München war früher artenreicher und damit lustiger. Ob in den Straßencafés der Leopoldstraße oder in den Koksclub der näheren Umgebung, in den Altstadtbars oder Edelrestaurants, überall drängte sich in den siebziger und achtziger Jahren eine Mischpoke aus Lebenskünstlern, Aufschneidern und Betrügern. Neben, aber durchaus auch unter ihnen: Filmemacher und Autoren, Versicherungsvertreter und Spekulanten, Schauspieler und Models, Wirte und Dealer. Eine gute Story war wichtiger als ein solider Background, alles schien möglich.
Und mittendrin die Presse.
Die Stadt hat sich geändert, die Journalisten vielleicht auch, aber man ist mit Sicherheit nicht gnadenloser geworden. Wer wie ich seit den Siebzigern Medien konsumiert und seit den Achtzigern Redaktionen beliefert, kann sich daher nur wundern, wie Giovanni di Lorenzo in seiner Trauerrede Helmut Dietls tödlichen Lungenkrebs für eine Medienschelte nutzt.
Angesichts des Todes kann ein Mensch, Elisabeth Kübler-Ross zufolge, fünf Phasen durchmachen: Denial, Anger, Bargaining, Depression und Acceptance*. Man ringt mit dem Schicksal, sucht nach Erklärungen, Auswegen, und die vernichtenden Kritiken für Dietls „Zettl“ können da sicher eine Rolle spielen. Nur sagt das mehr über den Leser, über Dietl, seine Empfindsamkeit aus, denn über die Kritiker und die moderne Medienlandschaft.
Di Lorenzo zitiert nun Dietl aber nicht nur, sondern strickt darum herum eine Philippika:
„Er hat die Kritik zu persönlich genommen. Denn er musste das erfahren, was heute jeder erfährt, der sich an die Öffentlichkeit wagt und einen echten oder auch nur einen vermeintlichen Fehler begeht: eine Maß- und Gnadenlosigkeit, die seine Filme und Fernsehserien nie gekannt haben. Sie wären bei ihm auch gar nicht vorstellbar gewesen. Die meisten von ihnen spielten nämlich in einer Zeit, die permissiver, großzügiger und deswegen auch lustiger war als die heutige. Man kann sich nur wünschen, dass diese Zeit der heuchlerischen Strenge bald wieder vorbeigeht. Helmut hat die Feindseligkeit gegenüber seinem "Zettl" nicht als Grund, aber doch als möglichen Tipping-Point für den Ausbruch seiner Krankheit gesehen.“
„Heute“? „Diese Zeit“? Wenn man die Zeitläufte verfolgt, sich als Zeitgenosse erinnert, galt mit Sicherheit eher im alten München eine heuchlerische Strenge, während heute schwammiges Anything Goes herrscht. Und böse Verrisse trafen damals weit mehr, weil eine Handvoll Journalisten den Diskurs prägte, während heute eine inflationäre Menge an Meinungen und Medien um jedes kleine bißchen Aufmerksamkeit heischt. Der Chefredakteur der „ZEIT“ mag den Verlust eines Freundes beklagen, aber er schlägt dabei blindwütig den eigenen Berufsstand. Und trifft nicht mal.
*Übrigens von Bob Fosse in seinem Film „All that Jazz“ wunderbar aufbereitet.
Dienstag, 14. April 2015
Sonntag, 12. April 2015
Wochenplan
Vernissagen Telecafé / Akademiegalerie, Einblicke in die Lithowerkstatt: Probe- und Zustandsdrucke von Edouard Vuillard / Pinakothek der Moderne, Hannes P. Albert: „Polymorphia: War as usual“ / Registratur, Susannah Martin: „Primordial Tourists“ / Størpunkt und „American Icons“ / Galerie Kronsbein, „Die Untiefen des Staates: VS, NSU & Co“ mit Andreas Förster, Jasmin Siri, Imke Schmincke und Robert Andreasch / Akademiegalerie, „Masters of Sex“ /ZDFneo, Steitgespräch: „Ist die Pressefreiheit in Gefahr?“ mit Markus Söder, Markus Rinderspacher, Thomas Morawski, Michael Busch u.a. / Presseclub, Pressefrühstück Käfer Genußraum / Ludwig Beck, Joachim Braun, Chefredakteur des Nordbayerischen Kuriers ./. Freistaat Bayern auf Presseauskunft in Sachen Gehälter einer Mitarbeiterin bzw. Ehefrau eines Landtagsabgeordneten / Verwaltungsgericht München, Zweiter Salon für Schönheit & Kosmetik / Lost Weekend, „Von Alzheimer bis Spinnenseide: Proteinfaltung im Blick der Forschung“ / Bayerische Akademie der Wissenschaften, Frühlingsfest, Anne Philippi liest aus „Giraffen“ / Kismet, Leichenschmaus / Lothringer 13, DRK-Flohmarkt / Theresienwiese, Lutz Seiler liest aus „Kruso“ / Evangelische Akademie Tutzing, Pressevorführungen „Das Versprechen eines Lebens“ und „Ostwind 2“
Dienstag, 7. April 2015
Feine erste Sätze (16)
„Wenn sich Schwaben früher ekstatisch im öffentlichen Raum bewegten, nannte man das Kehrwoche.“
Streiflicht der „Süddeutschen Zeitung“ vom 7. April 2015
Streiflicht der „Süddeutschen Zeitung“ vom 7. April 2015
Montag, 6. April 2015
Fundsachen (24): Eugène Ionesco 1942 in Vichy
1942 hat der Schriftsteller Eugène Ionesco als Presse- und Kulturattaché für meinen Großvater Ion Dragu aka Ioan Dragu aka Ionel Drăgescu aka Jean Dragu an der Königlich Rumänischen Botschaft in Vichy gearbeitet. Das sind zwei diplomatische Schreiben im Zusammenhang mit dessen Arbeit.
