Samstag, 19. Dezember 2009

Senfo spirito

Nichts gegen das Traumduo Benedetto & Sarko, aber die Begegnung Frankreichs mit der römisch-katholischen Kirche hat schon weit Verführerisches hervorgebracht, nämlich die Moutarde Violette de Brive au mout de raisin. Seine modisch topaktuelle Farbe verdankt der Senf dem beigefügten Traubenmost. Angeblich sollte so verhindert werden, daß sich Kardinäle ihre purpurne Tracht bekleckern. Fakt ist dagegen, daß er verboten gut schmeckt, ob zu Würstchen, kaltem Braten oder Avokado.

Letztes Jahr habe ich zeitweise auch für meinen alten Freund Nane Jürgensen und dessen Flensburg Online über Essen und Trinken gebloggt. Der Vollständigkeit halber werde ich diese Randbemerkungen Häppchen für Häppchen auch hier veröffentlichen.

Donnerstag, 17. Dezember 2009

Kiez-Terroristen forever

„Er hat das Maxwell in der Bergstraße ausgewählt. Das passt ja, denkt man. Berlins Mitte, steigende Mieten, fein Saniertes in hinteren Höfen, in den flüchtigen Resten des Ostens. Das Maxwell ist ein Restaurant, dessen Ruf schon zweimal dazu führte, dass maskierte Männer, (die Hauptstadtblätter nannten sie 'Kiez-Terroristen'), mit Hämmern die 25 bis zum Boden gehenden Fenster einschlugen, um dann auf großer Fläche Buttersäure und Fäkalien zu verschütten. Männer, die mit 'Yuppies und Schickimickis', wie es hieß, nichts im Sinn hatten.“
Natürlich erfindet Renate Meinhof nichts, wenn sie mit diesen Vorfällen ihren Artikel über die Umweltpolitiker der FDP heute auf Seite Drei der „Süddeutschen Zeitung“ einleitet. Andererseits fand der erste Überfall auf das Maxwell 1987 statt, als das Restaurant noch im West-Berliner Kreuzberg war, und der zweite Angriff nach dem Umzug nach Berlin-Mitte im Februar 2000, also auch schon vor fast zehn Jahren, wodurch diese nicht mehr ganz aktuelle Einleitung ins Tendenziöse abrutscht.

Sonntag, 13. Dezember 2009

Wochenplan

18 bis 12 Tage Bücher, Wohnungsbesichtigungen, „Qualität unter Druck – Journalismus im Internetzeitalter“ / Evangelische Akademie Tutzing, The Asteroids Galaxy Tour / Atomic, Cocktail de Noël / Louis Vuitton, B2 Kick-off / P1 Das ist ja Berentzen!?

