Sie war auch nur ein Fotomodell, aber bei ihrer Filmkarriere stützt sich Cameron Diaz geschmackssicher auf schräge Regisseure und wilde Stoffe. Nur im Boot mit Dorin Popa blieb sie brav und bescheiden.
Ihr erster Auftritt schien programmatisch zu sein. Eines jener Leinwanddebüts schauspielernder Models, bei denen Hollywood nur tits & as im Auge hat. Oder – in Cameron Diaz' Fall – Brust und Beine, mit denen sie sich in Jim Carreys „Die Maske“ nachhaltig einführte, indem sie den Schauplatz nicht einfach betrat, sondern wie eine Fata Morgana plötzlich dastand, weit vorgebeugt, um an ihren Oberschenkeln herumzufummeln und dabei die kürzeste Verbindung zwischen Dekolleté und Kleiderschlitz herzustellen.
Doch der erste Eindruck täuscht. Cameron Diaz ist keine weitere Traumfigur in der Traumfabrik, sondern etabliert sich vom ersten Film an als Idealbesetzung der unartigen Frau der 90er Jahre, die im Tête-à-tête mit den unfähigen, linkischen Männern ihrer Generation ein Spiel auf Leben und Tod wagt. Zielstrebig, dickköpfig, lustorientiert und in einer Zeit des Werteverfalls nur den eigenen Maßstäben verpflichtet, die sich oftmals beständiger erweisen als die Sitten ihres Umfelds. Regiedebütanten und unabhängige Filmemacher lieben sie, und Cameron Diaz erwidert die Leidenschaft durch eine Rollenauswahl, die eher bei den Kritikern als beim großen Publikum Anklang findet. Ob sie nun in „Last Supper“ reaktionäre Politiker vergiftet, in „Feeling Minnesota“ nach der Trauung den Schwager vögelt, in „She's the one“ als Callgirl arbeitet oder sich in „Kopf über Wasser“ mit Harvey Keitel einen mörderischen Ehekrieg liefert – stets rebelliert sie gegen alle Konventionen. Und selbst ihre Rückkehr ins Hollywoodfach als zuckersüße Braut in „Die Hochzeit meines besten Freundes“ kulminiert in der größten aller Unartigkeiten: dem Star Julia Roberts den Traummann vorzuenthalten!
Die Akne, die Cameron Diaz bereits in der „Hochzeit…“ hatte und natürlich wie du und ich wirken ließ, ziert sie auch in Berlin – so man ein Auge dafür hat. Denn auf den ersten Blick scheint Diaz' Kopf nur aus Mund und Augen zu bestehen, aus dem unverschämt breiten Mund und den unermeßlich blauen Augen. Erst das ständige Kaugummikauen und ihre Knipserei während der Wannsee-Bootsfahrt holt einen in die Realität des All American Girls zurück.
Ihre Filmkarriere? Zufall! Das Drehbuch zur „Maske“ lag bei ihrer Agentin herum, und da sie als Model nur Mittelmaß war, schien ihr die Filmbranche ein vielversprechender Aus- bzw. Aufstieg. Ihre Figur? Gottgegeben, da sie alles frißt und nicht trainiert. Der Unfall bei den Drehvorbereitungen zu „Mortal Combat“? Ein Glücksfall, denn dank der gebrochenen Hand blieb ihr die Kampfsportorgie erspart, die sich auch nicht in ihre sonst makellose Filmographie eingefügt hätte. Ihre Rollenauswahl demnach kein raffiniertes Arrangement. Frank und frei erzählt sie von Alkoholvergiftungen und berufsbedingten Magengeschwüren, kennt keine Geheimnisse und und wird nur diplomatisch, wenn es um Kollegen geht. Wie es denn sei, mit Künstlern wie Holly Hunter und Harvey Keitel zu arbeiten und andererseits mit Stars wie Jim Carrey und Julia Roberts? Unterschiedslos gut, beteuert sie, schließlich seien das alles Schauspieler, gute sogar.
Wer eine freche, aggressive Cameron Diaz erleben will, muß schon in Danny Boyles („Trainspotting“) neuesten Geniestreich „Lebe lieber ungewöhnlich“ gehen. Als durchtriebene Milliardärstochter wird ausgerechnet sie vom Himmel dazu auserkoren, einen hilflosen Verlierertypen aufrichtig zu lieben, den sie nicht einmal kennt, geschweige denn ernst nehmen kann.
Der „Rolling Stone“ hat Cameron Diaz zum „Hot Shot“ gekürt, die amerikanischen Kinobesitzer zum „Female Star of Tomorrow“. Dabei will die 25-Jährige doch nur mit kreativen Regisseuren unanständig gute Filme machen. Schließlich gibt's schon genug Stars.
Dieser Text erschien zuerst in „Ticket“ 4/1998, der wöchentlichen Kulturbeilage des Berliner „Tagesspiegel“.
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