Mittwoch, 19. März 2008

Todenhöfers 10 gebotene Wahrheiten

Wenn mir einer im Hause Burda Respekt abnötigt, dann der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Jürgen Todenhöfer, der sich seit seinem Wechsel von der Bundespolitik ins Mediengeschäft vom konservativen Betonschädel zum unbequemen Querdenker gewandelt hat. Jetzt bezieht er nicht mehr nur in Artikeln, Büchern und Talkshows Stellung, sondern plakatiert anläßlich seiner neuesten Buchveröffentlichung zehn Thesen zur Auseinandersetzung mit dem nahen und mittleren Osten. Vielleicht erreicht man so auch die dumpfsinnige Stammtischmehrheit in der Bevölkerung.

„1. Der Westen ist viel gewalttätiger als die muslimische Welt. Millionen arabische Zivilisten wurden seit Beginn der Kolonialisierung getötet.

2. Angesichts der Kriegspolitik des Westens ist es nicht wirklich erstaunlich, dass muslimische Extremisten immer mehr Zulauf bekommen.

3. Islamisch getarnte Terroristen sind Mörder. Für christlich getarnte Anführer völkerrechtswidriger Angriffskriege kann nichts anderes gelten.

4. Muslime waren und sind mindestens so tolerant wie Juden und Christen. Sie haben die westliche Kultur entscheidend mitgeprägt.

5. Nicht nur in der Bibel, auch im Koran sind die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten die zentralen Gebote.

6. Die westliche Politik gegenüber der muslimischen Welt leidet unter einer erschreckenden Ignoranz einfachster Fakten.

7. Der Westen muss die islamische Welt genauso fair behandeln, wie er Israel behandelt. Muslime sind so viel wert wie Juden und Christen.

8. Die Muslime müssen sich wie ihr Prophet Mohammed für einen Islam des Fortschritts und der Toleranz einsetzen. Sie müssen dem Terrorismus die religiöse Maske vom Gesicht reißen.

9. Nichts fördert den Terrorismus mehr als die „Antiterrorkriege“ des Westens. Die muslimischen Länder müssen ihre Probleme mit dem radikalen Islamismus selber ausfechten.

10. Das Gebot der Stunde heißt Staatskunst, nicht Kriegskunst – im Irankonflikt, im Irakkonflikt und im Palästinakonflikt.“


Update: Im Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 23. März widmet Nils Minkmar unter der Überschrift „Sind wir die Terroristen?“ eine ganze Seite Jürgen Todenhöfer und dessen neuestem Buch. „Früher sagten Parteifreunde, er habe nicht alle Tassen im Schrank. Heute tut Jürgen Todenhöfer komplett verrückte Dinge: er spricht die Wahrheit über den Irakkrieg aus.“ (nur kostenpflichtig online)

10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wer ist denn "der Westen"?

Dorin hat gesagt…

Das christliche Abendland und seine späteren Kolonialherren mit Ländern wie Frankreich, England, Italien, Spanien, Portugal und Deutscland beispielsweise?

Hättest Du den Thesenlink genutzt, wärest Du auf Todenhöfers Erläuterungen gestoßen, so etwa auch zur ersten These und dem Westen.

Anonym hat gesagt…

Ich frage mich, ob die Terroristen auch diese ganze Historie kennen oder ob es nicht doch ein simplerer Reflex ist, der sie ausrasten lässt.

Immer weiter wird provoziert. z.B. jetzt die neuesten Karikaturen gegen den Islam. Als ob "der Westen" seine Meinungsfreiheit beweisen müsste. Warum dürfen ein paar Schmierfinke unser Leben riskieren? Wahrscheinlich sind sie selbst immer mit dem Auto unterwegs, sonst würden sie es sich vielleicht auch überlegen.

Blog Queen hat gesagt…

Sag mal, anonym, wie alt bist Du denn? So naiv kann man doch wohl nicht sein! Es ist vollkommen egal, wie sehr wir im Dir so undurchsichtig geheimnisvollen Westen uns von Terroristen einschüchtern lassen, solange wir nicht alle gen Mekka beten und uns vor der realen Fashionpolice fürchten müssen, werden die immer einen Grund finden, uns zu verdammen und zu bekriegen. Wie man sehr schön gerade in China sehen kann: Dialog ist eine feine Sache, solange sich beide Seiten darauf einlassen.

