Bei uns in München stand die „BILD“-Zeitung schon immer im Schatten der großen Boulevardschwestern „tz“ und „Abendzeitung“, aber als ich in den achtziger Jahren das erste Mal nach Westberlin zog, war ich doch überrascht, wie viel unbedeutender Deutschlands größte Tageszeitung dort war. Im Grunde nicht mehr als ein Wurmfortsatz im Springer-Konzern, der an der Spree mit der „BZ“ den Boulevard beherrschte. (Die „Bild am Sonntag“ gab's in Berlin bis zum Mauerfall sogar überhaupt nicht, um die Sonntagsausgabe der „Berliner Morgenpost“ zu schützen.)
Nach der Wende setzten dann Aboblätter wie der „Tagesspiegel“ (Giovanni di Lorenzo, Hellmuth Karasek!) oder die „Berliner Zeitung“ (Erich Böhme, Michael Maier, der Traum von der „deutschen Washington Post“) vorübergehend auf eine Qualitätsofffensive, aber die „BILD“ hatte nun neben der altverhaßten „BZ“ auch noch weitere Konkurrenten: den im Ostteil der Stadt übermächtigen „Berliner Kurier“ sowie – wenn auch nur etwas über ein Jahr lang – die von Burda verbrochene „Super!“ („Angeber-Wessi mit Bierflasche erschlagen – Ganz Bernau ist froh, daß er tot ist.“).
Nun kläffen kleine Köter gern besonders laut, wie man an den Schlagzeilen sieht, mit denen die „BILD“ in den neunziger Jahren sich vor allem gegen den hauseigenen Konkurrenten profilieren und die Berliner Käufer locken wollte. Manches klingt, als wären die Redakteure beim Titeln mit dem Kopf gegen den Balken geknallt.
Der Fotograf Henrik Jordan, mit dem ich Mitte der neunziger Jahren für den „Tagesspiegel“ unterwegs war, sammelte die schönsten Zeitungsschürzen der „BILD“ und „BZ“ und veröffentlicht sie jetzt nach und nach auf Facebook. Hier eine Auswahl.
Sonntag, 15. August 2010
Samstag, 14. August 2010
Wochenplan
Die Antwoord / Crux, Pressevorführungen „Expendables“, „Banksy – Exit Through The Gift Shop“, „Das Ende ist mein Anfang“, „Buried“ und Sofia Coppolas „Somewhere“, „Popstars – Girls forever“ / Pro Sieben, Pressekonferenz „Die drei Musketiere“ / Bayerischer Hof
(Foto: Vark1/flickr)
(Foto: Vark1/flickr)
Freitag, 13. August 2010
Chipkarte für Kinder: Mehr Schein als Sein?
Bei der Diskussion um die Einführung einer Chipkarte für die Kinder von Hartz-IV-Beziehern wird derzeit in vielen Medien (heute, „Süddeutsche Zeitung“, update: „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“) die Familienkarte der Stadt Stuttgart hochgejubelt.
Natürlich ist es generös, allen Familien mit einem Jahreseinkommen unter 60.000 Euro (!) per Chipkarte ein Guthaben von 60 Euro pro Kind (früher 90 Euro) zu schenken, das in Schwimmbädern, Sportvereinen, Musikschulen, dem Zoo und Planetarium eingesetzt werden kann.
Andererseits: was sind schon 60 Euro? Und wäre es nicht gerechter und vom Verwaltungsaufwand auch viel effizienter, die Subvention für Besserverdienende mit Monatsgehältern von 3.000, 4.000 Euro bei so einem Projekt einzusparen und stattdessen einfach allen Hartz-IV-Empfängern, Aufstockern und Niedrigverdienern beispielsweise grundsätzlich freien Eintritt zu gewähren – wie es etwa bei Schwerbehinderten auch möglich ist?
Nur ein paar Kostenbeispiele: Eine Alleinerziehende, die mit ihrem Kind den Tierpark Wilhelmina besucht, muß dafür 18 Euro bezahlen. Mit der Familienkarte darf sie sich so ein Vergnügen also genau fünfmal jährlich erlauben. Ein Nachmittag im Schwimmbad käme die beiden auf 5,70 Euro – das sind also für Mutter und Kind zehn Besuche im Jahr. Und die vielzitierten Waldheime und Musikschulen gewähren Karteninhabern zwar zusätzlich noch einen Rabatt von zwanzig Prozent. Ein Jahr Musikunterricht inklusive Anmeldegebühr käme damit aber immer noch auf mindestens 110 Euro und ein 1-wöchiger Aufenthalt im Waldheim auf 51,20 Euro.Und bei alldem heißt es für die Hartz-IV-Familie auswählen: Beispielsweise entweder Waldheim oder Schwimmbad, denn beides läßt sich von der Chipkarte nicht finanzieren.
