Verehrte Anwesende, liebe Freunde und Freundinnen, Weggefährten- und Gefährtinnen der Preisträgerin, liebe Maren!
Frauen sind nicht komisch. Also, sie sind...“komisch“. Aber nicht komisch. Das ist es, was uns lange eingeredet wurde, so ähnlich wie die Behauptung, dass Frauen angeblich nicht Spitzenköchinnen oder Dirigentinnen sein können. Zum Glück kommt immer irgendwann eine Frau und widerlegt solche Vorurteile.
Was den Humor angeht, gehört Maren Kroymann in Deutschland zu den Künstlerinnen, die uns gezeigt haben: Humor kann weiblich sein, ohne dämlich zu sein, er kann sogar scharf und politisch sein, und er ist dann am besten, wenn er die Stereotype männlichen Humors auf den Kopf stellt und dadurch entlarvt.
Denn tatsächlich galt Humor Jahrhunderte lang als männlich; sogar wissenschaftlich wollte man das festgestellt haben. Sam Shuster, ein emeritierter Professor der englischen University of East Anglia stellte die These auf, Humor sei eine Sache der Hormone, genauer gesagt eine Frage des Testosteronspiegels. Humor resultiere aus Aggressivität, die in eine verbale Äußerung kanalisiert würde und bestenfalls als Witz ende. Aus dem Faustschlag werde also gewissermaßen ein Scherz. Auch sprachlich passt das: Ein Witz muss genauso sitzen wie ein Schlag (punch) – Punch line ist der englische Begriff für Pointe.
Nun hauen Männer bekanntlich humortechnisch gerne mal daneben, die Witze fallen dann derb oder sogar sexistisch aus, und lange nahm man das – auch als Frau – eben so hin. Nicht so Maren Kroymann. Sie verwendet eine Technik aus dem Judo: Den Schwung des Gegners auffangen und sich zunutze machen. Am Ende liegt er auf der Matte. „Keine Parodie misslingt ihr, nichts gerät ihr peinlich!“ schrieb die TAZ 2019, anlässlich ihres 70. Geburtstages. Und dieser Instinkt, diese Geschmackssicherheit ist es wohl auch, die sie durchgetragen hat durch eine 40-jährige Karriere auf der Bühne und vor der Kamera, die in Deutschland ihresgleichen sucht.
Maren Kroymann wurde in ein bürgerlich-akademisches Elternhaus geboren, wuchs mit vier Brüdern im beschaulichen Tübingen auf und ihr erster Berufswunsch war: Englischlehrerin. Aber dann muss irgendwas passiert sein, das ihre andere, unbürgerliche Seite geweckt hat. Zum Glück, möchte man sagen.
Seit 1982 steht sie auf der Bühne, zunächst als Sängerin, die das gängige Frauenbild anhand von Schlagern kritisch hinterfragt, und mit ihrem ersten Soloprogramm „Auf du und du mit dem Stöckelschuh“ liefert sie gewissermaßen den Soundtrack zur damaligen Debatte, ob enge Kleider und hohe Absätze der Emanzipation schaden, weil sie die Frau zum Objekt männlicher Begierde degradieren, oder ob sie – im Gegenteil – ein Ausdruck weiblichen Selbstbewusstseins sind.
Über diese Frage ist übrigens bis heute kein Konsens erzielt worden, aber Maren Kroymann hat sich der Debatte früh entzogen, indem sie sehr entspannt unter Beweis gestellt hat, dass Eleganz und Intelligenz sich keineswegs ausschließen, ja, dass man sogar Feministin sein kann, ohne Sackkleider und Gesundheitsschuhe zu tragen und die Achselhaare wuchern zu lassen.
