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Donnerstag, 28. Juli 2016

Timo Lokoschat – In dreißig Minuten vom Praktikanten zum Euro-Experten

Anfang Juli verabschiedete sich Timo Lokoschat, stellvertretender Chefredakteur der „Abendzeitung“, von seinen Lesern. Vorgestern enthüllte nun der Kress-Report, warum der Kollege von München nach Hamburg zieht: Als leitender Redakteur soll sich der bisherige AZ-Vize ab 1. August beim „Spiegel“ um „Projekte zwischen Print und online kümmern. Ab Herbst übernimmt er laut "Spiegel"-Kreisen an der Seite von Oliver Trenkamp, bislang Chef vom Dienst bei "Spiegel Online", die Redaktionsleitung von "Spiegel Daily".“
Mit ihm, so der Kress weiter, verpflichte man „einen erfahrenen Nachrichtenmann, der auf der medialen Klaviatur Print und Online beherrscht und auch weiß, was ein Redaktionsschluss ist.“
In Zeiten, in denen Journalisten, Blogger, aber eben auch Quereinsteiger via Social Media im Nachrichtengeschäft mit den klassischen Medienauftritten konkurrieren,  und „der Ruf nach Information, Orientierung und Einordnung“ (Dunja Hayali) immer lauter wird, nahm Lokoschat mit einer merkwürdigen Anekdote von München Abschied. Er erinnerte an seinen ersten Arbeitstag 2002 bei der Münchner Tageszeitung:
„"Heute beantwortet der Euro-Experte die Fragen der AZ-Leser", sagte mir der damalige Lokalchef zur Begrüßung.
"Toll", meinte ich, 22 Jahre jung und Praktikant. "Wer ist denn der Euro-Experte?"
Der Lokalchef lachte und sagte: "Du! In 30 Minuten geht's los."
Danach hatte ich stundenlang besorgte, teilweise weinende Rentner am Apparat.“
Nun sind wir Journalisten gerne Generalisten, die oft zu recht meinen, sich in jedes Thema einarbeiten zu können. Aber den Praktikanten am Lesertelefon Fachfragen beantworten zu lassen, hat doch selbst bei einem Boulevardblatt auch den Beigeschmack der Verarschung.
Es verwundert weniger, daß dies passiert ist. Jeder, der schon mal für Tageszeitungen geschrieben oder in deren Redaktion gearbeitet hat, kennt ähnliche Geschichten.
Ungewöhnlicher dagegen schon, daß Lokoschat bei einem wichtigen Karriereschritt ausgerechnet mit dieser Geschichte an die Öffentlichkeit tritt. Christian Ude geht gerne damit hausieren, wie er für die „Süddeutsche Zeitung“ mal eine Konzertkritik kalt schrieb und dummerweise aufflog weil das Konzert gar nicht stattgefunden hatte. Aber Ude erzählt diese Anekdote als Politiker und Kabarettist, der sich schon längst vom Journalismus verabschiedet hat. Lokoschat untermalt mit der Story dagegen seinen journalistischen Aufstieg, als ob es im Mediengeschäft nur darum ginge, pünktlich zu liefern. Egal was.
Wirklich entsetzt bin ich aber, daß laut Lokoschat kein einziger Leser der „Abendzeitung“ daran Anstoß fand. Viele lasen das Editorial und beklagten seinen Abschied, aber kein einziger störte sich an seinen betrügerischen Anfängen als Euro-Experte. Ist der Leser doch schon soweit, dass er Journalisten eh nicht mehr als Experten ernst nimmt?

Mittwoch, 2. Juli 2014

Die neue Abendzeitung – local first (Updates)

