1998 – war da Casper überhaupt schon auf der Welt? Am 11. November 1998 habe ich jedenfalls in der „Berliner Morgenpost“ ein Konzert Roland Kaisers besprochen.
25 Dienstjahre (Stand: 1998 – der Blogger) im deutschen Schlagergeschäft: Solch ein Showveteran genießt bereits unsere Sympathien, wenn er es noch nüchtern und schlank auf die Bühne schafft. Roland Kaiser gibt viel mehr. Er zieht in den Saal 2 des ICC ein wie ein Deutsche-Bank-Manager, der vor einer Sparkassenversammlung tritt: Das Auditorium gleicht einem bunten Fleckenteppich aus Fan-T-Shirts und Rüschenblusen, auf der Bühne steht der unterkühlt agierende Halbgott in feinstes, schwarzes Tuch gewandet, jeder Song ein Hit. Ein Hüne zum Anlehnen, ein Mann zum Ausweinen, ein Vorsänger zum Mitsingen und Mitschunkeln.
„Dich zu lieben, dich berühren, mein Verlangen, dich zu spüren…“ Kaisers Sehnsuchtshymne scheint den – keineswegs nur weiblichen – Fans Programm zu sein. Sie strömen an den Bühnenrand, erst um Geschenke gegen eine Umarmung zu tauschen, dann schließlich nur noch, um ihm Wangenküsse abzupressen, ihn zu begrapschen und zu herzen.
Vor 25 Jahren startete ein Berliner namens Ronald Keller seine Laufbahn als Roland Kaiser mit dem letzten Platz beim „Schlager der Woche“. Inzwischen füllt er mit Dauerbrennern wie „Joana“, „Sieben Fässer Wein“ oder „Santa Maria“ Konzerthallen bis zum letzten Platz. Doch noch immer leide er unter Lampenfieber, erklärt der Schlagerstar. Das mag auch der Grund sein für seinen auffällig hüftlahmen Auftritt, dessen schwerfällige Choreographie auch nach der Pause nicht lockerer wird, als der Barde seinen Sakko gegen eine edle Lederjacke tauscht.
Die Journalisten-Kollegen rechts und links nutzen die Unterbrechung zur Flucht, was dem Abend jedoch nicht ganz gerecht wird. Zwar sehen Bühnenbild und Orchester nach Sparausführung aus, und Kaiser scheitert bereits am simpelsten mimischen oder gestischen Ausdruck. Dennoch: Von der ersten Nummer an ist Party angesagt. Künstler und Publikum verschmelzen zu einem einzigen Klang- und Gefühlsmeer, das scheinbar grenzenlos ist.
„Ich neige dazu, zu überziehen“, verspricht Kaiser seinem Publikum und inszeniert ein Programm, das vor Zugaben nur so strotzt. Doch Glück kann eine verdammt gut geschmierte Maschinerie sein. Die Zuschauer haben den Eindruck, alles und noch viel mehr bekommen zu haben, und doch ist das Konzert auf die Sekunde genau um 22.37 Uhr beendet – wie im Ablaufplan kalkuliert. Aber wer will heutzutage noch einen Schlagerabend ernstnehmen, wo es doch reicht, ihn genießen zu können.
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