1985 war sie zum ersten Mal im Fernsehen – als Gast in Dieter Hildebrandts Sendung „Scheibenwischer“. Als Kabarettistin war sie eine neuartige Figur, an die das Publikum sich erst gewöhnen musste. Politisches Kabarett gab es hierzulande schon, Comedy war erst im Kommen, und Maren Kroymann verkörperte irgendwas dazwischen, ein eigenständiges Genre, das nicht den predigerhaften Charakter der amerikanischen Stand up Comedy hatte (die nicht zufällig aus dem Land der evangelikalen Prediger kommt), aber auch nicht die schwarz-weiß-moralischen Gewissheiten deutschen Polit-Kabaretts. Und so dauerte es etwas, bis sie sich ihren Platz in der Kabarett-Szene erobert hatte.
Was vielen nicht bewusst ist: Maren Kroymann schrieb ihre Texte lange Zeit selbst und entwickelte ihre Figuren eigenständig; sie war als Kabarettistin nicht das Produkt männlicher Phantasien und männlich geprägter Produktionsfirmen – etwas, das sie von ihren wenigen Kolleginnen damals und vor allem von vielen weiblichen Comedy-Stars der jüngeren Zeit unterscheidet.
Aber, wie sie selbst sagt, sie musste erst dazu überredet werden, etwas Eigenes zu machen, weil sie es sich – typisch Frau - selbst nicht zutraute. Übrigens wurde sie dazu von einem Mann überredet (Jürgen Breest, dem damaligen Unterhaltungschef von Radio Bremen), wie sie überhaupt – wie sie selbst sagt – durchaus auch Unterstützung von Männern bekam, aber eben nicht nur. Manche erklärten ihr auch, sie solle bitte nur singen und dabei mit dem Hintern wackeln. Sogar mit Tomaten wurde sie mal beworfen, so befremdlich fanden es offenbar manche, dass eine Frau nicht vorgefertigte Texte spricht, sondern eigene Gedanken auf die Bühne bringt.
Bis heute, wo Maren Kroymann mit einem Autor:innenteam arbeitet, ist es ihr wichtig, kein „Meinungskabarett“ zu machen, nicht vorzugeben, sie sei im Besitz der einzig richtigen Wahrheit, sondern eher dialektisch zu arbeiten, Anregungen zum Nachdenken zu geben und nicht auf die reflexhafte Zustimmung des Publikums zu setzen.
Gehen wir nochmal zurück auf der Zeitachse: 1993 kam der Durchbruch mit ihrer ersten eigenen Sendung „Nachtschwester Kroymann“, in der sie vor allem ihr Talent zur Parodie unter Beweis stellen konnte. Kaum eine prominente Frau war vor ihr sicher, und ihre Imitationen konnten recht gnadenlos sein. Meine Lieblingsparodie war die von Regine Hildebrandt (übrigens nicht verwandt oder verschwägert mit dem Namensgeber dieses Preises), der SPD-Politikerin aus dem Osten, die eine fürchterliche Nervensäge sein konnte, dabei aber ungeheuer engagiert und in ihrer Schnoddrigkeit sehr liebenswert war – und genau diese Mischung war auch in der Parodie zu spüren.
Parallel dazu entwickelte sich Maren Kroymanns Karriere als Schauspielerin. In „Oh Gott, Herr Pfarrer!“ war sie an der Seite von Robert Atzorn – wie sie es selbst formuliert – „die erste feministische Serienmutter“, und in der Serie „Vera Wesskamp“ spielte sie eine Frau, die nach dem Unfalltod ihres Mannes drei Kinder aufziehen und das Familienunternehmen retten soll.
Die Liste ihrer Film- und Fernsehrollen ist schier endlos, und es waren fast immer starke Frauen, die sie gespielt hat, auf jeden Fall Frauen, die gegen Konventionen verstoßen und auch mal Tabus brechen. Ein Film, der ihr besonders am Herzen liegt, ist der Kinofilm „Verfolgt“ von Angelina Maccarone, die Geschichte einer sado-masochistischen Beziehung zwischen einer älteren Frau und einem sehr jungen Mann, gespielt von Kostja Ullmann. Der Film, in kunstvollem schwarz-weiß gedreht, erhielt 2006 den Goldenen Leoparden beim Filmfestival in Locarno.
