Dinge ändern sich. So verläßt die re:publica die traditionelle, zu klein gewordene Wirkstätte in der Kalkscheune samt seltsamem Wurmfortsatz, dem Friedrichstadtpalast, und zieht nächstes Jahr ans Gleisdreieck und somit (zumindest für mich als ehemaligem Wahl-Berliner) ins Nichts. Und paart sich zudem mit der NEXT zur BerlinWebWeek. „Plug and play“? Nicht unbedingt!
Denn manche Dinge ändern sich nie. Es schmücken sich ja viele mit dem Rubrum „Digitale Bohème“, aber neben den besserverdienenden Werbe-Ikonen, Vortragsreisenden und Consultants gibt es eben auch genug, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen. Vor Konferenzen wie der re-publica liest man schon öfters den einen oder anderen Tweet, in dem nicht unbekannte Blogger um ein gesponsertes Ticket buhlen. (Wobei – nur um Mißverständnissen vorzubeugen, die re:publica mit Preisen ab 60 Euro für drei Konferenztage ausgesprochen preiswert ist! Aber das ist für manche immer noch sehr viel Geld.)
Ganz so schlimm war es bei mir noch nicht. Bisher konnte ich meine Eintrittskarte noch selber bezahlen.
Da sah die Anmeldeprozedur via Amiando aber auch noch die Möglichkeit vor, das Earlybird-Blogger-Ticket online rechtzeitig zu blocken und den Kaufpreis dann zu überweisen. Heuer wurde diese Option gestrichen. Jetzt wollen die Berliner Netz-Herrschaften sofort Geld sehen: ob via Kreditkarte, Direct Debit oder PayPal (letzteres unter den politisch Denkenden in der Blogosphäre ja zumindest ein zweifelhafter Geschäftspartner seit den Vorkommnissen um Wikileaks und Kuba).
Das Team von Newthinking widersprach meinen zweifelnden Worten sofort via Twitter und behauptete erstmal, die Zahlungsmöglichkeiten hätten sich nicht geändert: „war schon immer so! (Zumindest wenn wir die Einstellung bei Amiando richtig im Griff hatte, hüstel)“ Noch bevor ich mit einem Griff in meine Buchhaltung die Belege fand, daß ich sowohl für die re:publica 2010, als auch für die re:publica 2011 das Geld überwiesen habe, die re:publica ihre Amiando-Einstellungen also offenbar über Jahre nicht im Griff hatte, korrigierten sich die Veranstalter: „OK. Für uns ist der Verwaltungsaufwand bei Überweisungen zu hoch.“
(Für uns? Läuft das nicht über Amiando?)
Nun hätte ich theoretisch vorhin sogar noch das letzte Earlybird-Blogger-Ticket abbekommen, aber ich besitze nunmal keine Kreditkarte, und sowohl mein Bankkonto, als auch mein PayPal-Koto (ja , ich gestehe, ich habe noch eines, obwohl ich deren Politik verurteile, aber ohne Kreditkarte ist es eben sehr hilfreich, wenn man öfters im Ausland bestellt), jedenfalls sind meine Konten auf null. Das wird sich zwar im Lauf der nächsten Wochen ändern, aber bis dahin sind die Blogger- oder Earlybird-Tickets vielleicht schon weg.
Man kann so eine buchhalterische Angelegenheit natürlich rein technisch, als „Verwaltungsaufwand“ betrachten. Andererseits sind Verwaltungsprozeduren immer auch der cleverste Weg zu selektieren. Wenn eine Lufthansa das Papierticket abschafft, erschwert man den Armen und Fremden, die keine Kreditkarte oder Kundenkarte besitzen, überhaupt zu fliegen. Überall wo das Handy Zahlungs- und Ticketfunktionen übernimmt, entledigt man sich des Prekariats, das kein Handy oder zumindest kein Smartphone besitzt.
So jemand wie ich würde natürlich immer einen Weg finden. Die Kreditkarte von Freunden benutzen, das Direct Debit über ein fremdes Konto laufen lassen, einen Kumpel bitten, mein PayPal-Konto schnell aufzupimpen.
Aber solch eine erzwungene Entschleunigung hat auch immer ihre Vorzüge. Statt sich vom Hype mitreissen zu lassen, sich schnell ein Ticket zu sichern, hat man plötzlich Muse, darüber nachzudenken. Und wenn ich ehrlich bin, muß ich gestehen: Bei dieser re:publica habe ich ehrlich gesagt nichts zu suchen.
Update: Bloggen lohnt sich. Inzwischen bietet die re:publica auch Prepayment wieder als Zahlungsoption an.
Mittwoch, 2. November 2011
Samstag, 29. Oktober 2011
Wochenplan
Mobile Monday mHalloween, Jürgen Reiter Broadcast, Vernissage „Über Bäume und Gestein. Albert Renger-Patzsch und Ernst Jünger“ / Pinakothek der Moderne, Pressevorführungen „Der Junge mit dem Fahrrad“, „Jane Eyre“ und „The Ides of March“, Audi Inspiration: „Das Leben ist ein Seiltanz“ mit Dr. med. Ulrich Bauhofer / The Charles, Agenturgipfel München, Thrillernacht mit Simon Kernick – es liest Thomas Darchinger / Ampère
Montag, 24. Oktober 2011
Agora (4): „Revolutionsplattform Facebook? Wie das Internet politische Umbrüche beeinflusst“ von Thomas Krüger
Natürlich ist es immer ein äußerst subjektiver Eindruck, aber wenn ich auf die Münchner Medientage 2011 zurückblicke, bleiben die politischen Panels am positivsten in Erinnerung. Denn die Consultants und Berater übten sich meist nur in Kremlastrologie bei dem Bemühen, über Trends und Verbraucherverhalten den nächsten Dekaden zu spekulieren. Und der Schwanzvergleich der Techniker und Praktiker endete meist in einem geheimniskrämerischen „Meine Entwicklung ist besser als Deine, aber so geheim, daß ich nicht näher darauf eingehen kann.“
Wie erfrischend dagegen meine drei Favoriten heuer, die Gesprächsrunden zu „Die arabische Welt in den Medien“, „Polit-Talks: Zwischen Information und Inszenierung“ und der – den dreitägigen Kongress abschließende – „Content-Gipfel - Meinungsbildung heute: Wer setzt die Themen auf die politische Agenda?“ Natürlich saßen auch in diesen Veranstaltungen nicht nur Sympathen auf den Podien, Heiner Geißler etwa entpuppte sich als altersstarrer Journalistenhasser, aber es waren aufschlußreiche Zirkel, in denen aus dem Nähkästchen geplaudert wurde und hervorragende Moderatoren gute Arbeit leisteten.
(Wie gesagt, ein subjektiver Eindruck. Harald Staun sah das etwa in Sachen „Polit-Talk“ ganz anders und lästerte gestern in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ kurz und heftig darüber ab.)
Mein abolutes Highlight war Thomas Krügers Keynote zum Content-Gipfel. Die Manuskriptfassung der Rede des Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung dokumentiere ich hier vollständig. Es existiert aber auch eine Videoaufzeichnung des Content-Gipfels – schließlich „gilt das gesprochene Wort“. Dorin Popa
Teil I: Digitale Revolution?
Wir haben in den letzten Monaten viel von „Facebook-Protesten“, „Twitter-Bewegungen“, „Handy-Revolutionen“ oder „Blackberry-Aufständen“ gelesen. Den digitalen Graswurzelmedien wird bei den Protestbewegungen in Teheran, Kairo, Stuttgart, London, New York oder neuerdings Frankfurt eine zentrale Rolle zugeschrieben. Zwei Grundannahmen, die gerne auch für den digitalen Wandel in anderen Teilen der Gesellschaft genutzt werden, sind dabei sehr beliebt: Entweder wird impliziert, dass da etwas ganz Neues gekommen sei und alles Alte ersetze, so nach dem Motto: „Im Zeitalter von Facebook und YouTube braucht es Zeitungen und Fernsehen gar nicht mehr.“ Oder es wird davon ausgegangen, dass das Alte durch etwas Neues ergänzt werde, quasi als „Add-On“, als Anbau an das Bestehende. Beide Grundannahmen sind falsch: Im digitalen Wandel wird das Bestehende nicht ersetzt oder ergänzt. Das Neue verändert das Bestehende. Wir kennen das aus der Mediengeschichte bereits. Schauen Sie sich die Entwicklung von Kinofilm und Fernsehen an. Aber das macht eben den digitalen Wandel viel gewichtiger und komplexer, als es manche Diskussionen vermuten lassen.
Schauen wir uns einmal um: Die Akteure des Wandels in Ägypten sprechen nicht von einer Facebook-Revolution. Der Kairoer Blogger Basem Fathy meint, „es war mehr eine Revolution der Füße als der Sozialen Netzwerke.“ Natürlich verändert die Nutzung von Social Media die Kommunikation, die Organisation, die Struktur, vor allem auch die Geschwindigkeit und die Öffentlichkeit von Protesten. Aber der Einsatz von Facebook & Co für soziale Bewegungen ist heute nicht mehr der Sonder-, sondern der Normalfall. Spätestens seit sich auch die Tea Party in den USA mithilfe des Internets organisiert hat, dürfte auch den letzten strukturkonservativen Netzmuffeln klar geworden sein, dass die Social Media im Mainstream angekommen sind. Dadurch werden aber die bisher wichtigen Elemente von Protest oder Revolution weder ersetzt noch überflüssig. Weiterhin bedarf es der Präsenz auf der Straße. Verabredungen wurden im Iran, in London, Kairo und Stuttgart online getroffen und die digitale Vernetzung wirkte bisweilen wie ein Brandbeschleuniger. Aber ihre Kraft entfalteten die Proteste auf den Dächern von Teheran, auf den Straßen von Tottenham, auf dem Tahrir-Platz in Kairo und eben im Schlossgarten.