Und was sollte diese unqualifizierte Aussage mit dem Autofahren? Ah, natürlich, einen fahrbaren Untersatz kann man nicht in die Luft sprengen...

Ach Du lieber Gott!

Dorin hat gesagt…

@ Blog Queen, wir verdammen ja auch nicht alle Chinesen, also auch die Taiwanesen, chinesischen Minderheiten in Südostasien, US-Chinesen...

So wie die chinesische Regierung dialogunwillig (nicht unfähig) ist, mögen es manche Islamisten sein.

Aber das gilt nur für eine Minderheit, und da muß man sich schon fragen, ob man dieser Minderheit Zulauf verschafft, indem man ordentlich auf alle Moslems einschlägt, anstatt den Dialog zu suchen.

Blog Queen hat gesagt…

Nein, das tun wir nicht, und das tue auch ich nicht, wenn Du meinen Kommentar tatsächlich gelesen hast. Die Aussagen Deiner anonymen Anbeterin sind lediglich auf einem Niveau, das man bestenfalls mit Grundschule und als sehr kurzsichtig und uninformiert beschreiben kann. Vor allem die zweite Bemerkung strotzt vor Unsinn. Daß Du das so durchgehen läßt, verleitet zu Mutmaßungen. Die gehören allerdings nicht in diese Diskussion.

Was den Dialog angeht, die Drahtzieher hinter den Terroranschlägen sind nicht diejenigen, die ein Interesse daran haben, mit dem Westen zu konferieren. Aber als belesener Mensch weißt Du auch dies, und daß ich es nochmal ausdrücklich erwähnen muß, schiebe ich mal auf Deine morgendliche Unausgeschlafenheit.

Dorin hat gesagt…

Mal abgesehen davon, daß es nicht immer ominöse Drahtzieher geben muß, weil die Terrorwelle gerade durch ihre Eigendynamik gefährlich ist, aber ein Teil der Drahtzieher ist lange genug vom Westen alimentiert und geführt worden...

Und zur überspitzten Formulierung mit den Autos: Es ist nicht zu leugnen, daß die herkömmlichen Attentate im Westen überwiegend dort hinzielen, wo sie die schweigende Mehrheit, die normalen Bürger, die Unschuldigen treffen: öffentlicher Nahverkehr, Discos, Weihnachtsmärkte... So habe ich die Anmerkung verstanden.

Präzisionsangriffe auf herausgestellte Persönlichkeiten (z.B. Rafik Hariri) sind dagegen meist Geheimdiensten und nicht den üblichen Terroristen geschuldet.

Und dann gibt es natürlich noch die gezielten Mordanschläge auf Schriftsteller und Künstler wie Theo van Gogh.

Aber ich denke, man wird dem komplexen wie wichtigen Them nicht gerecht, wenn man gleich wie Du ausfallend und persönlich wird und von der Reife oder dem Geschlecht anonymer Kommentatoren fantasiert anstatt zur Sache zu reden.

Es gibt hier eine ganze Reihe anonymer Kommentatoren, und ich wüßte gern wie Du herausliest, daß es sich gerade hier um eine "anonyme Anbeterin" handelt?

Blog Queen hat gesagt…

Ich sehe zwar nicht, wo ich ausfallend werde, aber wenn, dann habe ich das im vergangenen Jahr von Dir gelernt, nachdem Du mich kurzerhand als homophob abgestempelt hast. Antwortet man auf eindeutig nicht belegbare Behauptungen einer bestimmten Person, ist diese Antwort zwangsläufig persönlich. Ich hätte aber lieber von anonym gehört als von Dir, weise aber darauf hin, daß zwar Du Dich in Verteidigung der naiven Person ereiferst, selbige aber keinerlei Stellungnahme gepostet hat. Comment and run.

Es spricht für Naivität, daß jemand mit oder ohne Zwinkern erklärt bekommen muß, was in einem politischen Text unter "dem Westen" zu verstehen ist.

Möchte gerne Quellen sehen, auf die sich die Äußerung der "neuen Karikaturen" gegen den Islam bezieht. Am Tage des Kommentars habe ich beim besten Willen nichts finden können außer bin Ladens erneute Drohungen gegen die dänischen Karikaturisten und die Wiederveröffentlichung der Karikaturen von vor zwei (?) Jahren.

