Es ist schon eine Kunst, als jahrelang wegen Generalsanierung und Umbaus geschlossenes Museum dennoch für negative Nachrichten zu sorgen. Zumal wenn es sich nicht um überraschende Mängel in der Bausubstanz oder Kostensteigerungen beim Baufortschritt handelt. Zuerst sorgte eine unglücklich organisierte
Podiumsdiskussion alter weißer Männer oder vielmehr Werbeveranstaltung für eine Verkaufsausstellung von Leni Riefenstahls rassistischen Nuba-Bildern für so viel Diskussion, dass das Stadtmuseum die Veranstaltung im angegliederten Filmmuseum kurzfristig wieder absagen musste.
Und jetzt wirft die Direktorin des Münchner Stadtmuseums, Frauke von der Haar, hin. Und das so überraschend, dass selbst Mitglieder des Kulturausschusses im Rathaus das nur indirekt erfuhren, indem sie dieser Tage auf die Anfang September veröffentlichte Stellenanzeige für die Neubesetzung stießen.
Nachdem das Stadtmuseum am 7. Januar voraussichtlich bis Mitte 2031 schloss, kündigten Kulturreferent Anton Biebl und Museumsdirektorin Frauke von der Haar in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Architekten und weiteren beteiligten städtischen Referaten den weiteren Weg für die Generalsanierung und Neuorganisation des Museums an. Von einem Wechsel an der Spitze war da noch keine Rede.
„Wir sind trotz Sanierung weiterhin für sie da“, versprach von der Haar auf dem Youtube-Kanal des Stadtmuseums und verwies auf das Interimsprogramm, etwa in den Räumen der Kunsthalle.
Inzwischen muss aber von der Haar in ihrem Ausweichquartier auf dem Arri-Gelände die Lust am Warten auf bessere Zeiten verloren haben. Auf Nachfrage hin kommentiert die Pressestelle des Stadtmuseum die Stellenanzeige in dürren Worten, für deren Ausformulierung sie aber dennoch über 24 Stunden brauchte: „Die Stelle der Direktion des Münchner Stadtmuseums ist ab dem 1. Juli 2025 neu zu besetzen. Sie wird die inhaltliche und steuernde Direktionstätigkeit übernehmen und die Wiedereröffnung 2031 vorbereiten. Dr. Frauke von der Haar hat sich entschieden, diese wichtige Phase der Neuaufstellung an ihre Nachfolge zu übergeben.“
Dabei hat von der Haar die Leitung des Münchner Stadtmuseums überhaupt erst im Januar 2020 übernommen, als die Generalsanierung längst feststand. 2012 hatte der Stadtrat erste Weichen gestellt, seit 2015 arbeitete das Architekturbüro Auer Weber bereits an den Plänen. 2019 genehmigte der Stadtrat die Baumaßnahmen.
Es ist auch keine Frage des persönlichen Alters. Die Direktorin wird zum Zeitpunkt ihres Vertragsendes 65 Jahre alt sein. Also rund anderthalb Jahre bis zur Regelaltersgrenze brauchen. Und Frauke von der Haar will sich auch keineswegs vorzeitig zur Ruhe setzen: „Sie wird sich zu einem geeigneten Zeitpunkt nach passenden Engagements umsehen.“
So muss sich nun ein*e neue*r Direktor*in der Zukunftsperspektiven im Wartezustand annehmen. Vielleicht die letzte große Personalentscheidung, an der Kulturreferent Anton Biebl beteiligt ist, der selbst auch nur noch bis nächsten Sommer im Amt bleibt. Biebl, der dann noch zwei Jahre bis zum Ruhestand hätte, geht aber nicht aus freiem Willen, sondern weil im Rahmen des Rathausgeschachers ein Kandidat der Grünen den Parteilosen ablösen soll.
Update vom 20. September: In einem ganzseitigen Interview mit Katja Kraft erklärt Frauke von der Haar in „tz“ und „Merkur“ vom 21. September 2024 ihre Beweggründe: Nachdem sich der Eröffnungstermin nach der Generalsanierung auf 2031 verschoben hat, kollidiere der Beginn der „tieferen Konzeptionsphase der 4000 Quadratmeter großen Dauerausstellung“ 2026 mit von der Haars Renteneintritt im Oktober 2026.
„Wenn erst dann eine neue Leitung käme, finge die Diskussion wieder von vorne an. Ich möchte, dass das Haus gut aufgestellt ist, damit es diesen Prozess erfolgreich hinkriegt. Bis zum Vertragsende zu bleiben, nur um der Konzeption meinen Stempel aufzudrücken, wäre meiner Meinung nach kontraproduktiv.“
Anders als von der Pressestelle angedeutet, scheint von der Haar keine beruflichen Pläne nach ihrem Ausscheiden Ende Juni zu haben: Sie wolle „in Ruhe lesen, kochen, Sport machen, solche Dinge, die in meinem Alltag gerade wenig Platz finden.“
(Foto: Screenshot aus dem Youtube-Kanal des Stadtmuseums)