Angesichts solcher Rechenbeispiele liegt es nahe, daß die Familienkarte, die bei mehr als drei Kindern gänzlich auf eine Vermögensgrenze verzichtet, weniger Kinder und Eltern in armen Verhältnissen fördern soll, denn ein Zuckerl für Familien im Allgemeinen sein soll und sich vor allem an den Mittelstand richtet. Was auch schön ist, aber die Bedürfnisse der Ärmsten in Deutschland letztendlich ignoriert.
Natürlich ist es generös, allen Familien mit einem Jahreseinkommen unter 60.000 Euro (!) per Chipkarte ein Guthaben von 60 Euro pro Kind (früher 90 Euro) zu schenken, das in Schwimmbädern, Sportvereinen, Musikschulen, dem Zoo und Planetarium eingesetzt werden kann.
Andererseits: was sind schon 60 Euro? Und wäre es nicht gerechter und vom Verwaltungsaufwand auch viel effizienter, die Subvention für Besserverdienende mit Monatsgehältern von 3.000, 4.000 Euro bei so einem Projekt einzusparen und stattdessen einfach allen Hartz-IV-Empfängern, Aufstockern und Niedrigverdienern beispielsweise grundsätzlich freien Eintritt zu gewähren – wie es etwa bei Schwerbehinderten auch möglich ist?
Nur ein paar Kostenbeispiele: Eine Alleinerziehende, die mit ihrem Kind den Tierpark Wilhelmina besucht, muß dafür 18 Euro bezahlen. Mit der Familienkarte darf sie sich so ein Vergnügen also genau fünfmal jährlich erlauben. Ein Nachmittag im Schwimmbad käme die beiden auf 5,70 Euro – das sind also für Mutter und Kind zehn Besuche im Jahr. Und die vielzitierten Waldheime und Musikschulen gewähren Karteninhabern zwar zusätzlich noch einen Rabatt von zwanzig Prozent. Ein Jahr Musikunterricht inklusive Anmeldegebühr käme damit aber immer noch auf mindestens 110 Euro und ein 1-wöchiger Aufenthalt im Waldheim auf 51,20 Euro.Und bei alldem heißt es für die Hartz-IV-Familie auswählen: Beispielsweise entweder Waldheim oder Schwimmbad, denn beides läßt sich von der Chipkarte nicht finanzieren.
Angesichts solcher Rechenbeispiele liegt es nahe, daß die Familienkarte, die bei mehr als drei Kindern gänzlich auf eine Vermögensgrenze verzichtet, weniger Kinder und Eltern in armen Verhältnissen fördern soll, denn ein Zuckerl für Familien im Allgemeinen sein soll und sich vor allem an den Mittelstand richtet. Was auch schön ist, aber die Bedürfnisse der Ärmsten in Deutschland letztendlich ignoriert.
Sightwalk: Streetview mit ungepixelter Dorin-View
Während wir alle – die einen freudig, die anderen empört – dem Deutschlandstart von Google Streetview entgegensehen, ist Mitbewerber Sightwalk längst online.
Und wie es der Zufall so will, finde ich bei einer spontanen Suche nach dem Barer 61, auch bekannt als Popas Büro, prompt mich selbst abgeschossen. Mal schön verpixelt, mal aber auch nicht gepixelt.
Updates:
Turi2
„6 vor 9“ im Bildblog
Und wie es der Zufall so will, finde ich bei einer spontanen Suche nach dem Barer 61, auch bekannt als Popas Büro, prompt mich selbst abgeschossen. Mal schön verpixelt, mal aber auch nicht gepixelt.
Updates:
Turi2
„6 vor 9“ im Bildblog
Donnerstag, 12. August 2010
Mittwoch, 11. August 2010
Allerleihrauh – L.A. Crash
Einsamkeit, Armut, Krankheit, Heimatlosigkeit: wie der Schmerz in all seinen Facetten bis ins 21. Jahrhundert überlebt hat, sich – kaum stillbar – allen Fortschritten und jeder Betäubung verweigert, hat Paul Haggis in seinem Drehbuch zu Clint Eastwoods „Million Dollar Baby“ als lange Reise durch die Nacht erzählt.
Für sein sagenhaft kühnes Regiedebüt „L.A. Crash“ wechselt er nun vom stillen Passionsweg aufs grelle Autobahnkreuz. Los Angeles County, wie man es zu kennen glaubt: Drive-by-shootings und Hollywood-Galas, Chinatown und LAPD, Luxusvillen und Raubüberfälle, Rathausintrigen und Rassenkonflikte, eine von Zelluloidstreifen und Fernsehrauschen seit Jahrzehnten genährte Märchenkulisse, der Haggis ein neues Kleid aus schimmerndem Rauhreif überzieht.
