Die schroff aneinandergereihten Travertinplatten der neuen Synagoge am St.-Jakobs-Platz laden förmlich dazu ein: Immer öfter findet man Gebetszettel in der Mauer – und ein Ausbruch des Jerusalem-Syndroms scheint auch nur eine Frage der Zeit zu sein.
Einen ersten psychotischen Vorgeschmack gab es heute: Während der Pressekonferenz zur Eröffnung des Jüdischen Museums bahnte sich eine nicht ganz ausgeglichen wirkende Frau mit Pace-Button erst ihren Weg zu Oberbürgermeister Ude, um ihm (stellvertretend?) ein paar Blumen zu überreichen und ging dann auf den benachbarten Vorplatz der Synagoge, um dort inbrünstig wie Aufmerksamkeit heischend zu beten, die Hände gen Himmel zu heben und sich sogar auf den Boden zu werfen.
Ich würde ihr dieses private Vergnügen vom Herzen gönnen, wenn nicht die lieben Kollegen Fotografen und Kameraleute die Pressekonferenz auch verlassen hätten und der Frau hinterhergehetzt wären, um sie ohne Respekt vor dem intimen Moment abzuschießen.
Währenddessen gab Ude unumwunden zu, daß der sich über mehrere Stockwerke erstreckende Neubau im Grunde ein Museum ohne Sammlung wäre. Entsprechend karg präsentieren sich derzeit die Räume. Entsprechend findig sucht man nach Objekten, die das Alltagsleben der Münchner Juden widerspiegeln, und wird da auch bei eBay fündig, wo die Kuratoren für 73 Euro ein Seder Tikkune Schabbat, ein Gebetsbuch aus dem späten 18. Jahrhundert, ersteigert haben.
Das Museum interessierte mich denn auch weniger, denn die Synagoge, die ich endlich mal besichtigen wollte. Nicht ahnend, daß laufend Führungen stattfinden und sogar ein Goi wie ich – nach Voranmeldung – beim Gottesdienst willkommen ist.
Erster Wermutstropfen heute morgen: Fleming's Restaurant im Gemeindezentrum, wo es unter anderem auch koshere Weißwürste, Leberknödelsuppe oder Fleischpflanzerl gibt, hatte noch geschlossen. Aber nachdem ich neben der Synagoge die Öfen entdeckte, mit denen das Festzelt zur Eröffnung beheizt wird, ist mir der Appetit auch vergangen...
(Mehr Bilder in wenigen Minuten auf Flickr)
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