Und so wurde ich offenbar am 7. Februar 2015 zur Fahndung ausgeschrieben und ein Foto von mir als dringlich zu identifizierende Person zumindest auf die Handys der auf der Siko eingesetzten Polizeibeamten verschickt, mit der Aufforderung, mich bei Erscheinen festzuhalten und meine Personalien festzustellen. Angesichts meines eher wilden Haarwuchses unter all den geschniegelten Konferenzteilnehmern ein leichtes Unterfangen.
Seit 2013 war ich als Journalist bei der Münchner Tagung regelmäßig akkreditiert gewesen. Nachdem sich meine Artikelthemen gewandelt und ich mich für den 51. Durchgang 2015 nicht zurückgemeldet hatte, schrieb mich das Media Team um Pressesprecher Oliver Rolofs wiederholt an, wies mich daraufhin hin, daß für mich ein Platz im Pressepool reserviert sei, und akkreditierte mich schließlich weit nach Anmeldeschluß, als ich doch noch seiner Aufforderung zu einer Teilnahme nachkam.
Business as usual also. Entsprechend begann Sonntag, der 8. Februar 2015, wie der gewohnte lätscherte dritte Konferenztag. Ich hatte keine drei Stunden geschlafen, die winterliche Innenstadt war menschenleer, ich näherte mich kurz nach 8 Uhr dem Bayerischen Hof. Die uniformierten Polizisten am Promenadeplatz hatte ich schon passiert, als mich eine Beamtin doch noch zurückrief und nach meinem Personalausweis fragte.
Wenige Minuten später hatte ein Zivilbeamter, der sich mit nichts anderem als dem Konferenz-Badge auswies („Oswald – Police“), das Kommando übernommen. Ich war zur Identitätskontrolle ins Hotel geführt worden, umringt von einem halben Dutzend uniformierter und ziviler Beamter. Als ob sie jederzeit mit einem Fluchtversuch rechneten.
Mein Personalausweis wanderte von Hand zu Hand. Den unterschiedlichsten Dienststellen wurden meine Personalien telefonisch übermittelt. Und selbst nachdem bei einem weiteren Anruf geklärt worden war, daß ich weiter an der Tagung teilnehmen durfte, sistierte man mich noch ein bißchen länger, bis meine Daten wirklich allen Interessenten übermittelt worden waren.
Die Räuberpistole von meinem unbefugten Eindringen erzählte mir Oswald übrigens mit dem süffisanten Grinsen eines Captain Renault, wobei meine Rolle in diesem Vergleich keineswegs die Bogarts, sondern die von Peter Lorre wäre. Der Polizist wußte, daß es eine Lüge war. Ich wußte es. Und es war ihm egal, was ich daraus machen würde.
Nun war es wirklich nicht das erste Mal, daß ich Probleme mit der Münchner Polizei gehabt hätte. Sei es, daß man beispielsweise anläßlich der Studentenproteste 2009 andere Journalisten und mich rechtswidrig am Betreten der Ludwig-Maximilians-Universität gehindert hätte, wofür sich dann seltsamerweise Unipräsident Huber rechtfertigen mußte und nicht etwas die Verantwortlichen vom Kommissariat für politisch motivierte Kriminalität (Links). Zwei Jahre später hatte mich die Polizei die Treppe an der Feldherrnhalle heruntergestoßen, nachdem ich meinen Presseausweis zückte. Aber das waren alles in ihrer Entwicklung durchaus nachvollziehbare spontane Entgleisungen im Rahmen hitziger Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten.
Die Vorkommnisse im Bayerischen Hof waren dagegen kaltblütig geplant. Doch warum hatte man mich über eine halbe Stunde unter beachtlichem Personaleinsatz festgehalten? Ein unbotmäßiger Tweet oder ein unangemessenes Foto können es nicht gewesen sein, denn als akkreditierter und damit auch einer Sicherheitsüberprüfung unterliegender Teilnehmer waren diese für jeden identifizierbaren Veröffentlichungen mir eindeutig zuzuordnen.
Offenbar war ich irgendwo abgelichtet und mit Hilfe dieses Bildes zur Fahndung ausgeschrieben worden. Zugleich muß man auf dem Bild erkannt haben können, daß ich ein Konferenzteilnehmer war. Ich trug also mein gelbes Media Badge sichtbar. Und da kommen nur zwei Situationen in Frage:
Samstag vormittag hatte ich im Arabellapark den öffentlich geparkten Hazmat Truck des US Secret Service und einen Pick-up aus dessen Fuhrpark fotografiert und geflickrt. Anschließend hatte ich die No-NATO-Demo am Marienplatz dokumentiert. Hatte ich nun US-Dienste oder die Münchner Polizei mit meiner Anwesenheit so sehr irritiert, daß sie mich identifizieren wollten? Ersteres schließt ein hochrangiger Insider nahezu aus. Die Münchner Polizei dagegen kennt mich so gut, daß etwa der mir bis dahin völlig unbekannte Polizeisprecher Christoph Reichenbach mich Jahre zuvor schon bei einer Demo am Marienplatz auf Anhieb identifizierte und mich sogar mit Handschlag begrüßte. Leichter kann man meine Glaubwürdigkeit auf der anderen Seite gar nicht untergraben.
Es bleiben viele Fragen offen. Nur eine nicht. Die nach weiteren Teilnahmen an der MSC. Das Team der Münchner Sicherheitskonferenz hat mir inzwischen nicht nur den jahrelang reservierten Platz im Pressepool gestrichen, sondern mich gleich gänzlich aus dem Presseverteiler geworfen.
(Fotos: Zwez/MSC, MSC, Dorin Popa)