Außer der Straße braucht Protest auch immer noch Öffentlichkeit durch die Massenmedien. Im Arabischen Frühling reichten die Handy-Videos auf YouTube allein nicht aus, um eine so große Wirkung zu erzielen. Entscheidend war vielmehr, dass Al-Jazeera oder Al-Arabia die YouTube-Videos über das Satelliten-TV zu den Offlinern und in den Rest der Welt gebracht haben. Wenn wir uns Al-Jazeeras Arbeit, die Symbiose zwischen Publikum und Sender anschauen, sehen wir, dass der digitale Wandel die Arbeit des Fernsehens weder ersetzt noch einfach ergänzt, sondern grundlegend verändert.
Unser Blick von außen (also vor allem der der Medien) reicht meist nur bis zu der Frage nach der Rolle von Social Media für einen Umsturz. Spannend ist aber erst recht, was nach dem Beginn der Umbrüche passiert. In den Tagen und Wochen nach der Revolution in Ägypten haben sich sehr schnell auch Ministerien und Politiker bis hin zum Militärrat Facebook-Accounts angelegt, so dass dort für Ägypten ganz neue Formen der Diskussion zwischen Bürger und Staat stattfinden. Eine Statusmeldung des ägyptischen Militärrats kann auf Facebook schon mal zu mehr als 100.000 Kommentaren führen. Das alles ändert aber nichts daran, dass gleichzeitig Blogger wie Maikel Nabil Sanad für ihre Kritik an der Militärführung in den Knast gesteckt werden.
Auch andernorts hat der Arabische Frühling vielversprechende Projekte hervorgebracht, etwa in Marokko, wo z.B. auf der Crowdsourcing-Website www.reforme.ma Änderungsvorschläge zur Verfassungsreform zusammen getragen wurden.
Von Revolutionen und Verfassungsreformen sind wir in Deutschland 22 Jahre nach dem Mauerfall wieder weit entfernt. Wir verfügen über etablierte Institutionen und Prozesse, was wir als Hinweise für eine stabile Demokratie deuten dürfen. Andererseits sind die Zeichen der Unzufriedenheit und der Unzulänglichkeit des politischen Prozederes nicht zu übersehen und mit Händen zu greifen. Transparenz, Partizipation, Internet – mit diesem Dreiklang gelang einer bis vor kurzem noch belächelten Partei gerade der größte Wahlerfolg, den Deutschland in den letzten Jahren gesehen hat.
Partizipation mithilfe des Internets erfolgt in Deutschland, wenn überhaupt, noch nach alten Mustern: Der Staat ruft, die Bürgerinnen und Bürger dürfen mitmachen. Meist handelt es sich bei solchen Beteiligungsformen nur um die „Digitalisierung“ von bewährten Partizipationsformaten wie Bürgerhaushalt oder Konsultationsverfahren. Bei diesen Formen der Partizipation 1.0 gibt es analog zum Web 1.0 ein klares Oben und Unten, eine Trennung in Initiator und Teilnehmer. Auch hier finden wir wieder das einleitend angesprochene Muster: Der digitale Wandel wird als Add-On an bestehende Institutionen und Prozesse angedockt, ergänzt und optimiert ein bisschen, aber verändert nicht grundlegend.
Da ist die Zivilgesellschaft schon weiter. Ihre Akteure verstehen sich auf Partizipation 2.0, also Beteiligung, die nicht von oben initiiert wird, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern ausgeht und auf den Staat oder direkt in die Gesellschaft zielt. Die Parallelen zum Web 2.0 bedeuten: Jeder ist gleichzeitig Konsument und Produzent, jeder kann auch senden, initiieren, sich engagieren, einmischen und Gehör verschaffen, ohne dass er darauf wartet, gefragt zu werden. Aus der repräsentativen Demokratie wird eine Mitmachdemokratie, eine diskursive Demokratie, die Repräsentanten nicht ersetzt, sondern verändert.
Mit neuen Formen der demokratischen Entscheidungsfindung, die unter dem Begriff Partizipation 3.0 zirkulieren, experimentiert zum Beispiel die Piratenpartei. Mit Liquid Feedback, Delegated Voting und Liquid Democracy werden – nicht ohne heftige innere Kontroverse – Formen zwischen direkter und repräsentativer Demokratie erprobt: Parteimitglieder können über eine speziell entwickelte Liquid Feedback-Software eigene Anträge einbringen, zur Diskussionen stellen und bei ausreichender Unterstützung zur Abstimmung bringen. Zu dem Konzept gehört aber nicht nur die Möglichkeit, sich direkt einzubringen, sondern vor allem auch, seine Stimme zu delegieren, wenn man jemand anderes in einer Frage für kompetenter hält. Damit fließen – daher „liquid“ – direkte und repräsentative Demokratie ineinander. Der periodische Wahlakt auf der Basis umfangreicher Gesamtprogramme wird hier zugunsten eines ständigen, öffentlichen Diskurses mit themenspezifischen Abstimmungen überwunden. Schließlich soll sich in einer Liquid Democracy jeder flexibel an Entscheidungen beteiligen können und Mehrheiten organisieren.
Das ist nun im Prinzip nichts Neues, sondern die digitalisierte Version der alten basisdemokratischen Idee – eine diskursive Aushandlung von Positionen im (so weit wie möglich) herrschaftsfreien Raum. Das Volk gibt sich dabei seine Regeln unmittelbar selbst. Dieses Rousseau'sche Demokratieverständnis haben zuletzt die Grünen in den 80er Jahren für die politische Praxis wiederbelebt. Was dieses Mal aber – nicht nur bei den Piraten, sondern generell – den entscheidenden Unterschied für den Erfolg ausmachen könnte, ist, dass die technischen Möglichkeiten potenziell den Zugang und die Reichweite dieses Aushandlungsprozesses vereinfachen. Bisher konnten Skeptiker gewichtige praktisch-logistische Gegenargumente ins Feld führen – heute geht es vor allem um die Frage, ob wir das alles wirklich wollen oder nicht.
Das Netz bietet zweifellos nicht nur für die politische, sondern auch für die kulturelle Teilhabe großartige Möglichkeiten jenseits der etablierten Formen und Institutionen. Allerdings scheint mir dieses „jenseits“ oder „abseits“ bisweilen eher zwangsläufig als selbstgewählt. Öffentlicher Raum, der für unser Verständnis von Kultur konstitutiv ist, bedeutet im Internet 2011 meistens die von Apple, Google, Facebook oder Twitter kontrollierte Öffentlichkeit. Hier gewinnen Quasi-Monopole die Oberhand mit einem Geschäftsmodell, das darauf setzt, sich möglichst umfangreich die Daten von möglichst vielen Nutzern und deren Kontakten einzuverleiben und diese mit möglichst wenig Transparenz und Beeinflussbarkeit zu verarbeiten und möglichst teuer weiterzugeben. Wir füttern also den global agierenden, den globalen Gesetzen der Märkte folgenden und auf den Bermuda- und Fidschiinseln steuerzahlungsverweigernden Datenfresser. Anstatt uns um die Rückgewinnung unserer digitalen Mündigkeit zu kümmern, verlieren wir uns in Deutschland in Gefechten zwischen privaten Medienunternehmen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wobei es nicht um demokratische Öffentlichkeit, sondern in erster Linie um Profite und Quoten geht.
Zurück zu den Möglichkeiten, die der digitale Wandel für unsere Kultur bedeuten könnte: Mir scheint, dass die Akteure der öffentlich-rechtlichen Institutionen sich hierzulande in bewahrpädagogischer Duldungsstarre üben. Hier und da ein wenig digitales Add-On ist zwar inzwischen schick und angesagt, die anstehende Neujustierung des Bildungs- und kulturpolitischen Raums bleibt jedoch aus. Dabei steht die Öffnung der öffentlichen (der Name sagt es doch schon!) Institutionen gleich in dreifacher Hinsicht an: Sie müssen sich 1. für die digitalen Medienwelten, 2. für ihre Nutzer und 3. für eine gesellschaftliche Debatte über den öffentlichen Raum im 21. Jahrhundert öffnen. Wie lautet im digitalen Raum eigentlich die Begründung dafür, dass öffentliche Archive und Depots noch verschlossen bleiben? Warum stehen öffentlich finanzierte Inhalte nicht frei zugänglich im Netz? Mehr noch: Wie kann man gar auf den grotesken Gedanken kommen, dass öffentlich finanzierte Inhalte sogar wieder de-publiziert, der Allgemeinheit, die sie bezahlt hat, wieder genommen werden müssen? Und wenn Apple eine schöne neue Welt der cloud (Datenwolke) baut, und Google und wer sonst auch immer – wo ist eigentlich die deutsche, europäische oder weltweite nicht kommerzielle, freie Datenwolke der Bildung und Kultur? Wer baut daran? Und wer warum nicht?
Der digitale Wandel bietet die Chance, wenn nicht sogar die Notwendigkeit für eine Renaissance der öffentlichen Kultur, die im öffentlich-rechtlichen Rundfunk beginnt und bei Forschungsdaten, Museen, Musik und Literatur noch nicht endet. Es geht um die Sicherung von Gemeingütern und nicht um ihre Verramschung. Erste Versuche wie die Europeana und die Deutsche Digitale Bibliothek sind lobenswert, aber marginal. Der Etat für den Aufbau der Deutschen Digitalen Bibliothek, in der die Inhalte von 30.000 deutschen Bibliotheken, Museen und Archiven vernetzt und zugänglich gemacht werden sollen, beträgt pro Jahr 2,6 Millionen Euro. Übrigens: Dieser Etat entspricht den Werbeeinnahmen, die Google in einer Stunde umsetzt, oder einem Viertel des Budgets, welches die ARD dem Vernehmen nach pro Jahr für Günter Jauchs Talkshow ausgibt.
Teil II: Die gesellschaftlichen Akteure im digitalen Wandel
Werfen Sie mit mir einen Blick auf die gesellschaftlichen Akteure, die an der Debatte über den digitalen Wandel beteiligt sind.