Mittwoch, 2. Dezember 2009

Profit muß nicht immer journalistischen Inhalten zu verdanken sein

Letzte Woche provozierte Ex-Kollege Thomas Knüwer mit dem Statement, Verlage könnten im Internet durchaus Geld verdienen – und zwar so wie bisher. So sehr mich jede optimistische Aussage in dem Zusammenhang freut, wollte ich doch den einen oder anderen ergänzenden, vielleicht sogar leicht widersprechenden Gedanken notieren.
Vorab: Knüwer war einmal Journalist und profitiert natürlich im Aufmerksamkeitspegel noch immer davon, ist aber inzwischen keineswegs mehr objektiver Beobachter, sondern Unternehmensberater. Kurzum: Es ist in seinem wirtschaftlichen Interesse, das Internet schön zu reden, denn schließlich will er die Braut seinen Auftraggebern verschachern.
Nun behauptet er nicht einfach bloß, die Braut sei begehrenswert, er belegt das auch mit Gewinnmeldungen aus dem Bundesanzeiger.
Nun sind Gewinne redaktionell tätiger Unternehmen nicht – wie von Knüwer unterstellt – unbedingt gleichzusetzen mit Erlösen aus redaktionellen Inhalten. Bekanntestes Beispiel: Die „Süddeutsche Zeitung“, die schon längst dicht gemacht hätte, wenn sie nicht den äußert erfolgreichen Handel mit Büchern, CDs, DVDs und beispielsweise Wein gewagt hätte. Deswegen ist die „Süddeutsche“ journalistisch kein bißchen schlechter, aber der rettende Profit kam aus fachfremden Aktivitäten.
Vergleichbares wäre auch bei der von Knüwer erwähnten RP-Online zu hinterfragen, der Web-Tochter der „Rheinischen Post“. Knüwer bilanziert einen Jahresüberschuss von rund 110.000 Euro und einen Gewinnvortrag von 257.685,89 Euro. Nun ist der Geschäftszweck von RP-Online nicht ausschließlich, die Zeitung ins Netz zu bringen, sondern „neue Geschäftsfelder“ aufzubauen, was beispielsweise Shoptätigkeiten oder einen Konzertkartenverkauf umfaßt. Besonders erfolgreich war RP-Online mit dem Verkauf der Wappen von Düsseldorf und anderen Städten als Handylogo. Wenn das redaktionelle Inhalte sind, könnte man auch Jamba in den Verlegerverband aufnehmen.
Ein Verleger, Peter Esser vom Mittelbayerischen Verlag, gab Knüwer gegenüber auch zu bedenken, daß die eine oder andere Bilanz geschönt sein könnte, woraufhin Knüwer, immerhin mal Mitarbeiter eines führenden Wirtschaftsblattes, entgegnet: „Warum aber sollten Verlagstöchter sich in diesem Fall reich rechnen?“ und es rundum ausschließt.
Nun ist das Verschieben von Gewinnen liebstes Hobby aller Konzerne, weil jeder Manager lieber nur lukrative Unternehmensbereiche hat, als das eine oder andere schwarze Schaf im Hause. Insofern sind Gewinne das Papier nicht wert, auf dem sie stehen, so lange die Herkunft der Einnahmen nicht aufgeschlüsselt wird.
Zwei Beispiele: Den DLD, Burdas kostspieliges Webfestival, konnte man auch schönrechnen, indem alle beteiligten Burda-Unternehmen den Event sponsern oder für die Teilnahme Eintritt abdrücken durften. Und als die neon.de-Redaktion sich einmal schwarzer Zahlen brüstete, klickte ich mich durch: Die einzigen Online-Anzeigen, die ich entdecken konnte, stammten von anderen Firmen aus dem Hause Gruner + Jahr.
Natürlich wünschte ich mir, daß Knüwer, die Berufsjugendlichen von neon.de & Co recht hätten, aber dazu müssen die validen Zahlen und Zusammenhänge erst noch einmal präsentiert werden.

Freitag, 27. November 2009

Feine erste Sätze (4)

„Das Gute an dieser Bambi-Verleihung (und glauben Sie mir, es ist nicht einfach, einen Eintrag über diese Bambi-Verleihung mit den Worten 'Das Gute an dieser Bambi-Verleihung' zu beginnen), jedenfalls: Das Gute an dieser Bambi-Verleihung war, dass man als Zuschauer vor dem Fernseher das Gefühl hatte, mit seinem Grausen nicht allein zu sein.“
Stefan Niggemeier im Fernsehblog der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“

(Foto: Peek & Cloppenburg/image.net)

Donnerstag, 26. November 2009

Bundestagsabgeordnete, der Teufel und Montblanc (Updates)

Wieso wundert man sich überhaupt, daß heuer 2009 ganze 115 Bundestagsabgeordnete (darunter – wie erst sieben Jahre später herauskam – unter anderem auch der Präsident des Bundestags, Norbert Lammert, und, laut „BILD“ am dreistesten: Laurenz Meyer kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Bundestag) auf Kosten des Steuerzahlers 396 Montblanc-Füller (mehr als drei pro Kopf????) für 68.800 Euro kaufen ließen und letztes Jahr sogar 406 Füller unseren Volksvertretern geliefert wurden? Hat denn niemand unser Standardwerk gelesen?

„Wenn Sie Ihre Seele schon dem Teufel überschreiben, dann tun Sie's wenigstens mit einem Schreibgerät, das dem Anlaß würdig ist. Dem Montblanc Meisterstück N°. 149 – auch als der Diplomat bekannt. Wenn die Feder wirklich mächtiger ist als das Schwert, dann kann es sich dabei eigentlich nur um den Diplomaten handeln. Alles an ihm ist eindrucksvoll: der pechschwarze Schaft, groß wie eine Granathülse, das sechszackige Markenzeichen, das einen schneebedeckten Gipfel darstellen soll (und das bei den Füllern fehlt, die in arabische Länder verkauft werden, weil es an den Davidstern erinnert), vor allem aber die wichtige Feder aus 14karätigem Massivgold mit der eingravierten Zahl 4810 – die Höhe des Mont Blanc in Metern.
 Überlegen Sie nur kurz, was das für ein Unterschied ist, ob Sie eben kurz mal auf den Stummel eines Kugelschreibers drücken, oder ob Sie langsam die Kappe von einem Diplomat abschrauben, sie am anderen Ende aufstecken, um dann, wie der Hersteller sagt, in einer Geste klassischer Nachdenklichkeit zu verharren. Wenn Ihr Bankdirektor da nicht bereit ist, Ihren Kreditrahmen zu erhöhen, dann hat der Mann keine Ahnung von Stil. (Noch größer ist die Wirkung dieses gestrengen Offiziersstöckchens auf Untergebene, sie kriechen förmlich!)
Die Firma Mont Blanc begann 1908 damit, Füllfederhalter wie den Diplomat herzustellen, weil der Chef des Unternehmens, ein gewisser Herr Dzianbor, es satt hatte, mit einem Tintenfaß durch Deutschland zu reisen. Das waren die Goldenen Zeiten der Handschrift, als die Schreibmaschine noch als ein relativ vulgäres Hilfsmittel angesehen wurde und niemand von der brutalen Parodie des Schreibens träumte, die heute Textverarbeitung heißt. Mit einem stolz gereckten Diplomat brauchen Sie sich auch heute um derartiges nicht zu kümmern.“