Dort, wo sonst scheinbar stets die Sonne strahlt, wird es schneien, so wie zuletzt am 8. Februar 1989. Doch bevor sich El Pueblo de Nuestra Señora la Reina de los Angeles del Río de Porciúncula in Schneeweißchen verwandelt, zeigt uns ein mitreißendes Darstellerensemble (Matt Dillon, Sandra Bullock, Ryan Philippe, Jennifer Esposito, Don Cheadle, Brendan Fraser u.v.a.) 36 Stunden in Los Angeles, das hier keine Stadt, sondern ein Zustand aus Vorurteilen, Aggression und Sprachlosigkeit ist. (Wobei Haggis' große Kunst darin besteht, diese Hoffnungslosigkeit beschwingt, beherzt und mit so viel Humor zu erzählen, daß er den Fallen der political correctness entgeht.)
„Der Tastsinn ist ausschlaggebend. In jeder anderen Stadt wird man beim Gehen angerempelt und streift automatisch andere Passanten. In L.A. berührt dich niemand. Man befindet sich dauernd hinter Stahl und Glasbarrieren. Ich denke, die Leute vermissen die Berührungen so sehr, daß sie Kollisionen verursachen, nur um etwas zu spüren.“ Bereits in den Eröffnungssätzen des Films liegt der erste Geniestreich, denn mit der Schimäre der kalifornischen Autostadt werden wir eingelullt und wähnen uns als Unbeteiligte auf Sightseeing-Tour.
Amerika scheint weit weg mit seinen Highways und dem babylonischen Gewirr aus Amerikanisch, Spanisch, Persisch, Mandarin, Koreanisch und sehr vielen Vorurteilen. Bis die Front plötzlich nicht mehr nur zwischen Schwarz und Weiß, Alteingesessenen und Einwanderern, sondern auch zwischen Mutter und Sohn, Vater und Tochter, zwischen Brüdern, Kollegen, Liebenden verläuft. Haggis hält uns allen einen Spiegel vor. Den fremdelnden, nur auf ihr Wohl bedachten Menschen, die sich selbst den Vorurteilen ausliefern und in ihrer egoistischen Wut zusehends erstarren, bis sie sich nicht mehr untereinander verständigen können, selbst wenn sie eine Sprache teilen.
Natürlich steht Haggis mit diesem filigranen Meisterwerk in der Tradition von Robert Altmans „Short Cuts“ und Paul Thomas Andersons „Magnolia“, aber noch viel mehr in der Linie der großen Märchen und Sagen, denn seine Geschichte vom Leben und Sterben in Los Angeles ist nicht nur ziemlich konstruiert, sondern ein im positiven Sinne dreistes wie sorgfältiges Geflecht, das alle Beteiligten nicht nur miteinander verknüpft, sondern ohne Rücksicht auf Zufall und Wahrscheinlichkeit die Guten zum Bösen verführt und die Bösen zum Guten bekehrt. Aber von Rotkäppchen, Scheherazade und Däumelinchen haben wir uns ja auch hemmungslos verzaubern lassen, ohne besserwisserisch nach Plausibilität zu fragen.
Dieser Text erschien zuerst im „In München“ 2005
(Foto: ARD)
Für sein sagenhaft kühnes Regiedebüt „L.A. Crash“ wechselt er nun vom stillen Passionsweg aufs grelle Autobahnkreuz. Los Angeles County, wie man es zu kennen glaubt: Drive-by-shootings und Hollywood-Galas, Chinatown und LAPD, Luxusvillen und Raubüberfälle, Rathausintrigen und Rassenkonflikte, eine von Zelluloidstreifen und Fernsehrauschen seit Jahrzehnten genährte Märchenkulisse, der Haggis ein neues Kleid aus schimmerndem Rauhreif überzieht.
Dort, wo sonst scheinbar stets die Sonne strahlt, wird es schneien, so wie zuletzt am 8. Februar 1989. Doch bevor sich El Pueblo de Nuestra Señora la Reina de los Angeles del Río de Porciúncula in Schneeweißchen verwandelt, zeigt uns ein mitreißendes Darstellerensemble (Matt Dillon, Sandra Bullock, Ryan Philippe, Jennifer Esposito, Don Cheadle, Brendan Fraser u.v.a.) 36 Stunden in Los Angeles, das hier keine Stadt, sondern ein Zustand aus Vorurteilen, Aggression und Sprachlosigkeit ist. (Wobei Haggis' große Kunst darin besteht, diese Hoffnungslosigkeit beschwingt, beherzt und mit so viel Humor zu erzählen, daß er den Fallen der political correctness entgeht.)