Später habe ich Ionesco persönlich kennengelernt, als ich 1984 in meinem Popa-Verlag sein Frühwerk „Das groteske und tragische Leben des Victor Hugo“ auf deutsch veröffentlichte.
Update: Ana-Maria Stan in der „Transylvanian Review“, Vol. XIV, N° 4, Winter 2005, über „Survie, création, devoir patriotique, collaboration? Le cas d'Eugène Ionesco à Vichy“: „Dans la dernière partie de sa mission, Eugène Ionesco renonça partiellement à ses démarches exclusivement culturelles pour se consacrer à un autre type de projet (…) l'intention de créer une chambre de commerce franco-roumaine {…) Dans les circonstances complexes des premiers mois de 1944 la réalisation de l'initiative des personnalités de Marseille était malheureusement impossible. L'idée était, tout de même, attrayante et Eugène Ionesco ne tarda pas à la communiquer à son chef direct, Ion Dragu, et par la suite même au ministre Dinu Hiott.“
Später habe ich Ionesco persönlich kennengelernt, als ich 1984 in meinem Popa-Verlag sein Frühwerk „Das groteske und tragische Leben des Victor Hugo“ auf deutsch veröffentlichte.
Update: Ana-Maria Stan in der „Transylvanian Review“, Vol. XIV, N° 4, Winter 2005, über „Survie, création, devoir patriotique, collaboration? Le cas d'Eugène Ionesco à Vichy“: „Dans la dernière partie de sa mission, Eugène Ionesco renonça partiellement à ses démarches exclusivement culturelles pour se consacrer à un autre type de projet (…) l'intention de créer une chambre de commerce franco-roumaine {…) Dans les circonstances complexes des premiers mois de 1944 la réalisation de l'initiative des personnalités de Marseille était malheureusement impossible. L'idée était, tout de même, attrayante et Eugène Ionesco ne tarda pas à la communiquer à son chef direct, Ion Dragu, et par la suite même au ministre Dinu Hiott.“
Sonntag, 5. April 2015
Wochenplan
Amateurderby FC Bayern-TSV 1860 / Grünwalderstadion, „GQ“ First Look ft. 3 Dayz Whizkey / Goldene Bar, Monochromosonen / Domagk-Ateliers, Perspektiven feiern / Import Export, Paştele ortodox, Pressevorführungen „Run all night“, „Fassbinder“, „Kill the messenger“, „Nur eine Stunde Ruhe!“ und „The longest ride“
Samstag, 4. April 2015
Freitag, 3. April 2015
Dienstag, 31. März 2015
Alle Orkane sind gleich – zumindest für den zeitlosen SZ-Journalismus
Es gibt live, es gibt RTL und es gibt den von Onlineredaktionen geliebten Echtzeitjournalismus. Mal trägt er das Rubrum Live-Blog wie eine Monstranz vor sich her, mal nutzt er nur daraus bekannte Merkmale. Die Onliner der „Süddeutschen Zeitung“ reicherten heute ihre Berichterstattung zum Sturm Niklas mit dem Liveelement zitierter Tweets an. Bloß daß sie inmitten tagesaktueller Frischware ausgerechnet einen meiner alten Tweets vom 9. 10. Januar präsentierten, als ob er frisch gewesen sei (und später, als der Fehler via Twitter angeprangert wurde, wieder löschten, wie sie den Beitrag auch sonst laufend klammheimlich änderten). Sturm bleibt Sturm? Nur wie wurde man heute in der Hultschiner Straße auf meine alte Äußerung aufmerksam? Bei meinem täglichen Ausstoß kaum zufällig durch Herumscrollen. Da hat wohl jemand via Twittersuche nach Schlagworten wie „Orkanschäden“ gesucht und bei den Ergebnissen nicht auf die Datumszeile geachtet.
(Screenshots: Peter Nützel und Stefan Primbs)
(Screenshots: Peter Nützel und Stefan Primbs)
Sonntag, 29. März 2015
Wochenplan
Vernissage „Zoom – Architektur und Stadt im Bild“ / Pinakothek der Moderne, 60. Münchner Medien-Gespräch: Zukunft des Journalismus. Mit Michael Haller, Stephan Goldmann und Jessica Schober / Orange-Bar, Frühlingsfest / ♥, LUNAparty / Blue Spa im Bayerischen Hof, Pressevorführungen „Am grünen Rand der Welt“, „Fast & Furious 7“, „Zweite Chance“, „Der Kaufhaus-Cop 2“, „An den Ufern der heiligen Flüsse“ und „Die Frau in Gold“
Foto: Nuno Cera | Futureland, 2008–2010 | Shanghai | 2010, © Courtesy of the artist (Nuno Cera) & EDP Foundation, Lisbon
Foto: Nuno Cera | Futureland, 2008–2010 | Shanghai | 2010, © Courtesy of the artist (Nuno Cera) & EDP Foundation, Lisbon
Freitag, 27. März 2015
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