1993 geschah etwas, dessen Auswirkungen – so kann man sagen – nicht nur für Maren Kroymann bis heute spürbar sind. Die Zeitschrift STERN hatte die Kampagnen „Ich habe abgetrieben“ und „Ich bin schwul“ publiziert – nun sollte „Ich bin lesbisch“ folgen. Maren Kroymann gibt zu, dass sie lange überlegt, sich dann aber entschlossen hat, mitzumachen, weil sie es wichtig fand und solidarisch sein wollte. Leider sagten kurz vorher alle anderen bekannten Frauen ab, und so war sie die einzige Prominente, die noch dabei war. Die Folge war, ich zitiere sie selbst: „Üble Reaktionen, Verrisse, ein Jahr lang kein Angebot zum Spielen.“
Maren Kroymann dachte damals, sie bereite den Weg für ihre queeren Kolleginnen und Kollegen – aber als die sahen, wie es ihr nach ihrem Outing erging, taten sie natürlich einen Teufel, ihrem Beispiel zu folgen. Es sollte noch Jahre dauern, bis viele Schauspieler:innen, Moderator:innen, Sportler:innen und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sich nicht mehr gezwungen fühlten, ihre Homosexualität zu verstecken. Ganz allmählich hat man den Eindruck, dass es hierzulande kaum eine Rolle mehr spielt, welche sexuellen Präferenzen eine Person hat. Und wenn es irgendwann hoffentlich ganz egal geworden ist, wird unsere Preisträgerin einen nicht unerheblichen Anteil daran haben.
Sie selbst sagt heute im Rückblick auf diese Zeit, die Erfahrung habe sie gestärkt. Sie habe gelernt, sich unabhängig zu machen und Gegenwind auszuhalten – und das sei das Wichtigste für eine Kabarettistin. Sie geht sogar noch weiter und sagt, als weiße alte Frau wäre sie doch wahrscheinlich längst weg vom Fenster, da sei es nicht von Nachteil, einer diskriminierten Randgruppe anzugehören. „Meine Queerness schützt mich“, so ihre Worte.
Ob das wirklich stimmt, oder ob es mehr mit ihrem Können, ihrer Vielseitigkeit und ihrer Coolness zu tun hat, dass auch junge Leute sie toll finden, lasse ich jetzt mal dahingestellt. Tatsache ist, dass Maren Kroymann in einem Alter, in dem andere über ihre Zipperlein klagen und höchstens noch Butterfahrten ins Emsland planen, einen Karriereschub erlebt hat, der wirklich außergewöhnlich ist. Seit zehn Jahren wird sie mit Preisen und Auszeichnungen regelrecht überhäuft, seit 2017 ist sie mit dem TV-Format „Kroymann“ wieder regelmäßig auf Sendung, und darüber hinaus dreht sie unaufhörlich Filme.
Man kann sagen, je älter sie wird, desto erfolgreicher wird sie, und auch darin ist sie ein wunderbares Role Model für uns Frauen, die wir ja dazu neigen, uns ab einem gewissen Alter nicht nur unsichtbar zu fühlen, sondern auch unsichtbar zu machen. Maren Kroymann zeigt uns, dass es auch anders geht.
An dieser Stelle würde ich gern eine ganz persönliche Beobachtung einflechten. Man sagt uns Frauen ja gerne nach, wir seien „stutenbissig“, konkurrierten untereinander und ließen uns gern mal abfällig über unsere Geschlechtsgenossinen aus. Und wenn wir jetzt mal ehrlich sind, ja, sowas kommt vor, und gar nicht selten.