„Der Tastsinn ist ausschlaggebend. In jeder anderen Stadt wird man beim Gehen angerempelt und streift automatisch andere Passanten. In L.A. berührt dich niemand. Man befindet sich dauernd hinter Stahl und Glasbarrieren. Ich denke, die Leute vermissen die Berührungen so sehr, daß sie Kollisionen verursachen, nur um etwas zu spüren.“ Bereits in den Eröffnungssätzen des Films liegt der erste Geniestreich, denn mit der Schimäre der kalifornischen Autostadt werden wir eingelullt und wähnen uns als Unbeteiligte auf Sightseeing-Tour.
Amerika scheint weit weg mit seinen Highways und dem babylonischen Gewirr aus Amerikanisch, Spanisch, Persisch, Mandarin, Koreanisch und sehr vielen Vorurteilen. Bis die Front plötzlich nicht mehr nur zwischen Schwarz und Weiß, Alteingesessenen und Einwanderern, sondern auch zwischen Mutter und Sohn, Vater und Tochter, zwischen Brüdern, Kollegen, Liebenden verläuft. Haggis hält uns allen einen Spiegel vor. Den fremdelnden, nur auf ihr Wohl bedachten Menschen, die sich selbst den Vorurteilen ausliefern und in ihrer egoistischen Wut zusehends erstarren, bis sie sich nicht mehr untereinander verständigen können, selbst wenn sie eine Sprache teilen.
Natürlich steht Haggis mit diesem filigranen Meisterwerk in der Tradition von Robert Altmans „Short Cuts“ und Paul Thomas Andersons „Magnolia“, aber noch viel mehr in der Linie der großen Märchen und Sagen, denn seine Geschichte vom Leben und Sterben in Los Angeles ist nicht nur ziemlich konstruiert, sondern ein im positiven Sinne dreistes wie sorgfältiges Geflecht, das alle Beteiligten nicht nur miteinander verknüpft, sondern ohne Rücksicht auf Zufall und Wahrscheinlichkeit die Guten zum Bösen verführt und die Bösen zum Guten bekehrt. Aber von Rotkäppchen, Scheherazade und Däumelinchen haben wir uns ja auch hemmungslos verzaubern lassen, ohne besserwisserisch nach Plausibilität zu fragen.
Dieser Text erschien zuerst im „In München“ 2005
(Foto: ARD)
Montag, 9. August 2010
Wochenplan
„Johnny Cash at Folsom Prison“ / BR III, Sundowner with Ayzit Bostan and Mirko Hecktor / Goldene Bar, Patrick Mohr X DJ Hell T-Shirt Presentation / Puerto Giesing, Presse-vorführungen Anton Corbijns „The American“ und „Guru“
Samstag, 7. August 2010
Ausverkauf einer zählebigen Freundschaft
Was könnte noch intimer sein als die Widmung, die ein Schriftsteller einer Schönen in sein Buch kritzelt? Die einem wichtigen Literaturkritiker gewidmeten Zeilen, mit denen der hoffnungsvolle Autor aus der Flut der Neuerscheinungen auftauchen oder vielleicht auch nur einem alten Freund Verbundenheit demonstrieren will. Breyten Breytenbach in fehlerhaftem Deutsch, Günter Grass in „zählebiger Freundschaft“. Im Antiquariat Frank Albrecht verschachert Fritz J. Raddatz derzeit Widmungsexemplare von Autoren wie Adorno, Kästner oder Zuckmayer zum Stückpreis von 10 bis 150 Euro („Ratenzahlung möglich“).
„Sich von Büchern trennen, das ist, als würfe man Brot weg. Sich von signierten Büchern trennen, das ist, als verriete man Freunde. Ist doch eine Zueignung auch Zeichen der Zuneigung. Die Bücher, die mir im Laufe meines langen Lebens gewidmet wurden, sollten mich ja auch streicheln. Fast immer sind es Zeilen von Freunden, der Freundschaft. Beides haftet in der Erinnerung.“ Dennoch ordnet der Feuilletonveteran mit dem Ausverkauf offenbar seinen Nachlaß. „Man soll geliebte Bücher in andere Hände weitergeben, hoffend, es werden behütende sein, Hände von Buchnarren und Lesern, die sie nun in ihren Schutz nehmen wollen.“
Im Katalog (pdf-Download) sind leider zwischen vielen amazonesken Coverabbildungen nur wenige Autographen vom Vorsatzblatt abgebildet.