Der digitale Wandel hat inzwischen die allermeisten gesellschaftlichen Bereiche erfasst. Die Geschäfte von Musikindustrie und Buchhandel, die Arbeit der Journalistin und des Politikers, die Anbahnung von Partnerschaften und sogar unser Verständnis des Wortes „Freund“. Aber eine für unsere Gesellschaft ganz entscheidende Sphäre beginnt gerade erst, den digitalen Wandel zu erfassen bzw. von ihm erfasst zu werden: der Bildungsbereich. Erlauben Sie mir darum bitte einen kurzen Exkurs in eigener Sache:
Die politische Bildung ist vom digitalen Wandel gleich in dreifacher Hinsicht betroffen:
1. Auch wir suchen Wege, der sich verändernden Kultur der Mediennutzung zu begegnen.
Wie sehen unsere Publikationen und unsere Veranstaltungen in Zukunft aus? Werden wir vom Produktherausgeber zum Serviceanbieter? Steht statt reinen Informationsangeboten künftig mehr Interaktion im Mittelpunkt? Wie gestalten wir das Verhältnis zu unseren Zielgruppen, wenn sie nicht mehr nur Kunden, sondern Mitwirkende sein können? Hinter all dem erproben wir uns an der Frage: „Wie wollen wir die Kommunikationsräume unserer Gesellschaft gestalten?“
Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb ist auf Facebook und Twitter aktiv. Nicht, weil wir Facebook für ein besonders unterstützenswertes Unternehmen halten. Aber die politische Bildung beansprucht für sich, zu den Menschen zu kommen, sich mitten im Leben abzuspielen. Und das Leben findet nun mal für deutlich mehr Menschen auf Facebook statt, als in Tagungshäusern und Seminarräumen, im Rathaus oder auch im politischen Feuilleton. Neben der Nutzung der derzeit vorherrschenden Netzwerke kommt es darauf an, dass wir unsere eigenen solitären Angebote zu attraktiven Plattformen für Debatten, Beteiligungen und sozialen Aktivitäten ausbauen. Wir können dabei mit offenen Standards, mit klarem Daten- und Persönlichkeitsschutz, mit Transparenz und demokratischer Kontrolle wirkliche soziale Medien schaffen.
2. Die Befähigung zur Partizipation ist zentrale Aufgabe unserer Arbeit.
Sie alle kennen Brechts Radiotheorie, die sich heute, 80 Jahre nach ihrer Niederschrift, liest wie eine Beschreibung des Internets. Brechts Forderung „Hörer sollen zum Mitspieler werden“ könnte sich auch die politische Bildung zu eigen machen: Bürger sollen mitreden und mitmachen! Gleichzeitig sind mit dem Internet die Möglichkeiten größer als je zuvor. „Medienkompetenz“ heißt für die politische Bildung: mittels Medien die Gesellschaft verstehen und selber gestalten können.
3. Die Debatte über den Wandel braucht öffentliche Räume jenseits der Massenmedien.
Der digital getriebene Wandel greift in alle Bereiche des beruflichen, des privaten und des öffentlichen Lebens ein. Eine aufgeklärte und demokratische Gesellschaft darf nicht von der Technik getrieben werden. Sie darf sich auch nicht in dem Versuch aufreiben, alle neuen Entwicklungen mit tradierten Regeln und Verfahrensweisen fassen zu wollen. Das betrifft das Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, zwischen Staat und Individuum, zwischen Beteiligung und Ausschluss, um nur einige Stichworte zu nennen. Gesellschaftliche Veränderungen brauchen gesellschaftliche Debatten. Wer, wenn nicht die politische Bildung, sollte Plattformen für Debatten bieten, an der nicht nur die Meinungsführer, sondern der Souverän, also die Bürgerinnen und Bürger selber teilnehmen?
Werfen wir jetzt aber einen Blick auf eine für unsere Demokratie existentielle Frage: Wo konstituiert sich eigentlich „öffentliche Meinung“? Die agora der polis spielt dabei wohl nur noch eine untergeordnete Rolle. Agenda-Setting erfolgt von oben und zwar durch ein schmales und miteinander verwobenes Geflecht der Elite. Ein Thema, das wir später im Panel noch diskutieren werden. Selbstmedialisierung ist in diesem Zusammenhang zur zentralen Strategie politischen Handelns geworden. Journalisten, Politiker, Lobbyisten, Wissenschaftler … – wir alle sind Profis darin, die Diskursthemen für die übrigen 99 Prozent der Bevölkerung vorzugeben.
2011 haben die meisten Journalisten das Internet verstanden. Auf ihre Produkte hat das aber meist nur Konsequenzen in dem Sinne, dass der bisherige Modus optimiert und erweitert wird. Die klassischen Medien präsentieren stolz den Hausblogger auf der eigenen Website, den „Tweet des Tages“ in der Zeitung und die „Netzschau“ im Fernsehen. Aber sobald irgendwas im Internet nicht zum bisherigen Geschäftsmodell passt, wird es bejammert, verbannt, verschwiegen oder gleich einmal verklagt. Von Öffnung und Transparenz sehe ich bisher allenfalls einzelne Vorzeigeprojekte – und die nicht in Deutschland.
Ganz anders versteht sich die Netzwelt. Auf Blogs, Twitter und Google+ ist man überzeugt, Avantgarde für die gesamte Gesellschaft zu sein. Dort betitelt man alles Gedruckte gerne als „die Holzmedien“. Fernsehen und Presse sind von gestern. Die gegenseitige Abgrenzung ist sehr beliebt und scheint der Identitätsbildung derjenigen förderlich, die offen, bunt und transparent, aber keine „Community“ sein wollen. Wenn man sich aber anschaut, welche Themen bei Twitter am liebsten diskutiert und verlinkt werden, so sind das merkwürdigerweise die Werke traditioneller Medienmacher: Fernsehen von Talkshow bis Tatort und Texte von Heise, Spiegel oder dem Zentralorgan der deutschen Nerds, der FAZ.
Dennoch gibt es erstaunliche Ähnlichkeiten zwischen Bloggern und Journalisten. Anerkennung wird am wechselseitigen Bezug aufeinander gemessen. Was dem Print-Journalisten sein PMG Presse-Monitor ist, sind dem Blogger Rivva oder die Blogcharts. Die Themenvielfalt der beliebtesten Blogs ist durchaus ausbaufähig. Auch in einer anderen Frage stehen die Onliner den Offlinern in nichts nach: Frauen haben in beiden Welten, vorsichtig gesagt, nicht gerade die Meinungsherrschaft inne. Gefühlt ist das so, als würde man bei Google den Suchbegriff „Chefredakteurin“ eingeben und würde sofort die Frage zurück gespielt bekommen: „Did you mean Chefredakteur?“
Nicht viel besser als den Journalisten geht es den Politikern. Man hat fast den Eindruck, das Netz hat gar keinen Bedarf mehr an ihnen. Wenn einzelne MdBs sich dann im Twittern versuchen oder Ministerien den Dialog online suchen, werden sie entweder ignoriert oder verhöhnt.
Mit der Netzcommunity sieht die Politik sich mit einer Gruppe von Menschen konfrontiert, die hervorragend die Klaviatur der öffentlichen Kommunikation 2.0 bespielen kann. So schnell wie die Crowd Argumente prüfen, Videos produzieren, Demonstrationen organisieren und Unterschriften sammeln kann, kann der schwerfällige Apparat in Parteizentralen und Ministerien gar nicht reagieren. Aber was rückt an ihre Stelle? Droht uns anstelle von Gleichheit, Transparenz und Meinungsvielfalt gar eine Diktatur der Gut-Vernetzten?
Auch die Wissenschaft scheint dem digitalen Wandel eher abwartend zu begegnen. Damit meine ich gar nicht die „Netzwissenschaftler“, sondern vor allem die Geisteswissenschaftler wie Literaturwissenschaftler, Politikwissenschaftler, Historiker oder Philosophen, deren Disziplinen sämtlich vom digitalen Wandel betroffen sind, die das aber offensichtlich kaltlässt. Entweder sie ignorieren den digitalen Wandel oder sie sehen ihn als „Sonderforschungsbereich“. Aber auch hier gilt: Der digitale Wandel ist kein „Add-On“, dessen Untersuchung den Netzwissenschaften überlassen werden kann. Findet denn im Netz keine Literatur, keine Politik, keine Identitätsbildung statt?
Mein Fazit: Das Digitale ist nicht Ergänzung oder Ersetzung des Bestehenden, es verändert die Grundlagen. Oder wie es Gunter Dueck von der IBM beschreibt: Das Internet wird zum Betriebssystem der Gesellschaft, auf dem alle Anwendungen aufsetzen müssen.
Wie erfrischend dagegen meine drei Favoriten heuer, die Gesprächsrunden zu „Die arabische Welt in den Medien“, „Polit-Talks: Zwischen Information und Inszenierung“ und der – den dreitägigen Kongress abschließende – „Content-Gipfel - Meinungsbildung heute: Wer setzt die Themen auf die politische Agenda?“ Natürlich saßen auch in diesen Veranstaltungen nicht nur Sympathen auf den Podien, Heiner Geißler etwa entpuppte sich als altersstarrer Journalistenhasser, aber es waren aufschlußreiche Zirkel, in denen aus dem Nähkästchen geplaudert wurde und hervorragende Moderatoren gute Arbeit leisteten.
(Wie gesagt, ein subjektiver Eindruck. Harald Staun sah das etwa in Sachen „Polit-Talk“ ganz anders und lästerte gestern in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ kurz und heftig darüber ab.)
Mein abolutes Highlight war Thomas Krügers Keynote zum Content-Gipfel. Die Manuskriptfassung der Rede des Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung dokumentiere ich hier vollständig. Es existiert aber auch eine Videoaufzeichnung des Content-Gipfels – schließlich „gilt das gesprochene Wort“. Dorin Popa
Teil I: Digitale Revolution?
Wir haben in den letzten Monaten viel von „Facebook-Protesten“, „Twitter-Bewegungen“, „Handy-Revolutionen“ oder „Blackberry-Aufständen“ gelesen. Den digitalen Graswurzelmedien wird bei den Protestbewegungen in Teheran, Kairo, Stuttgart, London, New York oder neuerdings Frankfurt eine zentrale Rolle zugeschrieben. Zwei Grundannahmen, die gerne auch für den digitalen Wandel in anderen Teilen der Gesellschaft genutzt werden, sind dabei sehr beliebt: Entweder wird impliziert, dass da etwas ganz Neues gekommen sei und alles Alte ersetze, so nach dem Motto: „Im Zeitalter von Facebook und YouTube braucht es Zeitungen und Fernsehen gar nicht mehr.“ Oder es wird davon ausgegangen, dass das Alte durch etwas Neues ergänzt werde, quasi als „Add-On“, als Anbau an das Bestehende. Beide Grundannahmen sind falsch: Im digitalen Wandel wird das Bestehende nicht ersetzt oder ergänzt. Das Neue verändert das Bestehende. Wir kennen das aus der Mediengeschichte bereits. Schauen Sie sich die Entwicklung von Kinofilm und Fernsehen an. Aber das macht eben den digitalen Wandel viel gewichtiger und komplexer, als es manche Diskussionen vermuten lassen.
