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Freitag, 16. Juli 2010

Literatur abseits von Story, Plot und Pipapo

Zuletzt stand er oft und allein im Schumann's, Münchens klassischer Bar. Wie ein Signallicht ragte Jörg Fauser aus dem Gewühl der Magazinmacher hervor, die ihn nährten und die er mit seinen Reportagen und Geschichten adelte. Bemüht wahrte er Haltung, mit hochrotem Kopf, trotz allen Alkohols immer auf der für ihn typischen Schattenlinie zwischen Beobachter und Akteur.
München – ausgerechnet die schicke Metropole der 80er Jahre war die Krönung seiner literarischen Karriere, nicht zuletzt weil es zugleich sein Ende war. Im Taunus geboren, hatte Fauser in Frankfurt am Main, Berlin und München gelebt, gearbeitet und sich als Chronist bewährt. Als Beobachter einer weit verbreiteten Lebensangst, der unermüdlichen Versuche, „einfach was Tolles“ zu bringen, und der dabei nicht zu vermeidenden Niederlagen. Die entsprechenden Verlierertypen fand er quer durch alle Gesellschaftsschichten, ob in der Koksschickeria, bei Hausbesetzern, unter den Stammgästen einer Trinkhalle oder bei den Junkies in Istanbul.
Er berichtete für „Twen“ aus der Drogenszene, interviewte für den „Playboy“ Charles Bukowski und wurde mit seiner Beobachtungsgabe, dem schnörkellosen Stil und seinem zupackenden Tempo bald ein Grenzgänger zwischen Kaufpresse und Undergroundliteratur. Der Durchbruch als Schriftsteller gelang ihm dann 1981 mit dem Roman „Der Schneemann“, infolgedessen endlich auch die früheren Arbeiten Anerkennung fanden.
„Es gibt im 'Schneemann' eine Stelle, wo eine einfache Reihung von Assoziationen stattfindet“, erläuterte Fauser einmal. „Das sind etwa 20 Zeilen. Das ist eigentlich das Buch, abgesehen von Story, Plot und Pipapo. Deswegen schreibe ich, um solche Zustände herzustellen, wo jedes Wort das vorhergehende weiterführt, aber noch drinhat. Ja, das macht Schreiben aus.“
Am 17. Juli 1987, in der Nacht nach seinem 43. Geburtstag, überquerte Jörg Fauser im Morgengrauen eine Autobahn und wurde dort, wo sich im Münchner Umland Rotlichtbars und Reiterhöfe drängen, überfahren.

Bearbeitete Version eines am 17. Juli 1997 in der „Berliner Morgenpost“ erschienenen Textes.

Update: „Fauser schrieb, wie er dachte, wie er konnte, schnell und direkt. Eine Literatur, die nur das sein wollte, was da stand, nichts anderes. Und er wusste, wovon er schrieb, war ganz unten gewesen, Apomorphin-Entzug, Absturz, wieder neu anfangen, weitermachen, wieder Absturz. Er kannte den Geruch der Fixerbuden, den Mief der Kommunen, das Aroma der Straße.“
Michel Decar in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 25./26. Mai 2019 anläßlich der Neuauflage von Fausers Werk im Diogenes-Verlag.

Mittwoch, 21. November 2007

Einfach gut

Da mein kleines Apartment immer noch von zu viel Büchern geschmälert wird, habe ich das eine oder andere in meinen Laden gestellt. Welches Buch ich nun niemals verkaufen würde, wollte unlängst eine „Focus“-Volontärin von mir wissen, und ich sagte sofort, Jörg Fausers Gesamtausgabe von Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins. Und selbst wenn Marc jetzt lästern wird, ist es das Buch(paket), das ich mit auf die einsame Insel nähme. Obwohl diese mir lieb gewordene Ausgabe im Papp-Polaroid-Look einen entscheidenden Nachteil gegenüber der aktuellen Edition hat. Sie enthält nicht Fausers letzten Roman: „Die Tournee“. Morgen, Donnerstag abend stellen die Herausgeber Jan Bürger und Rainer Weiss diese Arbeit des zu früh verstorbenen Jörg Fauser vor. Es liest Anna Böger von den Kammerspielen. Ab 20 Uhr im Stolz von der Au.

Samstag, 27. Januar 2007

Die 25-Jährigen

Nein, nicht was Ihr denkt. Das Schumann's wird Sonntag 25! Gefeiert wird erst, wenn 's wieder Sommer ist. Aber die „Süddeutsche“ zelebriert es bereits in ihrer Samstagsausgabe ausführlichst.

Wenn ich an die 22 Jahre zurückdenke, die ich nun mitbekommen habe, fallen mir zuallererst die Toten ein. John, der mir ständig Prügel androhte, weil ich es wagte, im T-Shirt eine Bar zu betreten. Barchef Klaus, der mir vom Verrechnungsscheck bis zum Dupont-Feuerzeug alles zu Geld machte. Jörg Fauser, dessen vom Alkohol gerötetes Denkerhaupt aus den alkoholisierten Massen hervorragte. Helga Anders, die es mehr als jede Schauspielerin verdient, daß ihrer endlich einmal gedacht wird. Alles Tote, die zu Lebzeiten aus dem Vollen schöpften.