„Sich von Büchern trennen, das ist, als würfe man Brot weg. Sich von signierten Büchern trennen, das ist, als verriete man Freunde. Ist doch eine Zueignung auch Zeichen der Zuneigung. Die Bücher, die mir im Laufe meines langen Lebens gewidmet wurden, sollten mich ja auch streicheln. Fast immer sind es Zeilen von Freunden, der Freundschaft. Beides haftet in der Erinnerung.“ Dennoch ordnet der Feuilletonveteran mit dem Ausverkauf offenbar seinen Nachlaß. „Man soll geliebte Bücher in andere Hände weitergeben, hoffend, es werden behütende sein, Hände von Buchnarren und Lesern, die sie nun in ihren Schutz nehmen wollen.“
Im Katalog (pdf-Download) sind leider zwischen vielen amazonesken Coverabbildungen nur wenige Autographen vom Vorsatzblatt abgebildet.
Sonntag, 1. August 2010
Wochenplan
Dirndlflugtag / Undosa, Pressevorführungen „Der kleine Nick“, „Das A-Team“, „Ich & Orson Welles“, „SALT“ und „Ondine“
Samstag, 31. Juli 2010
Chatter und andere Schreibtischtäter
Ein aktuelles Entertainmentformat voller Stars, über die man respektlos, frech berichtet. Als Zielgruppe die junge, mobile, aus Chats und SMS prägnante Kürze gewohnte Generation, der die „Bunte“ mit ihrer – vielleicht noch den Wartezeiten beim Friseur und Arzt geschuldeten – seitenlangen Psychologisiererei zu behäbig ist. Wir waren entschlossen die junge „Bunte“ zu stemmen, wie so viele vor und nach uns.
Doch in Druck ging es nie, was da in den Berliner Räumen der Burda-Tochter STARnetONE im Sommer 2001 unter Philipp Welte entwickelt worden war. Obwohl „whow“, primär ein tagesaktuelles Entertainmentformat im Internet, aber mit glossy Magazin-Look, keineswegs nur online erscheinen, sondern von Anfang an um einen Print-Ableger erweitert werden sollte. Für das papierne Spin-off hatte man mich aus München nach Berlin geholt und dann erst einmal beim Webformat geparkt.
Es war eine denkwürdige Erfahrung, das erste Mal, daß ich einen Redaktionsbetrieb erlebte, der aus sich selbst schöpfte und vor allem in sich selbst ruhte. Man recherchierte nicht vor Ort, traf sich nicht mit Stars, traute sich kaum aus der Redaktion heraus, allein schon, weil dafür gar keine Zeit vorgesehen war. Stattdessen flöhte man das Internet und produzierte täglich zwei Dutzend Geschichten am Schreibtisch, den man höchstens mal verließ, wenn man ausnahmsweise ein Telefoninterview arrangiert hatte und es in Ruhe führen wollte. Dann wich man vom Großraumbüro der Redaktion ins Obergeschoß aus, in Weltes Büro, der kein Schreibtischtäter war, weshalb es öfters leer stand. Dort, zwischen dem Silver-Surfer-Flipper und einer Silver-Surfer-Originalzeichnung holte ich mir dann vielleicht ausnahmsweise einen O-Ton. Schließlich waren wir multimedial, dann wollte so eine Sounddatei auch mal produziert werden.
Während Tom Kummer bei seinem Borderline-Journalismus zumindest noch den Eindruck zu erwecken versuchte, er hätte die Hollywood-Größen face to face interviewt, begann mit „whow“ die Ära der schnoddrigen Schreibtischtäter, die im Grunde auch nicht näher als ihre Leser an den Stars saßen, auch nicht viel mehr wußten, das Halbwissen aus Angelesenem und Angedichtetem höchstens vielleicht pointierter formulieren konnten.
Natürlich kam es auch schon früher im analogen Redaktionsalltag vor, daß man mit Dinosauriern wir Gerald Büchelmaier um einen Leuchttisch saß, das Bildmaterial der Agenturen sichtete und dann in der Bildunterschrift mutig drauflos schwadronierte, irgendeine Nachricht zu einem Foto erfand, immer im Vertrauen darauf, daß der Leser alles glaube, was gedruckt wird – oder sich zumindest gut unterhalten fühlt.
Heute böte das Internet nun die Möglichkeit, zu googeln, ob ein vermeintliches Exklusivinterview tatsächlich geführt oder nur aus bereits veröffentlichten Beiträgen anderer zusammenkopiert worden ist, bei unzureichend beschrifteten Paparazzifotos nachzurecherchieren, ob das nun ein Schnappschuß aus Malibu oder Saint-Tropez ist, zu überprüfen, ob es tatsächlich ein aktuelles oder doch nur veraltetes Bild ist.