Terroristen dürfen also aus "Reflex" ausrasten und das ist ok, weil wir, der böse Westen, einfach das Stänkern nicht lassen können. Und dazu Deine Bemerkung, daß in selbigem Westen unschuldige Frauen und Kinder den Terroranschlägen zum Opfer fallen. Es ist ein Unterschied, ob der Sinn eines Anschlags ist, ein bestimmtes Ziel auszulöschen, wofür Du selbst das beste Beispiel bringst, oder möglichst viele Menschen in den Tod zu reißen, wie in den U-Bahnanschlägen und täglich auf irakischen Marktplätzen geschehend, wo übrigens zum größten Teil Einheimische draufgehen, darunter auch Frauen und Kinder.

Nicht nur hat der Westen viele heutige Terroristen gesponsort, sondern ihnen auch eine Erziehung und Bildung ermöglicht, die sie in z.B. von den Taliban unterdrückten Gebieten niemals genossen hätten. Solche Dinge könnten wohl als positiv konstruiert werden und werden deshalb lieber nicht erwähnt. Mal ganz davon abgesehen, daß immernoch Saudi Arabien gern Geld in terroristische Organisationen steckt und Terroristentrainingcamps längst nicht mehr von den Oliver Norths der Welt geleitet werden. Falls das nun irgendwie westenfreundlich sein soll, erkläre man mir das.

Bevor Du nun anfängst, mir irgendwas von den verkannten Saudis zu erzählen, weise ich darauf hin, daß selbst hier in meiner Gegend den Moslemen angeboten wurde, eine neue Moschee zu errichten. Allerdings mußte die Gemeinde dann auch einen Imam, von den dortigen Geldgebern ausgesucht, akzeptieren. Das wurde abgelehnt, und die Moschee nicht gebaut. Propagandamittel.

Die Thesen des Herrn Todenhöfer sind leider auch nicht besonders originell, sondern eigentlich derselbe Einheitsbrei, den man hier jeden Tag vorgebetet bekommt. Der Westen ist ganz allein selber Schuld daran, daß die Islamisten (NICHT der Durchschnittsmoslem) sich dauernd auf den Schlips getreten fühlen. Und in nur einem Punkt werden die Moslems (NICHT die Islamisten) aufgefordert, mal selber Ruhe in die Kiste zu bringen. Kann man das also nicht durch Zusammenarbeit lösen? Scheinbar nicht. Ich selbst mache durchaus einen Unterschied zwischen einem Moslem, der seine Religion ausüben möchte, ohne deswegen behelligt zu werden, und einem fanatischen Irren, der im Namen egal welcher Religion Greueltaten verübt und dann noch dafür entschuldigt wird.

Die gesprächsuninteressierten Drahtzieher sind auch keine unheimlichen Gestalten wie der Shadow, sondern viele Namen sind bekannt und prominent, oder haben wir den netten Mann aus reichem Hause in Afghanistan oder Pakistan oder wo immer er gerade sein mag, schon vergessen?

Nein, ich bin überraschenderweise kein Kriegsbefürworter. Gewalt ist wirklich keine Lösung, aber man darf Toleranz nicht nur einseitig erwarten. Wie Du weißt und gern ignorierst, glaube ich fest daran, daß jeder Mensch für seine Taten und deren Konsequenzen verantwortlich sein sollte, ganz besonders dann, wenn sie Einfluß auf eine ganze Gesellschaft haben. Wie also sollen wir die terroristischen Organisationen zur Verantwortung ziehen? Die Frage ist rhetorisch, eine gute oder gar einzig richtige Antwort gibt es nicht.

Und laß Dich bitte nicht dazu hinreißen, mir vorwerfen zu wollen, ich sei anti-moslemisch. Schließlich kannst Du wahrhaftig nicht behaupten, meinen Freundeskreis zu kennen.

Zum guten Schluß die Bemerkung, daß ich es, durchaus persönlich, wenngleich nicht ausfallend, typisch finde, daß Du hier im Blog sehr viel weniger Konfrontationsscheu zeigst als live. Solche Diskussionen sollte man wahrhaftig eher face to face führen.

Dorin hat gesagt…

Da hat sich Paulina auch schon beschwert, daß ich im persönlichen Umgang nicht so gehässig wie beim Bloggen wäre – was ich schlichtwegs abstreite.

Blog Queen hat gesagt…

Du bist nie gehässig, tut mir leid. Und gehässig und konfliktbereit sind eh zwei Paar Schuh.