Schauen wir uns einmal um: Die Akteure des Wandels in Ägypten sprechen nicht von einer Facebook-Revolution. Der Kairoer Blogger Basem Fathy meint, „es war mehr eine Revolution der Füße als der Sozialen Netzwerke.“ Natürlich verändert die Nutzung von Social Media die Kommunikation, die Organisation, die Struktur, vor allem auch die Geschwindigkeit und die Öffentlichkeit von Protesten. Aber der Einsatz von Facebook & Co für soziale Bewegungen ist heute nicht mehr der Sonder-, sondern der Normalfall. Spätestens seit sich auch die Tea Party in den USA mithilfe des Internets organisiert hat, dürfte auch den letzten strukturkonservativen Netzmuffeln klar geworden sein, dass die Social Media im Mainstream angekommen sind. Dadurch werden aber die bisher wichtigen Elemente von Protest oder Revolution weder ersetzt noch überflüssig. Weiterhin bedarf es der Präsenz auf der Straße. Verabredungen wurden im Iran, in London, Kairo und Stuttgart online getroffen und die digitale Vernetzung wirkte bisweilen wie ein Brandbeschleuniger. Aber ihre Kraft entfalteten die Proteste auf den Dächern von Teheran, auf den Straßen von Tottenham, auf dem Tahrir-Platz in Kairo und eben im Schlossgarten.
Außer der Straße braucht Protest auch immer noch Öffentlichkeit durch die Massenmedien. Im Arabischen Frühling reichten die Handy-Videos auf YouTube allein nicht aus, um eine so große Wirkung zu erzielen. Entscheidend war vielmehr, dass Al-Jazeera oder Al-Arabia die YouTube-Videos über das Satelliten-TV zu den Offlinern und in den Rest der Welt gebracht haben. Wenn wir uns Al-Jazeeras Arbeit, die Symbiose zwischen Publikum und Sender anschauen, sehen wir, dass der digitale Wandel die Arbeit des Fernsehens weder ersetzt noch einfach ergänzt, sondern grundlegend verändert.
Unser Blick von außen (also vor allem der der Medien) reicht meist nur bis zu der Frage nach der Rolle von Social Media für einen Umsturz. Spannend ist aber erst recht, was nach dem Beginn der Umbrüche passiert. In den Tagen und Wochen nach der Revolution in Ägypten haben sich sehr schnell auch Ministerien und Politiker bis hin zum Militärrat Facebook-Accounts angelegt, so dass dort für Ägypten ganz neue Formen der Diskussion zwischen Bürger und Staat stattfinden. Eine Statusmeldung des ägyptischen Militärrats kann auf Facebook schon mal zu mehr als 100.000 Kommentaren führen. Das alles ändert aber nichts daran, dass gleichzeitig Blogger wie Maikel Nabil Sanad für ihre Kritik an der Militärführung in den Knast gesteckt werden.
Auch andernorts hat der Arabische Frühling vielversprechende Projekte hervorgebracht, etwa in Marokko, wo z.B. auf der Crowdsourcing-Website www.reforme.ma Änderungsvorschläge zur Verfassungsreform zusammen getragen wurden.
Von Revolutionen und Verfassungsreformen sind wir in Deutschland 22 Jahre nach dem Mauerfall wieder weit entfernt. Wir verfügen über etablierte Institutionen und Prozesse, was wir als Hinweise für eine stabile Demokratie deuten dürfen. Andererseits sind die Zeichen der Unzufriedenheit und der Unzulänglichkeit des politischen Prozederes nicht zu übersehen und mit Händen zu greifen. Transparenz, Partizipation, Internet – mit diesem Dreiklang gelang einer bis vor kurzem noch belächelten Partei gerade der größte Wahlerfolg, den Deutschland in den letzten Jahren gesehen hat.
Partizipation mithilfe des Internets erfolgt in Deutschland, wenn überhaupt, noch nach alten Mustern: Der Staat ruft, die Bürgerinnen und Bürger dürfen mitmachen. Meist handelt es sich bei solchen Beteiligungsformen nur um die „Digitalisierung“ von bewährten Partizipationsformaten wie Bürgerhaushalt oder Konsultationsverfahren. Bei diesen Formen der Partizipation 1.0 gibt es analog zum Web 1.0 ein klares Oben und Unten, eine Trennung in Initiator und Teilnehmer. Auch hier finden wir wieder das einleitend angesprochene Muster: Der digitale Wandel wird als Add-On an bestehende Institutionen und Prozesse angedockt, ergänzt und optimiert ein bisschen, aber verändert nicht grundlegend.
Da ist die Zivilgesellschaft schon weiter. Ihre Akteure verstehen sich auf Partizipation 2.0, also Beteiligung, die nicht von oben initiiert wird, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern ausgeht und auf den Staat oder direkt in die Gesellschaft zielt. Die Parallelen zum Web 2.0 bedeuten: Jeder ist gleichzeitig Konsument und Produzent, jeder kann auch senden, initiieren, sich engagieren, einmischen und Gehör verschaffen, ohne dass er darauf wartet, gefragt zu werden. Aus der repräsentativen Demokratie wird eine Mitmachdemokratie, eine diskursive Demokratie, die Repräsentanten nicht ersetzt, sondern verändert.
Mit neuen Formen der demokratischen Entscheidungsfindung, die unter dem Begriff Partizipation 3.0 zirkulieren, experimentiert zum Beispiel die Piratenpartei. Mit Liquid Feedback, Delegated Voting und Liquid Democracy werden – nicht ohne heftige innere Kontroverse – Formen zwischen direkter und repräsentativer Demokratie erprobt: Parteimitglieder können über eine speziell entwickelte Liquid Feedback-Software eigene Anträge einbringen, zur Diskussionen stellen und bei ausreichender Unterstützung zur Abstimmung bringen. Zu dem Konzept gehört aber nicht nur die Möglichkeit, sich direkt einzubringen, sondern vor allem auch, seine Stimme zu delegieren, wenn man jemand anderes in einer Frage für kompetenter hält. Damit fließen – daher „liquid“ – direkte und repräsentative Demokratie ineinander. Der periodische Wahlakt auf der Basis umfangreicher Gesamtprogramme wird hier zugunsten eines ständigen, öffentlichen Diskurses mit themenspezifischen Abstimmungen überwunden. Schließlich soll sich in einer Liquid Democracy jeder flexibel an Entscheidungen beteiligen können und Mehrheiten organisieren.
Das ist nun im Prinzip nichts Neues, sondern die digitalisierte Version der alten basisdemokratischen Idee – eine diskursive Aushandlung von Positionen im (so weit wie möglich) herrschaftsfreien Raum. Das Volk gibt sich dabei seine Regeln unmittelbar selbst. Dieses Rousseau'sche Demokratieverständnis haben zuletzt die Grünen in den 80er Jahren für die politische Praxis wiederbelebt. Was dieses Mal aber – nicht nur bei den Piraten, sondern generell – den entscheidenden Unterschied für den Erfolg ausmachen könnte, ist, dass die technischen Möglichkeiten potenziell den Zugang und die Reichweite dieses Aushandlungsprozesses vereinfachen. Bisher konnten Skeptiker gewichtige praktisch-logistische Gegenargumente ins Feld führen – heute geht es vor allem um die Frage, ob wir das alles wirklich wollen oder nicht.
Das Netz bietet zweifellos nicht nur für die politische, sondern auch für die kulturelle Teilhabe großartige Möglichkeiten jenseits der etablierten Formen und Institutionen. Allerdings scheint mir dieses „jenseits“ oder „abseits“ bisweilen eher zwangsläufig als selbstgewählt. Öffentlicher Raum, der für unser Verständnis von Kultur konstitutiv ist, bedeutet im Internet 2011 meistens die von Apple, Google, Facebook oder Twitter kontrollierte Öffentlichkeit. Hier gewinnen Quasi-Monopole die Oberhand mit einem Geschäftsmodell, das darauf setzt, sich möglichst umfangreich die Daten von möglichst vielen Nutzern und deren Kontakten einzuverleiben und diese mit möglichst wenig Transparenz und Beeinflussbarkeit zu verarbeiten und möglichst teuer weiterzugeben. Wir füttern also den global agierenden, den globalen Gesetzen der Märkte folgenden und auf den Bermuda- und Fidschiinseln steuerzahlungsverweigernden Datenfresser. Anstatt uns um die Rückgewinnung unserer digitalen Mündigkeit zu kümmern, verlieren wir uns in Deutschland in Gefechten zwischen privaten Medienunternehmen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wobei es nicht um demokratische Öffentlichkeit, sondern in erster Linie um Profite und Quoten geht.
Zurück zu den Möglichkeiten, die der digitale Wandel für unsere Kultur bedeuten könnte: Mir scheint, dass die Akteure der öffentlich-rechtlichen Institutionen sich hierzulande in bewahrpädagogischer Duldungsstarre üben. Hier und da ein wenig digitales Add-On ist zwar inzwischen schick und angesagt, die anstehende Neujustierung des Bildungs- und kulturpolitischen Raums bleibt jedoch aus. Dabei steht die Öffnung der öffentlichen (der Name sagt es doch schon!) Institutionen gleich in dreifacher Hinsicht an: Sie müssen sich 1. für die digitalen Medienwelten, 2. für ihre Nutzer und 3. für eine gesellschaftliche Debatte über den öffentlichen Raum im 21. Jahrhundert öffnen. Wie lautet im digitalen Raum eigentlich die Begründung dafür, dass öffentliche Archive und Depots noch verschlossen bleiben? Warum stehen öffentlich finanzierte Inhalte nicht frei zugänglich im Netz? Mehr noch: Wie kann man gar auf den grotesken Gedanken kommen, dass öffentlich finanzierte Inhalte sogar wieder de-publiziert, der Allgemeinheit, die sie bezahlt hat, wieder genommen werden müssen? Und wenn Apple eine schöne neue Welt der cloud (Datenwolke) baut, und Google und wer sonst auch immer – wo ist eigentlich die deutsche, europäische oder weltweite nicht kommerzielle, freie Datenwolke der Bildung und Kultur? Wer baut daran? Und wer warum nicht?