Doch statt das Internet als ergänzendes Hilfsmittel zu sehen, als weitere Instanz, neben der Zusammenarbeit aus Freelancern, Korrespondenten, Agenturen und Redakteuren, neben der Vor-Ort-Recherche, neben Interviews und der Basisarbeit des Sich-Herumtreibens, dem mehr vom Zufall gesteuerten denn planvollen Sammeln und Jagen, wird zunehmend ausschließlich am Rechner recherchiert, und das nicht nur bei Heften wie „Chatter“, wo Borderline Redaktionsstatus zu haben scheint.
Als die „Süddeutsche Zeitung“ neulich den Agentur-Veteranen Mort Rosenblum (Associated Press) porträtierte, zitierte sie seine Sorge, die Redaktionen erlägen dem Irrglauben, „dass man von diesen Korrespondenten nicht mehr so viele braucht in Zeiten des Internets, die Redakteure können doch alle am Schreibtisch recherchieren.“
Der Schreibtischtäter ist gerade im tagesaktuellen Geschäft ein herrlich effizienter Journalist, an seinen Computer gekettet, und das im Idealfall sogar aus eigenen Stücken. „Die jungen Leute gehen nicht mehr vor Ort, weil sie sich in den Laptop verliebt haben“, bemängelte Michael Graeter („Abendzeitung“) neulich auf der Tagung „Boulevard – jein danke“, „die machen alles vom Schreibtisch aus. Selbst bei mir im Haus gibt es Leute, die sind noch nie außerhalb vom Rundfunkplatz 4 gesehen worden“.
Doch noch ist der Leser schlauer als so mancher Geschäftsführer oder Chefredakteur. „Whow“ fand selbst im Internet kaum Anklang und wurde bald abgewickelt. „Chatter“ verkaufte von der ersten Ausgabe nicht einmal die Hälfte der den Anzeigenkunden versprochenen Garantieauflage und bei der ums Überleben kämpfenden „Abendzeitung“ hat man ein Frontschwein wie Graeter den Schreibtischtätern zu Seite gestellt.
Doch in Druck ging es nie, was da in den Berliner Räumen der Burda-Tochter STARnetONE im Sommer 2001 unter Philipp Welte entwickelt worden war. Obwohl „whow“, primär ein tagesaktuelles Entertainmentformat im Internet, aber mit glossy Magazin-Look, keineswegs nur online erscheinen, sondern von Anfang an um einen Print-Ableger erweitert werden sollte. Für das papierne Spin-off hatte man mich aus München nach Berlin geholt und dann erst einmal beim Webformat geparkt.
Es war eine denkwürdige Erfahrung, das erste Mal, daß ich einen Redaktionsbetrieb erlebte, der aus sich selbst schöpfte und vor allem in sich selbst ruhte. Man recherchierte nicht vor Ort, traf sich nicht mit Stars, traute sich kaum aus der Redaktion heraus, allein schon, weil dafür gar keine Zeit vorgesehen war. Stattdessen flöhte man das Internet und produzierte täglich zwei Dutzend Geschichten am Schreibtisch, den man höchstens mal verließ, wenn man ausnahmsweise ein Telefoninterview arrangiert hatte und es in Ruhe führen wollte. Dann wich man vom Großraumbüro der Redaktion ins Obergeschoß aus, in Weltes Büro, der kein Schreibtischtäter war, weshalb es öfters leer stand. Dort, zwischen dem Silver-Surfer-Flipper und einer Silver-Surfer-Originalzeichnung holte ich mir dann vielleicht ausnahmsweise einen O-Ton. Schließlich waren wir multimedial, dann wollte so eine Sounddatei auch mal produziert werden.
Während Tom Kummer bei seinem Borderline-Journalismus zumindest noch den Eindruck zu erwecken versuchte, er hätte die Hollywood-Größen face to face interviewt, begann mit „whow“ die Ära der schnoddrigen Schreibtischtäter, die im Grunde auch nicht näher als ihre Leser an den Stars saßen, auch nicht viel mehr wußten, das Halbwissen aus Angelesenem und Angedichtetem höchstens vielleicht pointierter formulieren konnten.
Natürlich kam es auch schon früher im analogen Redaktionsalltag vor, daß man mit Dinosauriern wir Gerald Büchelmaier um einen Leuchttisch saß, das Bildmaterial der Agenturen sichtete und dann in der Bildunterschrift mutig drauflos schwadronierte, irgendeine Nachricht zu einem Foto erfand, immer im Vertrauen darauf, daß der Leser alles glaube, was gedruckt wird – oder sich zumindest gut unterhalten fühlt.
