Wenn das semantische Internet Web 3.0 ist, sind dann Bloggerlesungen das Web 4.0 oder doch nur die Rückkehr der Blogonauten ins First Life? Grundsätzlich sind Lesungen für mich die Zerstörung der Literatur durch die nicht mehr zu leugnende Existenz des Autoren. Und wenn ein Schriftsteller schon mal ausnahmsweise Livequalitäten besitzt, dann sollte er nicht aus seinem Buch vortragen, sondern Schnurren zum besten geben.
Nun sind die zwischen Tagebuch, Gebrauchsliteratur und journalistischen Texten irrlichternden Blogs ein ganz spezieller Fall.
Meine erste Bloggerlesung erlebte ich Anfang letzten Jahres in einem Schwabinger Kellerlokal. Die Zuschauer hatten sich extra fein gemacht und auch die vortragenden Blogger hatten ihre Festtagsgarderobe herausgesucht oder sich sogar neu eingekleidet. Ich kam mir vor wie auf einer Konfirmationsfeier, zumal die vorgelesenen Texte, wenn ich mich recht erinnere, nicht einmal für Blogs geschrieben worden waren. Frühe literarische Ergüsse. Recht pubertär, nur daß es sich bei den Vortragenden um Don Alphonso, Lyssa & Co handelte.
Dann war ich neulich im Münchner Literaturhaus, als Sascha Lobo und Kathrin Passig die Riesenmaschine vorstellten. Eine gut geölte Performance wie eine PowerPoint-Präsentation, kurzweilig, glatt, man könnte für das „Erfolgsmusical“ sogar Eintritt verlangen, ah ja, hat man auch, und trotz der Guckkasten-Inszenierung schäkerte Lobo (der mich nicht mit Langhans verwechselte – chapeau!) sogar mit dem Publikum und bat potentielle Groupies nach der Vorstellung an die Bar zu kommen.
Am schönsten war aber die Veranstaltung im Privée. Das attraktivste Publikum aller Bloggerlesungen, ein entspannter, wie selbstverständlich von Kiel bis L.A. springender Textreigen, eine charmante Konfusion unter den Vortragenden, und selbst das leere Versprechen, es gäbe Freibier, führte nicht zur üblichen Biergartenrevolution, sondern wurde vom Publikum ebenso klaglos hingenommen wie ein verunglückter Pornotext und die eine oder andere Beleidigung.
Am 10. April lesen die glorreichen Fünf, Roman Libbertz, die Königin der Nacht: Rose, MC Winkel, Nilz Bokelberg und Dr. Sno nicht nur wieder im Privée, sondern gehen anschließend auch auf Deutschlandtour: Köln (11. April, Westpol), Hamburg (12. April, Fools Garden), Berlin (13. April, re:publica in der Kalkscheune, und 14. April, Restaurant Die Schule in der Castingallee).
Der bescheidene Titel ihres Abends: „Die literarische Zukunft Deutschlands auf Tour“. Leider ruinieren sie es mit dem Nachsatz: „Der Titel ist vielleicht nicht ganz ernst zu nehmen.“ Ich freue mich dennoch auf den Abend.
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