Der digitale Wandel bietet die Chance, wenn nicht sogar die Notwendigkeit für eine Renaissance der öffentlichen Kultur, die im öffentlich-rechtlichen Rundfunk beginnt und bei Forschungsdaten, Museen, Musik und Literatur noch nicht endet. Es geht um die Sicherung von Gemeingütern und nicht um ihre Verramschung. Erste Versuche wie die Europeana und die Deutsche Digitale Bibliothek sind lobenswert, aber marginal. Der Etat für den Aufbau der Deutschen Digitalen Bibliothek, in der die Inhalte von 30.000 deutschen Bibliotheken, Museen und Archiven vernetzt und zugänglich gemacht werden sollen, beträgt pro Jahr 2,6 Millionen Euro. Übrigens: Dieser Etat entspricht den Werbeeinnahmen, die Google in einer Stunde umsetzt, oder einem Viertel des Budgets, welches die ARD dem Vernehmen nach pro Jahr für Günter Jauchs Talkshow ausgibt.
Teil II: Die gesellschaftlichen Akteure im digitalen Wandel
Werfen Sie mit mir einen Blick auf die gesellschaftlichen Akteure, die an der Debatte über den digitalen Wandel beteiligt sind.
Der digitale Wandel hat inzwischen die allermeisten gesellschaftlichen Bereiche erfasst. Die Geschäfte von Musikindustrie und Buchhandel, die Arbeit der Journalistin und des Politikers, die Anbahnung von Partnerschaften und sogar unser Verständnis des Wortes „Freund“. Aber eine für unsere Gesellschaft ganz entscheidende Sphäre beginnt gerade erst, den digitalen Wandel zu erfassen bzw. von ihm erfasst zu werden: der Bildungsbereich. Erlauben Sie mir darum bitte einen kurzen Exkurs in eigener Sache:
Die politische Bildung ist vom digitalen Wandel gleich in dreifacher Hinsicht betroffen:
1. Auch wir suchen Wege, der sich verändernden Kultur der Mediennutzung zu begegnen.
Wie sehen unsere Publikationen und unsere Veranstaltungen in Zukunft aus? Werden wir vom Produktherausgeber zum Serviceanbieter? Steht statt reinen Informationsangeboten künftig mehr Interaktion im Mittelpunkt? Wie gestalten wir das Verhältnis zu unseren Zielgruppen, wenn sie nicht mehr nur Kunden, sondern Mitwirkende sein können? Hinter all dem erproben wir uns an der Frage: „Wie wollen wir die Kommunikationsräume unserer Gesellschaft gestalten?“
Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb ist auf Facebook und Twitter aktiv. Nicht, weil wir Facebook für ein besonders unterstützenswertes Unternehmen halten. Aber die politische Bildung beansprucht für sich, zu den Menschen zu kommen, sich mitten im Leben abzuspielen. Und das Leben findet nun mal für deutlich mehr Menschen auf Facebook statt, als in Tagungshäusern und Seminarräumen, im Rathaus oder auch im politischen Feuilleton. Neben der Nutzung der derzeit vorherrschenden Netzwerke kommt es darauf an, dass wir unsere eigenen solitären Angebote zu attraktiven Plattformen für Debatten, Beteiligungen und sozialen Aktivitäten ausbauen. Wir können dabei mit offenen Standards, mit klarem Daten- und Persönlichkeitsschutz, mit Transparenz und demokratischer Kontrolle wirkliche soziale Medien schaffen.
2. Die Befähigung zur Partizipation ist zentrale Aufgabe unserer Arbeit.
Sie alle kennen Brechts Radiotheorie, die sich heute, 80 Jahre nach ihrer Niederschrift, liest wie eine Beschreibung des Internets. Brechts Forderung „Hörer sollen zum Mitspieler werden“ könnte sich auch die politische Bildung zu eigen machen: Bürger sollen mitreden und mitmachen! Gleichzeitig sind mit dem Internet die Möglichkeiten größer als je zuvor. „Medienkompetenz“ heißt für die politische Bildung: mittels Medien die Gesellschaft verstehen und selber gestalten können.
3. Die Debatte über den Wandel braucht öffentliche Räume jenseits der Massenmedien.
Der digital getriebene Wandel greift in alle Bereiche des beruflichen, des privaten und des öffentlichen Lebens ein. Eine aufgeklärte und demokratische Gesellschaft darf nicht von der Technik getrieben werden. Sie darf sich auch nicht in dem Versuch aufreiben, alle neuen Entwicklungen mit tradierten Regeln und Verfahrensweisen fassen zu wollen. Das betrifft das Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, zwischen Staat und Individuum, zwischen Beteiligung und Ausschluss, um nur einige Stichworte zu nennen. Gesellschaftliche Veränderungen brauchen gesellschaftliche Debatten. Wer, wenn nicht die politische Bildung, sollte Plattformen für Debatten bieten, an der nicht nur die Meinungsführer, sondern der Souverän, also die Bürgerinnen und Bürger selber teilnehmen?
Werfen wir jetzt aber einen Blick auf eine für unsere Demokratie existentielle Frage: Wo konstituiert sich eigentlich „öffentliche Meinung“? Die agora der polis spielt dabei wohl nur noch eine untergeordnete Rolle. Agenda-Setting erfolgt von oben und zwar durch ein schmales und miteinander verwobenes Geflecht der Elite. Ein Thema, das wir später im Panel noch diskutieren werden. Selbstmedialisierung ist in diesem Zusammenhang zur zentralen Strategie politischen Handelns geworden. Journalisten, Politiker, Lobbyisten, Wissenschaftler … – wir alle sind Profis darin, die Diskursthemen für die übrigen 99 Prozent der Bevölkerung vorzugeben.
2011 haben die meisten Journalisten das Internet verstanden. Auf ihre Produkte hat das aber meist nur Konsequenzen in dem Sinne, dass der bisherige Modus optimiert und erweitert wird. Die klassischen Medien präsentieren stolz den Hausblogger auf der eigenen Website, den „Tweet des Tages“ in der Zeitung und die „Netzschau“ im Fernsehen. Aber sobald irgendwas im Internet nicht zum bisherigen Geschäftsmodell passt, wird es bejammert, verbannt, verschwiegen oder gleich einmal verklagt. Von Öffnung und Transparenz sehe ich bisher allenfalls einzelne Vorzeigeprojekte – und die nicht in Deutschland.
Ganz anders versteht sich die Netzwelt. Auf Blogs, Twitter und Google+ ist man überzeugt, Avantgarde für die gesamte Gesellschaft zu sein. Dort betitelt man alles Gedruckte gerne als „die Holzmedien“. Fernsehen und Presse sind von gestern. Die gegenseitige Abgrenzung ist sehr beliebt und scheint der Identitätsbildung derjenigen förderlich, die offen, bunt und transparent, aber keine „Community“ sein wollen. Wenn man sich aber anschaut, welche Themen bei Twitter am liebsten diskutiert und verlinkt werden, so sind das merkwürdigerweise die Werke traditioneller Medienmacher: Fernsehen von Talkshow bis Tatort und Texte von Heise, Spiegel oder dem Zentralorgan der deutschen Nerds, der FAZ.
Dennoch gibt es erstaunliche Ähnlichkeiten zwischen Bloggern und Journalisten. Anerkennung wird am wechselseitigen Bezug aufeinander gemessen. Was dem Print-Journalisten sein PMG Presse-Monitor ist, sind dem Blogger Rivva oder die Blogcharts. Die Themenvielfalt der beliebtesten Blogs ist durchaus ausbaufähig. Auch in einer anderen Frage stehen die Onliner den Offlinern in nichts nach: Frauen haben in beiden Welten, vorsichtig gesagt, nicht gerade die Meinungsherrschaft inne. Gefühlt ist das so, als würde man bei Google den Suchbegriff „Chefredakteurin“ eingeben und würde sofort die Frage zurück gespielt bekommen: „Did you mean Chefredakteur?“
Nicht viel besser als den Journalisten geht es den Politikern. Man hat fast den Eindruck, das Netz hat gar keinen Bedarf mehr an ihnen. Wenn einzelne MdBs sich dann im Twittern versuchen oder Ministerien den Dialog online suchen, werden sie entweder ignoriert oder verhöhnt.
Mit der Netzcommunity sieht die Politik sich mit einer Gruppe von Menschen konfrontiert, die hervorragend die Klaviatur der öffentlichen Kommunikation 2.0 bespielen kann. So schnell wie die Crowd Argumente prüfen, Videos produzieren, Demonstrationen organisieren und Unterschriften sammeln kann, kann der schwerfällige Apparat in Parteizentralen und Ministerien gar nicht reagieren. Aber was rückt an ihre Stelle? Droht uns anstelle von Gleichheit, Transparenz und Meinungsvielfalt gar eine Diktatur der Gut-Vernetzten?
Auch die Wissenschaft scheint dem digitalen Wandel eher abwartend zu begegnen. Damit meine ich gar nicht die „Netzwissenschaftler“, sondern vor allem die Geisteswissenschaftler wie Literaturwissenschaftler, Politikwissenschaftler, Historiker oder Philosophen, deren Disziplinen sämtlich vom digitalen Wandel betroffen sind, die das aber offensichtlich kaltlässt. Entweder sie ignorieren den digitalen Wandel oder sie sehen ihn als „Sonderforschungsbereich“. Aber auch hier gilt: Der digitale Wandel ist kein „Add-On“, dessen Untersuchung den Netzwissenschaften überlassen werden kann. Findet denn im Netz keine Literatur, keine Politik, keine Identitätsbildung statt?