Heute böte das Internet nun die Möglichkeit, zu googeln, ob ein vermeintliches Exklusivinterview tatsächlich geführt oder nur aus bereits veröffentlichten Beiträgen anderer zusammenkopiert worden ist, bei unzureichend beschrifteten Paparazzifotos nachzurecherchieren, ob das nun ein Schnappschuß aus Malibu oder Saint-Tropez ist, zu überprüfen, ob es tatsächlich ein aktuelles oder doch nur veraltetes Bild ist.
Doch statt das Internet als ergänzendes Hilfsmittel zu sehen, als weitere Instanz, neben der Zusammenarbeit aus Freelancern, Korrespondenten, Agenturen und Redakteuren, neben der Vor-Ort-Recherche, neben Interviews und der Basisarbeit des Sich-Herumtreibens, dem mehr vom Zufall gesteuerten denn planvollen Sammeln und Jagen, wird zunehmend ausschließlich am Rechner recherchiert, und das nicht nur bei Heften wie „Chatter“, wo Borderline Redaktionsstatus zu haben scheint.
Als die „Süddeutsche Zeitung“ neulich den Agentur-Veteranen Mort Rosenblum (Associated Press) porträtierte, zitierte sie seine Sorge, die Redaktionen erlägen dem Irrglauben, „dass man von diesen Korrespondenten nicht mehr so viele braucht in Zeiten des Internets, die Redakteure können doch alle am Schreibtisch recherchieren.“
Der Schreibtischtäter ist gerade im tagesaktuellen Geschäft ein herrlich effizienter Journalist, an seinen Computer gekettet, und das im Idealfall sogar aus eigenen Stücken. „Die jungen Leute gehen nicht mehr vor Ort, weil sie sich in den Laptop verliebt haben“, bemängelte Michael Graeter („Abendzeitung“) neulich auf der Tagung „Boulevard – jein danke“, „die machen alles vom Schreibtisch aus. Selbst bei mir im Haus gibt es Leute, die sind noch nie außerhalb vom Rundfunkplatz 4 gesehen worden“.
Doch noch ist der Leser schlauer als so mancher Geschäftsführer oder Chefredakteur. „Whow“ fand selbst im Internet kaum Anklang und wurde bald abgewickelt. „Chatter“ verkaufte von der ersten Ausgabe nicht einmal die Hälfte der den Anzeigenkunden versprochenen Garantieauflage und bei der ums Überleben kämpfenden „Abendzeitung“ hat man ein Frontschwein wie Graeter den Schreibtischtätern zu Seite gestellt.
Freitag, 30. Juli 2010
Zeugnistag
„Betragen und Fleiß des lebhaften Schülers waren nicht immer gut. Seine Mitarbeit steigerte sich in letzter Zeit wieder.“ (1. Klasse)
„Der aufgeschlossene Schüler zeigte vorbildliche Mitarbeit und gutes Betragen. Seine Schrift entspricht nicht der geforderten Norm.“ (3. Klasse)
„Betragen und Fleiß des selbstsicheren Schülers erfreuten. Die mündliche Mitarbeit ist erst in den letzten Monaten lebhafter geworden.“ (4. Klasse)
„Dorin hat während des Schuljahres interessiert, bisweilen aber unkonzentriert mitgearbeitet. Sein Verhalten war einwandfrei.“ (5. Klasse)
„Dorins Verhalten war anerkennenswert; seine Leistungen wurden nur noch gelegentlich durch Konzentrationsmängel beeinträchtigt.“ (6. Klasse)
„Dorin hat wiederum sehr rege mitgearbeitet, muß aber bei schriftlichen Prüfungen weniger flüchtig sein.“ (7. Klasse)
„Seine Mitarbeit und sein Verhalten waren lobenswert.“ (8. Klasse)
„Der aufgeschlossene Schüler zeigte vorbildliche Mitarbeit und gutes Betragen. Seine Schrift entspricht nicht der geforderten Norm.“ (3. Klasse)
„Betragen und Fleiß des selbstsicheren Schülers erfreuten. Die mündliche Mitarbeit ist erst in den letzten Monaten lebhafter geworden.“ (4. Klasse)
„Dorin hat während des Schuljahres interessiert, bisweilen aber unkonzentriert mitgearbeitet. Sein Verhalten war einwandfrei.“ (5. Klasse)
„Dorins Verhalten war anerkennenswert; seine Leistungen wurden nur noch gelegentlich durch Konzentrationsmängel beeinträchtigt.“ (6. Klasse)
„Dorin hat wiederum sehr rege mitgearbeitet, muß aber bei schriftlichen Prüfungen weniger flüchtig sein.“ (7. Klasse)
„Seine Mitarbeit und sein Verhalten waren lobenswert.“ (8. Klasse)
Kama Sutra
Schon im Urlaub gewesen? Bedarf für ein bißchen Entspannung? Wie wäre es mit einer Zeitreise ins Indien des 16. Jahrhunderts, für 114 Minuten Sinnesrausch? Eintauchen in einen müßiggängerischen Kosmos, wo jede Lust Vollendung will. Wo das Kama Sutra nicht auf ein Stellungsspiel reduziert wird, sondern Genuß und Sinnlichkeit den ganzen Tagesablauf bestimmen.