Seit ich Maren Kroymann kenne, und ich kenne sie auch persönlich, habe ich noch nie erlebt, dass sie sich hämisch oder herablassend über Kolleginnen geäußert hätte. Es ist, als fühle sie so etwas wie eine Grundsolidarität mit Frauen und insbesondere mit Frauen aus der Film- und Fernsehbranche – weil sie weiß, wie schwer es denen oft gemacht wird, gegen wie viel Ignoranz und Voreingenommenheit sie sich wehren müssen. Auch wenn sie vielleicht persönlich nicht alles gut findet, was eine Kollegin beruflich macht, Maren würde sich immer hinter sie stellen und sie unterstützen. Sie hat es einfach nicht nötig, sich auf Kosten anderer zu profilieren oder ihnen gar schaden zu wollen. Und das ist – ich spreche aus eigener Erfahrung – in dieser Branche alles andere als selbstverständlich.
Gerade sagte ich, dass auch junge Leute sie toll finden. Und das liegt daran, dass sie nicht versucht, mit Gewalt jung zu bleiben oder jung auszusehen, sondern dass sie selbstbewusst und selbstironisch mit dem Thema Alter umgeht. Ich empfehle Ihnen dringend, sich das Musikvideo „Wir sind die Alten“ anzusehen – es hat inzwischen über eine Million Klicks auf Facebook und zeigt all denen sehr humorvoll den Mittelfinger, die glauben, Jugend sei ein Verdienst und Alter eine Schande. Auch in ihr Bühnenprogramm „In my Sixties“ kommen immer mehr junge Leute, denen die Mischung aus selbstbewusster Weiblichkeit, Haltung, Humor und Professionalität gefällt.
Außerdem – und auch das ist übrigens nicht selbstverständlich - geht Maren Kroymann als Künstlerin mit der Zeit und ist nicht nur in Fernsehen und Kino präsent, sondern auch auf sozialen Medien, wodurch sie sich neue Publikumsschichten erschließt. Das ist „in unseren Kreisen“ und in unserer Generation ja oft noch verpönt, und viele (mich eingeschlossen) nehmen nur höchst widerwillig zu Kenntnis, dass man ohne diese Medien heute eigentlich nichts mehr verkaufen kann, keine Meinungen, keine Bücher, keine Kunst. Aber das ist ein anderes Thema.
Maren Kroymann ist auch eine politische Künstlerin, aber nicht nur. Sie ist aber durch und durch eine politische Frau, und als solche zeigt sie Haltung, wenn sie es für notwendig hält. Für sehr notwendig hielt sie es, sich bei der Verleihung des Deutschen Comedy Preises 2021 zum Thema Metoo und dem Umgang der Branche damit zu Wort zu melden. Nachdem sie den Preis für ihr Lebenswerk entgegengenommen hatte, sagte sie unter anderem: „Ich werde jetzt dafür ausgezeichnet, dass ich lustige Geschichten erzähle. Und es gibt Frauen, die eben Geschichten erzählen, die ihre Geschichten sind, die nicht lustig sind. Und sie werden nicht so gerne gehört. (...) Ich würde mir wünschen, dass ihre Geschichte gehört wird. Dass diese Frauen ernst genommen werden. Dass sie respektiert werden. Dass man ihnen glaubt.“
Für diese Rede wurde Maren Kroymann von der Jury des Seminars für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen mit dem Preis für die Rede des Jahres ausgezeichnet. Und ich glaube, ich behaupte nicht zu viel, wenn ich sage, dass ihr diese Auszeichnung eine der wertvollsten ist. Sie kann eigentlich nur noch durch eine einzige andere Auszeichnung getoppt werden ;-)
Liebe Maren, die Jury des Dieter-Hildebrandt-Preises wundert sich in ihrer eigenen Jury-Begründung, warum du den Dieter-Hildebrandt-Preis eigentlich noch nicht hast. Nun bekommst du ihn, und eines steht fest: Dieter Hildebrandt hätte sich darüber unglaublich gefreut!
Herzlichen Glückwunsch!