Montag, 1. Januar 2007

Null Reporterreflexe

Meine Karriere beim Fernsehen währte nicht lange: wenige Wochen nur drehte ich beim RTL-Hauptstadtstudio Nachrichten- und Magazinbeiträge, bevor ich leichten Herzens zum Printjournalismus zurückkehrte.

Selbst die Fotografierei habe ich früh sein lassen und meine Icarex Spiegelreflexkamera verscherbelt.

Mit dem Web holte mich das optische Handwerkszeug aber wieder ein, knipse und filme ich jetzt doch und habe stets die Digicam dabei.

Nur wenn's wirklich darauf ankäme, mache ich mir weiterhin nur geistig Notizen statt zur Kamera zu greifen und handfeste Beweisfilme zu drehen.

Samstag am Münchner Hauptbahnhof. 15.35 Uhr, Gleis 15. Ein halbes Dutzend Polizeibeamter umkreist einen Mann, den sie offenbar gerade festnehmen wollen. Er leistet keinen Widerstand, grinst nur. Drei Polizisten packen ihn und führen ihn zur Bahnhofswache. Ein Beamter nimmt den Festgenommenen beim Gehen in den Schwitzkasten und drückt seinen Kopf immer mehr herunter. Irgendwann, kriegt er keine Luft mehr oder ist die Beugehaltung nur zu unbequem?, versucht der Festgenommene sich aufzurichten. Widerstand gegen die Staatsgewalt, Widersetzung gegenüber einer Festnahme? Jedensfalls packen ihn nun alle Polizisten, schmeißen ihn zu Boden, fesseln ihm mit Handschellen, nicht ohne ihn weiterhin zu würgen und im Würgegriff dann endgültig fortzuführen.

Samstag abend im Zwischengeschoß der U-Bahn-Haltestelle Universität. 20.14 Uhr, ich will am Geldautomaten der Stadtsparkasse hundert Euro abheben. Der Auszahlungsvorgang läßt sich gut an, der Computer bittet mich, meine Karte zu entnehmen, das mache ich. Er fordert mich weiter auf, die längst entfernte Karte zu entnehmen. Schließlich geht er außer Betrieb. Natürlich ohne die hundert Euro ausbezahlt zu haben. Systemneustart, weiße MS-Dos-Befehle huschen über den schwarzen Bildschirm, Windows wird gestartet, MS-Dos-Befehle folgen, Windows-Fenster öffnen sich, fünf Minuten lang, bis der Geldautomat wieder online ist. Und ich immer noch kein Geld habe. Die "Tag und Nacht" erreichbare Servicestelle entpuppt sich als mich minutenlang volllabernde Werbeschleife, der Mitteilungsservice im Online-Banking macht an dem Abend auch schlapp. Und auf dem Bankauszug ist natürlich eine Auszahlung in Höhe von hundert Euro vermerkt. Mal sehen, wie lange es dauert, bis mir diese wieder gutgeschrieben werden.

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