Ein Panoptikum der Begierde, Verführung und Vereinigung – oder bei mißlungener Balz auch der Verweigerung. In den Hauptrollen: Paläste mit schummrigen Interieurs, Badestellen voller treibendem Blütenzauber, raschelnde, oft kaum etwas verbergende Seidengewänder, den Körper akzentuierende Schmuckpretiosen, einlullender Singsang und natürlich genug anmutige Schauspieler. Ein Bilderberg für Götter.
Die Handlungskonturen dieses im Farbspektrum eines Gewürzbasars gehaltenen Designertraums bilden sich nur sehr langsam heraus und könnten durchaus als weiblicher Gegenentwurf zum „Tiger von Eschnapur“ gelten. Ein König entzweit sich beim Buhlen um dieselbe Frau mit seinem Lieblingsbildhauer und wird, feist und bösartig geworden, die Frau und sein Reich verlieren.
Nur setzt Mira Nair („Salaam Bombay“, „Mississippi Masala“) nicht die beiden Gockel in den Mittelpunkt, sondern die Kurtisane Maya sowie deren Widersacherin Tara. Prinzessin Tata und ihre Dienerin Maya wachsen gemeinsam auf. Trotz aller Standesunterschiede sind sie Freundinnen, auch wenn Maya immer die Talentiertere und Tara der Herkunft wegen die Hoffnungsvollere ist. Ihre Wege trennen sich erst, als die Prinzessin mit König Raj Singh vermählt wird. Maya verführt den König vor der Hochzeitsnacht, wird verstoßen und kehrt als ausgebildete Kurtisane in die unglückliche Ehe der Edelleute zurück.
Dem Inhalt braucht man aber nicht viel Aufmerksamkeit schenken. Lieber abschalten und in die Klang- und Bilderflut eintauchen, auch wenn es gelegentlich etwas langweilig wird. Eben ganz genauso wie ein Tag am Strand.
Dieser Text erschien in der Kulturbeilage des Berliner „Tagesspiegel“: „Ticket“ 19/1997
(Foto: 3sat/ZDF/Lydia Dean Pilcher)
Ein Panoptikum der Begierde, Verführung und Vereinigung – oder bei mißlungener Balz auch der Verweigerung. In den Hauptrollen: Paläste mit schummrigen Interieurs, Badestellen voller treibendem Blütenzauber, raschelnde, oft kaum etwas verbergende Seidengewänder, den Körper akzentuierende Schmuckpretiosen, einlullender Singsang und natürlich genug anmutige Schauspieler. Ein Bilderberg für Götter.
Die Handlungskonturen dieses im Farbspektrum eines Gewürzbasars gehaltenen Designertraums bilden sich nur sehr langsam heraus und könnten durchaus als weiblicher Gegenentwurf zum „Tiger von Eschnapur“ gelten. Ein König entzweit sich beim Buhlen um dieselbe Frau mit seinem Lieblingsbildhauer und wird, feist und bösartig geworden, die Frau und sein Reich verlieren.
Nur setzt Mira Nair („Salaam Bombay“, „Mississippi Masala“) nicht die beiden Gockel in den Mittelpunkt, sondern die Kurtisane Maya sowie deren Widersacherin Tara. Prinzessin Tata und ihre Dienerin Maya wachsen gemeinsam auf. Trotz aller Standesunterschiede sind sie Freundinnen, auch wenn Maya immer die Talentiertere und Tara der Herkunft wegen die Hoffnungsvollere ist. Ihre Wege trennen sich erst, als die Prinzessin mit König Raj Singh vermählt wird. Maya verführt den König vor der Hochzeitsnacht, wird verstoßen und kehrt als ausgebildete Kurtisane in die unglückliche Ehe der Edelleute zurück.
Dem Inhalt braucht man aber nicht viel Aufmerksamkeit schenken. Lieber abschalten und in die Klang- und Bilderflut eintauchen, auch wenn es gelegentlich etwas langweilig wird. Eben ganz genauso wie ein Tag am Strand.
Dieser Text erschien in der Kulturbeilage des Berliner „Tagesspiegel“: „Ticket“ 19/1997
(Foto: 3sat/ZDF/Lydia Dean Pilcher)
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