Betty Cornfeld & Owen Edwards: „Quintessenz – Die schönen Dinge des Lebens“, Popa Verlag, 1984 (Originalausgabe 1983 Crown Publishers, New York)

Updates: Der „Spiegel“ zur Goldfüller-Gier.

„Bei Prüfungen der vergangenen Jahre war aufgefallen, dass die Bestellungen auf Steuerzahlerkosten vor allem kurz vor Weihnachten und zum Ende einer Legislaturperiode nach oben schnellen.“ „BILD“ vom 30.November 2009

Auf Antrag des Axel-Springer-Verlags entschied das Verwaltungsgericht Berlin am 28. Juli 2016 in einer einstweiligen Anordnung (VG 27 L 344.16), dass der Bundestag die Namen der mit Montblanc-Produkten bedachten Bundestagsabgeordneten zumindest teilweise nennen müsse.

„Alles, was mit dem Montblanc geschrieben ist, besitzt die Majestät des Nichtwiderlegbaren. Wer einen Schriftsatz mit dem Montblanc unterschreibt, ist wie ein Präsident, der mit einem Handstreich sein Nachbarland einkassiert. Gut, dass die meisten Montblancs hierzulande in den verlässlichen Händen von Bundestagsabgeordneten sind.“
Das Streiflicht der „Süddeutschen Zeitung“ vom 11. August 2016 zur Bundestagsaffäre.

Gabor Steingart vom „Handelsblatt“ reagierte prompt und verloste im August 2016 einen Montblanc-Füller: „Wollen Sie auch so edel schreiben wie ein Volksvertreter? Dann schreiben Sie mir: steingart@handelsblatt.com. Ein nagelneuer Montblanc-Füllfederhalter liegt bereit. Gibt es mehr als einen Interessenten, entscheidet das Los. Aus Gerechtigkeitsgründen sind unsere Bundestagsabgeordneten diesmal ausgenommen.“

„Die höchste Summe verzeichnet Ronald Pofalla, Ex-Kanzleramtsminister und CDU-Generalsekretär, aus dessen Bundestagsbüro 2009 Montblanc-Produkte im Wert von 3307,61 Euro bestellt worden sein sollen. An zweiter Stelle folgt die Linken-Politikerin Diana Golze, heute Sozialministerin in Brandenburg (2891,97 Euro), vor Otto Schily (SPD, 2646,69 Euro). Auch Abgeordnete von FDP und Grünen tauchen in der Liste auf.“
„Süddeutsche Zeitung“ vom 25. August 2016, die „BILD“ zitierend.

„In einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) am Dienstag entschieden, dass der Bundestag einem Pressevertreter die Namen von sechs Abgeordneten, die in die "Montblanc-Affäre" verwickelt sind, mitteilen muss (Beschl. v. 11.10.2016, Az. OVG 6 S 23.16). Damit bestätigte es die Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG).“ 
Legal Tribune Online am 11. Oktober 2016

Mittwoch, 25. November 2009

Thomas Meinecke, Gudrun Ensslin und der Stalinjodler

Wer sich an die achtziger Jahre erinnern kann, war nicht dabei, heißt es so schön über die drogenwütige Zeit, aber vielleicht verdrängen wir sie auch nur. Der Verdacht überkam mich zumindest gestern abend beim Spielart-Abend „Neonschatten“ (auch eine Kunst: ein Abend über Münchens 80er Jahre, die Klappe und Richard L. Wagner, ohne Eckhart Schmidt und die „S!A!U!“ zu erwähnen), selbst wenn Thomas Meineckes Zeile „Auch ein Wim Wenders gehört vors Maschinengewehr“ natürlich großartig ist. Aber irgendwie hatte ich die Zeit nicht so schaurig in Erinnerung wie sie anderen und mir gestern vorkam.