Wenn Prozesse einen schlauer werden ließen, säßen nicht so viele dumme, rassistische Zuschauer den lieben langen Tag in den Gerichtssälen herum, aber vielleicht liegt es auch daran, daß sie kaum der Verhandlung folgen, sondern sich am liebsten selber reden hören. Denn als es gestern zur Verhandlung von uns 185 Gaspreisrebellen gegen die Stadtwerke München kam, gab es einiges zu lernen.
Daß etwa die Justizwache nicht nur Hoheitsaufgaben übernimmt, sondern sich auch nicht zu schade ist, tatkräftig mit anzupacken, wenn die Sitzplätze bei dem Andrang nicht ausreichen.
Daß ein bei diesem Verfahren Strippen ziehender Stadtrat gern für die Fotografen auf die Klägerbank schlüpft, obwohl er gar nicht zu den Klägern zählt.
Daß Dorin ein rumänischer Männername ist, wie ich dem verdutzten Vorsitzenden Richter am Landgericht mit einem „Andere Länder, andere Sitten“ erklärte.
Oder daß es im Grunde vielleicht keine Monopole gibt.
Denn darum geht es im Wesentlichen: Wenn die Münchner Stadtwerke beim Gas ein Liefermonopol gehabt hätten, wäre der dafür zu entrichtende Preis vor Gericht in einer analogen Anwendung des § 315 BGB nachprüfbar. Ein ähnlicher Fall liegt zur Zeit beim Bundesgerichtshof (VIII ZR 36/06). Da bis zu einer BGH-Entscheidung aber noch einige Zeit vergehen kann, war das für alle Münchner Beteiligten kein Aussetzungsgrund.
Die Marschrichtung des Landgerichts erinnert an Radio Eriwan. Betreffs des Grundpreises unserer Gasverträge sieht es wohl keine Handhabe, da wir (1) entsprechende Verträge geschlossen und bis 2005 bezahlt hätten und (2), Achtung!, kein Gasmonopol bei Vertragsschluß bestanden hätte, da es einen Substitutionswettbewerb gäbe. Auf gut deutsch: Kein Mensch muß mit Gas heizen oder kochen, da er ja auf Nachtspeicheröfen und Elektroherde umsteigen kann. (So betrachtet frage ich, ob es überhaupt Monopole existieren?) Ich als armer Mieter sehe das anders, weil mich mein Vermieter hochkantig herausschmeißen würde, wenn ich seine Gastherme ausbaute, aber wir sind eben beide keine Juristen.
Nun aber die raffinierte Volte: Während der laufenden Verträge verschwindet der Substitutionswetbbewerb wie von Zauberhand, und das Gericht erkennt plötzlich eine Monopolsituation, da es nicht zumutbar wäre, dann noch den Energieträger zu wechseln. Also wird das Gericht in eine Beweisprüfung treten und die Zulässigkeit der Gaspreiserhöhungen vom 1. Juli 2005 sowie 1. Januar und 1. April 2006 nachrechnen.
Doch erst nachdem der Richter seine intellektuellen Folterwerkzeuge aufgezeigt hat, schienen die Stadtwerke möglicherweise einzuknicken und ihre Bereitschaft anzudeuten, nicht nur Zeugen, sprich: Mitarbeiter und Wirtschaftsprüfer, sondern handfeste Beweise wie Rechnungen oder Vertragsunterlagen dafür vorzulegen, daß sich ihre eigenen Einkaufspreise erhöht hätten.
Den Gedankenansatz der Kläger, daß diese Einkaufspreis überhöht sein könnten, weil der Lieferant eine Beteiligungsfirma der Stadtwerke ist, wies der Richter zurück, als ob er noch nie davon gehört hätte, wie auf diesem Wege Gewinne verschoben werden.
Am 24. Mai soll dann um 10 Uhr in Saal 6 des Landgerichts München I im Justizpalast das Urteil ergehen.
Mein Gas beziehe ich aber bereits ab Sonntag von der billigeren E.ON-Tochter „E wie einfach“ – das sind zwar auch keine Unschuldsengel, aber zumindest die Kulanteren. Update! So kann man sich irren: Bis Ende November lief der Vertrag mit der E.on-Tochter E wie einfach, Ende Dezember kam die Schlußabrechnung, derzufolge ich ein Guthaben von über 300 Euro besäße, und jetzt, Mitte Februar, warte ich immer noch darauf, daß mir der Konzern dieses Geld zurückerstattet.
2 Kommentare:
Ich weiß nicht, was besser ist, 0,24 Cent pro kwH weniger zu zahlen und dafür zu einem kapitalistischen und Arbeitsplätze vernichtenden globalen Heuschreckenunternehmen zu wechseln. Oder das lokale Unternehmen zu unterstützen, das nicht nur Arbeitsplätze in unserer Stadt schafft und schützt, sondern auch mit den Erträgen (da Stadteigen) die wunderbare Lebensqualität unserer schönen Stadt zu bewahren weiß!
Drum ist es an mir, Dir nun wegen einem lächerlichen Viertelcent pro kwH zuzurufen: XX XXXXXX XXXXXX XXXXXXXXX (Zensiert)
Ude argumentiert auch immer so, aber erstens finde ich es undemokratisch, der Stadt einen Schattenhaushalt über die Stadtwerke zu finanzieren, mit dem ohne jede Kontrolle durch den Souverän, also uns, geheime Stadtpolitik betrieben wird.
Zweitens haben die Stadtwerke in ihrem Umgang mit Kunden, im Verhalten gegenüber sozial Benachteiligten und in ihrer Geschäftspolitik kapitalistischere Brutalomethoden angewandt als es ein deutsches Aktienunternehmen heute noch wagen würde.
Mir geht es gar nicht um die Ersparnis, da ich beim Strombezug zum Ökoanbieter eprimo gewechselt bin und da gern mehr bezahle.
Beim Gas verhindern die Stadtwerke mit allen Mitteln, daß sich alternative Anbieter nach München trauen. Das hat jetzt zum 1. April nur die EON mit ihrer Marktmacht geschafft. Und da gilt es, die Stadtwerke einfach die Konkurrenz spüren zu lassen, damit sie zu dem Münchner Idealunternehmen mutiert, das bisher nur Du zusammenfantasierst.
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