Mein Fazit: Das Digitale ist nicht Ergänzung oder Ersetzung des Bestehenden, es verändert die Grundlagen. Oder wie es Gunter Dueck von der IBM beschreibt: Das Internet wird zum Betriebssystem der Gesellschaft, auf dem alle Anwendungen aufsetzen müssen.
Sonntag, 23. Oktober 2011
Samstag, 22. Oktober 2011
Wochenplan
Szenische Lesung zu „Der blaue Reiter“ / Kunstbau, Florence + the Machine / Live Hackney Empire Stream, Gründungsversammlung der Piraten-Hochschulgruppe / LMU, Bruce LaBruce / Akademie der bildenden Künste, Vortrag „Unternehmen Universität – Bertelsmann macht Hochschule“ / LMU, Ben Gorham / Hautnah, ASP / Muffathalle, Wolfgang Tillmans / Akademie der bildenden Künste, Tempranillo-Tasting / Tantris, Nachtöffnung der Kraftwerk-3D-Videoinstallation für Studenten mit Barbetrieb / Kunstbau, Nerd Nite UAMO Special: Ultra Social / Togal-Werke, „Stadt, Land, Schluss“ – Finale der on3-Lesereihe /Art Babel, Großkundgebung Keine Startbahn 3 / Marienplatz, Ende der Sommerzeit
Freitag, 21. Oktober 2011
Montag, 17. Oktober 2011
Sonntag, 16. Oktober 2011
Wochenplan
Senator George McGovern in Conversation with Karsten Voigt / Amerikahaus, myTheresa Lagerverkauf, Vernissagen Jo Fischer: Stadtkinder / Kirsch & Co, The Gathering / Lothringer 13 Laden und Rachel Kneebone / Daniel Blau, Sweet Suites / Marriott, Münchner Medientage, Pressevorführungen „Gott des Gemetzels“, „Happy Rutsch“, „Offroad“, „The future“ und „Die Unsichtbare“, Wolford Pressday, Kunstwochenende München, Peter Richter liest aus „Über das Trinken“ / Giulia Bar, Feist / Tempodrom
Samstag, 15. Oktober 2011
Bullioning: Her mit den Zeugnissen!
Durchs Abitur habe ich mich natürlich auch gemogelt. War nicht weiter schwer. Als Schulsprecher des Wittelsbacher Gymnasiums konnte nicht nur ich mir frei nehmen, wie ich wollte, sondern auch die Mädels aus der Mittelstufe (ältere gab es bei uns, einem traditionellen Knabengymnasium, nicht) zu wichtigen Besprechungen abrufen und mit ihnen Vormittage im Mathäser Filmpalast verbringen. Als Staatenloser war ich vom Numerus Clausus befreit und hätte, unabhängig vom Notenschnitt, studieren können, was ich wollte. Und dank der Kollegstufe hatte ich meine Kurse und insbesondere die Abiturfächer streng nach Neigung ausgesucht.
Da wir überhaupt erst der zweite Jahrgang einer bayerischen Kollegstufe waren, kam ich auch sonst in den Genuß der experimentellen Zwischenphase. Die Härten des ersten Jahrgangs waren abgeschafft, die Härten späterer Jahre noch nicht eingeführt worden. Die ganze Schulordnung noch im Fluß. Eiskalt besann ich mich nach elf Jahren katholischen Religionsunterrichts, daß mir dieser als Rumänisch-Orthodoxer nicht zumutbar wäre. Und nutzte die Vorschrift aus, daß Ethikunterricht nur zulässig war, wenn man ihn bereits in der 11. Klasse besucht hatte. Wieder ein paar Unterrichtsstunden ersatzlos gespart, und vielleicht ein Grund für meine sittliche Verwahrlosung.
In Physik schaffte ich es in der 12. wie 13. Klasse, in einem Halbjahr null Punkte zu erreichen, und wurde zum Abitur nur zugelassen, weil man damals noch Noten aus verschiedenen Jahren häufeln konnte.
Mit Französisch, Sozialkunde/Geschichte, Biologie und Erdkunde hatte ich für's Abitur die Fächer ausgewählt, die ich von Haus aus beherrschte, ohne viel, wenn überhaupt, lernen zu müssen. Da konnte ich es mir sogar leisten, die Facharbeit über Isabelle Adjani gar nicht erst anzufangen, denn selbst die null Punkte dafür konnten mir nicht schaden.
Nachdem letzte Woche Constanze von Bullion in der „Süddeutschen Zeitung“ Klaus Wowereits Abiturnoten wohl ohne dessen Einverständnis veröffentlichte, und ich mich darüber aufregte, mokierte sich Klaus Graf, Historiker an der Uni Freiburg, in seinem Blog über meine Kritik an dem Notenleak: „Viel Trara“, denn „Schule ist keine solipsistische Veranstaltung, sondern Sozialsphäre“. Das brachte mich spontan auf die Idee, daß wir alle vielleicht unsere Abitur- und sonstigen Abschlußzeugnisse veröffentlichen könnten, auch wenn so eine nackte Note natürlich deutlich weniger attraktiv ist als Scarlett Johanssons verlängerte Rückenansicht. Zumal es ja nicht einmal mehr so eingängige Schulnoten wie bei Wowigate gibt, sondern eher komplizierte Punktkonstrukte. Graf ging sofort auf mein Angebot ein und stellte sein Reifezeugnis online.
An dessen 725 Punkte und einen Abischnitt von 1,6 komme ich natürlich lange nicht ran. Aber immerhin reichten mir 528 Punkte und eine Durchschnittsnote von 2,7 zur allgemeinen Hochschulreife. An einem bayerischen Gymnasium! Inklusive großem Latinum!! Das vollständige Zeugnisscanne ich nächste Woche ein ist unten verlinkt.
Und bin jedem dankbar, der sich anschließt und (seine eigenen!) Abiturnoten- oder sonstigen Abschlußzeugnisnoten nachreicht. Sei es als Bilddatei, um sie hier einzubauen, als Text über die Kommentarfunktion oder in seinem eigenen Blog. Bitte dann aber unter dem Tag „Bullioning“, damit ich es auch finde und darauf verlinken kann.
Update:
Da wir überhaupt erst der zweite Jahrgang einer bayerischen Kollegstufe waren, kam ich auch sonst in den Genuß der experimentellen Zwischenphase. Die Härten des ersten Jahrgangs waren abgeschafft, die Härten späterer Jahre noch nicht eingeführt worden. Die ganze Schulordnung noch im Fluß. Eiskalt besann ich mich nach elf Jahren katholischen Religionsunterrichts, daß mir dieser als Rumänisch-Orthodoxer nicht zumutbar wäre. Und nutzte die Vorschrift aus, daß Ethikunterricht nur zulässig war, wenn man ihn bereits in der 11. Klasse besucht hatte. Wieder ein paar Unterrichtsstunden ersatzlos gespart, und vielleicht ein Grund für meine sittliche Verwahrlosung.
In Physik schaffte ich es in der 12. wie 13. Klasse, in einem Halbjahr null Punkte zu erreichen, und wurde zum Abitur nur zugelassen, weil man damals noch Noten aus verschiedenen Jahren häufeln konnte.
Mit Französisch, Sozialkunde/Geschichte, Biologie und Erdkunde hatte ich für's Abitur die Fächer ausgewählt, die ich von Haus aus beherrschte, ohne viel, wenn überhaupt, lernen zu müssen. Da konnte ich es mir sogar leisten, die Facharbeit über Isabelle Adjani gar nicht erst anzufangen, denn selbst die null Punkte dafür konnten mir nicht schaden.
Nachdem letzte Woche Constanze von Bullion in der „Süddeutschen Zeitung“ Klaus Wowereits Abiturnoten wohl ohne dessen Einverständnis veröffentlichte, und ich mich darüber aufregte, mokierte sich Klaus Graf, Historiker an der Uni Freiburg, in seinem Blog über meine Kritik an dem Notenleak: „Viel Trara“, denn „Schule ist keine solipsistische Veranstaltung, sondern Sozialsphäre“. Das brachte mich spontan auf die Idee, daß wir alle vielleicht unsere Abitur- und sonstigen Abschlußzeugnisse veröffentlichen könnten, auch wenn so eine nackte Note natürlich deutlich weniger attraktiv ist als Scarlett Johanssons verlängerte Rückenansicht. Zumal es ja nicht einmal mehr so eingängige Schulnoten wie bei Wowigate gibt, sondern eher komplizierte Punktkonstrukte. Graf ging sofort auf mein Angebot ein und stellte sein Reifezeugnis online.
An dessen 725 Punkte und einen Abischnitt von 1,6 komme ich natürlich lange nicht ran. Aber immerhin reichten mir 528 Punkte und eine Durchschnittsnote von 2,7 zur allgemeinen Hochschulreife. An einem bayerischen Gymnasium! Inklusive großem Latinum!! Das vollständige Zeugnis
Und bin jedem dankbar, der sich anschließt und (seine eigenen!) Abitur
Update:
- Klaus Grafs Abiturzeugnis
- Kati Kürsch
Kaya Scheloske (geb. Presser)- Dorin Popa
Montag, 10. Oktober 2011
Wowigate: Wie die Süddeutsche Zeitung vertrauliche Schulunterlagen besorgt (Updates)
Bei der SPD ist man vorsichtig: Natürlich bietet das Willy-Brandt-Haus ein offizielles Pressefoto Klaus Wowereits online zum Download an, doch bevor ich es redaktionell veröffentliche, bedarf es „generell der vorherigen Genehmigung des SPD-Parteivorstands“. Beim Berliner Landesverband ist man ein wenig großzügiger in rechtlichen Fragen, es reicht ein Plazet der Pressestelle. Aber immerhin: gefragt will man werden, geht ja schließlich um Imagepflege.
Wie es hinter der Fassade des Regiermeisters aussieht, versuchte heute Constanze von Bullion auf der Seite Drei der „Süddeutschen Zeitung“ zu ergründen, weshalb sich die Berlin-Korrespondentin nicht nur dem „alten Leitwolf“ im ungemütlichen tête-à-tête stellte, sondern auch in seinem alten Revier Witterung aufnahm. Und man kann dem Artikel nicht entnehmen, inweit bei den privateren, datenschutzrechtlich relevanten Informationen noch lange gefragt wurde, ob Wowereit damit einverstanden war.
