Gute Daten, schlechte Daten? Wer dieser Tage öfters im Arabellapark zu tun hat, droht der Verwirrung anheimzufallen.
Denn einerseits wuppt man bei Burda das nächste große Online-Ding.
„Wir erfinden das Internet neu“. Kein Wunder, daß sich unlängst sogar Sigmar Gabriel den neuesten heißen Scheiß persönlich vorführen ließ: Cliqz, einen Zwitter aus Browser und Suchmaschine, der zwar noch irgendwie beta ist, aber jetzt offiziell vorgestellt werden soll.
Ein Internet-Wolpertinger, der vor allem eines sein will: lieb und gut. Anders als die böse Datenkrake Google, die sogar die Deutschen trackt, die gar keine Google-Produkte nutzen. Und sollte das jemand verdrängt haben, so lancierte Cliqz sicherlich nicht zufällig oder uneigennützig vorletzte Woche eine
Studie, die daran erinnert, wie böse Google ist.
Cliqz dagegen ist so gut und rein, daß es sogar das alte „Focus“-Primat aufwärmen darf:
„immer an den Leser denken“.
Bei Cliqz
klingt das jetzt so:
„Immer zuerst an die Nutzer denken. Das unterscheidet uns von den Konzernen, die das Internet heute beherrschen. Sie gestalten das Web nach ihren Interessen und den Interessen der Werbeindustrie.
Wir haben eine ganz andere Vision vom Internet. Wir glauben an ein Internet, in dem Werte wie Transparenz, Privatsphäre, Offenheit, Sicherheit und Respekt zählen. Ein Internet, in dem persönliche Daten im Besitz der User bleiben und in dem sie auf dem kürzesten Weg zum Ziel kommen – auch wenn das weniger Werbemöglichkeiten bedeutet.“
Klingt schön. Aber klingt das auch nach Burda?
„Daten sind das neue Öl“ wird der Vorstandsvorsitzende Paul-Bernhard Kallen in der aktuellen Mitarbeiterzeitung zitiert.
„Um in der Consumer Internet Industrie erfolgreich zu sein, ist der Zugang zu Daten entscheidend. Und wenn sowohl der Zugang zu Daten als auch der Zugang zu Konsumenten in der Hand weniger Monopolisten sind, kann es keinen fairen Wettbewerb geben.“ Und so arbeitet man im Haus nicht nur an Cliqz. Im Rahmen des aktuellen Transformationsprogramms „Grow!“ verfolgt man andere Ziele, die aber durchaus den Leser, nein, User, nein,
„Konsumenten“ auch
„in den Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns stellen“. Ingo Rübe, CTO Burda Magazine, führt das näher aus:
„Voraussetzung dafür ist die zielgerichtete Datenerfassung durch die Nutzung der passenden Technologie und der geeigneten digitalen Werkzeuge“. Nach zwölf Monaten intensiver Arbeiten stünde nun das Modul Data & Analytics bereit, mit dessen Hilfe man anonyme Nutzer in identifizierbaren Konsumenten verwandle.
„Keiner unserer direkten Mitbewerber verfügt bislang über vergleichbare technologische Möglichkeiten“, um gerade im Zuge der Digitalisierung über die Nähe zum Menschen neue Erlösquellen zu schaffen.
Gute Daten, gute Daten. Mal für den User, mal für den Tracker. So vielseitig können Konzerninteressen sein, gerade wenn man das Internet noch nicht beherrscht. Damit sich das ändert, sucht man bei Cliqz noch Mitarbeiter und buhlt um sie mit gewagten
Behauptungen:
„Food & Fun – Häufig findet man uns in der Kantine bei einem leckeren Mittagessen“. Da will man hoffen, daß die Crew vom Internet mehr versteht als vom Essen im Burda-Casino.