Morgen, am Donnerstag, wird es von 16 Uhr c.t. bis 17.45 fünf Referate geben, bei denen es um Gegenöffentlichkeit unter Foucault'scher Perspektive geht, um die digitale Bohème und das Web 2.0, um Open Source und den Chaos Computer Club – und natürlich um Blogs. Unter den studentischen Referenten: Fred Kapinski.
Damit das Ganze nicht zu akademisch wird, wollen wir ein bißchen Praxiserfahrung ins Spiel bringen:
- Im Stil eines improvisierten Blogkarnevals würde ich Euch bitten, mir bis morgen 16 Uhr ein kleines Statement zu mailen (oder hier als Kommentar zu setzen), inwieweit Ihr Blogs als Gegenöffentlichkeit empfindet. Diese Beiträge präsentiere ich dem Hauptseminar.
- Ab 16.15 Uhr werde ich dann live aus dem Seminar bloggen und versuchen, die Referate ein bißchen aus dem Hörsaal in die Blogosphäre zu tragen, wofür ich natürlich möglichst viele spontane Kommentare erwarte, die wir wiederum umgehend per Beamer im Hörsaal sichtbar machen werden.
5 Kommentare:
Natürlich ist Blogging subversiv. Ungefähr genauso wie Playstation spielen. Oder Skaten. Oder Bier trinken. Oder, von mir aus: Genau so subversiv wie zur Wahl gehen ("If voting could change the system, it would be illegal").
Bloggen erleichtert vielleicht, kritisch, alternativ, subversiv zu sein. Gibt Mittel der Gegenöffentlichkeit in die Hand. Aber genau so wenig, wie Studenten heute deswegen politisch engagiert sind, weil sie die Zeit dazu haben, genau so wenig sind Blogger subversiv, nur weil sie das Werkzeug dazu haben.
Das ist im Iran, in China, in Zimbabwe sicher anders. Aber es gibt Millionen staatstreuer Blogger, reaktionärer Blogs, Scientology- oder Nazi-Blogs.
Natürlich gibt es subversive, linke, kritische, fortschrittliche Blogs. Aber die nutzen ein Medium nur in einem Sinne, der mir gefällt.
Aber der Blogger an sich ist kein besserer Mensch, nur weil er bloggt.
Das Medium Internet oder das Medium Blog ist erstmal neutral. Da aber jeder ohne zusätzliche Kosten vom Konsument zum Produzent werden kann und seine Meinung parallel zu den großen Medien und Meinungsmachern publizieren kann, kann es subversiv genutzt werden. Aber das heisst noch lange nicht, dass das was geschrieben wird auch gelesen und geglaubt wird.
Der grosse Unterschied zu den handkopierten Flugblättern und Zeitschriften des letzten Jahrhunderts ist die Möglichkeit, dass Artikel von Einzelpersonen innerhalb von wenigen Stunden als Zitate mit Link auf den Originaltext verbreitet werden können. Insofern können sich schon Informationen verbreiten, die von den Massenmedien vergessen wurden.
Der Regelfall in der Praxis ist aber eher, dass Blogs Beiträge aus traditionellen Medien aufgreifen und kommentieren.
"Es gibt keinen Kanon, der festlegt, wie ein Weblog geschrieben werden muss, es gibt keine Kriterien, nach denen man beurteilen könnte, was ein gutes und was ein schlechtes Weblog ist, es gibt keine Vereinbarungen darüber, wie lange ein Weblogbeitrag sein muss, wovon Weblogs sprechen sollten, wie sie keineswegs sprechen sollten, wie oft sie sprechen sollten, zu wem sie sprechen sollten, und wie sie jene behandeln sollten, mit denen sie sprechen. Es gibt noch nicht einmal eine einigermaßen akzeptierte Auskunft darüber, was ein Weblog eigentlich ausmacht. (...) Deswegen bildet sich der Weblogautor ziemlich bald ein, er habe eine Pflicht, er müsse weitermachen, am besten jeden Tag, ohne dass er wüsste, wohin. Also schreibt er jeden Tag etwas in sein Weblog, und nicht selten stellt er sich die Frage, ob es denn wirklich so viel gibt, über das zu schreiben sich lohnt." - Peter Praschl. Hinter den Texten lauern andere. Jungle World Nr. 5, 29. Januar 2004. http://jungle-world.com/artikel/2004/05/12255.html via Sofa. rites de passage http://arrog.antville.org/stories/246103/
Hui, mal sehen ob es dieser Kommentar noch in die Veranstaltung schafft - ist immerhin schon zehn vor zwei...
Also - Bloggen und subversiv? Was hat das eine mit dem anderen am Hut? Das ist in etwa so wie Angela Merkel und ironisch, oder Schäuble und entspannt.
Bloggen ist erst einmal nichts anderes als die Möglichkeit, Inhalte ins Internet zu stellen. Diese werden in der Regel so beachtet wie eine Ansprache mitten im Wald. Um subversiv zu wirken, braucht man eine interessierte Öffentlichkeit. Diese schert sich in der Regel aber nicht wirklich um einige Textfragmente im weiten Internet. Um subversiv zu wirken, muss jemand echt und authentisch sein. Auch das ist das Gegenteil von Bloggen - hier kann jeder, so er will, als Hinz und Kunz alles mögliche behaupten und das Gegenteil davon. Bloggen und Beliebigkeit, das passt schon eher.
Management Summary: Gerade durch die mögliche Anonymität kann keine subversive Wirkung zustandekommen, da nie klar ist, ob hier jemand hinter seinen Aussagen steht oder schlicht provozieren will, um des Krawalls willen.
Vielleicht ist das Wort 'subversiv' zu stark, zu bedeutungsschwanger aber das Blog als individueller Gegenpol - den dann aber aufgrund des erschlagenden Überangebotes dieser und anderer Medien eh keiner wahrnimmt - zu einer öffentlichen Meinung wäre theoretisch das systemimanente Potential dieses speziellen Mediums. Dass es so eher selten in der Praxis genutzt wird, hat sicher vielerlei Gründe.
Mein persönliches Beispiel war ein bewußt überspitzt formulierter Beitrag bei Mindestenshaltbar zum 30jährigen Andenken an den Deutschen Herbst
http://www.mindestenshaltbar.net/0310/stories/2043/
worauf sich in meinem Blog ein Zeitzeuge zu Wort meldete, der als Kind bei der Entführung der Landshut dabei war und die Geschehnisse aus seiner persönlichen Sicht schilderte.
http://smartass.blogger.de/stories/929786/#937695
Das war für mich nicht nur bewegend, sondern auf gewisse Weise auch subversiv.
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