Nun ist man nicht zuletzt seit der Schaffung eines eigenen investigativen Ressorts von der „SZ“ einiges an Wühlarbeit gewohnt, aber in zwei Absätzen setzt von Bullion doch neue Maßstäbe – und droht, den guten Ruf des Hauses zu verspielen.
„X. (Anonymisierung durch mich, im Artikel steht der volle Name) war viele Jahre Rektor am Gymnasium in Lichtenrade, jetzt ist er über siebzig und ein munterer Herr, der seinem alten Haus in Treue verbunden ist. Die Schulschlüssel hat er nie abgegeben, und weil Ferien sind an diesem Tag, ist er so nett, die Tür zu seinem früheren Amtszimmer aufzuschließen. Jetzt steht er hier und zerrt ein dickes Buch aus dem Schrank. Der Ledereinband wird brüchig und das Papier ist vergilbt, es sind Abiturzeugnisse aus dem Jahr 1973.
Klaus Wowereit, steht da, darunter ein Panoptikum eher begrenzter Strebsamkeit. Deutsch X, Politische Weltkunde X, Englisch X, Mathe X, Sozialwissenschaften X, Sport X.“ (X-ungen durch mich)
Mit jedem Satz dünsten diese Sätze die Ehrpusseligkeit alter Zeiten aus, als Berlin (West) noch Posemuckel war, und es reichte, den richtigen Mann zu kennen, um recht zu haben und Recht zu bekommen. Doch die Zeiten haben sich geändert, wir leben in der Ära des Datenschutzes und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.
Was in der Zeitung so gemütlich wie ein Rührstück aus dem dritten Fernsehprogramm herüberkommt, ist natürlich ein dreister Recherche-Übergriff, wobei ich nicht weiß, worüber ich mich mehr aufregen kann: die Art und Weise, wie von Bullion gleich einem Hardboiled-Schnüffler an ihre Informationen kommt, oder die Unverfrorenheit, mit der sie ihre Quelle bloßstellt und somit ausliefert.
Wenn es schon der Pensionär nicht ahnt, so hätten doch die Journalistin oder ihr Ressortleiter Alexander Gorkow wissen müssen, daß weder die Art der Informationsbeschaffung, noch die Veröffentlichung der Schulnoten zulässig sind. Und es wird niemand behaupten wollen, daß dieser pittoreske Ausflug in Wowis Schulzeit einen redaktionellen Notstand rechtfertige.
Anja-Maria Gardain, Pressesprecherin des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, bestätigt die beiden Problembereiche: Natürlich unterliegen Abiturzeugnisse der informationellen Selbstbestimmung und dürften – selbst bei einer Person des öffentlichen Interesses – nicht ohne Rechtsgrundlage oder Einwilligung des Schülers veröffentlicht werden. (Eine Anfrage dazu an die Senatskanzlei läuft.) Und selbstverständlich darf ein ehemaliger Rektor nicht weiterhin Zugang zu Amtsräumen und somit Zugriff auf personenbezogene Daten haben, geschweige denn auch noch diesen mit einer Journalistin teilen.
Updates: In einem Vorwurf muß ich mich korrigieren. Offenbar hat Constanze von Bullion doch insofern Rücksicht auf ihre Quelle genommen, als daß sie mit der Veröffentlichung gewartet hat, bis der pensionierte Rektor verstorben war. Was aber wiederum den Schluß zulassen könnte, daß ihr selbst der Vorgang nicht ganz korrekt erschien, denn warum hätte sie sonst mehrere Jahre warten sollen?
Eine Zeit, die möglicherweise auch die damals gewonnenen Erkenntnisse getrübt hat. Denn aus der mittlerweile vorliegenden, per cc auch an fünf weitere Amtsstellen adressierten Stellungnahme der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung geht hervor, daß das Originaldokument, also Klaus Wowereits Abiturzeugnis, falsch zitiert wird.
Die Veröffentlichung der Noten hält auch die Senatsverwaltung für unzulässig, den Zugang zu den Schulräumen nicht („für sich kaum zu beanstanden“). Die Tatsache, daß von Bullion ja offenbar einen ganzen Band mit Abiturzeugnissen, also die persönlichen Daten vieler Schüler in Händen hielt, wird nicht thematisiert. Hier die vollständige Antwort aus Berlin:
„Die Geschichte von der Zeugniseinsicht ist offenbar schon vor langer Zeit entstanden und jetzt erst von der Autorin für ihren Artikel verwendet worden, denn der im Text genannte Lehrer ist bereits seit einigen Monaten tot. Da er zuvor längere Zeit krank war, könnte die beschriebene Szene sogar aus dem Jahr 2009 oder noch viel früherer Zeit stammen.
Dass der langjährige Schulleiter zuletzt noch Zugang zum Haus hatte, ist nicht zwingend zu beanstanden, da er die Schule auch noch nach Ausscheiden aus dem aktiven Dienst regelmäßig in ihrer Arbeit unterstützt hat.
Die Überprüfung der Angaben der SZ in ihrem Artikel haben ergeben, dass es Abweichungen zum Originaldokument gibt.
Es lässt sich daher nicht zweifelsfrei klären, ob die Angaben zu den Noten im Artikel der SZ tatsächlich - wie durch den Text nahe gelegt - aus unmittelbarer Kenntnis des Dokuments oder aus anderen Quellen erwachsen sind.
Auch wenn wir den Regierenden Bürgermeister für eine absolute Person der Zeitgeschichte halten, was weitgehende Rechte der Presse nach sich zieht, wird das Zeugnis doch als Dokument der Privatsphäre zugerechnet, für das das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einschlägig ist. Unsere Juristen schreiben dazu:
"Bei einem Abiturzeugnis handelt es sich um personenbezogene Daten, für deren Übermittelung an Dritte, auch die Presse, es der Rechtsgrundlage bedarf. Die Daten unterliegen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht. Eine Einsichtnahme in ein Zeugnis für einen Dritten beinhaltet eine Datenübermittlung personenbezogener Daten. Die Voraussetzungen für eine Datenübermittlung nach Schulrecht in § 64 Abs. 5 SchulG liegen nicht vor."
Die bezirkliche Schulaufsicht hat den örtlichen Datenschutzbeauftragten eingeschaltet.
Uns ist nicht bekannt, dass die Noten bereits anderweitig veöffentlich worden wären - können es aber auch nicht ausschließen.
Aus dem Gesagten ergibt sich bereits, dass der offenbar lange zurückliegende und für sich kaum zu beanstandende Besuch der SZ in der Schule mit unserem Haus nach heutiger Kenntnis eben so wenig abgestimmt war wie die Veröffentlichung der Noten.“
„Viel Trara“, findet Klaus Graf, „Schule ist keine solipsistische Veranstaltung, sondern Sozialsphäre“. Daher bat ich ihn gleich um Zusendung seines Abiturzeugnisses. Vielleicht können wir ja daraus ein Meme kreieren: Bullioning!
Martin Rath spitzt die Kritik sogar noch zu: „Weil sich die Vertreter politischer Parteien heute kaum noch durch ideologische/ programmatische Überzeugungen auszeichnen, sollte es der Öffentlichkeit möglich sein, sich wenigstens ein Bild von soetwas wie biographischer Kohärenz (oder Brüchen im Lebenslauf) machen zu können. (...) Abiturnoten einer Kernregion des Persönlichkeitsrechts zuzuordnen, finde ich allerdings etwas albern. Und auch gefährlich für die öffentliche Auseinandersetzung, wenn man bedenkt, was sich alles hinter dem Schleier des Datenschutzes verbergen ließe.“
Wie es hinter der Fassade des Regiermeisters aussieht, versuchte heute Constanze von Bullion auf der Seite Drei der „Süddeutschen Zeitung“ zu ergründen, weshalb sich die Berlin-Korrespondentin nicht nur dem „alten Leitwolf“ im ungemütlichen tête-à-tête stellte, sondern auch in seinem alten Revier Witterung aufnahm. Und man kann dem Artikel nicht entnehmen, inweit bei den privateren, datenschutzrechtlich relevanten Informationen noch lange gefragt wurde, ob Wowereit damit einverstanden war.
Nun ist man nicht zuletzt seit der Schaffung eines eigenen investigativen Ressorts von der „SZ“ einiges an Wühlarbeit gewohnt, aber in zwei Absätzen setzt von Bullion doch neue Maßstäbe – und droht, den guten Ruf des Hauses zu verspielen.
„X. (Anonymisierung durch mich, im Artikel steht der volle Name) war viele Jahre Rektor am Gymnasium in Lichtenrade, jetzt ist er über siebzig und ein munterer Herr, der seinem alten Haus in Treue verbunden ist. Die Schulschlüssel hat er nie abgegeben, und weil Ferien sind an diesem Tag, ist er so nett, die Tür zu seinem früheren Amtszimmer aufzuschließen. Jetzt steht er hier und zerrt ein dickes Buch aus dem Schrank. Der Ledereinband wird brüchig und das Papier ist vergilbt, es sind Abiturzeugnisse aus dem Jahr 1973.
Klaus Wowereit, steht da, darunter ein Panoptikum eher begrenzter Strebsamkeit. Deutsch X, Politische Weltkunde X, Englisch X, Mathe X, Sozialwissenschaften X, Sport X.“ (X-ungen durch mich)
Mit jedem Satz dünsten diese Sätze die Ehrpusseligkeit alter Zeiten aus, als Berlin (West) noch Posemuckel war, und es reichte, den richtigen Mann zu kennen, um recht zu haben und Recht zu bekommen. Doch die Zeiten haben sich geändert, wir leben in der Ära des Datenschutzes und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.
Was in der Zeitung so gemütlich wie ein Rührstück aus dem dritten Fernsehprogramm herüberkommt, ist natürlich ein dreister Recherche-Übergriff, wobei ich nicht weiß, worüber ich mich mehr aufregen kann: die Art und Weise, wie von Bullion gleich einem Hardboiled-Schnüffler an ihre Informationen kommt, oder die Unverfrorenheit, mit der sie ihre Quelle bloßstellt und somit ausliefert.
