Freitag, 9. Juni 2023

Quintessenz: Das Lacoste Polohemd

Das Lacoste-Polohemd, während meiner Jugend allgegenwärtig, aber mir persönlich verhasst, weil es die falschen Leute trugen, ist wieder stark im Kommen. Weniger das klassische Polohemd, sondern die durchaus coolen Klamotten, die inzwischen das Krokodil ziert, Ob in Münchner Techno-Clubs oder der Berliner U-Bahn, überall Lacoste. Und Kida Khodr Ramadan wie auch sein Sohn tragen in „German Genius“ gefühlt in jeder zweiten Szene das Kroko auf der Brust. 1984 veröffentlichten wir im Popa-Verlag den Bildband „Quintessenz – Die schönen Dinge des Lebens.“ Neben vorbildlichen Produkten wie der braunen Papiertüte, dem Schweizer Offiziersmesser, Crayola Wachsmalstift, Dom Perignon, Heinz Tomatenketchup oder dem Montblanc Füller beispielsweise haben Betty Cornfeld und Owen Edwards darin auch das Polohemd von Lacoste gewürdigt. 

Zuerst ein Wort zur Nomenklatur: Das grüne Tier mit aufgerissenem Rachen, das treue Lacoste-Träger am Herzen tragen, ist tatsächlich ein Krokodil und nicht etwa, wie gewisse Schickeria-Schnösel behaupten, ein Alligator. Das reptile Maskottchen leitet sich vom Spitznamen des berühmten französischen Tennisspieler René Lacoste ab. Warum Lacoste „das Krokodil“ genannt wurde, ist nicht mit letzter Bestimmtheit festzustellen, es mag mit seinem unerbittlichen Spiel, oder aber mit seiner überaus herausragenden Nase zusammenhängen. Jedenfalls brach Lacoste 1926 mit der Tradition, auf dem Tennisplatz nur langärmelige, weiße, von oben bis unten zugeknöpfte Hemden anzuziehen, und erschien zum Match stattdessen in einem Polohemd aus Baumwollstoff mit einem aufgenähten grünen Krokodil auf der Brust. 1929 zog sich Lacoste aus dem Tennisspiel zurück, aber sein Hemd blieb den Leuten in Erinnerung. 1933 gründete er eine Firma zur Herstellung von Reptilienhemden, und das tut sie nun ununterbrochen seit über fünfzig Jahren.
1951 kam das Hemd erstmals nach Amerika, und dann passierte erst mal gar nichts – bis (glaubt man den Anhängern der Republikanischen Partei) der amerikanische Präsident Eisenhower einmal ein Krokodilhemd zum Golfspiel trug. Seitdem ist das Krokodil nie aus der Mode gekommen, und wenn es zwischenzeitlich zum Klischee geworden ist, dann gibt es dazu jeden Grund – und zwar nicht zuletzt den, daß die engen Ärmel die Oberarmmuskulatur des Trägers viel größer erscheinen lassen.
Wer schon einmal versucht hat, das Krokodilemblem vom Hemd zu lösen (eine Prozedur, die als Klischeetomie bezeichnet wird), der weiß, daß es nichts gibt, aber auch gar nichts auf der Welt gibt, was so verflixt fest säße. Wenn Flugzeuge nur so gut gebaut wären! Der Eingriff dauert Stunden, macht Auge trüb und Kopf matschig und hinterläßt fast immer ein winziges, verräterisches Loch.
Geben wir also dem Krokodil die Ehre, die ihm zusteht. Jeder versucht es zu kopieren, ans Original kommt keiner ran. Und wenn wir schon das gleiche Hemd anziehen müssen wie eine Million anderer Affen, dann trösten wir uns wenigstens mit der Gewißheit, daß nicht einmal Arnold Schwarzenegger darin besser aussieht als wir. 

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