nicht etwa nur von seinem Räumungsverkauf erzählt, sondern im Grunde eine Bilanz seines Lebens zieht. 50 Jahre lang hat er die Schönen und Reichen in Pelz gekleidet. An wechselnden Adressen, die immer nur erste Wahl waren: Montgelas-Palais im Hotel Bayerischer Hof, die Maximilianstraße, die Fünf Höfe, der Theatinerhof. Nun wird sein Geschäft in der Pfisterstraße, unweit von Platz und Maximilianstraße, sein letzter Laden bleiben. 
Ursprünglich nur eine Zwischenlösung für die Jahre, in denen der Freistaat den Theatinerhof renovierte und energetisch aufpeppte, wird Fröhlich jetzt nicht – wie angeboten – dorthin zurückkehren. Zu verlustreich waren die letzten zweieinhalb Jahren während Corona. Keine reichen Touristen und Geschäftsreisenden. Keine Events, für die die Münchnerinnen eine neue Pelzstola brauchten. Kaum Umsatz. Die Ersparnisse sind aufgebraucht. Und die Vorstellung, mit 80 noch einmal in eine neue Boutique zu investieren, scheinen selbst dem nimmermüden Provokateur vielleicht eine Spur zu dreist. Es ist nicht nur eine weitere von zu vielen Ladenschließungen in der Altstadt. Es ist auch persönlich eine ungewisse Zukunft, denn Fröhlich liebt sein Geschäft und kennt nichts anderes. 
Es war ihm sozusagen in die Wiege gelegt. Als Sohn eines Volksdeutschen und einer Kroatin im slowenischen Celje 1942 geboren und nach dem Krieg nach Österreich ausgewandert, ging er bei seinem Vater, einem Pelzhändler, in Graz in die Lehre. Es folgte der Meisterbrief in München und die selbständige Arbeit für Traditionshäuser wie Rieger-Pelze am Isartor, bevor Fröhlich 1975 seinen ersten eigenen Laden öffnete, im Lehel, dort, wo die Wohlhabenden aus Bogenhausen und dem Herzogpark vorbeifahren mussten, wenn sie in den Münchner Nobelmeilen shoppen oder speisen wollten.
Fröhlichs Atelier war ein Gegenentwurf zum klassischen Pelzgeschäft, mit Outfits, die mal neonschrill gefärbt waren oder auch nur provokant geschnitten. „Den Pelz braucht man nicht zum Leben“, gibt Fröhlich unumwunden zu. Er ist purer Luxus. „Ein Zeichen von Zuneigung.“ Wenn man ihn sich leisten kann. 
Doch auch Passanten liebten Fröhlichs Geschäft, denn niemand hatte verträumtere Schaufenster-Inszenierungen (verantwortlich dafür: Peter Rank). Bei der Presse führte sich der Neueinsteiger nicht weniger originell ein: Zu seiner ersten Modenschau im Park-Hilton lud er die Journalisten per Telegrammboten ein. „Den Wahnsinnigen, der mich nachts aus dem Bett klingeln läßt, muss ich kennenlernen“, sagte sich Klatschkolumnist Michael Graeter, der von da an oft und gern über Fröhlich schrieb. 
Für die „Vogue“ haben unter anderem Helmut Newton und Karl Lagerfeld die Kreationen des Münchner Kürschners fotografiert und so wurde auch das Interesse Anselm Kiefers geweckt. Der weltberühmte wie kaum bezahlbare Maler erwarb für seine Frau einen Pelz aus Fröhlichs Kollektion und beglich die Rechnung per Scheck. Womit Fröhlich quasi einen echten, signierten Kiefer besaß, den er nur schweren Herzens einlöste. Aber er konnte auf die 27.500 Mark nicht verzichten. 
Inzwischen sind Pelze verschrien und in Redaktionen wie der „Vogue“ schon viele Jahre tabu. Fröhlichs Geschäft tat das keinen Abbruch. Seine Klientel blieb ihm – bis zur Pandemie – treu. Und er selbst hält Felle immer noch für das nachhaltigste Kleidungsmaterial. Im Atelier hat er über fünfzig Jahre alte Erbstücke von Kunden, die er umgearbeitet hat. 
Nichts wird weggeworfen. Zobel- und Samtnerzreste verwandelt Fröhlich in bunte Ohren-Schützer für 490 Euro. Deutlich teurer ist sein Spitzenstück: Eine Zobeljacke, die selbst im Ausverkauf noch 78.000 Euro kostet. Ein Vermögen, aber in jedem Teil steckt die lebenslange Erfahrung. „Ich habe alles daran gesetzt, dass die Kundschaft zufrieden ist. Nur deshalb habe ich es so lange machen können.“ 
Ab Februar wird das Atelier Albert Fröhlich für immer Geschichte sein. Was danach folgt? Keine Ahnung. Er hat sein Leben lang nichts anderes gemacht. Und man will sich die Altstadt, den Mittagstisch im Schumann’s am Hofgarten und die glitzernden Schaufenster der Luxusgeschäfte gar nicht ohne einen wie ihn vorstellen. Doch früher konnte man sich Albert Fröhlich auch nicht ohne Hund vorstellen. Ein Cavalier King Charles gehörte fest an seiner Seite. Der letzte wurde sogar 15 Jahre alt. Was den Abschied nicht erleichterte. „Es tut so weh, wenn dein Hund stirbt“, gibt Fröhlich zu. Den Schmerz wollte er nicht immer wieder mit einem neuen Spaniel erleiden. Seitdem lebt er ohne Hund an seiner Seite. Und bald auch ohne den Beruf, der sein Leben bestimmte. 

Eine Version dieses Artikels erschien am 3. November 2022 in der „tz“.

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