Wenn es schon der Pensionär nicht ahnt, so hätten doch die Journalistin oder ihr Ressortleiter Alexander Gorkow wissen müssen, daß weder die Art der Informationsbeschaffung, noch die Veröffentlichung der Schulnoten zulässig sind. Und es wird niemand behaupten wollen, daß dieser pittoreske Ausflug in Wowis Schulzeit einen redaktionellen Notstand rechtfertige.
Anja-Maria Gardain, Pressesprecherin des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, bestätigt die beiden Problembereiche: Natürlich unterliegen Abiturzeugnisse der informationellen Selbstbestimmung und dürften – selbst bei einer Person des öffentlichen Interesses – nicht ohne Rechtsgrundlage oder Einwilligung des Schülers veröffentlicht werden. (Eine Anfrage dazu an die Senatskanzlei läuft.) Und selbstverständlich darf ein ehemaliger Rektor nicht weiterhin Zugang zu Amtsräumen und somit Zugriff auf personenbezogene Daten haben, geschweige denn auch noch diesen mit einer Journalistin teilen.
Updates: In einem Vorwurf muß ich mich korrigieren. Offenbar hat Constanze von Bullion doch insofern Rücksicht auf ihre Quelle genommen, als daß sie mit der Veröffentlichung gewartet hat, bis der pensionierte Rektor verstorben war. Was aber wiederum den Schluß zulassen könnte, daß ihr selbst der Vorgang nicht ganz korrekt erschien, denn warum hätte sie sonst mehrere Jahre warten sollen?
Eine Zeit, die möglicherweise auch die damals gewonnenen Erkenntnisse getrübt hat. Denn aus der mittlerweile vorliegenden, per cc auch an fünf weitere Amtsstellen adressierten Stellungnahme der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung geht hervor, daß das Originaldokument, also Klaus Wowereits Abiturzeugnis, falsch zitiert wird.
Die Veröffentlichung der Noten hält auch die Senatsverwaltung für unzulässig, den Zugang zu den Schulräumen nicht („für sich kaum zu beanstanden“). Die Tatsache, daß von Bullion ja offenbar einen ganzen Band mit Abiturzeugnissen, also die persönlichen Daten vieler Schüler in Händen hielt, wird nicht thematisiert. Hier die vollständige Antwort aus Berlin:
„Die Geschichte von der Zeugniseinsicht ist offenbar schon vor langer Zeit entstanden und jetzt erst von der Autorin für ihren Artikel verwendet worden, denn der im Text genannte Lehrer ist bereits seit einigen Monaten tot. Da er zuvor längere Zeit krank war, könnte die beschriebene Szene sogar aus dem Jahr 2009 oder noch viel früherer Zeit stammen.
Dass der langjährige Schulleiter zuletzt noch Zugang zum Haus hatte, ist nicht zwingend zu beanstanden, da er die Schule auch noch nach Ausscheiden aus dem aktiven Dienst regelmäßig in ihrer Arbeit unterstützt hat.
Die Überprüfung der Angaben der SZ in ihrem Artikel haben ergeben, dass es Abweichungen zum Originaldokument gibt.
Es lässt sich daher nicht zweifelsfrei klären, ob die Angaben zu den Noten im Artikel der SZ tatsächlich - wie durch den Text nahe gelegt - aus unmittelbarer Kenntnis des Dokuments oder aus anderen Quellen erwachsen sind.
Auch wenn wir den Regierenden Bürgermeister für eine absolute Person der Zeitgeschichte halten, was weitgehende Rechte der Presse nach sich zieht, wird das Zeugnis doch als Dokument der Privatsphäre zugerechnet, für das das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einschlägig ist. Unsere Juristen schreiben dazu:
"Bei einem Abiturzeugnis handelt es sich um personenbezogene Daten, für deren Übermittelung an Dritte, auch die Presse, es der Rechtsgrundlage bedarf. Die Daten unterliegen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht. Eine Einsichtnahme in ein Zeugnis für einen Dritten beinhaltet eine Datenübermittlung personenbezogener Daten. Die Voraussetzungen für eine Datenübermittlung nach Schulrecht in § 64 Abs. 5 SchulG liegen nicht vor."
Die bezirkliche Schulaufsicht hat den örtlichen Datenschutzbeauftragten eingeschaltet.
Uns ist nicht bekannt, dass die Noten bereits anderweitig veöffentlich worden wären - können es aber auch nicht ausschließen.
Aus dem Gesagten ergibt sich bereits, dass der offenbar lange zurückliegende und für sich kaum zu beanstandende Besuch der SZ in der Schule mit unserem Haus nach heutiger Kenntnis eben so wenig abgestimmt war wie die Veröffentlichung der Noten.“
„Viel Trara“, findet Klaus Graf, „Schule ist keine solipsistische Veranstaltung, sondern Sozialsphäre“. Daher bat ich ihn gleich um Zusendung seines Abiturzeugnisses. Vielleicht können wir ja daraus ein Meme kreieren: Bullioning!
Martin Rath spitzt die Kritik sogar noch zu: „Weil sich die Vertreter politischer Parteien heute kaum noch durch ideologische/ programmatische Überzeugungen auszeichnen, sollte es der Öffentlichkeit möglich sein, sich wenigstens ein Bild von soetwas wie biographischer Kohärenz (oder Brüchen im Lebenslauf) machen zu können. (...) Abiturnoten einer Kernregion des Persönlichkeitsrechts zuzuordnen, finde ich allerdings etwas albern. Und auch gefährlich für die öffentliche Auseinandersetzung, wenn man bedenkt, was sich alles hinter dem Schleier des Datenschutzes verbergen ließe.“
Sonntag, 9. Oktober 2011
Solar to go: Out of Africa
Immer, wenn ich das Glück habe, einen Sonntag in Paris zu verbringen, zieht es mich nach St. Germain-de-Prés, in die kleine Sackgasse der rue Jean de Beauvais, wo die rumänisch-orthodoxe Kirche liegt, in der ich getauft worden bin. Während fast nur Frauen dem Gottesdienst beiwohnen, findet man die Männer eher auf dem Platz davor oder gleich um die Ecke in der Bar der Place Maubert. Beim Ratschen, Saufen und Geschäfte machen.
Ein globales Phänomen.
Als Solarunternehmer Lars Kirchner durch Uganda reiste, fiel ihm in den Dörfern die Abwesenheit der Männer auf. Während die Frauen Haus- und Feldarbeit erledigten, glänzten ihre Gatten durch Abwesenheit. Sie waren meist auf Tagestouren zum nächstgelegenen Markt, in die nächstgelegene Stadt, um dort die Akkus ihrer Handys und anderen Geräte aufzuladen. Inzwischen verbreiten sich dort immer mehr kleine, handliche, etwa über Mikrokredite finanzierte Solaranlagen, mit denen die kraft- und zeitraubenden Energietouren entfallen, und jedes Dorf oder sogar jede Familie ihr eigenes Modul betreiben kann. Doch helfen die Männer jetzt den Frauen bei der Arbeit? Nicht unbedingt. Sie sitzen ganz gern an der Ladestation, ratschen, hören Radio und produzieren Alkohol.
Ich sitze ja auch gern rum. Trinkend. Ratschend. Bloggend. Twitternd. Als ich am 4. Juni im Wirtschaftsteil der „Süddeutschen Zeitung“ von den Produkten der Kirchner Solar Group las, weckte der in dem Artikel erwähnte Energiekoffer mein Interesse. Ein tragbarer Akku mit faltbarem Sonnensegel, mit dem jetzt auch ich als Wohnungsmieter und Flaneur Strom produzieren und nutzen könnte? In einem nahezu unkaputtbaren Koffer? Kein leerer Smartphone-Akku mehr, wenn ich den ganzen Tag auf einem Kongress bin! Nie mehr frustriert auf der Sonnenterrasse im Café sitzen, weil's dort keine Steckdosen gibt!
Alsoleihte lieh ich mir für den Oktober, der hoffentlich ein Goldener sein wird, diese kleine Konfiguration zum Testen:
Von unterwegs twittere ich zu dem Thema unter dem Hashtag #energybox.
Als Solarunternehmer Lars Kirchner durch Uganda reiste, fiel ihm in den Dörfern die Abwesenheit der Männer auf. Während die Frauen Haus- und Feldarbeit erledigten, glänzten ihre Gatten durch Abwesenheit. Sie waren meist auf Tagestouren zum nächstgelegenen Markt, in die nächstgelegene Stadt, um dort die Akkus ihrer Handys und anderen Geräte aufzuladen. Inzwischen verbreiten sich dort immer mehr kleine, handliche, etwa über Mikrokredite finanzierte Solaranlagen, mit denen die kraft- und zeitraubenden Energietouren entfallen, und jedes Dorf oder sogar jede Familie ihr eigenes Modul betreiben kann. Doch helfen die Männer jetzt den Frauen bei der Arbeit? Nicht unbedingt. Sie sitzen ganz gern an der Ladestation, ratschen, hören Radio und produzieren Alkohol.
Ich sitze ja auch gern rum. Trinkend. Ratschend. Bloggend. Twitternd. Als ich am 4. Juni im Wirtschaftsteil der „Süddeutschen Zeitung“ von den Produkten der Kirchner Solar Group las, weckte der in dem Artikel erwähnte Energiekoffer mein Interesse. Ein tragbarer Akku mit faltbarem Sonnensegel, mit dem jetzt auch ich als Wohnungsmieter und Flaneur Strom produzieren und nutzen könnte? In einem nahezu unkaputtbaren Koffer? Kein leerer Smartphone-Akku mehr, wenn ich den ganzen Tag auf einem Kongress bin! Nie mehr frustriert auf der Sonnenterrasse im Café sitzen, weil's dort keine Steckdosen gibt!
Also
- Energiekoffer C1 1224/8
- Energiesparleuchte Phocos DC12V/9 Watt
- Faltbares Solarmodul Euro-Line Xpedition 30W 12V
Von unterwegs twittere ich zu dem Thema unter dem Hashtag #energybox.
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