Montag, 27. Dezember 2010

Popa pöbelt (3)

Nine to five? Von wegen. Wenn einer immer im Dienst ist, dann nicht nur die Polizei, sondern auch wir Schnüffler von den Medien. Allein schon, weil Journalisten wie in einer unaufhörlichen Nahtoderfahrung gern über sich schweben und ständig Stoff sammeln müssen, aber vor allem, weil wir unseren Beruf gar „nicht als Maloche, sondern als bezahltes Hobby empfinden“, um Detlef Esslinger von der „Süddeutschen Zeitung“ zu zitieren. Als erfüllendes Vergnügen, das nie enden soll – wofür es dann für abgehalfterte Chefredakteure das Austragsstüberl eines Editors at large gibt. (Sympathischer finde ich dann ARD-Veteranin Luc Jochimsen, die auf ihre alten Tage tatsächlich als Abgeordnete der Linken in die Arena eines Bundestags steigt und nicht mehr nur besserwisserisch kommentiert.)
Auf die Frage, worüber ich denn so schreibe, antworte ich immer: die schönen Dinge des Lebens. Und wenn ich mich mit Reisen, Filmen, Kollegen, Stars, Mode, Valérie Todenhöfer, Essen und Trinken beschäftigen darf, gibt es keinen Feierabend. Über etwas zu berichten, ist aber doch eine etwas andere Herausforderung, als diese schönen Dinge selbst zum Beruf zu machen. Michael Graeter kann darüber einiges erzählen, seine Ausflüge in die Gastronomie und Welt der Kinobesitzer haben dem Klatschkolumnisten letztendlich 239 Tage Knast eingebracht.
War es die Gier nach noch mehr Geld & Anerkennung – die auch dazu führt, dass zwischen München und Hamburg so mancher gut bestallte Redakteur klammheimlich für Konkurrenztitel unter Pseudonym schreibt und damit Freelancern Arbeit stiehlt? Oder geht es bei den unternehmerischen Eskapaden vieler Medienarbeiter letztendlich ganz unromantisch um steuerverkürzende Investionen?
Braucht es Jan Weiler fürs Ego, dass man in seiner Vinoteca Marcipane unweit des Starnberger Sees auf papierne Untersetzer mit Weiler’schen Textergüssen Tomatensauce sabbern kann – oder doch eher für die Einkommensteuererklärung? Wer will bitte schön bei einem Riesling ausgerechnet an den frischgebackenen Winzer Günther Jauch denken müssen, dessen Gesicht man doch höchstens mit saurem Messwein assoziiert? Ist Dieter Moors Zweitkarriere als „Knecht und erster Traktorist“ eines Brandenburger Biobauernhofs nicht nur die romantischere (und damit publicityträchtigere) Alternative zu den Containerschiffen und Einkaufszentren, in die Fernsehfuzzis sonst so gern investiert haben, um die leicht verdienten Gagen nicht Vater Staat in den Rachen werfen zu müssen?
Natürlich habe ich gar nichts dagegen, wenn Medienpromis ihre Investionen nicht nur breit streuen, sondern einmal in ihrem Leben auch richtig gearbeitet oder vielleicht sogar etwas ordentliches gelernt haben. Dann kann man wie Franz Josef Wagner in seinem autobiografischen „Brief an Deutschland“ damit kokettieren, sich als Möbelpacker und Küchenhilfe durchgeschlagen zu haben. (Ob der Butler, der in Wagners Wohnung in der München Hohenstaufenstraße den damaligen „Bunte“-Chefredakteur pamperte, nun die Nase rümpft oder sich solidarisch fühlt?) Mit medienfernen Talenten kann man auch sehr gut journalistische Durststrecken und Karriereschwankungen überwinden, sei es als Pferdezüchter (Stefan Aust) oder Paddle-Tennis-Trainer (Tom Kummer).
Bei Wolfram Winter habe ich zwar in den letzte Jahren irgendwann den Überblick verloren, welche Firma (Giga, NBC Universal, Premiere Star, Sky) und Jobbeschreibung gerade aktuell auf seiner Visitenkarte steht, aber eins war beständig: seine Würde als Honorarkonsul der Republik Namibia. Jetzt mal ehrlich, den Job hätte doch jeder von uns gern, selbst wenn er gar nicht honoriert wird, sondern ganz im Gegenteil richtig Geld kostet. Andererseits: Wer aus der Medienbranche kann schon wie der Weyer, äh, ich meine Winter seiner Liebsten die Gastgeberrolle eines diplomatischen Empfangs schenken?
Dafür lohnt es sich doch zu arbeiten, wobei die schönsten Entgelte die völlig unverdienten sind: Ausgerechnet Alt-Paparazzo Erwin Schneider wurde während eines Privataufenthalts am Wörthersee von einer Hamburger Illustrierten als typisch deutscher Tourist abgeschossen, woraufhin er sich sein Recht am eigenen Bild mit einem vierstelligen Betrag abgelten ließ, der wohl dem deutschen Durchschnittsmonatslohn entspricht. Bei der „Frankfurter Allgemeinen“ hat ein unbekannter Spender noch etwas drauf gelegt und deren Hannoveraner Korrespondenten Robert von Lucius 10.000 Euro in bar geschickt. Der Verlag wollte erst Strafanzeige gegen den unbekannten Spender erstatten, hat aber keinen passenden Straftatbestand gefunden und das Geld stattdessen „tresoriert“. Falls sich der Absender nicht noch meldet, soll der Betrag der hauseigenen Stiftung „F.A.Z.-Leser helfen“ einer gemeinnützigen Stiftung übergeben werden. Wie das dann aber finanzrechtlich aussieht? Geschenk ist Geschenk und wohl zu versteuern.

(Illustration: Bulo)
Diese Kolumne erschien zuerst im „Clap-Magazin“ #31 Dezember 2010

2 Kommentare:

Ivan hat gesagt…

10.000 Euro?!

Wow, das ist aber unsinnig! oO

Dorin hat gesagt…

Immerhin hat de edle Spender es damit auf die Titelseite der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ geschafft und viele gut bezahlte leitende Mitarbeiter des Verlagshauses und aushäusige Anwälte beschäftigt. Manchem Ego ist allein das schon 10.000 Euro wert.