Ich bin zu Besuch in Rumänien und übernachte allein in einer kleinen Wohnung in Bukarest, die mir eine Verwandte überlassen hat. Ich will zum Bahnhof, um dort kurz etwas zu erledigen, und suche auf der Hauptstraße nach der entsprechenden Bus- oder Tramlinie, was nicht ganz unkompliziert ist. Bus- und Tramhaltestellen sind nicht identisch, sondern so versetzt angelegt, dass man den Bus nicht mehr erwischt, wenn man an der Tramhaltestelle wartet. Und umgekehrt.
Zudem sind die Haltestellen nur durch kleine Schilder gekennzeichnet und schwer auszumachen. Außerdem ist auf den Streckenverlauf der einzelnen Linien zu achten. Manche fahren Richtung Bahnhof, biegen aber vorher in eine andere Richtung ab. Dafür kommen im Streckenverlauf andere Linien von links, um dann zum Bahnhof zu fahren.
Ich gehe die Hauptstraße entlang, um eine passende Haltestelle zu finden. Am Straßenrand steht ein Baum. Auf einem Ast liegt, schlafend oder dösend, ein kleines Tier, das ich für eine Ratte halte. Ich bin fasziniert von der „Baumratte“ und mache mit dem Handy Fotos. Das Tier wacht auf. Es ist doch keine Ratte, aber ich kann mich nicht daran erinnern, was es tatsächlich für ein Tier gewesen ist. Es schlüpft kurz in eine Baumhöhle, dann kommt es wieder raus und klettert über die Äste Richtung Nachbarhaus, wo an einem offenen Fenster ein Käfig hängt.
Im Käfig ist ein grüner Papagei mit rotem Schnabel, ein weiterer turnt im offenen Fenster herum. Die „Baumratte“ versucht, katzenähnlich, mit der Pfote zwischen den Gittern den Papagei im Käfig zu erwischen. Der hackt mit dem Schnabel nach der Pfote. Sie scheinen sich zu kennen und es eher spielerisch zu machen.
Ich wende mich zum Baum hin und entdecke in der Baumhöhle eine kleine, gefleckte Raubkatze.
Ich greife mir die „Baumratte“ am Käfig, die sich in meinen Händen an mich schmiegt. Sie streichelnd laufe ich die Straße entlang, auf der Suche nach der richtigen Verbindung Richtung Bahnhof. Währenddessen überlege ich, ob man inzwischen Fahrkarten im Wagen kaufen kann oder sich wie früher an einem Kiosk damit eindecken muss.
Plötzlich fällt mir ein, dass ich die „Baumratte“ immer weiter von ihrem Zuhause entfernt habe. Was, wenn sie nicht mehr in meinen Armen liegen will, sondern unruhig wird. Wieder auf den Boden will? Würde sie überhaupt allein wieder nach Hause finden? Ich kehre zurück, um sie dorthin zu bringen, wo ich sie entdeckt habe.
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