Heute ist die erste reguläre „Abendzeitung“ der Ära Balle erschienen, und bei allem Mißtrauen und aller Häme Dritter gegenüber dem neuen Verleger werde ich nicht müde, festzustellen, daß ohne das Engagement und vor allem Geld des eigenwilligen Verlegers das Blatt endgültig Altpapier geworden wäre und nur noch online weitergelebt hätte. Wenn man das ein Leben nennen will. Es gab keine Alternative, und die Forderung einiger Kollegen, das Blatt lieber sterben zu lassen als so weiterzuführen, spiegelt nur die weltfremden Gedankenspielereien jener wieder, die zu viel Zeit im Netz verbringen.
Die AZ ist handlicher geworden. Tablet statt Desktop. Dem Wechsel zum Berliner Format folgte im Innenleben eine Neuordnung der Ressorts, die auch die neue Hierachie abbildet: Mit der Übernahme der Chefredaktion durch den bisherigen Lokalchef Michael Schilling und dem Aufstieg seiner Stellvertreter Timo Lokoschat und Thomas Müller zu stellvertretenden Chefredakteuren steigt auch ihr Ressort auf. Der Lokalteil nimmt das erste Zeitungsbuch vollständig ein. Verantwortet wird der Lokalteil vorerst weiter von Schilling und Lokoschat.
Die Politik wandert mit dem Wirtschaftsteil ins zweite Buch. Schilling verspricht dem Aktuellen aus Bayern und der Welt „ab sofort mehr Platz“, schreibt aber im nächsten Satz: „auf zwei Seiten mindestens.“ Das war früher nicht unbedingt weniger. Am schwersten wiegt aber der Verlust von Angela Böhm, die erst unlängst für ihre investigativen Recherchen mit dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet worden ist. Die CSU wird sich freuen, für die Zeitung ist das ein großer Verlust. Updates: Neben der zweidreiköpfigen Politikredaktion (davon eine halbe CVD-Stelle) sind auch die Rathaus-Reporter nicht mehr dabei, da sie bereits vorher anderweitige Angebote angenommen haben sollen. Sie werden ersetzt.
Kultur und Boulevard bleiben erhalten, ebenso schreiben Michael Graeter und Kimberly Hoppe weiter über das, was München zu München macht. Ponkie fehlt in den aktuellen Ausgaben, da sie Urlaub macht, aber die Redaktion hofft, sie halten zu können. Feuilletonchef bleibt Volker Isfort. Adrian Prechtel, Christa Sigg, Robert Braunmüller, Michael Stadler und Arno Frank Eser unterstützen ihn.
Im Sport gab es die größen Umbrüche. Das Ressort wurde praktisch aufgelöst, aber immerhin schreibt Patrick Strasser weiter über den FC Bayern. Was den TSV 1860 betrifft, fürchtet dagegen der kritische AZ-Beobachter Thomas Mrazek, daß hier nurmehr Agenturmaterial veröffentlicht werden wird. Aus der Redaktion hört man dagegen, daß, sobald der WM-Stress überstanden ist, auch die Löwen mit exlusiven Geschichten abgebildet werden sollen.
Wenn auch wohl mit Zeitverzögerung. Aufgrund des neuen Druckortes Straubing sind Redaktionsschluß und Andruck deutlich früher. Die erste Ausgabe der Abendzeitung am Vorabend entfällt ganz und in der regulären Ausgabe wird man abendliche Sportergebnisse oder Red-Carpet-Events erst am übernächsten Tag finden.
Die auffälligste Veränderung ist außerhalb des Blattes wahrzunehmen. Auf Twitter und Facebook geht man transparent mit technischen Problemen um und thematisiert offensiv den Kampf mit dem neuen Redaktionssystem, das noch für Schriftenwirrwarr und Layoutsünden sorgt. Mit Namen geizt man dagegen bei der AZ-Chefredaktion ein bißchen, da noch nicht alle Verträge ausverhandelt sind. Aber der heutigen Ausgabe läßt sich zumindest entnehmen, daß in der Lokalredaktion Lea Kramer, Myriam Siegert, Anne Hund, Irene Kleber und John Schneider werkeln. Bestätigt wurden mir außerdem Christian Pfaffinger, Laura Kaufmann, Florian Zick (Szene/Rathaus), Christoph Landsgesell sowie die Polizeireporter Nina Job und Ralph Hub
(Update: Laura Kaufmann ist vorerst in der Transfergesellschaft und unterstützt die Redaktion als freie Mitarbeiterin. Auch einige andere der hier genannten sind Freie und keine Redakteure.)
Natalie Kettinger löst als Chefreporterin Matthias Maus ab. Den Online-Auftritt verantworten Stephan Kabosch und Lutz Kuppinger.
Und last but not least: Herr Hirnbeiß bleibt uns erhalten! 

Update vom 10. Juli 2014: „Wie im amerikanischen Spielfilm saß ich da mit der Rechenmaschine. Dann haben Mitarbeiter mir ihr bisheriges Bruttogehalt genannt. Ich habe 85 Prozent eingegeben als Verhandlungsbasis, und in der Regel sind wir drüber gelandet, bei neunzig, 95, teilweise hundert Prozent. Wer in München lebt, muss mindestens 40.000 Euro im Jahr verdienen, sonst geht es gar nicht.“ Interview mit dem Verleger Martin Balle in der F.A.Z.